Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Montag, 6. Oktober 2008

Montag, 4. August: Die Mogao-Hoehlen und der Jadetorpass

Heute Vormittag steht ein weiterer Hoehepunkt unserer Reise auf dem Programm: der Besuch der (oder besser: einiger) Mogao-Hoehlen oder –Grotten (chinesisch: 莫 mò 高 gāo 窟 kū). Ein abgelegenes Stueck Weltkulturerbe "jww", janz weit westlich. Nur Tibets Hauptstadt Lhasa liegt (weiter suedlich und) wenig weiter westlich. Deshalb hatten wir ja auch urspruenglich gedacht, dass wir diese buddhistischen Hoehlen, die zwischen dem 4. und 12. Jahrhundert entstanden sind, wohl nicht zu Gesicht bekommen wuerden. Manchmal kommt es (erfreulicherweise) anders.

Es gibt in einer langgestreckten Felswand ueber einem Flusstal 493 bemalte und/oder mit Skulpturen geschmueckte Hoehlen, insgesamt sind es weit ueber 500. (In den meisten Quellen ist von 492 bemalten die Rede, aber man hat wohl kuerzlich noch eine weitere buchstaeblich aufgetan.) Im Rahmen eines Besuchs kann man mit etwa 10 Hoehlen nur einen verschwindend geringen Teil davon sehen, und man weiss auch nicht vorher, in welche man gefuehrt werden wird. Denn selbstverstaendlich kann man sich hier, schon aus konservatorischen Gruenden, nur mit Fuehrer/in bewegen. Jedenfalls in den eigentlichen Hoehlen. Wir sind recht frueh da und koennen die Aussenansicht mit noch wenigen Besuchern und im schoenen Morgenlicht geniessen und nach Herzenslust fotografieren. Aber auch hier sind wir vor Olympia nicht sicher. Noch vier Tage bis zum "Anpfiff", sagt eine der zahllosen Countdown-Tafeln, die auch hier aufgestellt ist. Und damit nicht genug! Plakatwaende zeigen, dass Olympische Spiele eigentlich auch eine chinesische Erfindung sein muessen: Detailausschnitte aus ich weiss nicht wie vielen Quadratmetern bemalter Hoehlenwaende zeigen alle moeglichen Sport- und Spielarten, sozusagen. Oder vielleicht olympische Sportarten in altchinesischer Spielart.

Irgendwie scheint es ein paar Probleme zu geben; waehrend wir lange vor den Hollaendern gekommen sind (ja, die auch …), verschwinden die schon viel frueher als wir hinter den ersten Tueren. Ja, vor die Felswand hat man irgendwann Galerien gebaut, und die einzelnen Hoehlen sind mittlerweile zum Schutz vor Wind, Wetter, Leuten und anderem Unheil mit Tueren versehen. Schliesslich taucht eine deutschsprachige Fuehrerin auf, die in ihrer biederen Uniform mit Faltenrock (die muessen hier alle so herumlaufen) und mit festgebombter Dauerwellenfrisur aussieht, als waere sie "schon alt auf die Welt gekommen", wie das bei Loriot heisst. Sie ist leider ohne jeglichen Hauch von Enthusiasmus bei der Sache, aber wohl hinreichend professionell. Und sie hat einen grossen Schluesselbund.

Wir beginnen die Besichtigung mit den Hoehlen Nr. 96 und 130, in denen riesenhafte Buddhastatuen sitzen, die ca. 36 resp. 26 Meter hoch sind. Frustrierend fuer so'nen Buddha: eingemauert! Eine Tuer in Augenhoehe reisst es ja auch nicht heraus. Dann besuchen wir die
Hoehlen 148, 173, 428, 427, 419, 16/17, 323(-325), die alle fast vollstaendig ausgemalt sind. Da der Fels hier rau und broeselig ist, mussten die Felswaende erst mit einem Malgrund versehen werden und wirken wie "normale" Innenraeume – mit weitgehend rechteckigem Grundriss und ziemlich ebenen Waenden. Ich hatte jedenfalls keine "Hoehlengefuehle". Die Malereien sind einerseits sehr unterschiedlich und andererseits irgendwie alle gleich, es geht halt um buddhistische Themen, Geschichten aus Sutren, auch um das westliche und oestliche Paradies. Ersteres ist das "Reine Land des Buddha Amitabha", letzteres ist das Reich des Medizin-Buddha. Alles sehr kompliziert fuer Buddhismusunkundige wie mich … Aber man kann ja einfach mal hingucken und sehen, dass hier typisch chinesische Architektur dargestellt ist, die jeweiligen Hoehlenmalereien sind also definitiv zu einer Zeit entstanden, als der Buddhismus in China schon eine weitere Heimat gefunden hatte. (Fruehere Malereien in anderen Hoehlen zeigen noch indischen Stil, sagen die Kunsthistoriker.) Ausser Architektur gibt es auch viele Musikinstrumente zu sehen, wenn die Bilder mit Ton waeren, wuerde in den Mogao-Hoehlen ein Hoellenlaerm herrschen, so viel wird darauf musiziert (und dazu getanzt).

Die Hoehlen 16/17 sind angeblich ganz besonders wichtig – aber wenn man kommt, um die Malereien zu sehen, ist man enttaeuscht. Wichtig sind sie auch nicht so sehr wegen der Bemalung, sondern weil hier (unter anderem) das beruehmte Diamant-Sutra gefunden wurde. (In Mogao habe ich das aber nicht gesehen.) Ich bin von einem unwichtigen Detail beeindruckt: Vor der Hoehlenwand meditiert ein Buddha, und hinter ihm an einem gemalten Baum haengt eine gemalte Schultertasche, die an jedem Hippie auch gut ausgesehen haette. Witzig!

In einer Hoehle fehlt ein besonders schoenes Stueck Wandmalerei – Tang-Grazien auf einem Boot, wenn ich mich recht erinnere. Dieses Stueck hat ein amerikanischer – ja, was? Abenteurer? Entdecker? Archaeologe? als besonders schoen empfunden und einfach saeuberlich auf einem rechteckigen Ausschnitt vom Untergrund geloest und mitgenommen. Man kann es ja nicht so richtig uebelnehmen – so waren wohl die Zeiten und es hat auch vermutlich keinen vor Ort gestoert, damals. Aber wenn man heute davor steht, ist es doch etwas frustrierend.

Damit ist unser Besuch auch schon um, und unsere beiden Fuehrerinnen fuehren uns noch zum Spezialgeschaeft, in dem es Buecher und Repliken der Malereien zu kaufen gibt. Und hier muessen wir ja auch ein Buch kaufen, denn – eine Quelle tiefer Frustration fuer Burkhard – Fotografieren war selbstredend streng verboten. Wer die Wahl hat, hat die Qual – aber nach langem Hin- und Hergucken und Vergleichen und Diskutieren koennen wir uns fuer ein franzoesisch-deutsches Werk entscheiden. Hier scheint die Themenabdeckung breit und die Bildqualitaet recht gut zu sein.

Dann wartet noch das Museum auf uns. Beziehungsweise warten Helen und ich erst einmal vor dem Museum auf Burkhard, der etwas huegelan kraxeln will, um ein paar Bilder von der Hoehlenwand zu machen. Auf dem gegenueberliegenden Huegel stehen naemlich einige Stupas, die sich prima als Vordergrund eignen. Waehrend wir so warten, erzaehlt mir Helen, dass die Hollaender noch ein paar Hoehlen extra sehen, fuer extra Geld. Ich muss ja sagen, dass es mich ein bisschen aergert, dass uns das niemand vorher angeboten hat. Helen findet das gar nicht schlimm, man koenne das ja sowieso alles gar nicht auseinanderhalten, und 10 seien dicke genug. Na, die kennt uns aber nicht! Ein paar mehr gibt's dann noch im Museum als Repliken zu sehen, und zwar die Hoehlen 003, 217, 419, 276 und 275. Zur Bestaetigung des Frusts ist sogar in den Repliken das Fotografieren verboten, was soll denn das? Na ja, egal, wir haben ja jetzt das Buch.

Waehrend wir uns die Replik von Nummer 419 ansehen, faellt mir auf, dass ich die schon gesehen habe (s. oben – da war diese Nummer auch dabei). Ich sage das zu Helen, aber sie will mir nicht glauben – die sei normalerweise fuer Besucher gesperrt, die koenne ich also gar nicht gesehen haben. Ich war schon selbst ein bisschen verunsichert … wie gut, dass wir die Nummern aufgeschrieben hatten. Natuerlich hatte ich dieses sehr typische Bild schon gesehen! Da will die mir das nicht glauben! Sowohl die Bildstrukturen (es erzaehlt "comicartig" – bei den Franzosen heisst das ja sehr treffend bande dessinée – in einzelnen Szenen unter anderem die Geschichte eines Prinzen, der sich selbst einem Tiger als Nahrung anbietet) als auch die Farben (leuchtendes Blau, kaltes, mineralisches Gruen, Braun, dazu kraeftige Akzente in Schwarz und Weiss) waren mir aufgefallen und auch im Gedaechtnis geblieben.

In der Ausstellung werden Ausgrabungen aus den noerdlichen Hoehlen gezeigt: Texte in vielen verschiedenen Sprachen und Schriften, ein paar sehr alte Scherenschnitte (sieh mal an! - und dass diese Papierstueckchen erhalten geblieben sind, grenzt an ein kleines Wunder), Miniatur-Stupas aus Lehm, die aussehen wie Familienverwender, aeh, -benutzer, und verschiedene sehr alte Textilien aus diversen Materialien (mindestens Wolle, Seide, Baumwolle).

Danach fahren wir zurueck in die Stadt nach Dunhuang – die Grotten liegen ein bisschen ausserhalb. Helen fuehrt uns zum Mittagessen in eine Dumpling-Bude. So ein Laden, den wir uns allein bestimmt nicht zu betreten getraut haetten. Wir nehmen zwei Sorten mit Pilzen und Hackfleisch und Shrimps, oder so aehnlich, dazu gibt es eine Sauce aus Essig, Chili und Knoblauch. Die Dumplings sind gekocht und schmecken nicht direkt uebel, aber da weiss man doch, was man an den gedaempften xiaolongbao von Din Tai Fung hat …

Am Nachmittag steht eine Extratour auf dem Programm, fuer die unser Fahrer auch ein bisschen was extra bekommt. Es geht zum Yumenguan, dem Jadetorpass, der auf der noerdlichen Seidenstrassenroute Sicherheit verbreitete. Wir fahren wieder durch die Wueste und sehen die Hitzespiegelungen, die Wasser vortaeuschen – aha, das ist also eine Fata Morgana. Helen versichert mehrfach, dass sie Besuchern den dringenden Wunsch abschlagen musste, "am Ufer des Sees" eine Rast einzulegen.

Wir erreichen den Yumenguan – aber entgegen Helens Behauptung, dass davon ja sehr viel mehr erhalten sei als vom Yangguan gibt's auch hier bloss einen alten Ziegelklotz, der zwar ein bisschen besser erhalten ist als jener am Yangguan, aber so viel besser nun auch nicht. Zunaechst fahren wir aber noch ein Stueck weiter. Hier steht ploetzlich eine Art Klotz aus Wuestenbeton in der Landschaft, daneben prangt auf einem Blechschild ein grosses blaues P auf weissem Grund. Der Rost hat es schon halb aufgefressen, aber eigentlich scheint es auch egal, wo genau man hier haelt. Wir sind weit und breit die einzigen Besucher eines sehr alten Stuecks der Grossen Mauer. Es stammt aus der Han-Zeit und ist somit etwa 2000 Jahre alt. Das Bauwerk besteht hier aus gestampftem Lehm mit Stroh und weist jetzt eine Rippenstruktur auf, die wohl dadurch entstanden ist, dass der Wind zwischen den einzelnen Strohschichten im Laufe der Jahrhunderte mehr Teilchen weggeblasen hat als dort, wo das Stroh liegt. Ein Stueck Mauer ist eingezaeunt, irgendwie absurd ... Burkhard geht bis zu einem Signalturm ein paar hundert Meter weiter, aber mir ist die Wueste zu heiss. Helen erzaehlt mir, dass dort in der Naehe ein Haufen versteinertes (?) Holz liegen soll, aber Burkhard meint hinterher, dass es doch eher nach Stroh aussieht. Ich bin schon ein bisschen in Sorge, dass er da zu lange herumlaeuft, der Wuestenboden ist bestimmt 50 °C heiss, und von kuehlendem Windhauch kann auch nicht die Rede sein. Nicht dass er da mit einem Sonnenstich umkippt …!

Aber er kommt heil zurueck, und wir fahren (natuerlich nur mit Tempo 30, wie es ein einsames Strassenschild mitten in der Wueste vorschreibt), zum Ziegelklotz-Hauptgebaeude zurueck. Noerdlich der Strasse liegt einer der Wuestenfluesse. Waehrend ich mit Helen den Klotz umrunde und eine ganze Menge Schwalben entdecke, die das historische Gemaeuer zu ihrem Wohnplatz erkoren haben, geht Burkhard zum Fluss hinunter. Da ist der Boden ganz salzig – er kommt mit einem Foto von Queller zurueck! Oder jedenfalls von einer Pflanze, die genauso aussieht und ein Habitat mit extrem hohem Salzgehalt zu besiedeln in der Lage ist, vielleicht heisst die hier ja anders als im norddeutschen Wattenmeer. Und dass es salzig ist, beweisen die Kristalle an einem Halm daneben. Ich waere ja auch gern hingegangen, aber mir knallt die Sonne gar zu unbarmherzig auf die Ruebe – da hilft auch kein Sonnenhut.

Gegenueber vom Klotz gibt es ein Gebaeude, wohl um das Gelaende zu "managen" - waehrend wir seinem Schatten zustreben, reibt Helen sich mit weissender Sonnenschutzmilch ein. Na ja, bisschen spaet wohl – das haette sie wohl besser vor der Abfahrt gemacht. Ausserdem hat sie ohnehin nicht gerade einen hellen Teint und berichtet, dass ihr Ehemann mit ihrem Job ganz unzufrieden ist. Der beinhaltet nun mal viel Bewegung unter der Wuestensonne, so dass das mit der vornehmen Blaesse nicht funktioniert, die er gern an ihr sehen moechte. Aber sie habe ihm gesagt "I like this job", und basta. ;-))

Im Gebaeude gibt es Toiletten, aber die sind abgeschlossen. Kein Wasser, heisst es zuerst, aber dann schliesst man uns doch auf und es gibt doch Wasser. Was war das denn wieder? Im ueberdachten Innenhof haelt jemand Wuestenrosen aus der Wueste Gobi feil. Burkhard kauft eine, Helen ist ganz beeindruckt. Die hat sie noch nie wahrgenommen, genauso wenig wie den Queller uebrigens, und das, obwohl sie doch oft herkommt. Sie will sich auch noch eine kaufen, aber der Haendler scheint mit uns ein hinreichend gutes Geschaeft gemacht zu haben, so dass sie ihr auserwaehltes Stueck geschenkt bekommt. Alle sind zufrieden, ist doch prima!

Dann geht es zurueck nach Dunhuang. Dort oeffnet um fuenf Uhr der "night market", sagt Helen. Aber viele Staende sind noch nicht bestueckt. Egal, wir lassen erst einmal unsere Schuhe putzen, nach dem wir so nachdruecklich dazu genoetigt werden. Mit Wasser, Seife, Schuhcreme, Zahnbuerste und allerhand Lappen wird dem Wuestenstaub zu Leibe gerueckt, und hinterher sehen unsere Schuhe wieder zivil aus. Mittlerweile haben auch schon ein paar mehr Haendler ihre Waren ausgebreitet. Es gibt viel Souvenirkitsch, aber auch ein paar Laeden mit Mineralien und Gelehrtensteinen. An einer "Stempelbude" will ich mir einen Stempel aus Wuestenholz (populus diversifolia?) machen lassen. Lange diskutieren wir, welches Stueckchen Holz wohl das beste sei, und als wir uns endlich entschieden haben, kommt die naechste Frage: was soll denn draufstehen? Am Ende einige ich mich mit mir selbst auf den ersten Vier-Woerter-Ausdruck, den ich gelernt habe (den mit dem highway, insofern kann ich mir den ja auch immer gut merken): si hai wei jia heisst der, auf allen vier Weltmeeren zuhause. Oder so aehnlich.

In einer Strasse, die von der Haupt-Marktstrasse abzweigt, befindet sich der Gemuesemarkt. Es gibt auch ein wenig Fisch, Fleisch und Gewuerze, aber hauptsaechlich werden Feldfruechte aller Art angeboten, frisch oder auch getrocknet. Egal wo auf der Welt – Gemuesestaende sind immer toll. Ich frage nach ominoesen schwarzen Dingern in grossen Saecken. Ob das wohl Pilze sind? Daraufhin holt Helen ihren Vokabelblock hervor; ich krieg’ mich kaum ein: genau wie Burkhard mit seinem Vokabelbuechlein! Viele Eintraege, mehr oder weniger thematisch sortiert, hier und da noch thematisch Passendes irgendwo hin gequetscht, wo eigentlich schon kein Platz mehr ist – und sie blaettert genau so verzweifelt hin und her. Das gesuchte Wort muss doch da sein! Der einzige Unterschied: Burkhards Buch ist links geheftet, ihr Block hat oben eine Spiralbindung. Am Ende findet sie doch noch die Antwort: nein, das seien keine Pilze, das sei black fungus. Ich glaube, so ganz nimmt sie es uns nicht ab, dass fungus ein anderes Wort fuer Pilz ist …

Nachdem wir uns an allem incl. Tee und Trockenfruechten (nicht nur Rosinen) sattgesehen haben, gehen wir ein paar Meter weiter zum Platz mit der Apsara inmitten eines Kreisverkehrs. Die schon ziemlich weit unten stehende Sonne taucht eine sehr repraesentative Hausfront in schoenes Abendlicht. An einer anderen Hauswand prangt ein Relief mit Seidenstrassen-Thema, und ein paar Meter weiter ist eine Landkarte der Seidenstrasse, in Granit graviert, in den Buergersteig eingelassen.

Wir ueberlegen, wie wir den Abend verbringen sollen, und beschliessen, heute einfach im Hotel zu essen. Vorher halten wir noch an einem Baumwollfeld – ich habe noch nie Baumwollpflanzen "live" gesehen. Sie bluehen zum Teil noch (weisslich), einige Pflanzen haben schon "Baumwollaepfelchen" angesetzt, die bis zur Erntezeit noch anschwellen und dann die begehrten Pflanzenfasern freigeben werden. Irgendwie unspektakulaer, und dabei ist das doch eine weltweit verbreitete Pflanze, die auf ich weiss nicht wie vielen Quadratkilometern in verschiedenen Kontinenten angebaut wird! (Ob ich meine Phantasie von den Baumwollschafen nun aufgeben muss? Aber nein, solange Gary Larsons Cartoon von den Stahlwollschafen, die bekanntlich keine natuerlichen Feinde haben, in der Welt ist, halte ich auch an meinen Baumwollschaefchen fest.) Ich philosophiere ein wenig mit Helen ueber die touristischen Aspekte des Baumwollanbaus. Wir stiefeln hier jetzt am Rande eines ganz normalen Feldes herum. Viele Touristen wuerden sich dafuer interessieren, sagt Helen. Besonders natuerlich zur Erntezeit, wenn voll mit Baumwolle beladene Autos zur Fabrik fahren, wo die Ernte weiterverarbeitet wird. Viele wuerden fragen, ob sie nicht die Fabrik besichtigen koennten, aber nein, das ginge natuerlich gar nicht. Da wuerde ja gearbeitet, und die ganze Sache sei buchstaeblich brandgefaehrlich (oder genauer: -det, nicht –lich). Na, mit dieser Einstellung kann man natuerlich keine neuen Touristenattraktionen herbeizaubern. Dass Besucher nicht einfach mit brennenden Zigaretten zwischen den Arbeitern herumlaufen koennen, ist mir auch klar. Aber hier scheint man noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen zu sein, dass man mit einem geeigneten Konzept auch den Baumwollanbau touristisch vermarkten koennte.

Im Hotel angekommen, suchen wir nach kurzer Rast das Restaurant auf. Hinterher stellen wir fest, dass wir wohl das falsche gefunden hatten. Es gibt ein "westliches" und ein chinesisches, und wir wollten natuerlich ins chinesische. Aber da wir selbst im "westlichen" solche Dinge wie Tofu nach Dunhuang-Art und Kamelbeinsuppe suess-sauer serviert bekamen, auch ein bisschen shashlick mit offenem Brennpastenfeuer, war’s nicht so schlimm. Der Tofu nach Dunhuang-Art war sicher keine kulinarische Erleuchtung, sieht aber gut aus und schmeckt nicht schlecht: weisse Tofu-Scheibchen wechseln sich mit bunten Moehren-, Gurken- und Pilzscheiben ab. Die Suppe aus dem grossen Topf (viel zu viel!) schmeckt recht gut und schien uns auch weniger "experimentell" als Kamelhoecker, der auch auf der Karte stand. Stell’ ich mir nicht gut vor, was ist das ueberhaupt? Muskelfleisch ja wohl kaum …

Nach dem Essen ueberlegen wir, noch einen Nachttrunk in der besagten starry lounge, also auf der Dachterrasse zu nehmen. Aber auf den Tischen liegen keine Tischdecken, sie scheint heute fuer den allgemeinen Publikumsverkehr geschlossen zu sein wg. einer ebensolchen Veranstaltung: im Pavillon auf der Terrasse herrscht hinter geschlossenen Vorhaengen offensichtlich und –hoerbar high life. Nun gut, dann gehen wir also gleich ins Bett – schliesslich muessen wir ja wieder einmal in aller Herrgottsfruehe aufstehen. Genau betrachtet mitten in der Nacht.

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