Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Shanghai Acrobats & ein kleines schlaues Schwein

Wie es sich fuer einen ordentlichen Besuch in Shanghai gehoert, haben wir heute Abend eine Akrobaten-Show besucht. Und zwar mal nicht ERA, sondern die Vorstellung in dem etwas plueschigen Lyceum-Theater (gegruendet 1866, neu erbaut 1931). Wobei der Pluesch nur im uebertragenen Sinn existiert. Hier gibt es nur ein Buehnenbild, naemlich einen Panoramablick ueber den Huangpu mit dem Bund auf der linken und der Skyline von Pudong auf der rechten Seite. Die Akrobaten sind aber hier so gut wie dort, soweit ich das beurteilen kann, und die Nummern recht aehnlich. Darunter meine Lieblingsnummer mit den Porzellantoepfen (wie zum Beispiel hier nachzulesen). Es waren uebrigens viele Amerikaner und sonstige Langnasen dort - und die fanden die Show wohl auch gut, jedenfalls beklagte Andrea sich, dass ihre Nachbarin alle halbe Minute ein halb erschrecktes, halb fasziniertes "Oh, my god!" ausstiess. Was wiederum bei Andrea keine grosse Begeisterung ausloeste.

Das Wetter war heute allerdings furchtbar. Schon um fuenf Uhr war es heute stockfinster, und geregnet hat es natuerlich auch. Angeblich soll das morgen und uebermorgen auch so sein - gut, dass es in Shanghai so interessante Museen gibt.

Vorher war heute "Kindertag": Andrea hat im deutschen Kindergarten hospitiert, und hinterher sind die drei noch zum "Kinderpalast" gefahren. Eine Art "Aktivitaetenzentrum" fuer Kinder verschiedener Altersstufen ist das wohl, wo es unter anderem ein LEGO Education Center gibt. Erwachsene bauen Kindern was vor, und die sollen es dann nachbauen. Wie ich Burkhard kenne, haette der sicher auch gern selber hingelangt ... aber statt dessen hat er im Kinderbuchladen ein super Bilderbuch gefunden und auch gekauft. Das war auch viel besser: Darin klopft ein suesses kleines Schweinchen versehentlich beim Fuchs an, der die Gelegenheit beim Schopf ergreift bzw. das Schweinchen beim Bauch: er will sich daraus eine leckere Mahlzeit zubereiten. Aber das natuerlich kooperative Schweinchen hat noch lauter kluge Hinweise. Also erstens sei es zu schmutzig, man muss doch seine Lebensmittel vor dem Verzehr waschen (der Fuchs muss es schoen baden und schrubben), zweitens ganz hungrig, das schmeckt doch nicht! (der Fuchs muss ihm erst Spaghetti mit Tomatensauce kochen und Plaetzchen backen), und drittens sei es ganz verspannt, so dass es gar nicht gleichmaessig garen kann (der Fuchs muss es gruendlich massieren) - und am Ende bricht der Fuchs erschoepft zusammen, das Schweinchen guckt ihn bedauernd an und trabt in einer hellen Vollmondnacht vergnuegt nach Hause. Es macht es sich mit den uebriggebliebenen Plaetzchen und einem guten Buch im Sessel vor dem prasselnden Kaminfeuer bequem, und wenn es nicht gestorben ist, so grunzt es noch heute.

Sonntag, 26. Oktober 2008

Besuch

So, heute ist unser Besuch eingetroffen: meine Cousine und ihr Freund wollen die naechsten knapp anderthalb Wochen Shanghai unsicher machen. Schon am ersten Tag haben sie diverse Punkte von der Programmliste abgearbeitet: Mit der Faehre auf die andere Seite des Flusses gefahren, auf der Fangbang Lu gebummelt und sich von der Fuelle des dort feilgebotenen Krams umhauen lassen, die ersten nervigen Erfahrungen mit "Watch, bag!" gemacht (guck mal, da ist 'ne Tasche ... ;-)) ), den Yu-Garten besichtigt und den Stadtgotttempel inspiziert. Aber bei uns Tee und Kaffee getrunken, diesmal noch nicht im Teehaus. Es gab urdeutsche Mandelhoernchen der Baeckerei Abendbrot (praktisch 0 Kalorien) und frisch von der meishijie, der Essstrasse, die von der Fangbang Lu abzweigt, mitgebrachte Waffeln. Vorsichtiges Eingewoehnessensprogramm. ;-)

Heute geht es zum Abendessen nach Xintiandi in mein "all time favourite" Ye Shanghai - dort gibt's ja hoffentlich so leckeres Essen, dass es gegen Jet Lag und die damit verbundene Muedigkeit hilft. Und es ist eine Stufe chinesischer. Im Moment ist bekanntlich Wollhandkrabbensaison, gucken wir mal, was wir dort bekommen koennen. -- Stunden spaeter: jiaozi mit Shrimps und Krebsfleisch gefuellt (ganz lecker, aber auch nicht sooooo besonders) und gefuellte, ueberbackene Krebsschalen (recht lecker und vor allem sooooo bequem zu essen!). Das war natuerlich nicht das einzige, es gab auch Huhn und Ente und Auberginen und noch ein paar Kleinigkeiten.

Jetzt sind gerade alle zu Bett gegangen, der Jet Lag hatte sichtlich zugeschlagen.

Samstag, 25. Oktober 2008

Mundwasserhaehnchen

Schlechte Zeiten, im Moment - ich habe mir irgendwas gefangen und fuehle mich schon die ganze Woche nicht besonders gut, und heute ist es ganz schlimm mit verstopfter und gleichzeitig laufender Nase. Und Husten und "Matschigsein". Und dabei war heute doch mal wieder Pudong Brunch im Paulaner Braeuhaus!

Da gab es aber kein Mundwasserhaehnchen, sondern ein ganz normales Mittagsbuffet. Salate als kalte Vorspeisen, Suppe, verschiedene warme Sachen, darunter natuerlich Urdeutsches wie Wuerschtl, Sauerkraut, Rotkohl, Spaetzle und Brezn, aber auch "normale" internationale Kueche. Wie immer nix Besonderes, aber auch nicht richtig schlecht.

Die besagte Spezialitaet, ich muss es wohl zugeben, kenne ich auch nur vom Hoerensagen. Die gibt es laut Yang XiaoLi bei Kendeji (sprich: ke-i-eff-ßi), und es soll sich um speichelflussanregend gewuerzte Huehnerteile handeln. Liu kou-shui, woertlich "fliessen Mund-Wasser", ist naemlich die chinesische Version des sprichwoertlich im Munde zusammenlaufenden Wassers.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Restaurant Service Management auf Chinesisch

Im Restaurant: Din Tai Fung. Da man sehr kundenorientiert ist, fragt man die Kunden als erstes nach dem Namen. Warum? Wozu? Keiner weiss es, jedenfalls wird er nicht benutzt, um einen damit anzureden. Ich bin jedesmal in Versuchung, meinen Namen als N-O-N-A-M-E zu buchstabieren. Nur Burkhard ist immer so guuutmuetig ... Dabei ist es doch eine Grundregel der Kundenorientierung, niemanden nach Informationen zu befragen, die man dann nicht benutzt.

Man nehme alsdann einen Fragebogen, den man dem Kunden zusammen mit der Rechnung praesentiert. Normalerweise fuellen wir den ja schon gar nicht mehr aus, aber diesmal hatten wir recht lange auf das Dessert gewartet und es hatte zweier Nachfragen bedurft, bis es endlich kam. Insofern war ich geneigt, dem Unternehmen eine kostenlose Beratung angedeihen zu lassen. Und auf dem Fragebogen bei "Service" das Kreuzchen nicht in der Kategorie gut zu machen, sondern bei annehmbar - neben duerftig die dritte Wahlmoeglichkeit. Aber was fuer ein Bogen ist das denn? Da soll man seinen Namen (Noname also ;-)) ) eintragen, und vor allem sieht das Formular auch vor, dass der Name der Bedienung eingetragen wird. Und schon, waehrend wir noch schreiben, faengt die Bedienung an, mit uns ueber das Kreuz bei "fair" zu diskutieren. Was ist los?! Die machen das wohl so, dass fuer die Kategorie "Service" ausschliesslich die zustaendige Bedienung verantwortlich ist ... In unserem Fall wuerde ich ihr einen Teil der Verantwortung geben (sie haette in der Kueche mehr Druck machen sollen) und den anderen Teil der Kueche. Soll ich mich jetzt fuer die Bewertung rechtfertigen, oder wie, oder was?! Das wird mir doch alles zu bunt! Ich nehme also das Formular und reisse es in Stuecke, unter solchen Bedingungen gebe ich doch die Umfrage gar nicht erst ab! Aijaijai, da sind Chinesen wie Koelner: am schoensten issed, wenned schoen is', un' wenn sonn Westfaale mit kein' Jefuehl dafuer, wanned schoen is', ers' ma' Zettel zerreiss', issed nich' mehr schoen. Daraufhin kam auch noch der "Oberkellner" dazu, dem wir muendlich mitgeteilt haben, dass wir die Kueche in der Verantwortung fuer den allzu langsamen Service sehen. Die Formularfetzen habe ich vorsichtshalber mitgenommen ... und wir haben den Saal halb fluchtartig verlassen.

Ein wunderbares Beispiel also, wie man es nicht machen soll und warum Feedback besser anonym eingeholt wird. Das war mal einer der aeusserst raren Momente in meinem Leben, in dem ich die Bedeutung von Datenschutz intensiv gespuert habe.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Caprices du temps - Wetterlaunen

Heute Morgen war es etwas grau, und ploetzlich heute Mittag richtig schoen! Die Sonne schien, der Himmel war sogar ein bisschen blau, und das Lueftchen so schoen lau, dass wir entgegen unseren sonstigen Gepflogenheiten bei element fresh zu speisen entschieden haben. Das ist ein gar nicht mal sooo tolles Restaurant, das zum Ausgleich eine tolle website hat sowie fuer Langnasen "design-tes" Futter und eben eine schoene Terrasse. Schoen, aber schon nicht mehr ganz sicher, scheint mir: an zwei Stellen sind die Bodenplanken schon durchgebrochen und die entsprechenden Loecher einfach durch das Daraufstellen von Stuehlen gesichert ...

Anschliessend - das Wetter war einfach zu gut - sind wir noch einen Kaffee trinken gegangen. Bei dem Wetter hatte ich gar keine Lust, ins Buero zurueckzukehren, aber was half's. Und die Quittung: als ich heute Abend nach Hause fuhr, regnete es! Vor dem Citigroup Tower standen einige Leute und warteten auf ein Taxi, darunter auch zwei deutsche Jungmanager (wuerde ich tippen). Da Taxis bekanntlich bei Regen nicht zu bekommen sind, hatte sich in diesen beiden Herren schon ein gewisses Frustpotential aufgestaut. Als ein Taxi kam und eine Gruppe von Chinesen erst einmal lang und breit mit dem Fahrer zu diskutieren anfing, murmelten sie schon unfreundliche Dinge. Ich weiss, es ist kein schoener Zug von mir, aber in dem Moment habe ich es wirklich genossen, als Ding Shifu vorgefahren kam und ich einfach nur einzusteigen brauchte ...

Sonntag, 19. Oktober 2008

Shanghai Grand Prix

Hiermit ist der Tag im Kalender rot angestrichen - ich bei der Formel 1! In den letzten Jahren habe ich das schon lange von mir auf Lebensmittel angewandte Prinzip "Alles mindestens einmal probieren" auf andere Dinge erweitert, und so haben wir uns dieses Jahr in ein Investment gestuerzt und fuer ca. 200 Euro (pro Nase, wohlgemerkt) Karten fuer den Grossen Preis von Shanghai erworben. Nicht gerade ein preiswertes Vergnuegen, und das sind auch keineswegs die besten Karten - die kosten etwa das Doppelte.

Wir hatten Ding Shifu gebeten, uns hinzufahren. Auf der Yan'An-Stadtautobahn hatten wir dann erst einmal unseren eigenen, allerdings ganz ungeplanten Boxenstopp: das Auto hatte vorn links einen Platten! Aber, das muss man Ding Shifu lassen, in etwa 10 Minuten hatte er ihn gewechselt, auf einem "Zwickel" zwischen der Autobahn und einer Ausfahrt stehend. Ich glaube, es war dann eine gute Stunde nach der Abfahrt, als er uns irgendwo im Oedland von Jiading - die haben da naemlich nicht nur einen Konfuziustempel - an einer Shuttlebushaltestelle abgesetzt hat. Bloederweise lassen die niemanden vorfahren, auch wenn es nur jemanden abzusetzen gilt. Na ja.

Der Shuttlebus, in dem ungefaehr zig Maenner und zwei oder drei Frauen sassen und in dem auch gar nicht wenig deutsch gesprochen wurde, entliess uns am Shanghai International Circuit in der Naehe von Block B ins Gedraenge. Hm - so konnten wir auf dem Weg zu unseren Plaetzen in Block K die halbe Strecke von aussen inspizieren: an dem grossen Hauptgebaeude (an der Start-/Zielmarke auf der Skizze vom Streckenverlauf, die man, dem Link folgend, ansehen kann) entlang bis zu den "grandstands", die auf der Skizze ziemlich genau bei der Nummer 15 liegen. Zu meiner Ueberraschung gab es bloss Cola-Verkaufsstaende und gar keine Imbissbuden, jedenfalls nicht im eingezaeunten Bereich - dafuer natuerlich "Mörtschendaißing" aller Marken und von Formel 1 allgemein und vom Shanghai Circuit. Schirmkappen ab 350 RMB, sind die denn des Wahnsinns fette Beute?!

Als wir unsere Plaetze (noch vor ein Uhr mittags) erreicht hatten, lief gerade so ein Tourenwagenrennen oder so. Ganz schoen laermig! Auf dem Weg hatten uns auch schon ca. 500 fliegende Haendler Ohrstoepsel und Fernglaeser angeboten ... Am Ende konnte man auf einer Leinwand die Siegerehrung sehen, und dazu wurde die deutsche Nationalhymne gespielt. Keine Ahnung, welcher "Lanzmann" ;-) da was gewonnen hat. Spaeter fuhren dann diverse Streckenkontrollfahrzeuge und eine Strassenkehrmaschine vorbei, und dann irgendwann ein paar Formel 1-Autos. Au weia! Die Tourenwagen waren ja schon richtig laut, aber noch angenehm verglichen mit diesen Fahrzeugen. Das kann ja noch heiter werden ...

Dann gab's aber erst einmal Musik aus den Lautsprechern, und auf der Leinwand gab es ein paar Latein-Tanzvorfuehrungen und ein herumhampelndes Haibao-Ballett zu sehen. Ja, und dann ging es also los mit der Einfahrrunde. Dieser Laerm, unglaublich! Wir haben einen tollen Blick auf die besagte Haarnadelkurve. Davor liegt die lange Gerade, auf der die Fahrer so richtig Gas geben koennen, und dann muessen sie tuechtig bremsen, die Kurve nehmen und dann wieder tuechtig beschleunigen, wobei natuerlich sowohl der Bremsvorgang als auch die Beschleunigungsphase mit besonderem Laerm verbunden sind. Die selbst mitgebrachten Ohrstoepsel helfen so gut wie nicht. Zu Anfang ist das noch nicht so schlimm, in den ersten fuenf bis zehn Runden kommt das Fahrerfeld weitgehend en bloc angefahren, und wenn die erst wieder weg sind, ist es "wunderbar still" (alles ist halt relativ). Der Silberpfeil von Hamilton faehrt vorneweg, gefolgt von den zwei roten Ferraris, aber - soweit ich das beurteilen kann - nie ernsthaft in Gefahr, ueberholt zu werden.

Ja, und so fahren die Fahrer eine Runde nach der anderen. Mittlerweile ist das Feld zerfallen, so dass der Laerm durchgaengig die Ohren belaestigt. Und die Raucher vor uns, darunter ein Pfeifenraucher (die kann man doch in der Pfeife rauchen!) belaestigen uns mit ihrem Qualm. Wenn's nach mir ginge, wuerde ich das sofort zu einer Nichtraucherveranstaltung deklarieren, vor allem, da ich doch in Japan schon schlotmaessig passivgeraucht hatte! Nach etwa einer Stunde spuere ich akute Zermuerbung. Furchtbar, dieser Laerm, dem man ueberhaupt nicht entkommen kann! Meine Musik aus dem MP3-Player, die ich mit dicht abschliessenden Ohrstoepseln und der Geraeuschunterdrueckungsfunktion zu hoeren versuche, hilft nicht, alternativ helfen die Stoepsel auch nicht, und die Ohren mit den Fingern heftig zupressen nuetzt ebenfalls nicht. Zu Hilfe!

Nach 1:31:57.403 Stunden ist es so gut wie vorbei, das wurde auch Zeit! Hamilton hat mit ca. 15 Sekunden Vorsprung auf Massa gewonnen (Ergebnisse zum Beispiel hier) und war nach meinem Dafuerhalten zu keinem Zeitpunkt von seinen Verfolgern bedroht.

Wir muessen jetzt nur noch Ding Shifu und das Auto wiederfinden, gar nicht so leicht! Wir gehen schon ein ganz schoenes Stueck und warten an einer Kreuzung im Verkehrschaos fast eine Stunde lang. Schliesslich findet er uns zu Fuss (wir hatten ja vorher schon mehrfach telefoniert), dann muessen wir noch ein ganz schoenes Stueck gehen und dann ueber volle Strassen heimfahren. Schliesslich sind wir um 20 Uhr reichlich erschoepft wieder zu Hause. Formel 1 habe ich jetzt also einmal probiert, das reicht fuer mindestens ein Leben!

Samstag, 18. Oktober 2008

Japan-Schnitzel

Ich hatte doch noch ein paar "Japan-Schnitzel" auf dem Herzen, die ich mir (neben der KaLaOK-Geschichte) auch noch von demselben schreiben wollte! Also beherzt drauflos:

Manchmal sind sie ja ein bisschen umstaendlich, die Japaner, aber manchmal auch hemmungslos praktisch. Damit stuerzen sie eine Langnase wie mich in Wechselbaeder. Das zeigte sich schon im Hotel: Nach dem Duschen war das Badezimmer immer tuechtig eingenebelt, weil kein vernuenftiger Abzug da war. Und ergo die ganze verspiegelte Wand ueber dem breiten Waschtisch beschlagen. Aber wie durch ein Wunder war eine Flaeche ueber dem Waschbecken klar und frei. Das Wunder entpuppte sich natuerlich, wenig ueberraschend, als Spiegelbeheizung. Waehrend das sehr praktisch war, waren die Bettbezuege sehr unpraktisch, naemlich nicht am Fussende offen, sondern auf der Laengsseite. Wer denkt sich denn sowas aus?! Andererseits wieder sehr erfreulich: dies war, wenn ich mich recht erinnere, das erste Hotel hier in Asien, das sich an die selbst ausgegebene Regel haelt, Handtuecher nur zu wechseln, wenn man sie auf den Boden wirft. "Help us save the world", so stand auf der Informationskarte - ich habe mein Mikroscherflein beigetragen! Und was die platzsparende Erfindung einer Kombination aus Toilette und Bidet betrifft, so habe ich darueber ja schon vor laengerer Zeit Boudoirgeschichten erzaehlt.

Essen ist natuerlich, wie eigentlich ueberall, ganz wichtig. So wichtig, dass es nichts Verdaechtigeres gibt als chinesische Lebensmittel oder, allgemeiner, aus China importierte Lebensmittel. Quasi unberuehrbar ist das! Von essbar oder geniessbar ganz zu schweigen. Andererseits ist den Chinesen umgekehrt japanisches Essen auch nicht geheuer. Roher Fisch? Konfuzius behuete! Ueberhaupt: Japaner essen ganz komische Sachen, sagen die Chinesen. Na, die Chinesen muessen es ja wissen, sage ich ... Am Sonntagabend hatte jedenfalls ich das weltberuehmte (oder sollte ich besser sagenhafte sagen?) Kobe-Rindfleisch, als Teppanyaki zubereitet. Ganz schoen fett, aber lecker. Am Montag waren wir mittags Sushi essen in einer mickrigen Allerweltssushibar, die nicht mal voll war (schlechtes Zeichen eigentlich), aber die gebotenen Haeppchen mit Fisch waren von besserer Qualitaet als in den meisten Shanghaier Etablissements, sogar den besseren. Montagabend waren wir mit dem ganzen Team in einem ganz hoelzernen Restaurant mit umlaufenden Goldfischaquarien ueber den Sitzbaenken. Vermutlich gibt es die Aquarien, damit man in der leicht brennbaren Umgebung das Rauchen nicht verbieten muss ... Serviert wurde ein mehrgaengiges japanisches Menu, alles lecker, mit am Tisch von den Essern selbst in kleinen Pfaennchen zu bratenden Meerohren (Abalone - siehe auch Ambrosia) als Hoehepunkt. Am Dienstag gab es mittags die nicht weltberuehmten, aber unter "Insidern" doch bekannten Okonomiyaki, immerhin eine Spezialitaet in Osaka. Das Witzige an denen war, dass sie ueppig mit Bonito-Flocken bestreut waren. Diese hauchduennen Thunfischspaene bewegten sich in der heissen und vergleichsweise feuchten Umgebung des zubereiteten Okonomiyaki ganz vegetativ, ein bisschen wie Korallen, so dass das Essen ganz lebendig wirkte. Und die Bewegung hielt lange an, weit ueber den Moment des Servierens hinaus! - Vor dem Singeabend mussten wir uns im Steakhaus staerken. In Japan bestellt man offenbar ungefaehr 5 oder 6 Steaks fuer 8 Personen, und dann werden die geteilt wie sonstiges Essen. Was wirklich stoerte: Nichtraucheretablissements scheinen in Japan komischerweise nicht ueblich zu sein, und die Japaner rauchen erschreckend viel. Dementsprechend habe ich in den dreieinhalb Tagen passivgeraucht wie ein Schlot, das reicht erst einmal fuer die naechsten Jahre ...

Und ansonsten ist einfach in Japan alles anders. So gab es fuer einige der Besprechungen eine professionelle Simultanuebersetzung, eine ganz neue Erfahrung fuer mich. Man muss sich schon drauf verlassen, dass auch in einer so speziellen Materie die Uebersetzer das Richtige uebersetzen. Dass alles anders ist in Japan, wusste ich ja schon aus der Zusammenarbeit mit den japanischen Kollegen. Aber dass die Uhren auch anders gehen (und nicht bloss wegen der Zeitzone) war mir neu. Und da es jetzt schon 26:00 Uhr durch ist, muss ich mal so langsam zu Bett gehen!

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Mittwoch, 15. Oktober 2008: Heimreise

Na, sowas Bloedes: fragt uns Gloria, wann wir losfahren wollen, sage ich ihr, dass wir bitte so fahren, dass wir um 21 Uhr am Flughafen sind, denn unser Flug ist um 22:40 Uhr. Vier Stunden Fahrt brauche man, behauptet sie - ich zweifle das an, denn in unserem Programm steht, dass es zwei Stunden sind. Na, schau'n mer ma'.

Wir fahren unter tuechtigem Gemeckere des Fahrers ziemlich genau um 16:45 Uhr los. Nicht, dass wir verstehen, was er sagt, aber es klingt deutlich wie der notorische Rohrspatz. Um 18:45 Uhr halten wir in Huangshan City unweit vom Flughafen vor einem Restaurant. Ob wir zu Abend essen moechten? Nein, sagen wir, wenn wir nun schon da sind, dann essen wir am Flughafen. Aber Gloria erklaert, sie und der Fahrer wuerden jetzt hier essen, es sei ja auch noch Zeit. Ach nee. Mein Hinweis, dass ihre Aussage, die Fahrt dauere vier Stunden, ja wohl nicht so ganz richtig gewesen sei, wird mit dem Hinweis quittiert, dass auf der Autobahn manchmal Stau sei. Dabei war das die leerste Autobahn, die ich seit langem gesehen habe. Vielleicht ist sie an Wochenenden oder zu einer "golden week" voll, aber an normalen Tagen habe ich keinen blassen Schimmer, wo da ein Stau herkommen soll. Daraufhin erklaert sie, dass der letzte Bus ins Tal ja auch um fuenf Uhr fuehre - wieso das ein Argument dafuer ist, dass wir schon um kurz nach vier in einen Bus steigen sollten, erklaere mir ein anderer.

Na super jedenfalls, da haben wir ja keine rechte Alternative, denn das Restaurant ist, soweit wir die Lage in der (fast-)vollmonderleuchteten Finsternis ueberblicken, nicht gerade in einem besonders zum Bummeln geeigneten Viertel gelegen. Das Restaurant ist extrem laut und voller Besoffener oder solcher, die es recht bald noch werden wollen. Als wir aufgegessen haben, stehen wir auf und zahlen, ich bitte Gloria nur, sie moege uns das Auto aufschliessen, sie koennten in Ruhe zu Ende essen. Aber das wollen sie dann auch nicht, und wir erreichen nach 8 Minuten den Flughafen. Keine Ahnung, warum die uns nicht vorher abgesetzt haben, dann haetten sie frueher Feierabend gehabt und sich und uns Aerger erspart. Ich gerate in die Naehe eines China-Kollers - die koennen schon nervig sein, diese Plattnasen!

Im Flughafen geben wir Gloria ihr Trinkgeld, das zu nehmen sie sich erst ziert, aber dann fragt sie noch, ob wir ihr wohl bitte das Seilbahnticket von heute Morgen bezahlen. Fuer mich grenzt das an Unverschaemtheit, habe ich zwei Fuehrer bestellt? Schliesslich war ja Julia dabei, unsere lokale Fuehrerin, insofern sehe ich gar nicht ein, warum wir Gloria einen Ausflug bezahlen sollen. Kann sie ja mit ihrem Chef ausmachen. Oder halt vom Trinkgeld bezahlen. Nun denn, nachdem sie uns zweimal gefragt hat, ob wir denn ein Flugticket haetten, und wir dies bejahten, waren wir sie los. Der Mehrwert der Fuehrung tendierte diesmal gegen Null - ein paar grundlegende Aussagen und etwas Mikroorganisation, das war's. Ihre Englischkenntnisse waren nicht sehr viel besser als unsere Chinesischkenntnisse - sprechen halbwegs o.k., verstehen, was nicht Standard ist, nicht so toll.

Nun denn, wir sind mit unserer Umpackaktion gegen 19:40 Uhr fertig und muessen jetzt erst einmal zwei Stunden auf den Check-in warten - hab' ja gleich gesagt, dass Ankunft um neun dicke gereicht haette. Warten ist nicht so komfortabel, denn es gibt nicht sehr viele Sitzplaetze, und die wenigen sind natuerlich alle besetzt. Na gut, in der hintersten Ecke gibt es eine Kaffeebar. Auf der Getraenkekarte ist aber auch nur die Kaffeeseite mit englischen Uebersetzungen versehen, alles andere ist nur auf Chinesisch. Und es gibt hier natuerlich nicht so neumodische Sachen wie Espresso oder Caffè latte, sondern "normalen" Bruehkaffee aus verschiedenen Laendern. Na ja, egal. Im selben Laden sitzen auch die beiden deutschen Frauen aus Shanghai, die wir schon am Huangshan getroffen hatten. Am Ende gehen die zwei Stunden aber auch vorbei.

Und dann kommen die positiven Aspekte der Reise: Check-in und Abflug sind superpuenktlich, die Landung auch, und am Gepaeckband, wo wir ganz vorn stehen, weil wir die Massen auf der Rolltreppe per Treppenbenutzung (wir sind gerade so gut im Training!) hinter uns gelassen haben, kommt unser Gepaeck als erstes, weil dank meines Frequent Traveller-Status ein "Priority"-Anhaenger dranhaengt. Um 23:45 Uhr waren wir dann schon abfahrbereit (Planankunft 23:40 Uhr), nur Ding Shifu noch nicht ganz da. Aber kurz darauf kam er an, und jetzt sind wir soeben um 00:35 Uhr wohlbehalten und trotz allem zufrieden daheim eingetroffen. Mit nur wenig Muskelkater, keinen nennenswerten Verletzungen, nur Sonnenbrand im Gesicht und Nacken, und mit ganz vielen tollen Eindruecken trotz der nicht gerade tollen Planung. Spaeter mehr, die ausfuehrlichen Notizen warten nur aufs Ausarbeiten - das moegen meine werten Leser/innen ganz nach gusto als Drohung oder Versprechen werten. ;-))

Freitag, 10. Oktober 2008

Allerhand Berge

So, heute nehme ich einen halben Tag frei und verlasse das Buero um halb sechs. Am Abend fliegen wir nach Tunxi. Der Flug dauert nur eine Stunde, und dann wird uebernachtet, um am Samstagmorgen voller Energie in unser Kurzurlaubsprogramm zu starten, das wie folgt aussieht:

  • Samstag. Wir besuchen die beiden Doerfer Xidi und Hongcun aus der Ming-Zeit, die seit 2000 auf der Weltkulturerbeliste stehen. Wir uebernachten in einem chinesischen Anwesen (das an moderne Komfortbeduerfnisse angepasst ist) an einem gewissen Fengle-See.
  • Sonntag. Der Vormittag ist frei zur Erholung am See. Tiiiieeef durchatmen! Nachmittags werden mehr Doerfer inspiziert, die kein Weltkulturerbe sind und insofern vielleicht etwas leerer. Wir kommen auch nach Shexian, und womoeglich kann man da eine Tintenmanufaktur besichtigen?!
  • Montag. Jetzt geht es in die gelben Berge, die seit 1990 auf der Weltnaturerbeliste stehen. Zum Glueck fahren wir freiwillig hin, angeblich muss jeder Chinese einmal im Leben ... Uebernachtet wird oben auf dem Berg, damit wir ...
  • Dienstag. ... einen Sonnenaufgang in den gelben Bergen erleben koennen. Das ist auch ein Muss, heisst es. Dann hoffen wir mal, dass die Sonne ueberhaupt aufgeht am Dienstag. Ich bin ein bisschen in Sorge, dass uns ein Regengebiet in die Quere kommen koennte. Am Nachmittag geht es zu den Neun Praechtigen Bergen, die (ja was denn nun?!) einen der vier heiligen Berge des Buddhismus in China darstellen.
  • Mittwoch. Am Mittwoch haben wir noch den ganzen Tag ueber Zeit, uns in den praechtigen Bergen herumzutreiben und die vielen Tempel dort anzuschauen. In einem von ihnen findet sich auch die Mumie eines gewissen Wu Xia. - Am spaeten Abend fliegen wir nach Shanghai zurueck.

Dann hoffen wir mal, dass es da in der Provinz Anhui und am See und auf den Bergen nicht allzu kalt wird ... die Wettervorhersagen fuer den Huangshan sind mit um die 10 °C erschreckend frostig, wo ich doch hier schon bei 20 °C zu froesteln anfange nach dem langen, heissen Sommer.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

A brilliant plan

So heisst die Ueberschrift zu einem Artikel der Kategorie faits divers, der heute in der Shanghai Daily nachzulesen war. Zwei Menschen namens Zhang und Tang hatten den besagten Plan. (Das ist das Schoene, in China ist es einfach kein Problem, auch bei den heikelsten Angelegenheiten immer den Nachnamen mitzuteilen - die chinesischen Millionen teilen sich 700 Namen. Zhang liegt laut dieser Statistik auf Platz 4, Tang weit abgeschlagen auf Platz 30.)

Der Plan bestand darin, Autokennzeichen zu stehlen und den Besitzern eine "Loesegeldforderung" unter den Scheibenwischer zu klemmen. Man moege gefaelligst den Betrag auf das Konto mit der angegebenen Nummer ueberweisen. Buohahaha!

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Leerer Hintergrund

Gestern Abend war es also so weit: die erste Karaoke-Session meines Lebens. "The Big Echo" heisst der Laden. Die ganze Veranstaltung war ja hinreichend absurd: Ich mit 7 japanischen Herren, zwar alles Kollegen, aber mir dennoch persoenlich wenig bekannt* oder fremd** oder gar wildfremd***, in einem winzigkleinen Raum, der mit einem normal grossen Tisch und einer Eckbank und ein paar Hockern drum herum zu 90% ausgefuellt ist. Die restlichen 10% sind fuer den grossen Flachbildschirm reserviert, auf dem einem der Text "fuer ze singe" in fast bildfuellender Groesse serviert wird. Der Raum selber ist eher schaebig, irgendwie mit beige und rot, aber vielleicht war das "Beige" auch nur ein von langjaehrigem Zigarettenrauch verfaerbtes Weiss, wer weiss das schon. Ueber dem Fernseher sind zwei mittelgrosse Boxen angebracht. (Dieses "ergooglete" Bild trifft die Atmosphaere einigermassen.)

In der Ecke der Eckbank liegen zwei Schellenkraenze (ziemlich genau dieses Modell) fuer das rhythmische Extra und zwei dicke "Telefonbuecher". Das ist das Singmenu, sozusagen. Auf den hinteren Seiten gibt es englische Titel. Mehrere Seiten, dreispaltig bedruckt, also schon eine reichliche Auswahl, aber nix im Vergleich zur Fuelle japanischen Liedguts. Nachdem mein karaokehassender (und deshalb nicht anwesender) deutscher Kollege mir Nenas "99 Luftballons" als heissen Tipp gegeben hatte ("das gibt's ueberall, ausserdem Dschingis Khan und manchmal noch Muss i' denn zum Staedele hinaus"), suche ich das - leider hier vergeblich.

Kaum haben wir alle einen Platz gefunden, macht der erste Kollege schon gleich den Anfang mit "Honesty" (Billy Joel). Alle anderen sind noch damit beschaeftigt, Getraenke zu bestellen. Dann soll ich schon gleich dran sein, oje, da war ja noch die Qual der Wahl. Ich nehme mal Dylans "Blowing in the wind", das ist eins der ersten in der Liste, das mir halbwegs singbar vorkommt. Aber schon wieder oje, irgendwie ist das nicht in meiner Tonlage eingestellt, ich muss mich also zwischen brummen und quietschen entscheiden ... so ungefaehr. Fuuuurch'ba'! Hinterher habe ich bemerkt, dass man an der Tonlage buchstaeblich ein bisschen drehen kann.

Wenn ein Stueck zu Ende ist, wird allerhand interessante Information angezeigt: es beginnt mit der Kalorienverbrauchsanzeige (keine Ahnung, wie das berechnet wird). Die Werte schwanken so zwischen 3,7 und 6,8 kcal, da muss man aber lange singen, bevor das Abendessen abgearbeitet ist, falls man eins hatte! Dann kommt die Auswertung. Drei Kategorien, aber ich habe nicht herausbekommen, welche das sein sollen. Eine ist wohl fuer das Singen der Silben genau dann, wenn sie dran sind - und aus allen Werten wird eine Punktzahl errechnet, die irgendwo zwischen 60 und 100 liegt. Ich lande bei 67, au weia ...

Ja, und dann wird froehlich reihum gesungen, gern Schnulzen aller Art. Ich hab' mir auch mal einen "Ohohnlyhe youwhowhooo"-Schmalztopf ausgesucht und freiheraus gejault :-D. Sehr lustig. Man darf auch mal beim Vortrag anderer mitsingen. Mein Kollege* spielt uebrigens seit 40 Jahren in einer Country-Band Banjo - der ist also musikalisch vorbelastet und war mit "Country roads" gut bedient. Einer der Kollegen aus der **-Kategorie hat einen Ruf als notorisch guter Karaokesaenger und ich war auch wirklich ein bisschen beeindruckt von seinem "New York, New York".

Zur Hoechstform bin ich dann aufgelaufen mit Doris Days "Que sera, sera" - high score des Abends: 94 Punkte! Der Ausgleich zu meinem low score des Abends, irgendwo in den unteren 60ern. Ob die daran irgendwie gedreht haben, die Steuerpultbediener? Ist mir aber auch sooo egal. Und der zweite Hoehepunkt war dann sicher das japanische Lied, in dem eine Dame meines Vornamens angeschmalzt wird. Ich hab' das erst gar nicht gemerkt, denn als jemand das Lied auswaehlte, erschien in der Vorschau auf dem Bildschirm der Titelname als "Oh! (in lateinischen Buchstaben) ... (in japanischen Buchstaben)". Alle haben gelacht, ich auch, aber aus dem falschen Grund. Das erschien naemlich in der Vorschau, als einer der Kollegen sich gerade an einer etwas schwierigen Stelle nicht gerade mit Ruhm bekleckerte, so dass ich ueber die kommentierende Wirkung des "Oh!" lachen konnte. Aber der Liedtext war dann hinterher halb englisch, halb japanisch, und dann stand mein Name doch da wirklich in lateinischen Buchstaben. Oh! Can't you hear me? I love you. Oder so aehnlich.

Dann irgendwann war die Zeit um, nach Claptons "Tears in heaven" und "Cocaine", "Kokomo" von den Beach Boys, einem Beatles-Medley, Stings "Englishman in New York", "Yellow River" von Christie, Abbas "Dancing Queen", Elton Johns "Your song", "Hotel California" von den Eagles, diversen japanischen Liedern und ich weiss nicht was noch alles. Keine Ahnung, wie viele Stuecke das insgesamt waren. Bei einer durchschnittlichen Dauer von 3 Minuten und einer Zwei-Stunden-Sitzung waeren das ja an die vierzig Stuecke gewesen?! Suess war auch, dass zwei der Kollegen sich immer entschuldigt haben, wenn was Japanisches gesungen wurde.

Uebrigens: Waeren die "Filme", die als Hintergrund fuer den Liedtext dienen, Buecher (oder aehnliches), dann Groschenhefte - grauenhafter Kitsch in grottenschlechter Bildqualitaet. Ja, so war das also mit dem Ausfuellen des Vordergrunds vor dem leeren Hintergrund - so die Bedeutung des Worts Karaoke.

* einer aus meinem Team, den ich zuvor schon dreimal [in zwei Jahren] persoenlich getroffen hatte, der aber immer in den alle zwei Wochen stattfindenden Telefonkonferenzen dabei ist

** bei diesem Besuch in Japan tagsueber in einer Besprechung "kennengelernt"

*** nie zuvor gesehen, just beim vorhergehenden Abendessen getroffen

Mittwoch, 6. August 2008: Heimflug

Wir muessen beizeiten aufstehen, weil sich jemand ausgedacht hat, man muesste "aus Sicherheitsgruenden" auch am letzten Provinzflughafen noch zwei Stunden vor dem Abflug da sein. Der Flughafen von Dunhuang ist natuerlich riesig. Ich bin besonders von der Abflug-Anzeigetafel beeindruckt. Die ist halb leer - und zeigt alle 6 Abfluege des Tages. Helen, die natuerlich dafuer verantwortlich ist, dass wir sicher am Flughafen abgeliefert werden, ist auch noch dabei und erklaert, das waeren die vielen Abfluege waehrend der Hochsaison. Im Winter oder zu sonstigen unguenstigen Zeiten wuerden etwa 0-2 Fluege am Tag starten ... ja dann.

Nun sind wir so frueh da und haben eingecheckt, duerfen aber nicht durch die Sicherheitskontrolle gehen - die hat noch gar nicht geoeffnet. Wir loten die Moeglichkeiten fuer "Shou-ping" aus, denn sonst kann man hier gar nichts machen, aber die sind auch sehr limitiert. Uns wuerde vielleicht noch ein Buch ueber Yulin interessieren, aber mei you. Bestickte Taschentuecher und Plueschkamele und "Spezialfutter" in Tueten sind nicht unser Ding. Wir haengen also nur herum und freuen uns, dass unsere Reise uns gerade das richtige Wetter beschert hatte. Wie berichtet waren die Tage vor dem 1. August, SoFi's Tag, regnerisch oder mindestens verhangen, und heute Morgen ist es auch wieder ganz grau. Fernsicht gibt's nicht, und wo ist der lan lan de tian, der ach so blaue Himmel?

Schliesslich oeffnet die Sicherheitskontrolle doch, und Helen kann uns unserem Schicksal ueberlassen. Wir muessen noch ein bisschen warten und koennen dann entdecken, dass der ach so blaue Himmel ueber den Wolken ist (also da, wo angeblich auch die Freiheit grenzenlos sein soll, man aber immer angeschnallt sitzen muss). Umsteigen muessen wir wieder in Xi'an, wobei wir a) unser Gepaeck aufnehmen und b) das Terminal wechseln muessen, wobei die Wege grottenschlecht ausgeschildert sind. Am Abflugterminal sind die Schlangen unglaublich lang. Es ist also nervig, aber alles klappt gut, und am fruehen Abend (oder sagen wir am spaeten Nachmittag) kommen wir hoch zufrieden wieder daheim an. Es geht halt ein ganzer Tag fuer die Reise drauf.

P.S. Wie sich hinterher herausstellte, deckt das Buch, das wir an den (und vermeintlich ueber die) Mogao-Hoehlen gekauft hatten, auch die "Grotten" von Yulin ab. Insofern war dann keine Spezialaktion mehr noetig, die Helen uns angeboten hatte.

Dienstag, 7. Oktober 2008

Dienstag, 5. August: Sandwichtag

Gestern haben wir den morgendlichen Kamelritt zum Fruehstueck auf der Duene bei Sonnenaufgang gebucht. Bisschen teuer, 680 RMB pro Nase – aber wir haben nur ganz kurz ueberlegt. (Und, kleiner Vorgriff, es kein bisschen bereut, ganz im Gegenteil.) Helen war skeptisch, man kann doch viel billiger auf den Sandhaufen! Egal. Abmarsch um zehn vor sechs, sagt man uns zuerst, was spaeter zu 5:40 Uhr korrigiert wird. Wir stehen in tiefster Finsternis auf und ziehen uns eine "kleine Wolle" an, wie die Franzosen sagen (einer von den wunderbaren Ausdruecken), denn es koennte ja noch ein bisschen frisch sein, solange keine waermenden Strahlen uns Energie zufuehren. An der Rezeption steht jemand, der uns ein Stueck ums Hotel herumfuehrt – da warten ein Kamelfuehrer und zwei Kamele, ein etwas blonderes, ein etwas brauneres. Die tragen einen Sattel zwischen ihren beiden Hoeckern und liegen am Strassenrand. Bitte aufsteigen, und los geht es durch die Finsternis. Am Horizont zeigen sich jetzt aber erste Spuren von Helligkeit. Zunaechst fuehrt der Fuehrer unsere Kamele auf der breiten Strasse Richtung Mingsha-Duene. Das stoert um diese Zeit niemanden (zu anderen Zeiten aber vermutlich auch nicht). Nach einer Weile biegen wir nach rechts in einen Schotterweg ab.

Das ist also der erste Kamelritt meines Lebens (glaube ich jedenfalls). Das ist relativ komfortabel (vor allem, wenn man es mit dem unsanften Elefantenritt rund um den Bayon vergleicht). Wenn es aufsteht, muss man sich gut festhalten – zuerst steht es mit den Hinterbeinen auf, dann mit den Vorderbeinen. Natuerlich schwankt es ein bisschen beim Gehen, und nach dem Start muss so ein Kamel erst einmal in den richtigen Tritt kommen (auch, wenn es unterwegs mal stolpert). Aber es ist warm und freundlich, ich denke, ich mag Kamele! Burkhards hat allerdings schlechte Manieren: es schlurft und furzt. Na so was! (Auf boesen Zungen liegt jetzt ein altes deutsches Sprichwort: Wie der Herr, so 's G'scherr!)

An dem Weg, ueber den wir jetzt reiten, reiht sich eine Kamelstallung an die naechste. Um diese Zeit sind deren Bewohner/innen noch zu Hause, aber bald schon kommen uns die ersten Minigrueppchen von Kamelen (2-5 Tiere) entgegen, die zumeist von einem motorisierten Zweiradfahrer gefuehrt werden. Wohin des Wegs um diese fruehe Stunde? Mittlerweile ist es schon ein bisschen hell. Unterwegs dichte ich mal rasch ein Haiku:

Die alte Duene
Scharf geschnittene Sandkanten.
Das Kamel schlurft.
Nach etwa einer Stunde werden unsere Kamele endlich auf die Duene gefuehrt, nachdem der Weg lange parallel zu ihrem Fuss verlief. Oh! Das macht einen Unterschied! Auf dem Wuestensand ist der Tritt der Kamele viel weicher und runder als auf der Strasse oder dem Schotterweg, interessant, dass das so einen Unterschied macht! Ein Stueck weit die Duene hinauf sehen wir etwas: beim Naeherkommen erkennen wir ein kleines "Kuechenzelt" und einen gedeckten Fruehstueckstisch in den Duenen. Ein Koch, ein Kuechenjunge und eine Serviererin sind schon da und haben alles fuer uns vorbereitet. Na, wenn das nicht dekadent ist ... ;-)).

Der Tisch ist so gedeckt, dass wir einen Blick auf die Duenenkante haben, auf der sicher gleich die Sonne aufgehen wird. Es ist naemlich jetzt schon recht hell. Ich wundere mich schon ein bisschen – da wird man doch geblendet?! Aber egal, wir wenden uns jetzt erst einmal dem Fruehstueck zu. Es gibt Pfirsichsaft, Toast, ein Croissant mit Butter und Marmelade, zwei gebratene Eier mit Speck und (etwas ominoesen) Wuerstchen und Congee (das ist ein duenner Reisbrei) mit Kuerbis, das lecker aussieht, aber irgendwie nach gar nichts schmeckt - man muss schon Zucker hineinschuetten. (Es war so neutral, dass Salz vielleicht auch gegangen waere, es war aber keins verfuegbar.) Kurzzusammenfassung: wegen der kulinarischen Qualitaeten des Fruehstuecks macht man diese Tour nicht, sondern wegen seiner Umstaende!

Nachdem die Eier gebraten und serviert sind, wird's dem Koch zu langweilig, und er faengt an, ein bisschen in der Duene kamelzureiten. Die Serviererin kommt auch mit. Beide haben offensichtlich Spass! Seltener Anblick: ein junger Mann mit weisser Kochjacke und -muetze und eine Serviererin in der weinroten Hotelangestelltenuniform hoch zu Kamel auf ziellosen Wegen inmitten eines grossen Sandhaufens …

… und dann geht die Sonne auf, ganz ohne Zarathustras Dramatik. Es ist schon etwa 7:20 Uhr. Zwar ist offiziell Sonnenaufgang gegen 6:40 Uhr, aber das ist der Effekt des Duenentals. Die Duenenkanten hinter uns waren dementsprechend schon deutlich zuvor in ein rosiges Morgensonnenlicht getaucht worden. Nachdem wir diesen heiss erwarteten Moment genossen haben, streunen wir auch noch ein wenig durch die Mikro-Hoehen und –Tiefen der Duene, aber zu Fuss. Dabei kann ich noch eine von diesen kleinen Sandechsen ausmachen, die so witzig und auffaellig laufen. Mit hochgestelltem Schwanz und irgendwie breitbeinig. Vermutlich kann man so besser mit der Hitze des Sandbodens umgehen, aber zu dieser fruehen Morgenstunde ist der noch eher kuehl. Man kann diese auch nur dann entdecken, wenn sie laufen – solange sie still auf dem Sand sitzen, sind sie zu gut getarnt. Ein wenig spaeter laeuft uns noch ein zweites, etwas groesseres Exemplar ueber den Weg. Vielleicht handlang von der Nasen- bis zur Schwanzspitze, also definitiv nicht viel Tier.

Dann ist es Zeit zum Aufbruch. Wir besteigen noch einmal unsere Kamele, die uns aber diesmal nicht bis zum Hotel zuruecktragen, sondern bloss von der Duene herunter. Unten ist ein kleiner Weingarten (Wingert also, eins meiner Lieblingswoerter), und offenbar ist schon Erntezeit, denn unter einem offenen Vordach sitzen einige nicht mehr ganz junge Leute und verpacken Trauben in Kisten. Ich rede noch ein bisschen mit den Kamelen, waehrend Burkhard Wein fotografieren geht, und dann steigen wir in den bereitstehenden Jeep. Ich frage den Fahrer irgendwas ueber das Hotel und benutze das (in Shanghai gaengige) Wort dajiudian, wobei die Komponente da 'gross' bedeutet. Neinnein, wehrt der Fahrer ab, dieses Hotel sei doch kein dajiudian (halbfrei uebersetzt etwa "grosser Alkoholausschank"). Schliesslich sei es ein shanzhuang, und das bedeutet Bergdorf. Viel schlichter klingt das – dabei ist das Hotel definitiv gross. Zu unserer Ueberraschung sind die Kamelstallungen uebrigens jetzt (gegen acht Uhr) schon alle leer, Dienstbeginn auf der Duene duerfte also spaetestens 8 Uhr sein. Bei kurzem Nachdenken kein Wunder: man kann eigentlich nur fruehmorgens und spaetnachmittags auf der Duene herumreiten, sonst ist es viel zu heiss.

Im Hotel haben wir jetzt noch ein bisschen Zeit, denn zur Abfahrt zu den Yulin-Grotten haben wir uns fuer 9:30 Uhr verabredet. Da wir noch die regulaeren Fruehstuecksgutscheine haben, trinken wir noch mehr Tee und Wassermelonensaft auf der Terrasse, mit Blick auf die morgensonnenbeschienenen Duenen. Die Angestellten koennen gar nicht verstehen, dass wir nichts essen wollen, und servieren uns aus lauter Verzweiflung noch ein bisschen Obst. Auch gut, das hatte beim Duenenfruehstueck ja gefehlt!

Dann beginnt die lange Fahrt zu den Yulin-Hoehlen. Nach gut zwei Stunden und 180 Kilometern kommen wir gegen 11:40 Uhr dort an. Unterwegs geht es durch die Wueste bis nach Melonenstadt (frueher hiess dieser Ort mal Anxi, aber jetzt kommen leckere Melonen von dort, und daher lautet der offizielle Name jetzt Guazhou), dann biegen wir in die Berge ab. Eine wahre Mondlandschaft ist das da, einfach nackte Erde … nach einem kurvigen Strassenstueck oeffnet sich dann eine Ebene mit Gruenzeug vor uns, Graeser wachsen da und Tamarisken wohl auch. Die bluehen violett und setzen so ein paar Farbtupfer in die Landschaft. Schoen sieht das aus!

An einer ziemlich wuesten Stelle heisst es ploetzlich "wir sind da!". Wie denn, wo denn, was denn? Nach ein paar Schritten wird klar, dass wir hier oberhalb eines Canyons stehen, den ein Fluss in die Wueste geschnitten hat – vom Auto aus war das nicht auszumachen. Am Grunde des (nicht sehr tiefen) Canyons fliesst ein kleiner Fluss, und an seinem Ufer stehen Ulmen, die dem Ort seinen Namen gegeben haben. Yulin: Ulmenwald. Nun, einen richtigen Wald wuerde ich das nicht nennen, aber an den Flussufern ist es schon idyllisch gruen. Da wir gerade so zur Mittagszeit angekommen sind, ist es erstens ziemlich heiss und zweitens muessen wir warten, denn unsere Fuehrerin ist (oder schreibt man das dann mit Doppel-s?) zu Tisch. Meine erste Tat nach der langen Fahrt: einen Ort aufsuchen, an dessen Tuer (auch) die lateinischen Buchstaben WC prangen. Das ist hier ganz neu interpretiert: die kleinen Haeuschen befinden sich ueber dem Fluss und im Boden fehlt einfach eine Planke. Oben auf Haeuschenhoehe gibt es ueberhaupt kein Wasser.

Wir verbringen die Wartezeit im Flussbett, weil es da noch am frischesten ist. Und man kann bewundern, mit welcher Phantasie das Wasser den Boden ausspuelt. Nach gar nicht sehr langer Zeit ist unsere Fuehrerin dann da. Diese spricht kein Deutsch, und selbst das Englisch koennte besser sein. Aber irgendwie klappt das schon – sie fuehrt uns in die Hoehlen 13, 12, 15, 16, 17 und zum grossen Buddha (24,5 Meter), der sich hinter den Tueren 19 und 23 verbirgt. 19 ist auf Augenhoehe, 23 auf Knie- und Fusshoehe des Buddha, der im Lotussitz vor sich hin meditiert. Irgendwie sind diese Hoehlenstaetten mit ihren nummerierten Tuerchen ein bisschen wie ueberdimensionale Adventskalender.

Auch hier sind Galerien vor die Wand gebaut worden, aber erst in den 1990er Jahren. Vorher gab es einen innen liegenden Wandelgang. Hier in Yulin ist das Gefuehl irgendwie besser als in den Mogao-Hoehlen, ich weiss nicht einmal recht warum. Ob es daran liegt, dass hier natuerlich viel viel weniger los ist? Oder dass Helen in einen regen Dialog mit der Fuehrerin verwickelt ist (meist auf Englisch) und wir so mehr diskutieren, was wir sehen? Oder sind die ausgewaehlten Hoehlen irgendwie besser? An den Waenden prangen gut erhaltene Originalfarben (viel Malachit, und blauer Lasurit), die Zeichnungen erscheinen mir feiner als die, die ich in Mogao gesehen habe, und vor allem sind die "tausend Buddhas" irgendwie individueller und sehen nicht so aus wie in Mogao, wo sie teilweise den Eindruck pflichtbewusst ausgefuehrter Flaechenfuellung (neben den Hauptgemaelden) erwecken. Hier sehe ich auch ein paar der beruehmten fliegenden Apsaras, die hier wie in Kambodscha den Himmel grazioes mit Musik und Tanz fuellen, aber hier einen ganz anderen Stil haben als dort.

Letztlich weiss ich nicht, warum es mir hier in Yulin fast besser gefaellt als in Mogao, aber ich empfehle die Tour hierher auf jeden Fall. Kunstgeschichtlich gehoeren die Hoehlen von Yulin ohnehin zu den Mogao-Grotten dazu.

Wir haben gut 1,5 Stunden Zeit fuer die Besichtigung, keiner hetzt uns. Hier gibt's uebrigens nicht einmal Souvenirbuden! Gegen 14:30 h fahren wir ab zum naechsten Dorf, denn jetzt sind wir ein bisschen hungrig. Im Sichuan-Restaurant ist die Mittagszeit schon vorbei, deshalb essen wir in einem muslimischen Restaurant (Nudeln mit Rindfleisch, Bohnen und gruenem Paprika) - fuer 4 Personen deutlich unter 50 RMB. An einem anderen Tisch sitzt eine Gruppe von Gaesten, die vielleicht noch nie Langnasen gesehen haben – wir werden mehr oder weniger verstohlen beaeugt und sind eine echte Attraktion. Und vice versa, versteht sich – ja, wie essen die denn? Hier werden die Knochen noch auf den Tisch gespuckt … Helen amuesiert sich.

Nach dem Essen machen wir uns wieder auf den Rueckweg nach Dunhuang, unser Fahrer muss wach bleiben – der Rest von uns nickt zwischendurch immer mal wieder ein. Gegen 17:10 Uhr erreichen wir das Hotel. Dort goennen wir uns erst einmal eine Stunde Fussmassage. Ah, das tut gut und vitalisiert uns wieder ein bisschen. Danach sind wir also fit fuer die Fahrt zur Mingsha-Duene. Na ja, genau betrachtet haette man da auch zu Fuss hingehen koennen, aber das dauert uns jetzt zu lange. Dort muss man Eintritt bezahlen, um den grossen Sandhaufen zu betreten, und zwar nicht zu knapp: 120 RMB pro Nase! Wir diskutieren, ob wir den langen Kamelritt oder bloss einen kurzen oder gar keinen machen sollen, aber weil Kamele so nett sind und ich gern nach oben auf eine ca. 200 m hohe Duene moechte, entscheiden wir uns fuer die lange Tour. Helen kann es gar nicht begreifen, wo wir doch am Morgen schon ausfuehrlich kamelgeritten sind. Ausserdem sei es viel zu windig, deshalb sei es da oben viel zu sandig. Sie meint, wir koennten doch besser eins dieser laermigen Squads (?) nehmen, aber diesen Vorschlag koennen wir gar nicht begreifen. Also noch mal Kamel bis zu einer Art "Bergstation", und das letzte Stueck muessen wir auf einer "Treppe", die aus einer Art in den Sand gelegten Leiter besteht, selber hochkraxeln. Schon mit der Treppe ist es anstrengend, ich glaube, ohne wuerde man es in dem losen Sand ueberhaupt nicht schaffen.

Wie man schon von unten ahnen konnte, werden wir hier oben sandgestrahlt. Ein starker Wind weht eine konstante Sandfahne ueber die Duenenkante, das sieht beeindruckend aus. Und dass trotz zweitausendjaehrigen Windwehens die Duene immer noch da ist …! Von der Kante oben hat man einen Blick ueber Wueste und Landschaft. Leider haben wir jetzt keinen hohen blauen Himmel mehr, aber trotzdem ist es gut und es tut mir gar nicht leid, heraufgekommen zu sein. Von der Kante zur Bergstation soll man dann herunterrodeln, dazu gibt es so eine Art Kisten, in die man sich hineinsetzt. Aber das fluppt gar nicht richtig und artet auf der unteren Haelfte gar in Arbeit aus, muss man sich doch mit den Haenden abstossen und abstossen und abstossen … hatte ich mir einfacher vorgestellt.

Dann heisst es wieder aufsteigen, die Karawane zieht weiter. Denn die Kamele laufen natuerlich nicht frei herum, sondern sind in einer Reihe hintereinander gebunden. Das ist also unser Sandwichtag: morgens Kamelritt, abends Kamelritt, dazwischen buddhistische Hoehlen angucken. Die Stimmung jetzt am Abend mit reichlich Wind und ziemlich grosser Hitze ist auch voellig anders als in der ruhigen, kuehlen Morgenluft. So bekommt man einen gaaaanz kleinen Eindruck davon, wie furchtbar es frueher gewesen sein muss, als Haendler auf der Seidenstrasse die Wueste Gobi zu durchqueren. Heute ist das ja alles sehr komfortabel, aber wenn man morgens nicht weiss, ob und wo man abends ankommt und ob man unterwegs verdurstet und ob ein Sandsturm aufkommen wird und ob die Wasservorraete bis zur naechsten Wasserstelle (wo??) reichen und ob man Schurken in die Haende faellt … dann ist das schon schrecklich. Aber offenbar hat es sich ja gelohnt.

Wir reiten jetzt um die Duene herum zum Mondsichelsee (Yueya). Unterwegs geht die Sonne im Dunst hinter einer Wolke unter, auch schoen. Das einzige Problem: jetzt wird es rasch dunkel, wir haben gar nicht mehr genuegend Zeit. Aber sie reicht noch, um eine weitere Duene auf diesen Leitern zu besteigen. Gut 20 Minuten brauchen wir, aber dann kommen die letzten 5 Meter bis zum Duenenkamm ohne Leiter – ich dachte schon, ich schaffe die nicht mehr!

Von hier oben hat man einen Blick auf die Mondsichelseeoase, die sich sehr idyllisch in ein Duenental schmiegt. Schade, dass das Fotografierlicht schon nachlaesst! Von der Duene herunter kommen wir ganz schnell, in hoechstens 3-5 Minuten, wuerde ich sagen. Das meiste laufen wir (hui, da kann ich schnell laufen!), und auf dem unteren Stueck soll noch einmal gerodelt werden. Diesmal nehme ich etwas mehr Schwung und es geht halbwegs. Burkhard bringt es irgendwie fertig, sich im Sand zu ueberschlagen – was weiter nicht schlimm ist, aber dafuer sorgt, dass er hinterher UEBERALL Sand hat.

Am Mondsichelsee setze ich mich am Ufer hin und bewundere die schmale Mondsichel, die jetzt am Himmel steht und sich schon bald anschickt, hinter der Duenenkante wieder unterzugehen. Leider ist die Oase nicht illuminiert, schade. Das koennte man ja sooo stimmungsvoll in Szene setzen dort! - Ich plaudere ein bisschen mit einigen chinesischen Touristen und es klappt erstaunlich gut. Das sind offenbar welche, die verstehen wollen, was diese Langnasen so sagen …

Als es ganz dunkel und die Mondsichel verschwunden ist, fahren wir zurueck zum Hotel. Es ist schon etwa 22 Uhr, zum Glueck sind wir wegen des spaeten Mittagessens gar nicht hungrig. Stattdessen beschliessen wir einfach, den letzten Abend auf der Dachterrasse bei einem der leckeren Fruchtcocktails ausklingen zu lassen. Gesagt, getan!

Montag, 6. Oktober 2008

Montag, 4. August: Die Mogao-Hoehlen und der Jadetorpass

Heute Vormittag steht ein weiterer Hoehepunkt unserer Reise auf dem Programm: der Besuch der (oder besser: einiger) Mogao-Hoehlen oder –Grotten (chinesisch: 莫 mò 高 gāo 窟 kū). Ein abgelegenes Stueck Weltkulturerbe "jww", janz weit westlich. Nur Tibets Hauptstadt Lhasa liegt (weiter suedlich und) wenig weiter westlich. Deshalb hatten wir ja auch urspruenglich gedacht, dass wir diese buddhistischen Hoehlen, die zwischen dem 4. und 12. Jahrhundert entstanden sind, wohl nicht zu Gesicht bekommen wuerden. Manchmal kommt es (erfreulicherweise) anders.

Es gibt in einer langgestreckten Felswand ueber einem Flusstal 493 bemalte und/oder mit Skulpturen geschmueckte Hoehlen, insgesamt sind es weit ueber 500. (In den meisten Quellen ist von 492 bemalten die Rede, aber man hat wohl kuerzlich noch eine weitere buchstaeblich aufgetan.) Im Rahmen eines Besuchs kann man mit etwa 10 Hoehlen nur einen verschwindend geringen Teil davon sehen, und man weiss auch nicht vorher, in welche man gefuehrt werden wird. Denn selbstverstaendlich kann man sich hier, schon aus konservatorischen Gruenden, nur mit Fuehrer/in bewegen. Jedenfalls in den eigentlichen Hoehlen. Wir sind recht frueh da und koennen die Aussenansicht mit noch wenigen Besuchern und im schoenen Morgenlicht geniessen und nach Herzenslust fotografieren. Aber auch hier sind wir vor Olympia nicht sicher. Noch vier Tage bis zum "Anpfiff", sagt eine der zahllosen Countdown-Tafeln, die auch hier aufgestellt ist. Und damit nicht genug! Plakatwaende zeigen, dass Olympische Spiele eigentlich auch eine chinesische Erfindung sein muessen: Detailausschnitte aus ich weiss nicht wie vielen Quadratmetern bemalter Hoehlenwaende zeigen alle moeglichen Sport- und Spielarten, sozusagen. Oder vielleicht olympische Sportarten in altchinesischer Spielart.

Irgendwie scheint es ein paar Probleme zu geben; waehrend wir lange vor den Hollaendern gekommen sind (ja, die auch …), verschwinden die schon viel frueher als wir hinter den ersten Tueren. Ja, vor die Felswand hat man irgendwann Galerien gebaut, und die einzelnen Hoehlen sind mittlerweile zum Schutz vor Wind, Wetter, Leuten und anderem Unheil mit Tueren versehen. Schliesslich taucht eine deutschsprachige Fuehrerin auf, die in ihrer biederen Uniform mit Faltenrock (die muessen hier alle so herumlaufen) und mit festgebombter Dauerwellenfrisur aussieht, als waere sie "schon alt auf die Welt gekommen", wie das bei Loriot heisst. Sie ist leider ohne jeglichen Hauch von Enthusiasmus bei der Sache, aber wohl hinreichend professionell. Und sie hat einen grossen Schluesselbund.

Wir beginnen die Besichtigung mit den Hoehlen Nr. 96 und 130, in denen riesenhafte Buddhastatuen sitzen, die ca. 36 resp. 26 Meter hoch sind. Frustrierend fuer so'nen Buddha: eingemauert! Eine Tuer in Augenhoehe reisst es ja auch nicht heraus. Dann besuchen wir die
Hoehlen 148, 173, 428, 427, 419, 16/17, 323(-325), die alle fast vollstaendig ausgemalt sind. Da der Fels hier rau und broeselig ist, mussten die Felswaende erst mit einem Malgrund versehen werden und wirken wie "normale" Innenraeume – mit weitgehend rechteckigem Grundriss und ziemlich ebenen Waenden. Ich hatte jedenfalls keine "Hoehlengefuehle". Die Malereien sind einerseits sehr unterschiedlich und andererseits irgendwie alle gleich, es geht halt um buddhistische Themen, Geschichten aus Sutren, auch um das westliche und oestliche Paradies. Ersteres ist das "Reine Land des Buddha Amitabha", letzteres ist das Reich des Medizin-Buddha. Alles sehr kompliziert fuer Buddhismusunkundige wie mich … Aber man kann ja einfach mal hingucken und sehen, dass hier typisch chinesische Architektur dargestellt ist, die jeweiligen Hoehlenmalereien sind also definitiv zu einer Zeit entstanden, als der Buddhismus in China schon eine weitere Heimat gefunden hatte. (Fruehere Malereien in anderen Hoehlen zeigen noch indischen Stil, sagen die Kunsthistoriker.) Ausser Architektur gibt es auch viele Musikinstrumente zu sehen, wenn die Bilder mit Ton waeren, wuerde in den Mogao-Hoehlen ein Hoellenlaerm herrschen, so viel wird darauf musiziert (und dazu getanzt).

Die Hoehlen 16/17 sind angeblich ganz besonders wichtig – aber wenn man kommt, um die Malereien zu sehen, ist man enttaeuscht. Wichtig sind sie auch nicht so sehr wegen der Bemalung, sondern weil hier (unter anderem) das beruehmte Diamant-Sutra gefunden wurde. (In Mogao habe ich das aber nicht gesehen.) Ich bin von einem unwichtigen Detail beeindruckt: Vor der Hoehlenwand meditiert ein Buddha, und hinter ihm an einem gemalten Baum haengt eine gemalte Schultertasche, die an jedem Hippie auch gut ausgesehen haette. Witzig!

In einer Hoehle fehlt ein besonders schoenes Stueck Wandmalerei – Tang-Grazien auf einem Boot, wenn ich mich recht erinnere. Dieses Stueck hat ein amerikanischer – ja, was? Abenteurer? Entdecker? Archaeologe? als besonders schoen empfunden und einfach saeuberlich auf einem rechteckigen Ausschnitt vom Untergrund geloest und mitgenommen. Man kann es ja nicht so richtig uebelnehmen – so waren wohl die Zeiten und es hat auch vermutlich keinen vor Ort gestoert, damals. Aber wenn man heute davor steht, ist es doch etwas frustrierend.

Damit ist unser Besuch auch schon um, und unsere beiden Fuehrerinnen fuehren uns noch zum Spezialgeschaeft, in dem es Buecher und Repliken der Malereien zu kaufen gibt. Und hier muessen wir ja auch ein Buch kaufen, denn – eine Quelle tiefer Frustration fuer Burkhard – Fotografieren war selbstredend streng verboten. Wer die Wahl hat, hat die Qual – aber nach langem Hin- und Hergucken und Vergleichen und Diskutieren koennen wir uns fuer ein franzoesisch-deutsches Werk entscheiden. Hier scheint die Themenabdeckung breit und die Bildqualitaet recht gut zu sein.

Dann wartet noch das Museum auf uns. Beziehungsweise warten Helen und ich erst einmal vor dem Museum auf Burkhard, der etwas huegelan kraxeln will, um ein paar Bilder von der Hoehlenwand zu machen. Auf dem gegenueberliegenden Huegel stehen naemlich einige Stupas, die sich prima als Vordergrund eignen. Waehrend wir so warten, erzaehlt mir Helen, dass die Hollaender noch ein paar Hoehlen extra sehen, fuer extra Geld. Ich muss ja sagen, dass es mich ein bisschen aergert, dass uns das niemand vorher angeboten hat. Helen findet das gar nicht schlimm, man koenne das ja sowieso alles gar nicht auseinanderhalten, und 10 seien dicke genug. Na, die kennt uns aber nicht! Ein paar mehr gibt's dann noch im Museum als Repliken zu sehen, und zwar die Hoehlen 003, 217, 419, 276 und 275. Zur Bestaetigung des Frusts ist sogar in den Repliken das Fotografieren verboten, was soll denn das? Na ja, egal, wir haben ja jetzt das Buch.

Waehrend wir uns die Replik von Nummer 419 ansehen, faellt mir auf, dass ich die schon gesehen habe (s. oben – da war diese Nummer auch dabei). Ich sage das zu Helen, aber sie will mir nicht glauben – die sei normalerweise fuer Besucher gesperrt, die koenne ich also gar nicht gesehen haben. Ich war schon selbst ein bisschen verunsichert … wie gut, dass wir die Nummern aufgeschrieben hatten. Natuerlich hatte ich dieses sehr typische Bild schon gesehen! Da will die mir das nicht glauben! Sowohl die Bildstrukturen (es erzaehlt "comicartig" – bei den Franzosen heisst das ja sehr treffend bande dessinée – in einzelnen Szenen unter anderem die Geschichte eines Prinzen, der sich selbst einem Tiger als Nahrung anbietet) als auch die Farben (leuchtendes Blau, kaltes, mineralisches Gruen, Braun, dazu kraeftige Akzente in Schwarz und Weiss) waren mir aufgefallen und auch im Gedaechtnis geblieben.

In der Ausstellung werden Ausgrabungen aus den noerdlichen Hoehlen gezeigt: Texte in vielen verschiedenen Sprachen und Schriften, ein paar sehr alte Scherenschnitte (sieh mal an! - und dass diese Papierstueckchen erhalten geblieben sind, grenzt an ein kleines Wunder), Miniatur-Stupas aus Lehm, die aussehen wie Familienverwender, aeh, -benutzer, und verschiedene sehr alte Textilien aus diversen Materialien (mindestens Wolle, Seide, Baumwolle).

Danach fahren wir zurueck in die Stadt nach Dunhuang – die Grotten liegen ein bisschen ausserhalb. Helen fuehrt uns zum Mittagessen in eine Dumpling-Bude. So ein Laden, den wir uns allein bestimmt nicht zu betreten getraut haetten. Wir nehmen zwei Sorten mit Pilzen und Hackfleisch und Shrimps, oder so aehnlich, dazu gibt es eine Sauce aus Essig, Chili und Knoblauch. Die Dumplings sind gekocht und schmecken nicht direkt uebel, aber da weiss man doch, was man an den gedaempften xiaolongbao von Din Tai Fung hat …

Am Nachmittag steht eine Extratour auf dem Programm, fuer die unser Fahrer auch ein bisschen was extra bekommt. Es geht zum Yumenguan, dem Jadetorpass, der auf der noerdlichen Seidenstrassenroute Sicherheit verbreitete. Wir fahren wieder durch die Wueste und sehen die Hitzespiegelungen, die Wasser vortaeuschen – aha, das ist also eine Fata Morgana. Helen versichert mehrfach, dass sie Besuchern den dringenden Wunsch abschlagen musste, "am Ufer des Sees" eine Rast einzulegen.

Wir erreichen den Yumenguan – aber entgegen Helens Behauptung, dass davon ja sehr viel mehr erhalten sei als vom Yangguan gibt's auch hier bloss einen alten Ziegelklotz, der zwar ein bisschen besser erhalten ist als jener am Yangguan, aber so viel besser nun auch nicht. Zunaechst fahren wir aber noch ein Stueck weiter. Hier steht ploetzlich eine Art Klotz aus Wuestenbeton in der Landschaft, daneben prangt auf einem Blechschild ein grosses blaues P auf weissem Grund. Der Rost hat es schon halb aufgefressen, aber eigentlich scheint es auch egal, wo genau man hier haelt. Wir sind weit und breit die einzigen Besucher eines sehr alten Stuecks der Grossen Mauer. Es stammt aus der Han-Zeit und ist somit etwa 2000 Jahre alt. Das Bauwerk besteht hier aus gestampftem Lehm mit Stroh und weist jetzt eine Rippenstruktur auf, die wohl dadurch entstanden ist, dass der Wind zwischen den einzelnen Strohschichten im Laufe der Jahrhunderte mehr Teilchen weggeblasen hat als dort, wo das Stroh liegt. Ein Stueck Mauer ist eingezaeunt, irgendwie absurd ... Burkhard geht bis zu einem Signalturm ein paar hundert Meter weiter, aber mir ist die Wueste zu heiss. Helen erzaehlt mir, dass dort in der Naehe ein Haufen versteinertes (?) Holz liegen soll, aber Burkhard meint hinterher, dass es doch eher nach Stroh aussieht. Ich bin schon ein bisschen in Sorge, dass er da zu lange herumlaeuft, der Wuestenboden ist bestimmt 50 °C heiss, und von kuehlendem Windhauch kann auch nicht die Rede sein. Nicht dass er da mit einem Sonnenstich umkippt …!

Aber er kommt heil zurueck, und wir fahren (natuerlich nur mit Tempo 30, wie es ein einsames Strassenschild mitten in der Wueste vorschreibt), zum Ziegelklotz-Hauptgebaeude zurueck. Noerdlich der Strasse liegt einer der Wuestenfluesse. Waehrend ich mit Helen den Klotz umrunde und eine ganze Menge Schwalben entdecke, die das historische Gemaeuer zu ihrem Wohnplatz erkoren haben, geht Burkhard zum Fluss hinunter. Da ist der Boden ganz salzig – er kommt mit einem Foto von Queller zurueck! Oder jedenfalls von einer Pflanze, die genauso aussieht und ein Habitat mit extrem hohem Salzgehalt zu besiedeln in der Lage ist, vielleicht heisst die hier ja anders als im norddeutschen Wattenmeer. Und dass es salzig ist, beweisen die Kristalle an einem Halm daneben. Ich waere ja auch gern hingegangen, aber mir knallt die Sonne gar zu unbarmherzig auf die Ruebe – da hilft auch kein Sonnenhut.

Gegenueber vom Klotz gibt es ein Gebaeude, wohl um das Gelaende zu "managen" - waehrend wir seinem Schatten zustreben, reibt Helen sich mit weissender Sonnenschutzmilch ein. Na ja, bisschen spaet wohl – das haette sie wohl besser vor der Abfahrt gemacht. Ausserdem hat sie ohnehin nicht gerade einen hellen Teint und berichtet, dass ihr Ehemann mit ihrem Job ganz unzufrieden ist. Der beinhaltet nun mal viel Bewegung unter der Wuestensonne, so dass das mit der vornehmen Blaesse nicht funktioniert, die er gern an ihr sehen moechte. Aber sie habe ihm gesagt "I like this job", und basta. ;-))

Im Gebaeude gibt es Toiletten, aber die sind abgeschlossen. Kein Wasser, heisst es zuerst, aber dann schliesst man uns doch auf und es gibt doch Wasser. Was war das denn wieder? Im ueberdachten Innenhof haelt jemand Wuestenrosen aus der Wueste Gobi feil. Burkhard kauft eine, Helen ist ganz beeindruckt. Die hat sie noch nie wahrgenommen, genauso wenig wie den Queller uebrigens, und das, obwohl sie doch oft herkommt. Sie will sich auch noch eine kaufen, aber der Haendler scheint mit uns ein hinreichend gutes Geschaeft gemacht zu haben, so dass sie ihr auserwaehltes Stueck geschenkt bekommt. Alle sind zufrieden, ist doch prima!

Dann geht es zurueck nach Dunhuang. Dort oeffnet um fuenf Uhr der "night market", sagt Helen. Aber viele Staende sind noch nicht bestueckt. Egal, wir lassen erst einmal unsere Schuhe putzen, nach dem wir so nachdruecklich dazu genoetigt werden. Mit Wasser, Seife, Schuhcreme, Zahnbuerste und allerhand Lappen wird dem Wuestenstaub zu Leibe gerueckt, und hinterher sehen unsere Schuhe wieder zivil aus. Mittlerweile haben auch schon ein paar mehr Haendler ihre Waren ausgebreitet. Es gibt viel Souvenirkitsch, aber auch ein paar Laeden mit Mineralien und Gelehrtensteinen. An einer "Stempelbude" will ich mir einen Stempel aus Wuestenholz (populus diversifolia?) machen lassen. Lange diskutieren wir, welches Stueckchen Holz wohl das beste sei, und als wir uns endlich entschieden haben, kommt die naechste Frage: was soll denn draufstehen? Am Ende einige ich mich mit mir selbst auf den ersten Vier-Woerter-Ausdruck, den ich gelernt habe (den mit dem highway, insofern kann ich mir den ja auch immer gut merken): si hai wei jia heisst der, auf allen vier Weltmeeren zuhause. Oder so aehnlich.

In einer Strasse, die von der Haupt-Marktstrasse abzweigt, befindet sich der Gemuesemarkt. Es gibt auch ein wenig Fisch, Fleisch und Gewuerze, aber hauptsaechlich werden Feldfruechte aller Art angeboten, frisch oder auch getrocknet. Egal wo auf der Welt – Gemuesestaende sind immer toll. Ich frage nach ominoesen schwarzen Dingern in grossen Saecken. Ob das wohl Pilze sind? Daraufhin holt Helen ihren Vokabelblock hervor; ich krieg’ mich kaum ein: genau wie Burkhard mit seinem Vokabelbuechlein! Viele Eintraege, mehr oder weniger thematisch sortiert, hier und da noch thematisch Passendes irgendwo hin gequetscht, wo eigentlich schon kein Platz mehr ist – und sie blaettert genau so verzweifelt hin und her. Das gesuchte Wort muss doch da sein! Der einzige Unterschied: Burkhards Buch ist links geheftet, ihr Block hat oben eine Spiralbindung. Am Ende findet sie doch noch die Antwort: nein, das seien keine Pilze, das sei black fungus. Ich glaube, so ganz nimmt sie es uns nicht ab, dass fungus ein anderes Wort fuer Pilz ist …

Nachdem wir uns an allem incl. Tee und Trockenfruechten (nicht nur Rosinen) sattgesehen haben, gehen wir ein paar Meter weiter zum Platz mit der Apsara inmitten eines Kreisverkehrs. Die schon ziemlich weit unten stehende Sonne taucht eine sehr repraesentative Hausfront in schoenes Abendlicht. An einer anderen Hauswand prangt ein Relief mit Seidenstrassen-Thema, und ein paar Meter weiter ist eine Landkarte der Seidenstrasse, in Granit graviert, in den Buergersteig eingelassen.

Wir ueberlegen, wie wir den Abend verbringen sollen, und beschliessen, heute einfach im Hotel zu essen. Vorher halten wir noch an einem Baumwollfeld – ich habe noch nie Baumwollpflanzen "live" gesehen. Sie bluehen zum Teil noch (weisslich), einige Pflanzen haben schon "Baumwollaepfelchen" angesetzt, die bis zur Erntezeit noch anschwellen und dann die begehrten Pflanzenfasern freigeben werden. Irgendwie unspektakulaer, und dabei ist das doch eine weltweit verbreitete Pflanze, die auf ich weiss nicht wie vielen Quadratkilometern in verschiedenen Kontinenten angebaut wird! (Ob ich meine Phantasie von den Baumwollschafen nun aufgeben muss? Aber nein, solange Gary Larsons Cartoon von den Stahlwollschafen, die bekanntlich keine natuerlichen Feinde haben, in der Welt ist, halte ich auch an meinen Baumwollschaefchen fest.) Ich philosophiere ein wenig mit Helen ueber die touristischen Aspekte des Baumwollanbaus. Wir stiefeln hier jetzt am Rande eines ganz normalen Feldes herum. Viele Touristen wuerden sich dafuer interessieren, sagt Helen. Besonders natuerlich zur Erntezeit, wenn voll mit Baumwolle beladene Autos zur Fabrik fahren, wo die Ernte weiterverarbeitet wird. Viele wuerden fragen, ob sie nicht die Fabrik besichtigen koennten, aber nein, das ginge natuerlich gar nicht. Da wuerde ja gearbeitet, und die ganze Sache sei buchstaeblich brandgefaehrlich (oder genauer: -det, nicht –lich). Na, mit dieser Einstellung kann man natuerlich keine neuen Touristenattraktionen herbeizaubern. Dass Besucher nicht einfach mit brennenden Zigaretten zwischen den Arbeitern herumlaufen koennen, ist mir auch klar. Aber hier scheint man noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen zu sein, dass man mit einem geeigneten Konzept auch den Baumwollanbau touristisch vermarkten koennte.

Im Hotel angekommen, suchen wir nach kurzer Rast das Restaurant auf. Hinterher stellen wir fest, dass wir wohl das falsche gefunden hatten. Es gibt ein "westliches" und ein chinesisches, und wir wollten natuerlich ins chinesische. Aber da wir selbst im "westlichen" solche Dinge wie Tofu nach Dunhuang-Art und Kamelbeinsuppe suess-sauer serviert bekamen, auch ein bisschen shashlick mit offenem Brennpastenfeuer, war’s nicht so schlimm. Der Tofu nach Dunhuang-Art war sicher keine kulinarische Erleuchtung, sieht aber gut aus und schmeckt nicht schlecht: weisse Tofu-Scheibchen wechseln sich mit bunten Moehren-, Gurken- und Pilzscheiben ab. Die Suppe aus dem grossen Topf (viel zu viel!) schmeckt recht gut und schien uns auch weniger "experimentell" als Kamelhoecker, der auch auf der Karte stand. Stell’ ich mir nicht gut vor, was ist das ueberhaupt? Muskelfleisch ja wohl kaum …

Nach dem Essen ueberlegen wir, noch einen Nachttrunk in der besagten starry lounge, also auf der Dachterrasse zu nehmen. Aber auf den Tischen liegen keine Tischdecken, sie scheint heute fuer den allgemeinen Publikumsverkehr geschlossen zu sein wg. einer ebensolchen Veranstaltung: im Pavillon auf der Terrasse herrscht hinter geschlossenen Vorhaengen offensichtlich und –hoerbar high life. Nun gut, dann gehen wir also gleich ins Bett – schliesslich muessen wir ja wieder einmal in aller Herrgottsfruehe aufstehen. Genau betrachtet mitten in der Nacht.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Sonntag, 3. August: Nach Dunhuang und zum Sonnenpass

Wir muessen unchristlich frueh aufstehen, um 4:30 Uhr klingelt der Wecker (die Zeit zum dreimaligen Umdrehen natuerlich inbegriffen). Um 6:30 Uhr sollen wir abgeholt werden, der Zug nach Dunhuang faehrt um 7:09 Uhr. Wer wann abgeholt werden muesse, das hatte eine weitere lokale Reisefuehrerin per Anruf Freitagnacht 0:40 Uhr geklaert, als wir eigentlich schon schliefen. Die Verwirrung war gross, erstmal herauszufinden, wer wir ueberhaupt seien - nein, wir sind nicht die Ixypsilons, das sind andere … Ich habe extra ein bisschen Zeit fuer die Diskussionen beim Auschecken eingeplant, und natuerlich bekommen wir, dank der prima Kooperation mit Eclipse City, eine Rechnung praesentiert, die wir also erst einmal bezahlen muessen. Den Aergerfolgen folgt jetzt Folgeaerger, sozusagen.

Um halb sieben ist niemand da, um uns abzuholen und zum Bahnhof zu bringen und uns die Tickets zu geben - wir werden nervoes, schliesslich wissen wir nicht, wie lange man zum Bahnhof braucht. Wir klingeln eine der Ansprechpartnerinnen von unserem Reiseplan wach (tut mir ja auch leid). Um 6:37 Uhr erscheint so ein Maedel mit dem Taxi. Na dann. Zeit genug, in den Sonnenaufgang hinein zum Bahnhof zu fahren, das ist nicht weit, wie wir jetzt merken.

Im Bahnhof herrschen Gedraenge und Ellenbogenmethoden. Die Bahnhofshalle ist mit allzu vielen Sitzbaenken zugestellt, und auf den Bahnsteig wird man nur gelassen, wenn der eigene Zug aufgerufen wird. Erst rufen sie unseren Zug auf, dann doch noch zuerst einen vorher verspaetet gemeldeten, und die Leute draengen sich mit ihrem sperrigen Gepaeck durch. Wer anfaellig ist fuer blaue Flecken, zieht sich besser eine Eishockeyausruestung an.

Schliesslich duerfen wir auf den Bahnsteig. Das altbekannte Bahnprinzip "Die Benutzung der Toiletten waehrend des Aufenthalts im Bahnhof ist verboten" scheint, der Nase nach, hier nicht zur Anwendung zu kommen. Insofern war es vielleicht doch das kleinere Uebel, in der Halle zu warten?

Der Zug ist recht voll, wir finden unsere Plaetze in einer Schar junger Maenner. Der Mechanikstudent, der uns schon in der Warteschlange angesprochen hatte, taucht auch bald wieder auf. Selbst fuer mich, die ich mich nicht gerade zu denen zaehle, die zu jedermann/frau leicht Kontakt findet, ist es hier nicht so schwierig, mit Wildfremden (interessantes Wort!) Ins Gespraech zu kommen. Eine ganz neue Erfahrung fuer mich!

Hauptaktivitaeten im Zug sind Doesen/Schlafen und Essen/Trinken. (Was sonst? ;-) ) Wem das nicht genuegt, der kann sich fuer 5 RMB ein buntes kleines Spielzeug kaufen, eine Art Tangram am Stueck. Auf einem kleinen Zettelchen sind Figuren vorgegeben, die man aus diesen beweglich verbundenen Prismen zurechtwursteln kann. Wir kaufen auch eins. Burkhard versucht (erfolgreich) sich an dem dreidimensionalen Achteck und findet sich unversehens in einer Traube von Zuschauern, darunter auch die Spielzeugverkaeuferin, die ihre Ware sehr gut kennt und die "Prismenschlange" ziemlich fix in Form bringen kann. Schon dafuer hat sich die Investition gelohnt! Und natuerlich zum Zeitvertreib (schlimmes Wort!), denn der Hexi-Korridor ist lang und wir muessen Hunderte von Kilometern zurucklegen in einem Zug, der gerade mal etwas schneller ist als ein Bummelzug. TGV - tourt ganz vergnuegt, oder was heisst das noch gleich?

Wir kommen puenktlich auf dem pompoesen neuen Bahnhof von Dunhuang an. Eine gewisse Helen nimmt uns in Empfang und faehrt mit uns zum Dunhuang-Seidenstrassenhotel. Ein schoenes Hotel ist das, mit einigem Flair. Wir checken aber nur rasch ein und fahren um ein Uhr gleich wieder ab, zunaechst nur bis zu Charley Johng's (sic!) Café, wo wir Nudeln mit Eselfleisch essen – das schmeckt lecker, ist aber nicht sehr "chinesisch". Dazu gibt's feurigen Ingwer"tee".

Dann fahren wir durch die Wueste Gobi zum Yangguan, dem Sued- oder Sonnenpass. Helen fragt sich laut, warum wohl die Reiseanbieter ihre Kunden immer zum Yangguan fahren lassen, da sei doch gar nichts mehr original erhalten, der Jadetorpass (Yumenguan) sei doch viel interessanter. Ich frage sie, warum sie das den Reiseanbietern nicht sagt … aber neee, das will sie lieber nicht. Wir werden spaeter herausfinden, dass man am besten zu beiden faehrt, was man auch an einem Tag gut bewaeltigen kann.

In Dunhuang teilt sich naemlich die Seidenstrasse in eine noerdliche und eine suedliche Route. Strategisch zwischen zwei Fluessen gelegen, schuetzte der Yangguan die suedliche Seidenstrassenroute und der Yumenguan die noerdliche. Unterwegs sehen wir diverse Signalturmreste und "Dunhuang Old Town", eine Filmkulisse, in der unter anderem der Film "Dunhuang" sowie Teile von Zhang Yimou's "Hero" gedreht wurden. Wir kommen an einigen Oasen vorbei. Es gibt auch ein paar Wuestenfluesse, die vom Schmelzwasser aus den Bergen gespeist werden und dann irgendwann buchstaeblich im Sand verlaufen. An einem Flussufer machen wir halt und entdecken nicht nur einige Eselchen, sondern auch Ameisenloewentrichter. Wenn "Ameisenloewe" auch irgendwie nach Saeugetier klingt, so handelt es sich doch bloss um eine Insektenlarve – einmal geschluepft, wird daraus eine Ameisenjungfer. Leider haben wir auch keinen gesehen.

In Yangguan angekommen, haben wir zuerst entdeckt, dass dort Wein angebaut wird. Die Beeren werden in zahlreichen Trockenhaeusern zu Rosinen verarbeitet, ob auch gekeltert wird, weiss ich gar nicht. Wir erreichen das Fort – hier ist alles neu. Es beherbergt ein zweiteiliges Museum. Ein Teil befasst sich mit der chinesischen Mauer, einer mit der Seidenstrasse. Im Hof thront Zhang Qian, der Gesandte "nach dem Westen", hoch zu Ross. Das Museum ist irgendwie nicht sehr ansprechend gestaltet, ein bisschen duester, und zeigt vielfach nur Fotos von Exponaten. Im Museumsgaertchen wachsen Populus diversifolia (Euphrat-Pappeln) mit interessanten, archaisch aussehenden Blaettern.

Mit einem kleinen Bus fahren wir zum alten Signalturm hinauf, dem einzigen echten Ueberbleibsel vom alten Yangguan. (Das mit dem Bus nehmen wir sehr dankbar an – es ist total heiss, und, wenig ueberraschend, ist die Zahl der schattenspendenden Baeume in der Wueste gleich null. Durch halbwegs losen Sand in praller Sonne bergauf stapfen? Och noe ... ) Ausser dem Ziegelhaufen, der einmal der Signalturm war, gibt es noch einen kleinen chinesischen Pavillon auf einem Huegelchen mit Rundumblick und einen langgezogenen Wandelgang, der mit mehreren Gedichtsteinen geschmueckt ist. Der Yangguan ist einer von diesen Orten, den bestimmt fast jeder Chinese kennt, auch wenn er nie in seinem Leben hinkommt. Es genuegt, in der Schule das beruehmte Gedicht aus der Tangzeit zu lernen – das kann jede/r halbwegs Gebildete auch im Erwachsenenalter noch auf "Knopfdruck" abspulen:

wèi chéng zhāo yŭ yì qīng chén
kè shè qīng qīng liŭ sè xīn
quàn jūn gèng jìn yī bēi jiŭ
xī chū yáng guān wú gù rén.

Uebersetzt laut meinen "Perlen der Tang- und Song-Dichtung":

A morning rain clears the dust in Wei city,
The willows at the inn look fresh and saucy.
Drink one more cup of wine, since out of
The west of Yang Pass, no old friends you'll see.

Und meine eigene Uebertragung ins Deutsche lautet (versuchsweise):

Der Morgenregen waescht den Staub der Stadt Wei weg,
die Weiden vor dem Gasthaus sehen frisch-gruen und saftig aus.
Trink noch ein Glas Wein, denn
Westwaerts vom Yang-Pass gibt es keine zivilisierten Menschen.

Fuer mich ist dieser Ort nun wirklich seeehr chinesisch: Mitten in der Wueste ein saeulenbestueckter Wandelgang mit Steintafeln und Gedichten drauf, und nach Sueden hin sieht man ueber die Wueste hinweg die sagenhafte Kulisse der schneebedeckten Berge. Damit man auch weiss, an welchem hervorragendem Ort man sich befindet, wird die Szenerie noch durch eine Felssaeule "verbessert", auf der in roten kalligraphierten Buchstaben "Altertuemer des Yang Guan" (oder so) steht. Aber chinesisch hin oder her: die Kulisse ist sagenhaft, und ein schattenspendender Wandelgang ist sehr bequem. In der Ferne sieht man einige "Sanddrachen", wie die kleinen Windhosen hier genannt werden, die aus dem gelben Wuestensand trichterfoermige Kreisel formen, die sie dann ueber den Wuestenboden treiben.

Am Pavillon treffen wir das hollaendische Paar wieder, das in Shanghai wohnt, bei der Sonnenfinsternis-Tour dabei auch war und sich vom selben Anbieter "landverschicken" laesst wie wir. Nach einem kleinen "Schnack" geht die Fahrt weiter (oder, genau betrachtet, zurueck Richtung Dunhuang) in ein Oasendorf. Unterwegs kann man zahlreiche Graeber irgendwo in der Wueste ausmachen. In einer Flussaue am Dorfeingang weiden ein paar weisse Schaefchen – nein, wie idyllisch! Und definitiv unerwartet: dieses Bild wuerde irgendwo in la France profonde, sprich: der tiefsten franzoesischen Provinz, nicht ueberraschen – mitten in der Wueste Gobi aber doch. Im Dorf gibt es "wenige" Haeuser und viele Gaerten, alles ist gruen. Den Bewohnern dient ein kleiner Stausee als Reservoir fuer trockene Zeiten. Jetzt ist er recht leer, einige Jugendliche schwimmen, um sich am heissen Spaetnachmittag ein wenig Abkuehlung zu verschaffen, wir treffen die Hollaender wieder, und ein Grueppchen Erwachsener ist mit einem Boot und Netzen zugange. Helen faengt (mit Hilfe dieser Werkzeuge) einen Fisch und nimmt ihn (gegen Bezahlung, versteht sich) in einer Tuete mit etwas Wasser fuers Familienabendessen mit. Sie ist sehr begeistert von diesem Fang. Der Fisch weniger, man hoert ihn bei der Weiterfahrt im Kofferraum um sich schlagen …

Aber bevor wir abfahren, muessen wir erst das Wahnsinnsblau des hohen Himmels geniessen, das sich natuerlich auch im See spiegelt. Ein Pferd aus rosa Marmor (? Sandstein? Granit?), das gerade dabei ist, die Wueste zu ueberfliegen, und die wenigen weissen Woelkchen lassen das Blau noch ein wenig blauer erscheinen.

Bei unserer Rueckkehr nach Dunhuang kehren wir gar nicht erst ins Hotel zurueck, sondern lassen uns gleich fuers Abendessen von Helen ein Sichuan-Restaurant empfehlen. Wir essen mapodoufu ("scharfe Schlempe", wie ich das Tofugericht zu nennen pflege), Shrimps mit Cashew, "fischduftende" Auberginen und noch einmal Eselfleisch, mit Moehren und Gurken geschmort: das sei der "local flavor". Alles ist recht lecker. Aber Eselfleisch, wenn es in groesseren Stuecken kommt wie hier, ist trotzdem nicht die allerbeste Empfehlung, es ist wohl prinzipiell ein bisschen zaeh. Elastisch, nicht so fest wie zaehes Rindfleisch – aber eben etwas zaeh.

Danach haben Fuehrerin und Fahrer Feierabend, und wir schicken uns an, den Abend auf der Hoteldachterrasse zu verbringen. Dort sehen wir – vor der Kulisse der grossen Duenen – zuerst einen Sonnenuntergang, dann gleich einen Mondsicheluntergang, der als Illustration fuer eine Prachtausgabe von 1001 Nacht taugt, und dann einen herrlichen Sternenhimmel. So viele Sterne, und die ganze Milchstrasse! Ewig nicht gesehen, das ist toll. Der Hotelprospekt uebertreibt nicht, wenn er das rooftop auch als starry lounge beschreibt. Ausser den Hollaendern sind heute Abend auch allerhand Hobbyastronomen da, die alle wegen der Sonnenfinsternis angereist waren. Einer hat ein Reiseteleskop dabei und zeigt uns einige der Jupitermonde. Ganz schoen leistungsstark, so ein Ding, das man einfach auf dem Tisch aufbaut. Er kann auch die anderen Sternbilder identifizieren, versteht sich – aber eigentlich interessiert mich das gar nicht so, ich geniesse lieber das Himmelszelt als Ganzes.

Pudong Airport mal wieder

Wow, sonntagmorgens abfliegen geht ja sooo schnell … bestimmt war es schon 6:05 Uhr, als wir zu Hause losgefahren sind, Ding Shifu und ich. Morgenstund' hat zwar angeblich Gold im Mund, aber es ist grau und es regnet, und der Maglev faehrt um diese Uhrzeit auch noch nicht. Trotzdem bin ich um 6:53 Uhr schon meinen Koffer los, und das, obwohl ich das lange Terminalgebaeude fast ganz durchwandern musste: der Japan Airlines Check-In ist natuerlich der allerletzte. Aber selbst am Economy-Schalter brauche ich ueberhaupt nicht zu warten, und um 7:02 Uhr habe ich die Pass- und Sicherheitskontrolle schon hinter mir. Und muss das lange Terminalgebaeude erneut halb durchwandern, denn die Sicherheitskontrolle ist in der Mitte gelegen und "mein" Flugsteig ist natuerlich … der allerletzte, man ahnt es schon.

Die Laeden haben zu 90% Schilder, dass sie von 7:00 bis 23:00 Uhr geoeffnet haetten - und sind verriegelt und verrammelt, und es ist niemand da, der Anstalten macht, sie zu oeffnen. - Am Ausgang gibt es zur Unterhaltung der Wartenden mindestens zwei Fernseher, das Problem ist nur, dass beide auch mit Ton laufen, das ist etwas nervig. Dafuer gibt es an mehreren Stellen je vier Steckdosen, an denen man Laptop und/oder Handy laden kann. Das ist doch mal ein prima Service - jetzt fehlt zu meinem Glueck nur noch ein oeffentliches Drahtlosnetzwerk, schade, das scheint noch nicht da zu sein. Denn der Flug nach Japan ist so kurz, dass ich Economy fliege und also nicht in der Lounge herumhaengen kann, wo es natuerlich ein Netzwerk gibt.

Wie gut uebrigens, dass ich der Anweisung auf dem elektronischen Ticket nicht geglaubt habe. Da stand immer noch, dass man drei Stunden vor Abflug da sein solle. Nachfragen ergab aber, dass zwei Stunden jetzt wieder ausreichen. Na bitte!

Super! Quellen doch gerade aus einem der Fernseher deutsche Worte an mein Ohr - ich gucke genauer hin: eine Kinoreklame fuer die Herbig-Version von Hui Buh, mit Text von Hans Clarin von einer meiner Kinderplatten ...! Das wird ein schoener Mist sein, so wie die Vorschau aussieht.

Samstag, 4. Oktober 2008

Bambus

So, heute hatte ich eine Kalligraphiestunde fast ganz ohne Kalligraphie. Statt dessen versuche ich jetzt, Bambus zu malen. Wenn Zheng Hong das tut, sieht es extrem einfach aus. Einfach mit dem Pinsel ein paarmal mit unterschiedlich schwarzer und unterschiedlich feuchter Tinte auf ein Blatt Papier pinseln, fertig ist der Bambus! Dann noch zwei, drei gekonnte Kleckse und ein paar Striche Feinarbeit, und schon sitzt ein putziges kleines Voegelchen im Geaest. Ich glaube, Zheng Hong verzweifelt, wenn er mich mit dem Pinsel kaempfen sieht ... Auf mein erstes Bambusbild habe ich denn auch (um die Kalligraphiestunde doch noch zu einer solchen zu machen) zhi nan er jin geschrieben, trotz aller Widrigkeiten voranschreiten. Schau'n mer ma', wie sich das entwickelt. (Und dann hat er heute noch den letzten Faecher ein bisschen gerettet, das ging ihm doch quer, dass einer der Stempel verrutscht war ... ;-) )

Ansonsten muss ich jetzt noch packen, morgen geht es in aller Fruehe nach Japan (Osaka), um noch ein bisschen Zeit fuer Besichtigung zu haben. Ich allein mit dem Zug in Japan unterwegs ... hoffentlich fall' ich nicht in den Fuji. Aber die Kollegin hat gesagt, alles kein Problem - ich soll den Fahrschein am Automaten kaufen, nicht einen der zahlreichen gruenen Automaten nehmen, sondern einen der selteneren zart-lilafarbenen. Auf denen gaebe es auch eine Taste "English". Und die Bahnsteige seien auch Englisch beschriftet - vielleicht in sehr kleiner Schrift, aber beschriftet. So schrieb sie, da war ich ja beruhigt. Zumal meine Mobiltelefone mit dem japanischen Netzstandard natuerlich nicht funktionieren werden. Egal!

Ab Sonntagabend ist dann volles Programm. Mittwochabend komme ich zurueck, Donnerstagabend ist Chinesischunterricht, und Freitagabend ist dann schon wieder Abflug. Es geht in den Kurzurlaub: fuenf Tage Huangshan, die gelben Berge, und Jiuhuashan - ein buddhistischer Tempelberg. Da nun dieser Urlaub "droht", habe ich die freien Tage dazu benutzt, endlich das Reisetagebuch von der Sonnenfinsternis-und-ein-Stueck-Seidenstrasse-Reise fertigzustellen. Ab morgen an dieser Stelle!

Freitag, 3. Oktober 2008

Buy one, get one free

Anlaesslich des Nationalfeiertags war heute Abend Ausflugsschiffsparade auf dem Huangpu angesagt. Angeblich um sechs, aber es wurde erst so langsam gegen sieben etwas damit. Bis dahin hatte ich mir also die Beine schon in den Bauch gestanden, just gegenueber von "Big Ching", dem alten britischen Zollhaus am Bund mit dem Uhrenturm, von dem jede Viertelstunde dieselbe schlaegt. Auch drei neue Schiffe sollten heute erstmalig aufkreuzen, so stand es in der Zeitung. Eigentlich seien sie dazu gedacht, bei der Expo die Besucher auf dem Wasser herumzufahren - hm, bis dahin sind die ja dann schon ganz abgenutzt?!

So richtig spektakulaer war die Parade nicht. Dazu sind die bunt beleuchteten Ausflugsboote einfach in allzu losem Verbund gefahren, mal eins, dann noch eins - kaum ein Unterschied zum normalen Ausflugsverkehr an einem normalen Abend. Zwei der drei neuen Schiffe entpuppten sich als quasi identisch, weshalb ich schon spekulierte, dass die Werft bei der Auftragsannahme gerade ein Spezialangebot laufen hatte, s. Titel ...

Gegen viertel vor acht hatten sich dann alle Schiffe irgendwo an den Ufern platziert: das Feuerwerk konnte beginnen. 10 Minuten lang diente ein unscheinbarer schwarzer Lastkahn, der mitten im Fluss geraeuschvoll vor Anker gegangen war, als "Raketenabschussrampe", ein Stueck weiter flussauf- oder -abwaerts (man erinnert sich vielleicht, dieses Stueck Huangpu aendert die Fliessrichtung mit der Tide) feuert eine Mannschaft von einem zweiten Boot aus dasselbe Feuerwerk in die Luft.

Natuerlich geniessen wir das Schauspiel nicht allein - auf der "Wellenbeobachtungsplattform" gegenueber vom Bund haben sich Tausende von Leuten eingefunden. Dafuer steht auch alle 10 Meter ein Uniformierter und verbreitet Ruhe und Ordnung, Blick stramm landeinwaerts gerichtet. (Das Feuerwerk angucken koennen sie also nicht, das waere ja auch Freizeitvergnuegen - diese Kollegen sind schliesslich im Dienst. Und der ist auch hier Dienst, Maotai ist Maotai.)

Nach dem Schauspiel gehen wir am Huangpu entlang bis jenseits des Konferenzzentrums, dort liegen noch zwei Langnasenrestaurants. Ein Italiener, ein Spanier. Bei beiden ist nicht besonders viel los, dabei gibt's die hier schon lange. Wir probieren den Spanier aus. La verbena heisst der Laden. Man kann natuerlich nett am Fluss sitzen, aber das Essen ist einfach zu suess, und das Brot nicht gut. Wir probieren "div. Sorten" Tapas - richtig schlecht ist es ja nicht, besonders gut eben auch nicht. Dabei wird hier offenbar mit Anspruch gekocht - erwartungsgemaess ist aber das Ambiente der Terrasse ueber dem Huangpu ein besserer Grund herzukommen als die Werke der Kueche. Am Ende schreibt man uns das Brot auch noch auf die Rechnung - zwar schlaegt es mit 9 RMB nicht gerade ins Kontor, aber da auf der Karte steht, dass alle Speisen mit Brot und Olivenoel serviert werden, finde ich das nachgerade unverschaemt. Naja, egal, ich glaube ohnehin nicht, dass wir hier noch einmal hingehen ...

Danach machen wir uns auf den Heimweg. Die Wellenbetrachtungsplattform war offenbar am Nachmittag mal von den Wassern des Huangpu teilweise leicht ueberspuelt worden. Jetzt ist aber offenbar Ebbe: wo wir vorhin noch direkt oberhalb des Wassers gestanden hatten, erstrecken sich jetzt breite Sandbaenke. Und die sind gar nicht mal so zugemuellt, wie ich erwartet haette. Haibaos erste Werke? Better city, better life heisst schliesslich sein Motto.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Ausnahmezustand zum zweiten

So, nun ist der Oktober angebrochen, das Wetter spielt sogar mit - zwar war es heute sehr dunstig, aber doch sonnig, trocken und wohltemperiert. Weshalb so viele Leute unterwegs sind, dass jetzt, um 10 Uhr abends, wo sonst zumindest in Lujiazui (aber auch anderswo) die Buergersteige groesstenteils schon hochgeklappt sind, noch Verkehrschaos herrscht. Nicht zu fassen!

Wir haben uns heute auch ins Gewuehl gestuerzt. In der Zeitung stand naemlich, dass es jetzt wieder Zeit fuer die alle zwei Jahre stattfindende Internationale Shanghaier Mineralien- und Fossilienboerse ist. Und jemand hatte Burkhard eine Einladung in den Briefkasten geworfen. (Diejenigen unter meinen Lesern, die sowohl treu als auch aufmerksam sind, werden sich erstaunt fragen, ob denn schon zwei Jahre um sind seit meinem Bericht von der letzten Mineralienboerse ... aber nein, da waren wir am 20. Oktober 2007. Jaja, in China ist alles so klein, die Leute, die Quadratmeter - und sogar die Jahre.) Diesmal findet die Verkaufsausstellung sinnigerweise zu einem Zeitpunkt statt, an dem man auf mehr Kunden hoffen kann, und sie ist auch von der Fuzhou Lu in die Dragon Gate Mall in der Naehe vom Yu Yuan umgezogen. Wie bequem fuer uns! Da koennen wir ja ganz einfach zu Fuss hingehen - incl. Uebersetzen mit der Faehre, versteht sich. Um der Menschenmassen Herr zu werden, waren heute drei (statt sonst zwei) Faehren unterwegs.

Burkhard hat jetzt schon wieder acht neue Mineralien (herrje!), darunter einen Badingtonit. Erinnert mich irgendwie an englische Baerchen ... Ich haette mich auch froehlich umsehen koennen, wenn dort nicht so viel geraucht worden waere. Das gehoert verboten! Waehrend Burkhard mit dem Angebot auch insgesamt zufrieden war, war die begleitende Mineralienausstellung diesmal definitiv weniger gut als letztes Mal. Eine riesige und auch praechtige Wuestenrose war dabei und ein "Haarstein", der aussieht wie ein Stueck Pelz mit groben Zotteln. Das ist wohl ein Meerestierfossil ...

Anschliessend waren wir im Teehaus im Herzen des Sees, wo es nicht voller war als sonst. Auf der Zickzackbruecke herrschte natuerlich Gedraenge, aber nicht so viel, dass die Ordnungskraefte sie zur Einbahnstrasse erklaert haetten wie "neulich" zum chinesischen Neujahr. Bevor wir nach Hause gegangen sind, haben wir noch ein paar "Dampflinge", wie ich die beruehmten dumplings (wie ich finde sehr treffend) eingedeutscht habe, gegessen. Hm. Nicht schlecht, diese mit gefaerbtem Teig, die es bei Shi Wei Guan gibt, aber irgendwie finde ich die von Ding Tai Fung noch am besten.