Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 31. August 2008

Ein besonderer Leckerbissen

Ja, heute ist ein besonderer Tag fuer die "Bildergucker" unter meinen Leser/inn/en. Nicht nur, dass es ein paar neue Fotos gibt, die Shanghai mehr als pflichtbewusste Olympia-Mitausrichterin denn als Olympia-Enthusiastin zeigen. Neulich habe ich uebrigens eine Reportage gehoert, in der berichtet wurde, dass die vielen Wanderarbeiter zumeist ueberhaupt keine Moeglichkeit gehabt haetten, mal was von Olympia zu sehen. Public viewing hat's wohl nicht gegeben (ausser fuer die Eroeffnungsfeier), und typischerweise scheinen die Wanderarbeiterunterkuenfte nicht mal einen mickrigen Fernseher bereitzuhalten. Von eventuell mangelnder Freizeit mal ganz abgesehen ... Natuerlich gab's genuegend Chinesen, die auch zugucken konnten. Ich habe hier mal am Rande mitbekommen, dass die Missbilligung der ganzen Nation tonnenschwer auf den armen Huerdenlaeufer Liu Xiang stuerzte. Scheint, dass die Leute hier ihm seine Niederlage persoenlich uebel nehmen (insofern wuerde ich die Beschreibung der Stimmungslage, die die Financial Times Deutschland in ihrem Artikel gibt, nicht ganz unterschreiben). Aber in Shanghai kraeht jetzt sowieso kein Hahn mehr nach Olympia, kann man sich doch jetzt endgueltig auf die Expo konzentrieren.

Aber der erwaehnte Leckerbissen kommt erst noch: Endlich habe ich es auch geschafft, Burkhards 1:45-Minuten-Fotoshow von der Sonnenfinsternis in YouTube zu laden. Wirklich sehr empfehlenswert, wenn auch kuerzer als die Sonnenfinsternis selbst, die bekanntlich 1 Minute und 50 Sekunden gedauert hat. Viel Vergnuegen!

Samstag, 30. August 2008

Zwischen Kram, Kitsch und Kunst

Am Dienstag hatte ich einen ominoesen Brief vorgefunden: mit lauter chinesischen Zeichen beschriftet und, bei genauem Studium, unseren chinesischen Namen (als ob die irgendjemand kennen wuerde ;-)) ) ... und just zwei Namensbestandteilen in lateinischen Buchstaben. Ich dachte ja erst, ich bekaeme jetzt anonyme Drohbriefe, aber dann waren da zwei Eintrittskarten fuer The 2nd International Gift & Home Décor Trade Fair 2008. Von Zheng Hong extra fuer uns eingetuetet und per Post verschickt. Na, dann mussten wir da ja wohl heute mal hinfahren!

Diese Messe findet im "shanghai mart" statt, einem Gebaeude an der westlichen Yan'an-Strasse kurz vor diesem Riesenblumenstrauss, den ich "die Bademuetze" zu nennen pflege, weil er eine Form hat wie die beruehmten 70er-Jahre-Gummiblumenbadekappen. Und mit Gummiblumenbademuetzen ist man auch schon gleich richtig eingestimmt ... hier gibt es reichlich Kram auf vier Etagen. Bei so vielen Sachen liess es sich nicht vermeiden, dass auch mal ein paar gute Dinge dabei waren. Aber das Sammelsurium: Patchworkarbeiten, Fliesenbilder, Einkaufstaschen, Kalender, Lackkistchen, Glaskitsch, chinesische Moebelstuecke und Schnitzarbeiten, Teeservices, Puppen, Plueschtiere incl. einem Hein-Bloed-Verschnitt, Miniklaviere, Beijing 2008-Olympiakitsch (vor allem Vogelnest und Wasserwuerfel - und natuerlich die Maskottchen), Thermoskannen und -becher, Textilien, Schmuck, Bilder, Decken, Massageautomaten (hab's getestet: fuehlt sich wirklich ein bisschen an wie massierende Haende) und ich weiss nicht was noch. Wie es sich fuer Trash gehoert, war ploetzlich auch noch eine Schlaegerei im Gange, zu Hilfe! Die Streithaehne waren sehr gewalttaetig und konnten kaum auseinander gebracht werden. Schrecklich! Insofern vergessen wir diese ganze Veranstaltung mal gleich wieder. Es waren uebrigens so gut wie keine Langnasen dort. Oder halt, zwei Sachen noch: Zum einen habe ich hier erstmals Rohjade gesehen. Mehrere Staende boten dort Jade aus Burma/Myanmar an (eine der wichtigsten Einnahmequellen der dortigen Regierung, wie man hoert), und zwar sowohl roh als auch bearbeitet. Die rohen Kloetze hatten meist nur ganz kleine angearbeitete Ecken (nicht so wie auf diesem Bild, wo er ganz angeschliffen ist). Die kleinsten und schlechtesten fangen bei 1000 RMB an. - Zum zweiten (oder besser zum ersten, zum zweiten, zum dritten ...) habe ich hier erstmalig eine chinesische Versteigerung erlebt. Hier wurden klassische Rollbilder an den Mann und die Frau gebracht.

Nach gut zwei Stunden hatten wir dann aber wirklich genug - nach soviel Kramzeug wollten wir mal den "Puls der zeitgenoessischen Kunstszene" fuehlen. Das kann man an der Moganshan Lu, wohin wir es bisher irgendwie noch nie gebracht hatten. Heute gab es aber einen besonderen Anreiz: an diesem Wochenende findet dort die "Affordable Art Fair" statt, also eine Messe mit Kunst, die "man" sich leisten kann. In Geld ausgedrueckt: die Kunstwerke kosten zwischen etwa 300 und 3000 Euro. Mittlerweile gibt es in Shanghai sicher genug Leute, die sie sich leisten koennten, aber wie viele von denen sie sich auch leisten wollen, ist wohl eine andere Frage. "Im Schnitt", was auch immer das sein mag, sind die Chinesen wohl nicht sooo kunstinteressiert ... mir scheint, Luxusartikel werden tendenziell hoeher geschaetzt als Kunstgegenstaende.

Ding Shifu kennt die Moganshan Lu aber nicht, und fatalerweise ist sie auch nicht im Register des Stadtplans verzeichnet. Genauer: dort ist eine Moganshan Lu verzeichnet, aber die liegt in Hangzhou. Da wollen wir ja nun nicht hin! Zum Glueck haben wir den Artikel aus der Shanghai Daily dabei, da steht nicht nur die Adresse, sondern auch eine Telefonnummer. Ding Shifu macht sich schlau, und schon bald sind wir da. Die Moganshan Lu sieht ganz schoen abgewrackt aus. Auf dem ersten Stueck liegt rechts eine Mauer voller Graffiti, man sieht auch gerade zwei Kuenstler bei der Arbeit. Wir steigen dann irgendwo aus, wo die ersten "Kunstlaeden" anfangen, und finden auch bald die angegebene Adresse, Moganshan Lu No. 50. Die bezeichnet nicht ein Haus, sondern einen ganzen Block. Auf der Ecke liegt ein Café - ah, prima, erstmal einen Kaffee trinken und einen Happen essen! Nicht dass sich am Ende herausstellt, dass Kunst auf nuechternen Magen ungeniessbar ist ...

Freitag, 29. August 2008

Stell' nie dein Pferd in einer miesen Gegend ab

Raet die Bildunterschrift. Das Bild ist von Gary Larson (treue Leser/inn/en wissen ja schon, dass dessen Cartoons meine Vorstellungswelt nachhaltig durchdrungen haben) und zeigt ein Pferd ohne Beine auf vier Kloetzen vor einem ominoesen Saloon, offenbar in der finstersten Ecke des wilden Westens. Der Osten ist auch wild, und langsam scheint mir, dass mein "Pferd" seine Naechte auch in ziemlich miesen Gegenden verbringt. Von den Narben auf seiner rechten Flanke (sprich: Kratzern im Lack, die Beifahrerseite sieht ganz uebel aus) rede ich ja schon gar nicht mehr. Aber heute Morgen stehe ich unten und warte auf Ding Shifu, da ruft mich eine der Sekretaerinnen an: Ding Shifu koenne nicht kommen, die Heckscheibe sei aufgebrochen. Na, ich weiss nicht, ob ich nicht langsam doch lieber darauf bestehen sollte, dass das Auto treu und brav bei uns in der Garage abgestellt werden sollte ... Ding Shifu's Horrorvorstellung. Mal sehen, was noch daraus wird.

Apropos sehen: heute Abend konnte ich dann sehen, wie Reparatur à la chinoise geht. Das Auto hatte eine neue Scheibe, ueberall klebten noch Klebestreifen (und ich bin natuerlich eine so ausgewiesene Fachfrau auf dem Gebiet, dass ich nicht mal weiss, ob die nur noch nicht entfernt wurden oder ob die noch eine Funktion erfuellen) - und der Sicherheitsgurt hinten funktionierte nicht mehr ordentlich. Anquan dai bu xing (antschüan dai bu sching), habe ich zu Ding Shifu gesagt, dann soll er mal sehen, dass der auch wieder in Ordnung gebracht wird. Der Gurtmechanismus verbirgt sich ja an einer Stelle zwischen zwei Blechschichten, die nicht weit vom Scheibenrand entfernt liegt ... ich trau' denen zu, dass sie da irgendwas angerichtet haben ...

Dienstag, 26. August 2008

Schweinelektuere

Heute war ein schoener Sommertag, warm, aber nicht allzu schwuel, mit blauem Himmel und weissen Wolken. Gestern hingegen - am fruehen Montagmorgen mussten wir bei heftigem Blitz und Donner und Sichtweiten aufstehen, die besser Sichtkuerzen heissen sollten. Und natuerlich alles grau in grau. Auf dem Fahrradparkplatz am SWFC, der nun wohl bald eroeffnet werden soll, standen die Drahtesel bis zu den Knien (sprich Naben) im Wasser. Aber das war wohl nicht das Schlimmste - die grosse Schlagzeile auf der heutigen Ausgabe der Shanghai Daily spricht von einem Rekordregen, dem schlimmsten seit 130 Jahren. Und auf dem Foto dort steht das Wasser nicht bloss einem Drahtesel bis zum Knie, sondern eher einem Bus bis zur Huefte!

Das graue Wetter drueckte natuerlich zusaetzlich auf die Stimmung, hatte ich doch zuvor meine Schweinelektuere (Das glueckliche Schwein von einer amerikanischen Autorin namens Sy Montgomery) ausgelesen und war noch ganz betruebt ueber den wenn auch gluecklichen Tod des Hauptdarstellers, eines stattlichen 350 kg-Ebers namens Christopher Hogwood, der nach einem schoenen, vierzehn Jahre waehrenden Schweineleben friedlich verstarb. Keine grosse Literatur, und man muss auch nicht gleich einen Themenabend veranstalten und ueber die zahlreichen Fragestellungen diskutieren, die fuer solche Anlaesse auf der eigens eingerichteten englischsprachigen Website The good good pig (so auch der Titel der Originalausgabe) vorgeschlagen werden. Aber wenn man Schweinefreund/in ist, macht es einfach ganz viel Spass, dieses Buch!

Im Kapitel "Schweinehimmel" wurde ich auch auf ein Stueck Text von Dylan Thomas aufmerksam. Zwar schreibt Montgomery (oder ihre Uebersetzerin) von einem Gedicht, aber es handelt sich um ein paar Zeilen aus seinem einzigen Theaterstueck/Hoerspiel Under Milk Wood (Unter dem Milchwald). Hier sind sie:

The sunny slow lulling afternoon yawns and moons through the dozy town. ...
Pigs grunt in a wet wallow-bath, and smile as they snort and dream.
They dream of the acorned swill of the world, the rooting for pig-fruit,
the bagpipe dugs of the mother sow, the squeal and snuffle of yesses
of the women pigs in rut.
They mud-bask and snout in the pig-loving sun; their tails curl;
they rollick and slobber and snore to deep, smug, after-swill sleep.*

Bei der Gelegenheit faellt mir wieder einmal schmerzlich auf, dass mein schweinespezifisches Vokabular in allen Sprachen leider ziemlich schlecht ist. Selbst ein so wichtiges Wort wie "suhlen", engl. to wallow, habe ich erst letztes Jahr kennengelernt ...

*Mein Versuch einer Uebersetzung (schon klar, dafuer gibt's keine literarischen Lorbeeren): Der sonnige, traege, einschlaefernde Nachmittag gaehnt und zeigt dem verschlafenen Staedtchen den nackten Hintern. ... Schweine grunzen in ihrem feuchten Suhlbad und laecheln und schnauben im Traum. Sie traeumen vom eichelgespickten Schweinefutter der Welt, vom Graben nach Schweinefruechten, von den Dudelsackzitzen der Muttersau, vom willigen Quietschen und Schnaufen der bruenstigen Sauen. Sie aalen sich im Schlamm und ruesseln in der schweineliebenden Sonne; ihre Schwaenze ringeln sich, sie tollen herum und geifern und schnarchen in ihrem tiefen, selbstzufriedenen, vollgefressenen Schlaf. - Verbesserungsvorschlaege willkommen!

Montag, 25. August 2008

Duolun-Kulturstrasse

Zheng Hong hat mir gestern schon wieder einen Stempel mitgebracht - einen kleinen Namensstempel (Dai Ting Yan) diesmal, denn die, die ich schon habe, sind fuer Faecher zu gross. Ich habe jetzt schon eine richtige Stempelsammlung ... Wieder darf ich den Stempel nicht bezahlen, zu dumm - dafuer den aufgezogenen Abklatsch eines "Briefes" von Yan Zhenqing. Jaja, frueher hatten es die Postboten buchstaeblich schwer, als die Leute ihre Briefe in Stein meisselten ... sage und schreibe 40 RMB musste ich dafuer hinblaettern (diesem Investment hatte ich natuerlich letzte Woche schon zugestimmt).

Nach dem Kalligraphieunterricht nehmen wir ein Taxi und fahren fuer etwa 30 RMB nach Hongkou im Nordosten von Puxi. Die Duolun-Kulturstrasse ist unser Ziel. Davon abgesehen, dass dort zu viele Autos fahren und vor allem parken, ist diese gut einen halben Kilometer lange Strasse recht nett zum Gucken und Bummeln. Galerien, Antiquitaeten- und Kalligraphenlaeden liegen dort, ausserdem das Duolun Museum of Modern Art. Das Old Film Café mit einem bronzenen Charlie Chaplin sieht nett und einladend aus, hat aber schlechten Service. Wir bestellen eine Waffel und bekommen sie erst gebracht, als wir unsere Getraenke schon ausgetrunken haben und Burkhard ziemlich aergerlich hineingeht, um sich zu beschweren. Un' schonn isset nich' mehr schoen, und wie jeder weiss, isset ja am schoensten, wennet schoen is' ...

Die Haeuser haben verschiedene Stile, einige sind wie Shikumen aus grauen Ziegeln mit roten Streifen, andere sehen aus wie Jugendstilvillen, wie man sie auch anderswo auf der Welt finden kann. Einige sind sehr gut fertiggemacht, andere in bedauernswertem Zustand.

Weil sich in einem Haus hier die Liga der linksgerichteten Autoren konstituiert hat, erinnern ausser einem Museum in besagtem Haus heute reihenweise Bronzestatuen dieser Schriftsteller an dieselben. Einer von ihnen war Lu Xun (siehe auch Himmel, Museum und Wolkenbruch). Der sitzt mit zwei gebannt lauschenden Zuhoerern gleich gegenueber dem Museum fuer moderne Kunst. Damit das alles Kunst zum Mitmachen ist, ist ein bronzener Flechtsessel frei, auf dem die Besucher Platz nehmen koennen. Yi, er, san, qiezi!* (Wer mehr lesen will ueber diese Liga, kann den Abschnitt ueber die Republikzeit im [englischsprachigen] Artikel ueber chinesische Literatur konsultieren.)

* Sprich: ih, ar, ßan, tschjäädse! Zu denglisch: Eins, zwei, drei, cheeeese! Und dann: klick.

Sonntag, 24. August 2008

Fuxing-Park

Gestern war wieder typisches Samstagswetter: man guckt aus dem Fenster und es ist grau und nass. So ein Mist! Ich bin aber wild entschlossen, irgendwo hin zu gehen. Bei dem Wetter muss es also wohl Museum sein. Au ja, ins Shanghai Museum und die dreifarbigen Tang-Porzellankamele angucken! Das wird noch eine prima Ergaenzung zu den Seidenstrassen-Urlaubsbildern! Burkhard ist schon skeptisch, hatte er doch neulich mit Johannes die Erfahrung gemacht, dass es jetzt "wg. Olympia" sogenannte Sicherheitsvorkehrungen gibt, die bewirken, dass man stundenlang Schlange stehen muss, bevor man hinein kann. Und natuerlich steht die Schlange draussen, bei schlechtem Wetter also buchstaeblich im Regen. Wir kommen an, die Schlange ist lang - mindestens zwei Stunden, ist Burkhards Diagnose. Och noe, lass ma' - dann soll Ding Shifu uns lieber zur Sinan-Strasse bringen. Die befindet sich in der franzoesischen Konzession, in der Naehe des Fuxing-Parks. Hier liegen die ehemaligen Residenzen von Sun Yat-sen und Zhou Enlai, dessen Namen ich meist zu Schu-einlein (schnell sprechen!) zu verballhornen pflege.

Im Vergleich zu meinem Besuch 2006 ist der jetzige Besuch von Dr. Suns Wohnhaus ganz anders. Erstens ist der Kuehlschrank fertig, in dem allerlei Dokumente und Gegenstaende aus seinem Leben einem frierenden Publikum praesentiert werden. Dabei sieht es von aussen aus wie ein nettes altes Haus, warum muss man bloss die Klimaanlagen soooo kalt einstellen?? Angeblich hat uebrigens schon Sun Yat-sen ueber den Drei-Schluchten-Damm nachgedacht. - Zweitens kann man jetzt im eigentlichen Wohnhaus nur noch die Flure betreten und in die geoeffneten Zimmer hineinschauen, in denen es zuletzt noch Bewegungsflaechen fuer Besucher gab. Insgesamt ist jetzt alles picobello und wohlorganisiert. Am erfreulichsten ist, dass schon waehrend des Besuchs ein paar noch matte Sonnenstrahlen die Helligkeit hinter den Vorhaengen akzentuieren - als wir herauskommen, scheint doch wirklich die Sonne! Prima!

Wir gehen ein Stueck die Strasse hinunter und kommen zur sogenannten ehemaligen Residenz von Zhou Enlai. Heute sieht das eher aus wie eine Jugendherberge fuer die Kommunisten des Landes, sind doch fast alle Raeume mit einfachen Betten und Schreibtischen versehen. Es ist nicht so sehr "gute Stube" wie bei Sun Yat-sen, wo mich die ganze Einrichtung ein bisschen an die meiner Omi erinnert hat. Das eine nicht mit Bettgestell moeblierte Zimmer sieht aus wie ein Rauchersalon. Davor liegt ein Wintergarten mit Blick auf den kleinen Garten, den eine jetzt recht grosse und praechtige Zeder dominiert. In der Garage steht ein alter Buick, der angeblich bis zum heutigen Tag gefahren wird. Vom Garten aus kann man auch das Nachbarhaus betreten, in dessen Erdgeschoss alte Fotos und Dokumente ueber diese Versammlungsstaette der Gruendungsvaeter der Volksrepublik China Zeugnis geben. In dieser Gedenkstaette gibt es uebrigens freien Eintritt, und zwar fuer maximal 300 Personen am Tag. Ich wusste allerdings nicht, dass man dafuer auch Blut spenden muss. Waehrend ich im Garten des zweiten Hauses ein bisschen fotografiere (Orangen am Baum, eine interessante verlassene Insektenhuelle und die Bronzestatue von Zhou Enlai), fallen sie ueber mich her, die Blutsauger. Ich merke es erst ganz am Ende, als meine Beine zu jucken beginnen wie der Teufel. Mit meiner urspruenglich geaeusserten Einschaetzung, dass ich mir hier mindestens ein halbes Dutzend Stiche eingehandelt haette, liege ich ganz daneben. Es sind ein halbes Dutzend mal ein halbes Dutzend Stiche: 36 habe ich heute morgen gezaehlt, Skandal! Und kaum dass ich darueber schreibe, beginnen die schon wieder zu jucken wie der Teufel. Ungastliches Gelaende!

Wir ergreifen die Flucht und gehen in ein Antiquitaeten-Café, das mit der Wohnung von Herrn Winkelmann (in Oedipussi) gemeinsam hat, dass an (fast) allen Einrichtungsgegenstaenden Preisschildchen haengen. Wir trinken einen Eiskaffee und einen Mango-Milchshake und essen eine Portion Popcorn dazu. In Anbetracht moeglicher Muecken haben wir darauf verzichtet, an einem der Gartentischchen Platz zu nehmen. In der Gaolan Lu, einer Nebenstrasse unweit von hier, liegt die alte russische Kirche St. Nicolas, in der mal ein Restaurant gewesen sein muss - so steht es immer noch in jedem Reisefuehrer. Wir inspizieren das Gelaende, aber nein: hier ist schon lange kein Restaurantbetrieb mehr. Schade eigentlich! Sonst waere ich gern hingegangen. Schon 2006 war ich hier nicht fuendig geworden. Dass aber auch niemand den Laden kauft und wieder aufmacht, komisch - garantiert kann man damit Geld verdienen hier in Shanghai!

Danach betreten wir den Fuxing-Park von 1909. Er erinnert ein bisschen an franzoesische Parks, was natuerlich kein Zufall ist, da wir uns ja hier in der French Concession befinden. In leichtem Kontrast zu franzoesischer Gartenkultur stehen auf einer Lichtung nicht etwa drei Grazien, sondern Marx und Engels, und sehen gelassen einigen Federballspielern zu. Denn es ist natuerlich jede Menge Volks unterwegs, wie sich das fuer chinesische Parks gehoert. Auf einem gepflasterten Rondell spielen einige Kinder Starlight Express - an Tempo muessen sie noch etwas zulegen, ansonsten sieht es schon ganz suess aus. Die mittlere bis aeltere Generation hat sich zum Tanztee zusammengetan: An einer Parkstrassenkreuzung tanzt man auf dem Asphalt zu Musik, die aus mitgebrachten Lautsprechern droehnt. Zur Not in Badelatschen, mit Baseballkappe oder in kurzen Hosen, aber einige der zum Teil recht unermuedlichen Taenzer/innen haben sich wohl auch ein bisschen in Schale geworfen. Der Tee wird in den kurzen Pausen zwischen den Stuecken aus mitgebrachten Thermosflaschen "gesueppelt". Unter den Baeumen in der Naehe wird Go und chinesisches Schach gespielt, wobei die Spieler oft von einer ganzen Traube von Zuschauern umgeben sind. Ein Stueck weiter sitzen die Kartenspielergrueppchen. Fuer Geld kann man Goldfische angeln, und am Teich uebt eine Foto-Interessengemeinschaft Nahaufnahmen von Teichpflanzen. Auf einem anderen Teichabschnitt koennen kleine Kinder in einer Art Schaufelradboetchen fahren, die man mit der Hand antreiben muss. Ankurbeln, genau gesagt. Auf einer Wiese sind zwei Diabolo-Spieler zu Gange. Und auf dem Platz am Teich hat sich jetzt ein Mann aufgebaut, der mit langen Seidenbaendern am Stab bunte Figuren in die Luft schreibt. Besonders schoen anzusehen ist das! Wir gucken ihm eine ganze Weile zu, waehrend einige Leute sich hier im Barfussgehen auf dem Kieselgrund versuchen. Ich probier's lieber nicht, denn ich weiss schon, dass das ziemlich weh tut.

Waehrend wir noch dem Baenderschwinger zusehen, kommt ein alter Herr auf uns zu, mit einer Art Damenhandtasche und einem Schlabberhut und nur noch sehr wenigen Zaehnen. Er spricht uns auf Englisch an und will auch gar keine chinesischen Antworten verstehen. Dann setzt er sich gar zu uns und beginnt, ueber die Kommunisten zu laestern. Immer schon sei es so gewesen, dass er gegen das war, was die Kommunisten gemacht haben, und das, was er fuer richtig halte, hielten die Kommunisten fuer falsch. Hm, hm. Soso. Ja. Deshalb spreche er schon gar nicht mit Chinesen. Aha. Die Tickets fuer die Expo wuerden uebrigens ganz furchtbar teuer. Wie teuer? Mehrere hundert Yuan, genauer weiss er's dann doch nicht. In Shanghai geboren sei er, und Schiffsbauer gewesen. Fuer Burkhards Taetigkeit in Deutschland interessiert er sich, fuer meine nicht, na sowas! Wir beschliessen dann doch beizeiten, lieber zu gehen.

Und gehen "einmal um den Block". Durch die Yandang Road mit schoenen alten Haeusern aus der ersten Haelfte des 20. Jahrhunderts, ein Stueck Huaihai Road und dann wieder in die Sinan Road. Und dann noch einmal durch den Fuxing-Park zurueck. Wir beschliessen, in Monty's Steakhouse zu dinieren. Es ist jetzt (schon oder erst) halb sieben, da ist noch "kein Schwein" da. Das Interieur ist nicht sehr asiatisch (wie einige der Restaurantbesprechungen behaupten), sondern irgendwie "globalisiert". Eine von hinten beleuchtete Glaswand im Tiffany-Stil (vermutlich keine echte Verglasung, aber so weit weg, dass ich das nicht entscheiden kann), ein Wandrelief mit wilden Rindern, dicke Saeulen, westlich eingedeckte Tische. Das Fleisch kommt aus Montana, wie uns ein perfekt Englisch sprechender Chinese erklaert. Wir bestellen die Hausvorspeise, "bluehende Zwiebel", und dann, was sonst, Steak. Ein Rib-eye diesmal. Es gibt auch einen Salat, der hier zwar auch nicht besser schmeckt als anderswo, aber dafuer viel schoener zelebriert wird: Auf einem Rollwagen kommen gemischte Salatblaetter in einer kleinen Schuessel, die in einer grossen, mit Eis gefuellten steht. Tomaten und Gurken stehen in separaten Schuesselchen daneben, ausserdem gibt's Glaeschen mit Sesam und Kuerbiskernen und ein weiteres Schuesselchen mit Kaesestueckchen. Man bestellt, welche Zutaten man gern dabei haette, die werden dann in die Salatschuessel geworfen, und dann bekommt die Salatschuessel einen Schwung, und waehrend sie auf dem Eisbett rotiert, wird die Erdbeervinaigrette in hohem Bogen und duennem Strahl dazugegeben. Dann wird alles rasch vorsichtig vermengt, in die Servierschuesselchen gefuellt und mit einer eisgekuehlten Gabel serviert. Huebsche Zeremonie - aber mir schmeckt das knackig-gegarte Gemuese zum Hauptgang einfach doch besser als Salat.

Zum Nachtisch koennen wir der Crème brûlée nicht widerstehen. Alles schmeckt gut, obwohl Steak und Nachtisch die Form vertauscht haben: das Steak duenn und flach (trotzdem medium rare serviert, wie sich das gehoert, also will ich nicht meckern) und die Crème brûlée kompakt mit relativ kleiner Zuckerkrustenoberflaeche. Dazu gibt's Live-Musik von einem (laut Info im Internet) Filipino-Trio. Ein Kontrabass, eine Gitarre - was war das dritte? Man darf sich auch was wuenschen; ich wuensche mir also das Girl from Ipanema. Und komme mir alsbald vor wie in dem Multi-Kulti-Witz von Loriot. Zwei Deutsche mit amerikanischem Steak im Magen sitzen in einem franzoesischen Haus in Shanghai und lauschen philippinischen Musikanten, die ein brasilianisches Lied spielen, waehrend sie das urspruenglich spanische Dessert verzehren, das ein vermutlich chinesischer Koch zubereitet hat. Na, Du alter Schwede?! Die vier chinesischen Maedels am Nachbartisch bekommen uebrigens (wunschlos) eine chinesische Schnulze serviert, da wird's ja noch schraeger ...

Donnerstag, 21. August 2008

Wie gewonnen, so zerronnen

Gestern Mittag war das Wetter sehr schlecht, weshalb wir dachten, es sei eine gute Idee, bei Sushi Inc. im Citigroup Tower zu "loentschen". Aber manchmal werden gute Ideen allein dadurch schlecht, dass zu viele Leute sie gleichzeitig haben: die Warteschlange ist allzu lang. Was also tun, wenn man nicht allzuweit gehen will, weil die Gewitterschauer etwas bedrohlich erscheinen? Ich beschliesse, dass wir mal die Sushibar im Shangelila, wie die Chinesen sagen, ausprobieren, "koste es, was es wolle". Die Preise sind dann auch eher wie in einer deutschen Sushibar, vermutlich muss man fuer die etwas edle Deko zahlen und dafuer, dass mindestens eine der Bedienungen ein traditionelles japanisches Gewand traegt, mit Tornisterchen auf dem Ruecken. Aber ist die Deko edel? Die Wand sieht aus wie mit Sand und Pflanzenfasern bespachtelt (ganz glatt zwar, aber) - ich halte das fuer Wueste mit Kamelmist. ;-)) Aber ich will mal nicht laestern, das Essen ist echt gut und sicher eine Nummer besser als bei Sushi Inc.. Aber die sind auch gut, und wenn man bedenkt, dass es etwa das Doppelte kostet, ist das Preis-Leistungsverhaeltnis hier doch nicht sooo gut. Aber dann bekommen wir unsere fapiao, die offiziellen Belege mit Rubbellos-Effekt. Diesmal rubbele ich auch - und tatsaechlich gewinnen wir mal wieder, zum dritten Mal. Den sagenhaften Betrag von 5 RMB! Die Bedienung gratuliert uns lachend, und "neureich" koennen wir den Saal verlassen. Da hat mich aber schon die akute Genusssucht gepackt, und ich finde, dass ich jetzt noch zu Starbucks muss und einen Kaffee trinken. Lass uns einen Teil des Gewinns auf den Kopf hauen, was wir mit dem Rest anfangen, entscheiden wir spaeter ... Mit nicht ganz dem Zwoelffachen sind Sie fuer zwei Kaffee dabei! (siehe Titel)

Mittwoch, 20. August 2008

Samstag, 2. August 2008: Jiayuguan Fort revisited

Erst denken wir, wir koennten vom Mauermuseum aus einfach die paar Meter zur Festung wieder hinaufgehen, aber eine der Reisefuehrerinnen meint dann doch, wir muessten wieder offiziell durch den Eingang gehen und erneut bezahlen. Das Bezahlen ist nicht das Schlimmste - viel bloeder ist es, dass wir erst "kilometerweit" zum Parkplatz zurueck und dann wieder "kilometerweit" zur Festung gehen muessen. Wir entdecken, dass der Eintritt ganz schoen teuer ist - 100 RMB pro Nase (kein Wunder, wenn es hier so viel brandneue chinesische Mauern gibt), oder waren es gar 120? - und der Kartenleser, so wird behauptet, kaputt, so dass wir cash hinblaettern muessen. Und bei so viel Geld ist nicht einmal der Transport mit dem Elektroauto inbegriffen! Na gut, wir investieren 10 RMB extra, es ist gar zu heiss in der Nachmittagssonne.

Das Licht ist jetzt natuerlich ganz anders als beim gestrigen Besuch am Vormittag und dementsprechend die Stimmung auch. Wir koennen in Ruhe den Wandelgang neben dem Hauptzugang und gegenueber vom Schiessplatz (falls ich die chinesische Beschriftung richtig interpretiert habe) betrachten und suchen dann den grossen Innenhof auf. Da liegt rechter Hand ein flacher Gebaeudekomplex. Wir finden jetzt heraus, dass das die Residenz des Generals ist. Sicher nicht uebertrieben prunkvoll, zwei Hoefe mit allerlei einstoeckigen Haeusern, die vorderen offizieller, die hinteren privater. Grosse Wasserbecken stehen im ersten Hof, auf dem Boden ist ein Wegekreuz markiert. Obwohl alles eigentlich recht oede aussieht - gelblichgraue Mauern und Ziegel, kein Gruen innerhalb der Residenz - herrscht eine wunderbar friedliche Stimmung in der heissen Spaetnachmittagssonne. Die mit Drachenkoepfen verzierten Dachenden werfen scharf geschnittene Drachenkopfschatten auf die Mauern, als ob diese als Projektionsflaeche dafuer gedacht waeren. In den Haeusern scheinen ein paar Wachsfiguren ihren Alltagstaetigkeiten nachzugehen. Weil es Alltagsgeschaeft von Generaelen ist, Strategien zu entwerfen und die naechsten Schritte zu planen, zeigt eine Szene den Hausherrn mit seinen Beratern in einer Strategischen Planungskonferenz. ;-))

Danach essen wir im Brunnenhaus ein Eis am Stiel, das schon bessere Zeiten erlebt hatte, und lassen die Atmosphaere des Ortes auf uns wirken. Der Brunnen ist jetzt wegen sinkenden Grundwasserspiegels versiegt - dann bedarf es wohl groesseren Aufwands, die Baeume und Straeucher zu bewaessern, von denen ich mich frage, ob sie urspruenglich auch da waren (zum Beispiel, um Reitern und Pferden Schatten zu spenden) oder erst spaeter hinzugefuegt wurden, Tribut an idyllhungrige Touristen.

Ich war gestern noch nicht auf der Westseite gewesen, die von einer vorgelagerten "Mauerschale" gebildet wird, welche ihrerseits mit dem dritten der typisch chinesischen dreistoeckigen Gebaeude bekroent ist. Waehrend die anderen beiden offenbar noch wenigstens teilweise original erhalten sind, ist dieses ganz neu. Aber wen stoert's - die Aus- und Anblicke sind spektakulaer (diese schneebedeckten Berge und davor die Wueste!), ich bin besonders von der Zweiteilung der Welt beeindruckt, die hier deutlich zu spueren ist: eine Welt liegt oben auf den Mauern, zu ihren Fuessen eine andere. Aber die "Oberwelt" ist trotz ihrer Einheitlichkeit unzusammenhaengend: von den Mauern der Westseite kommt man nicht auf die Westseite der Mauern, die den Haupthof umschliessen. Verteidigungstechnisch muss das natuerlich auch so sein - sollte der Feind es schaffen, in den ersten Hof einzudringen oder die aeussere Mauer zu erobern, so hatten die Verteidiger noch eine letzte Chance, die Angreifer in der tiefen "Schlucht" zwischen den beiden Mauern zu vernichten. Besichtigungstechnisch hingegen ist das ein bisschen laestig. Zum Glueck ist die Situation hier und jetzt friedlich, das Westtor steht gar offen. Davor warten ein paar Kamelbesitzer mit ihren Tieren, die aber um halb sechs, noch ehe ich dorthin komme, von dannen reiten. Und das Tor wird jetzt auch geschlossen. Hm, wieder kein Kamelritt.

Wir machen uns langsam auf den Rueckweg. Auf dem grossen Exerzierplatz im Innenhof legen die "Wachsoldaten" auch schon ihre Waffen nieder und Kostueme ab. Nachdem mich einer von ihnen "an-hallo-zt", mache ich ein bisschen Konversation zum Thema Feierabend. Mal einer, der sich gar nicht sehr wundert ueber eine Chinesisch stammelnde Langnase, und der sogar das meiste von meinen, zugegeben, recht trivialen Gespraechsbeitraegen versteht. Schon ein zweites kleines Erfolgserlebnis heute, wie schoen!

Vom Ausgang wuerden wir gern ein Elektroauto nehmen und uns zum Parkplatz fahren lassen, aber schwachsinnigerweise haben die auch schon Feierabend. Also zum n-ten Mal den bloeden Weg zu Fuss hinunter. Unsere Sorge, dass die Taxen auch schon Feierabend haben koennten, ist zum Glueck unbegruendet. Fuer 12,60 RMB lassen wir uns zum ShunGuan-Platz bringen. So heisst der grosse Hauptplatz der Stadt, das hatte ich extra vorher von den lokalen Reisefuehrerinnen in Erfahrung gebracht.

Der Fahrer setzt uns an der Ecke ab, auf der "das typisch chinesische Pferd" auf einer hohen Saeule ueber einer Kugel "schwebt". Wir beginnen also hier, zunaechst den Park auf dem Platz zu erkunden. Von den Bronzefiguren mache ich natuerlich zuerst das Schwein aus - dann entdecken wir, dass es sich bloss wieder mal um einen Tierkreis handelt. Als naechstes oeffnet sich vor uns ein kuenstlicher Teich mit einem chinesischen Pavillon mittendrin, den man auf mehr oder weniger abenteuerlichen Wegen erreichen kann. Wahrscheinlich soll das "traditionelle Architektur modern interpretiert" darstellen - ich finde es nur ein bisschen haesslich. Die Wege sind mir allemal zu abenteuerlich; wir suchen uns eine freie Parkbank in dem recht beliebten und gefahrlos erreichbaren schattigen Laubengang, ich blogge ein bisschen, und Burkhard sieht dem bunten Treiben zu. Irgendwann machen wir uns auf, ein Restaurant zu suchen - der Platz ist wirklich seeehr gross. Ausser echten Baeumen gibt es auch falsche aus aller Welt, uns fallen besonders ein riesenhafter Kaktus (na o.k., das ist kein Baum, aber dieser hier ist baumhoch) und mehrere Baobabs auf. Vermutlich sind das waehrend eines moeglicherweise langen Winters die einzigen gruenen Elemente hier - warum sonst sollte man sie aufstellen? Jetzt im Sommer erscheinen sie jedenfalls fehl am Platz. Auf einer glatten Flaeche sind ein paar Kinder mit Inline Skaters unterwegs - wuerde mich nicht wundern, wenn derselbe Platz im Winter eine Eislaufbahn waere.

Im Geschaeftshaus jenseits der Strasse suchen wir vergeblich nach einem Restaurant, und auch "die Strasse 'runter" ist keins zu sehen. Hm. Waehrend wir noch ueberlegen, wohin wir uns wenden sollen, hoeren wir ploetzlich ein Geburtstagsstaendchen. Aber was ist das? "Happy birthday to you" kommt offenbar naeher?! Und dann erkennen wir, was los ist: das ist die Warnmusik der Strassenreinigungsmaschine, und ihre Bedeutung ist "aus dem Weg mit euch Fussgaengern und Zweiradfahrern, sonst werdet ihr nassgespritzt!" Vielleicht kann man das ja auf Chinesisch zur besagten Melodie singen, haha!

Am Ende landen wir wieder bei dem Gebaeudekomplex, in dem schon die Abendveranstaltungen von Eclipse City stattgefunden hatten. Ausser dem naemlichen Hotel gibt es dort auch ein Restaurant, fuer chinesische Verhaeltnisse sehr nett eingerichtet, offenbar auch fuer langnasigen Geschmack. Und das Essen ist sehr lecker, aber irgendwie hatten wir wieder ein bisschen zu viel bestellt. Das ist ja immer ein Drama, weil man nie weiss, wie gross die Portionen ungefaehr sein koennten. Als unser Nachtisch serviert wird, kleine Klebreisbaellchen mit Sesam in leichter Weinsauce, guckt Burkhard sie mit leichtem Bedauern an und gibt zu Protokoll, dass davon dann wohl leider die meisten zurueckgehen muessten. Aber das war, bevor er sie probiert hatte … die waren wirklich lecker, und nur die Sorge, nicht mehr ins Taxi zu passen und folglich zum Hotel gerollt werden zu muessen, hat ihn am Ende davon abgehalten, sie ganz aufzuessen. ;-))

Zu Reiskuegelchenzeiten muessen wir uns auch schon ein bisschen sputen, draussen bricht die blaue Stunde an. Die bunt beleuchteten Wasserspiele sind schon in Betrieb. Was wir vom Restaurant aus nicht hoeren, ist die klassische Musik, die dazu aus grossen Lautsprechern droehnt. Wie ueblich ist tuechtig was los auf dem Platz, die Kinder wagen sich immer wieder zwischen die Duesen und versuchen, sich von den Wasserstrahlen nicht erwischen zu lassen - und das Gejohle ist natuerlich gross, wenn das wieder einmal nicht gelingt. Die teilweise etwas unzwingenden Skulpturen sind teilweise auch beleuchtet, so zum Beispiel ein stilisierter Weihnachtsbaum, so dass man "typisch chinesische" Bilder machen kann, die trotz Kitsch und auch sonst zweifelhaftem Niveau vor dem Himmel, der ueber Gelborange ins Tiefblaue changiert, irgendwie toll sind. Die Stimmung auf dem Platz ist gut - mir gefaellt das so. Immerhin ist das bloss eine kleine Provinzstadt, wieviel besser ist das lebhafte Treiben hier verglichen mit den oeden, menschenleeren Plaetzen in deutschen Staedten!

Ich bin auch wieder mal ein willkommenes Motiv fuers Familienalbum, aber da ist es schon ganz dunkel - was hier erst angenehm spaet irgendwann nach neun Uhr passiert (vermutlich erwaehnte ich das schon). Wir angeln ein Taxi und fahren zurueck ins Hotel, wo noch eine kleine Herausforderung auf uns wartet: da wir ja morgen schon um halb sieben Uhr frueh abreisen, haetten wir unser Fruehstueck gern in einer breakfast box zum Mitnehmen. Zaofan bao, erklaeren wir den Angestellten, deren Englischkenntnisse definitiv fuer den Umgang mit Langnasen nicht ausreichen. Aber wir erklaeren unser Anliegen immer wieder und bleiben beharrlich an der Rezeption stehen. Schliesslich kommt jemand mit einem Zettel, auf dem (auf Englisch) "we have a breakfast of beef, mustard, ham, steamed bread" steht. Nicht, dass das unseren normalen Fruehstuecksgewohnheiten entspraeche, aber wir sagen erfreut und dankbar ja. Vielleicht 20 Minuten spaeter, waehrend wir noch packen, klopft es an unserer Zimmertuer: eine Hotelangestellte steht davor und reicht uns zwei Plastiktueten mit je zwei Styroporboxen, Einmalstaebchen, einer ominoesen Wurst und einem undefinierbaren Folienbeutelchen herein. Und dazu denselben Zettel, den wir schon vorher gezeigt bekommen hatten, mit folgender wunderbaren Ergaenzung: "This is your breakfast tomorrow morning (wahrscheinlich, damit wir's nicht schon alles gleich sofort gierig auffressen und am Morgen ohne Futter dastehen. ;-)) ) Am glad you live in our hotels, if we do not have any place where you also please understanding, but also hope to see you. Thank you!" (sic) Das Lied von der Loreley - aber ist es nicht suess?!

Sonntag, 17. August 2008

Samstag, 2. August 2008: So long and thanks for all the fish

Zwar beginnt das Programm heute erst um 10:30 Uhr, aber das hilft nicht viel: Fruehstueck gibt's von sieben bis neun. Wir sind zwischen 8:45 und 8:50 Uhr im grossen Fruehstueckssaal, und was wir uns nicht beim ersten Gang auf die Teller gehaeuft haben, wird um Schlag neun weggetragen. Die Bedienung versteht weder tea noch cha, sondern offenbar nur huochezhan (= Bahnhof) und muss daher erst eine "sprachgewaltige" Kollegin zu Rate ziehen, bevor wir ein Getraenk serviert bekommen. Ansonsten herrscht grosse Geschaeftigkeit: die Tische werden schon fuer den Mittag eingedeckt, die langen rechteckigen Buffettische, die mit 50er-Jahre-Design-Folie beklebt sind (was natuerlich normalerweise unter edlen roten Tischdecken verborgen bleibt), werden mittels grosser runder Holzplatten ebenfalls in Esstische verwandelt. Sogar die Olympia-Dekoration, die offenbar in jedem Hotel Pflicht ist, wird abgenommen und durch Doppeltes Glueck ersetzt - ach so, hier findet dann wohl heute eine Hochzeit statt.

Nach dem Fruehstueck haben wir noch ueber eine Stunde Zeit und gehen in den Park gegenueber vom Hotel. Am Ende der Flanierflaeche wird noch gebaut: der etwas alberne Aussichts(?)turm in Form eines aufgerichteten Delphins, der einen Ball balanciert, ist noch gar nicht fertig, das hatten wir auf den ersten Blick gar nicht bemerkt. Im formgebenden Stahlgeruest sieht man erst auf den zweiten Blick eben auch Baugerueste. Und sofort habe ich das Lied der Delphine aus "Per Anhalter durch die Galaxis" im Ohr (s. Titel). Waehrend Burkhard noch fotografiert und ich auf einer halbschattigen Bank sitze und zwischen Rumkucken und Bloggen oszilliere, kommt ein mutiger kleiner Junge mit uns plaudern, soweit das halt geht.

Um 10 Uhr beginnt ein grosses Hupkonzert - oh, die Hochzeitsgesellschaft kommt schon jetzt angefahren! Na, dann sehe ich zumindest ein, warum das Fruehstueck zeitig abgeraeumt werden musste … Nach dem Hupen werden die Boeller gezuendet, dann ist zumindest der fuer uns hoerbare Laerm vorbei. Das Brautauto ist sehenswert: der Blumenschmuck auf der Kuehlerhaube ist so ueppig, dass der Fahrer kaum noch was sehen kann. Aber in Anbetracht der oertlichen Gegebenheiten braucht er das vielleicht nicht. Die Strassen sind recht leer und gross und breit und gerade. Da genuegt es sicher, sich vor der Abfahrt durch einen Blick zu ueberzeugen, dass alles frei ist - und dann geht's einfach geradeaus. Um zum Hotel abzubiegen, kann man aus dem Seitenfenster gucken - unn joot is'. ;-))

Dann ist aber auch um kurz nach zehn ein Bus da und Leute packen ihr Gepaeck hinein und steigen schon mal ein - sollte das der Eclipse City-Bus sein?! Wir werden etwas nervoes; um zehn nach zehn gehen wir doch mal lieber hin - oh, sieht aus, als waeren schon alle da und abfahrbereit?! Man bestaetigt uns zwar, Abfahrt sei um halb elf, aber als wir um 10:21 Uhr die beiden letzten freien Plaetze gefunden haben, faehrt der Bus direkt los. Nie im Leben haben die dem Rest der Mannschaft halb elf gesagt! Na ja, egal, einen halben Tag noch, dann sind wir die los.

Wir fahren zur so genannten (ueber-)haengenden Mauer. Das ist ein Stueck der grossen Mauer, in Sichtweite der Jiayuguan-Festung. Ein brandneues Stueck Mauer aus Lehm fuehrt von einem Berggipfel durch ein Flusstal auf den naechsten Gipfel - ich glaube nicht, dass daran irgendein Teil historisch ist - und hoert dann abrupt auf. Die Berge dahinter wirken voellig unberuehrt. Fuer den Archaeologenspezialblick mag das ja anders aussehen, aber mit normalen Augen ist nichts mehr auszumachen. Ausser grossen Charakteren aus Kieseln direkt am Fuss des letzten Wachturms.

Aber da oben am Ende bin ich ja noch gar nicht. Bei der Ankunft sieht man zuerst das Flusstor, chuanmen, wenn ich die etwas aeltlichen Schriftzeichen richtig interpretiere. Eine Mischung aus Gebaeude und Bruecke, die im Moment allerdings ein trockenes Tal ueberbrueckt, auch wenn alles den Anschein hat, als wuerden hier manchmal recht reissende Fluten herniederbrausen. Man kann nach rechts oder links gehen, irgendwie trotten alle nach rechts. Da geht es erst ein Stueck weit relativ flach am Talgrund entlang, danach warten ueber 500 Stufen in heissester Sonne darauf, erklommen zu werden. Linker Hand (Feindesland!) scheint eine herrenlose Betonkamelhorde oder -herde vorbeizuziehen, man sieht auch ein echtes Kamel herumsitzen, das mit seinem Begleiter auf reitwillige (jawohl, ohne be-) Touris wartet.

Puuuh, ist das heiss! Ich bin froh, im ersten Wachturm (bis dahin waren es sicher schon fast 400 Stufen plus steil-schraege Wege) ein bisschen im Schatten stehen zu koennen. Am zweiten Turm gibt es einen Auflauf auf der recht kleinen Wachplattform. Es sind schon viele Langnasen da, und immer mehr Leute, jetzt meist Chinesen, zwaengen sich die schmale, enge Treppe herauf, so dass die, die hinunter wollen, nicht hinunter koennen. Es hilft auch nichts, "Stop!" oder "Wait!" zu rufen und abwehrende Gesten zu machen. Zu Hilfe, der Fuellgrad der Plattform ist schon etwas bedenklich! Ich lege mir die chinesische Satzkonstruktion (Grammatik kann man das ja nicht wirklich nennen) aus einer der letzten Lektionen zurecht und keife "Wir gehen erst hinunter, dann kommt ihr herauf!" in den Treppenaufgang. Aha, diese Ansage war klar genug! Kaum macht man's richtig, schon geht's. Ich ernte einen aufgerichteten Daumen von den Mitreisenden und kann selber unten noch ein bisschen im Schatten verweilen, bevor ich den Rueckweg antrete. Wie schon erwaehnt hoert die Mauer hier oben im Nichts auf, und ein vergleichsweise luftiger Steinweg fuehrt zurueck ins Tal. Ob das jetzt eine Wetteraenderung ist? Ich tendiere eher dazu zu glauben, dass es sich um einen mikroklimatischen Unterschied handelt. Vermutlich schon allein aus dem Grund, dass man nicht zwischen halbhohen Mauern geht … Von dem Weg aus kann man die Mauer gut betrachten. Irgendwie hat keiner erklaert, warum sie (ueber-)haengend heisst - ich finde, sie steht ganz normal in der Landschaft herum. Ich muss das wohl nochmal im Reisefuehrer erforschen. Ansonsten muss ich bei Mauer ja immer an diesen bloeden Cartoon von (wieder einmal) Gary Larson denken, der ein offensichtlich vor die chinesische Mauer geknalltes Pferd zeigt, dessen mongolischer Reiter sich frustriert die Frage stellt, ob dies Ding gestern auch schon dagewesen sei.

Fast am Ende des Wegs, also beinahe im Tal, stehen scharenweise von sozialistischer Aesthetik gepraegte Skulpturen mit feudalen Themen - vermutlich die Protagonisten der Heldentaten bei der Landesverteidigung im fernen oder wilden Westen mit wehenden Kleidern und verklaertem Blick, vielleicht auch die beruehmten Gesandten gen Westen zu den potentiellen Handelspartnern. Irgendwie stehen sie da wie im Auslieferungslager eines Steinmetzes. Aber als Fotomotiv werden sie natuerlich dankbar angenommen.

Die Zeit fuer die Besichtigung ist ein bisschen knapp, die Pavillons und die blaugraue Pagode etwas flussaufwaerts sowie den linken Teil der Mauer koennen wir nicht mehr inspizieren. Vielmehr sammelt sich die Reisegruppe wieder im Bus, wo eMail-Adressen eingesammelt und ein paar Finsternis-Fotos gezeigt werden. Und Bilder des Brautpaars von heute Morgen. Zur allgemeinen Erheiterung gucken diese beiden besonders unfroh drein. Sie, recht drall, mit einem Ist-das-alles-doof!-Gesicht, er eher mit geschaeftsmaessigem Besitzerstolz: diese toll zurechtgemachte Frau ist meine, und guckt mal alle, was fuer ein tolles Hotel ich unsere Feier ausrichten lasse.

Wir fahren einige wenige Kilometer bis zur Jiayuguan-Festung und nehmen das Mittagessen in einem Restaurant dort ein. Das ist ueberraschend gut, in jeder Beziehung. Man betritt es durch einen unscheinbaren Eingang und landet in einem schattigen Innenhof mit Mini-Teich, Baeumen, Steintafel und den unvermeidlichen Feudeln, die malerisch herumhaengen. Vom ueberdachten Wandelgang zweigen einzelne Raeume ab, in denen die typischen runden Zehn-Personen-Tische stehen. Es ist angenehm kuehl. Das Essen ist auch recht lecker, mehrere Gerichte sind ziemlich scharf … einer der Franzosen am Tisch findet es gar zu scharf, der fragt nach den ersten brennenden Experimenten schon immer ganz aengstlich die Vorkoster des naechsten Gerichts, schmunzel.

Nach dem Essen gehen wir (das ist nicht weit) zum Mauermuseum neben der Festung. Burkhard mag es nicht so, ich finde es gar nicht so schlecht. Interessant ist schon gleich die leicht plastische Landkarte von China mit Straengen in verschiedenen Neonfarben drauf – es gibt ja gar nicht die chinesische Mauer, sondern mehrere! Vermutlich weiss das jeder, der sich mal auch nur ein bisschen damit befasst hat, aber fuer mich war das eben bisher noch neu. Ansonsten haben vor allem die Himmelsfelder (tian tian, natuerlich zwei unterschiedliche chinesische Zeichen: 天田) Eindruck bei mir hinterlassen. Das sind sandige Streifen, aus denen angespitzte duenne Holzstuecke (vielleicht 5 cm Durchmesser) hervor"wachsen". Am Rande wird der Sand schoen glatt geharkt, damit man ggf. Spuren schnell sehen kann. Irgendwie erinnert das schon ein bisschen an die deutsch-deutsche Grenze, es scheint nur, dass die Chinesen noch keine Selbstschussanlagen erfunden hatten. Komi'ch, die haben doch sonst alles auf der Welt erfunden (ausser vielleicht Ricola)?!

In Westchina, genauer gesagt im Hexi-Korridor, wird die chinesische Mauer meist in einem Atemzug mit der Seidenstrasse genannt. Hexi, das spricht man uebrigens nicht Hexy wie in Sexy Hexy, sondern eher hö-schi, wobei das ö mehr ein unbetontes e als ein o-Umlaut ist. He bezeichnet hier den HuangHe, den Gelben Fluss, und Xi heisst Westen. Das ist also die Gegend westlich des Gelben Flusses, und ein Korridor ist das, weil im Sueden die hohen, schneebedeckten Qilian-Berge und im Norden die weniger hohen und deshalb nicht schneeweissen Schwarzen Berge liegen. Waehrend es ja sein mag, dass die meisten Langnasen Hexy sagen, fand ich es unpassend anbiedernd, dass Reisefuehrerin Charlene, nachdem sie es einmal erklaert hatte, auch immer Hexy sagte. Sowas Bloedes! Durch den besagten Korridor mussten also die Handelskarawanen ziehen.

Im Mauermuseum sehe ich mir alles inklusive der Seidenstrassenexponate recht gruendlich an und entdecke auch ein Paar altertuemlich aussehender Schweine aus glatt poliertem schwarzem Stein. Burkhard hat sich wohl noch von der Reisegruppe verabschiedet, als ich mit meinem Rundgang fertig bin, sind die schon alle weg. So long, and thanks for the bus … ansonsten gilt der alte Sponti-Spruch, dass Reisegruppen wie Wolken sind: wenn sie sich rechtzeitig verziehen, kann der Urlaub noch richtig schoen werden!

Samstag, 16. August 2008

Haibao, blau, maennlich, schlank, 1,54m, 87 kg, sucht ...

Heute haben wir einen Gast aus Hong Kong herumgefuehrt (nein, nicht an der Nase). Zuerst zum Longhua-Tempel, an dessen Hallen (ganz im Zeichen von Olympia) Schriftbaender mit dem Slogan "Eine Welt, ein Traum - friedliche olympische Spiele, friedliches China" prangen. In den Tempelhoefen ist ja zwar normalerweise was los, aber trotzdem sind sie irgendwie friedlich. Heute wurde der Frieden aber durch Experimente mit der Beschallungsanlage gestoert. Suessliche Musik in voller Droehnung wurde immer wieder an- und abgestellt, ganz unvermittelt. Wir haben es daraufhin vorgezogen, das hervorragende vegetarische Buffetrestaurant aufzusuchen, was unserem Gast (eine "Gaestin" ;-) ) zum Glueck auch sehr gut gefallen hat. Das einzige Problem: da isst man immer zuviel. Eine Riesenauswahl leckerer Sachen, und am Ende auch noch die koestlichen Desserts ... Es gibt auch aufgeschnittenen Kaktus und Aloe, beides nicht mit sehr viel Geschmack, und statt der pflanzlichen Sashimi ziehe ich die richtigen aus Fisch doch vor. Aber richtig schlecht sind sie auch nicht. Damit Veganer auch unbesorgt essen koennen, sind die Sachen hinsichtlich ihres Eigehalts gekennzeichnet. Man stelle sich vor, der Eierpudding im japanischen Stil, der mit "Steamed egg", gedaempftes Ei, beschriftet ist, ist mit dem Zusatzhinweis "Have egg" gekennzeichnet. Ach was!

Am Weg zum Longhua-Tempel liegt das grosse Stadion, das jetzt fuer Olympia geschmueckt ist. Soviel Aufhebens um die Spiele machen und extra ein neues Stadion bauen? Nein, dafuer sind die Shanghaier doch viel zu cool. Sind ja auch nicht ihre Spiele, sondern bloss die paar Fussballwettbewerbe, die man grosszuegig den Beijingren abnimmt. Die Reiterei kaempft uebrigens in Hong Kong um die Medaillen.

Den Nachmittag verbringen wir im Stadtentwicklungsmuseum. Da beschaeftigt sich Shanghai natuergemaess mit sich selbst. Waehrend die Neugestaltung des Bund jetzt doch nicht wirklich der Rede wert ist (es bleibt eine vierspurige Strasse oberirdisch erhalten - da haette man sich das ganze Projekt m. E. doch gleich sparen koennen!), planen Shanghai und die Welt fuer die Expo, die bekanntlich 2010 hier stattfindet. Das grosse Stadtmodell wird regelmaessig aktualisiert, es gibt eine grosse Sonderausstellung, und natuerlich kann man das Expo-Logo, ein blaues Wassertropfenmaennchen namens Haibao, das einem standardmaessig einen Vogel zeigt (oder?!), in allen moeglichen Groessen und Materialien kaufen. Es macht sich ohnehin zunehmend im Shanghaier Alltag breit - an prominenten Stellen stehen grosse Kunststoffausgaben, mit denen sich Zhang und Wang, also Hinz und Kunz, fotografieren lassen koennen, und langsam erobert es auch die vielen Bildschirme, auf denen es in froehlichen Szenen herumhuepft.

Wir lassen den Tag auf Wolke 7, pardon, in Cloud 9 auf der 87sten Etage des JinMao ausklingen. Leider wird das nichts mit der blauen Stunde, es ist heute einfach zu grau. Und dass die Beleuchtung des Bunds und des Oriental Pearl TV Tower erst um halb acht eingeschaltet wird, ist entschieden zu spaet. :-(( Dafuer koennen wir hinterher den Vollmond sehen. Dum Diane vitrea/ sero lampas oritur/ et a fratris rosea/ luce dum succenditur ... Dianens glaeserne Lampe, wie der Mond in den Carmina Burana umschrieben wird, scheint heute besonders sanft zu leuchten ... und beim naechsten Vollmond ist schon Mittherbstfest ... weshalb es jetzt bereits allenthalben Mondkuchenangebote gibt.

P.S. Ach, eine ganz neue Entdeckung haette ich ja beinahe zu erwaehnen vergessen: die Kontaktboerse in der Naehe des Lotosteichs im Volkspark auf dem Volksplatz. Da suchen Eltern das Pendant fuer ihre Soehne und Toechter, die in knappen Worten auf DINA4-Zetteln charakterisiert werden. Inklusive Monatsgehalt! Da herrschen ein ziemlicher Andrang und ein ziemliches Faechergewedele. Ob hier wohl viele Ehen vermittelt werden??

Donnerstag, 14. August 2008

Nach Japan gehuepft

Der Himmel grollt - heftigen Regen morgens, mittags, abends und reichlich Blitz und Donner dazu gab es heute. Dementsprechend waren Wege und Rasen recht nass auf dem Heimweg vom Chinesischunterricht, zumal es immer noch leicht regnete. Und sieh mal einer an, wir haben auf dem Skyline Mansion-Gelaende nicht nur singende Steine, Fledermaeuse und Libellen, sondern auch Froesche. Zumindest einer ist uns von rechts nach links ueber den Weg gehuepft. Quaak. (Was die Libellen betrifft, schwirrte gestern und heute beim Fruehstueck eine vor dem Fenster herum und machte den Anschein, unbedingt hineinzuwollen - aber zu ihrem eigenen Besten haben wir davon abgesehen, sie hereinzulassen.)

Gemaess dem Prinzip des Apropos-Spiels sind meine Gedanken, vom Frosch angestossen, gleich assoziativ bis nach Japan gehuepft, zumal die tierische Begegnung in relativer Naehe des gar nicht alten "Kinderteichs" mit einem Mosaikdelphin auf dem blauen Grund stattfand: Der alte Teich. Ein Frosch springt hinein - vom Wasser ein Geraeusch. Das angeblich meistzitierte Haiku der Welt ist das, von Matsuo Basho, dem "Erfinder" dieser literarischen Form. Trotz seines Alters (Basho lebte von 1644 bis 1694) ist der Text immer noch knackig-frisch, na so was!

Bashos Erfindung hat Spaetfolgen - ist doch die Haikudichterei, mehr oder weniger ernsthaft, ein mittlerweile internationaler Volkssport geworden, der selbst mich (ich wuerde nicht sagen ergriffen, aber doch) "angestupst" hat. Wer keine Haikus und erst recht keine Haiku-Interpretationen lesen moechte, sondern lieber eine heitere Dichtszene, kann das in Der Himmel ist blau, die Erde ist weiss tun. Das ist ein Buch, das ich mir zuletzt aus Deutschland mitgebracht hatte, schliesslich verspricht der Untertitel, es handele sich um "Eine Liebesgeschichte", und es gab begeisterte Kritiken. Ich habe es neulich ausgelesen und kann die grosse Begeisterung nicht wirklich teilen. Meiner Meinung nach wird das Werklein (knapp 180 Seitlein) ueberschaetzt, auch wenn es ganz nett zu lesen ist. Da hat doch Haruki Murakamis South of the border, west of the sun (deutsche Ausgabe unter dem Titel Gefaehrliche Geliebte) damals einen tieferen Eindruck bei mir hinterlassen. Das war seinerzeit das Buch, dessentwegen sich das literarische Quartett aufgeloest hat ... was so ein Frosch alles anrichten kann!

Sonntag, 10. August 2008

Der Glueckstag: Acht Acht Acht

Heute hatte ich (natuerlich) wieder Kalligraphieunterricht und es galt, ein neues Gedicht auszuwaehlen - da habe ich das ueber den Yangguan, den Sonnenpass, ausgesucht, nachdem wir ja nun just dort waren. Das ist offenbar eins der bekannten, das jeder halbwegs gebildete Chinese auswendig kennt und auch wie auf Knopfdruck abspult, wenn man es anspricht - so geschehen mit Yang XiaoLi in der letzten Chinesischstunde und eben auch heute mit Zheng Hong. Hinterher dachte ich, ich zeig' ihm noch mal kurz unsere Fotos von dort. Dabei kam die Idee auf, dass er eins davon zur Bemalung des Faechers nutzen koennte - ein Gedanke, den ich vorher noch gar nicht gehabt hatte. 2 Minuten vor dem Bildschirm sitzen und die wesentlichen Striche mit Kohle auf dem Faecher skizzieren, dann vielleicht 10 Minuten lang mit Tusche und chinesischen Farben ausarbeiten, fertig ist das Bild: Ein Wachturm an einer Mauerecke im Vordergrund, die Ruine der "echten" Festung und ein kleiner Pavillon auf einem Huegel im Hintergrund. Langwierig zu zeichnendes Gruenzeug gibt's hier ja nicht. ;-))

Waehrend es heute Morgen grau war und spaeter weiss-grau bewoelkt mit blauen Loechern, wurde es waehrend des Unterrichts immer grauer und trueber, und dann kamen auch noch Blitz und Donner dazu und Kuebelguesse vom Himmel! Als wir gegen halb fuenf noch aufbrechen wollten zur "Shanghaier Buecherstadt" in der Fuzhou Lou, regnete es zum Glueck nicht mehr, so dass wir ohne grosse Probleme ein Taxi angeln konnten.

Wir haben fleissig in der Ton- (und zum Teil Bild-)traegerabteilung gestoebert und hatten hinterher einen ganzen Korb voll zusammen. (Burkhard hat eben gezaehlt: 23 Artikel und 32 Makrolonscheiben, davon 4 oder 5 DVDs.) Und dann das kleine Wunder an der Kasse. Die Kassiererin scannt alle Strichcodes, die Kasse addiert froehlich vor sich hin, und am Ende zeigt sie einen Betrag von 888 Yuan an. Jawohl, ehrlich!! Wenn das kein Glueckstag ist!

Samstag, 9. August 2008

Der GROSSE Tag: Null-Acht Null-Acht Null-Acht

So, jetzt hat der Countdown, der schon ueberall seit Monaten laeuft, sein Ende gefunden. Auf dem Titelblatt der Shanghai Daily und auf jeder der vielen Tafeln, die an allen moeglichen Orten stehen, haengen, sitzen, liegen (wohl eher die ersten beiden Varianten - zuletzt habe ich an den Mogao-Hoehlen noch eine solche Tafel mit einer vier drauf fotografiert), prangt jetzt endlich eine Null: der Tag der Eroeffnung der Olympischen Spiele in Beijing ist da! Der Luftraum ueber der chinesischen Hauptstadt ist wohl heute Abend gesperrt, ab 19 Uhr ruht der Flugverkehr. -

Jetzt habe ich mir einen ganzen Abend lang (> 4 h) absolut ununterbrochen chinesisches Fernsehen angesehen und -gehoert. (Hier gibt's natuerlich keine Werbepausen.) Mal wieder eine Premiere: meine erste Olympia-Eroeffnungsfeier. Die erste Stunde mit einem von Zhang Yimou entwickeltem Querschnitt durch die chinesische Kultur (so wuerde ich es interpretieren) war ja noch recht kurzweilig. Zum Teil recht gelungene Visualisierungen, fand ich. Aber dann ... fast drei Stunden lang Einmarsch der "Gladiatoren". Es waren auch ein paar Laender dabei, von denen ich noch nie gehoert habe. Man kann sich die Liste der nationalen olympischen Komitees hier ansehen (unter "Search NOC"). Chinese Taipei ist nicht dabei, aber mit einer eigenen Flagge eingezogen; es gibt auch noch zum Beispiel so ein Land wie St. Kitts und Nevis, das habe ich vorher wirklich noch nie gehoert. Ich moechte gerne einen foermlichen Antrag stellen, dass die versammelten Inselstaaten demnaechst vereint werden und als Vereinigte Inselstaaten der Weltmeere antreten, mit einem Team. Das hat dann vielleicht auch einmal Chancen, im Medaillenspiegel aufzutreten. Zur Not wuerde ich ja noch akzeptieren, wenn es zwei von der Sorte gaebe: Vereinigte pazifische Inselstaaten und vereinigte atlantische Inselstaaten, dass muss dann aber reichen. Tonga, Tuvalu, die Jungferninseln, die Britischen Jungferninseln, die Niederlaendischen Antillen, Samoa, Barbados, Sao Tome und Principe, Bahamas, Cayman-Inseln, Cook-Inseln, Marshall-Inseln usw. usf., herrje, das nahm ja wirklich kein Ende!

Schoen war aber die Idee, alle Teams durch ein paar Farbnaepfe wandern und im Daruebergehen ein Bild fertigmalen zu lassen. Bilder davon (und vom Rest auch) gibt's hier.

Donnerstag, 7. August 2008

Freitag, 1. August 2008: Sofis Welt

Beim Mittagessen sitzen wir neben Rico, der fliessend Englisch, Deutsch und Spanisch spricht und das auch entweder mit den Tischgenossen oder am Telefon (fast) ununterbrochen tut. Es herrscht Verwirrung - nachdem extra Zollinspektoren aus Urumqi eingeflogen werden mussten, sind die vor der eigentlichen Inspektion wieder abgereist, was ist los? Es war naemlich die Rede davon, dass tonnenweise Spezialausruestung eingeflogen worden sei, sehr verdaechtig. ;-))

Wie auch immer - nachdem wir unsere Maegen gefuellt haben, kommen wir sozusagen in die Ruettelmaschine (Barista-Jargon: Shaker), damit auch alles gut durchgemischt wird. Zwei Stunden Busfahrt in den Bezirk Jinta, an der gleichnamigen Stadt kommen wir auch vorbei. Das sei das Zentrum der chinesischen Raumfahrt und insofern sei hier alles "top secret". Eine der lokalen Reisefuehrerinnen hat uns bereits ein offizielles Anordnungsschreiben vorgelesen, in dem alle Besucher der "eclipse city" in der Wueste Gobi im Bezirk Jinta unter Androhung von Nachforschungen bei Zuwiderhandlung darueber informiert werden, dass die Benutzung von GPS strengstens verboten ist.

Die Strasse ist nicht besonders gut und die Fahrt also ganz schoen rumpelig. Und bei dem Gerumpele sollen wir noch einen Fragebogen ausfuellen, den Liu Si in seiner Doktorarbeit auswerten wird. So'n Quark, zumal die Fragen doof gestellt sind. Die ersten zwei Seiten sollen die Motive erforschen. Wiesu denn bluss? Selbst wenn ich ein wenig astronomisch interessiert bin, ist das doch nicht der Grund, die lange Reise zu unternehmen … man soll die Aussage "Ich nehme an dieser Sonnenfinsternis-Tour teil, weil …" bewerten - soll ich in der Frage danach also "trifft ein wenig zu" (astronomisches Interesse) ankreuzen oder "trifft gar nicht zu" (Grund fuer Reise)?? Und da das jede/r irgendwie anders auslegen wird, ist mir nicht klar, welche wissenschaftliche Aussagekraft die Auswertung haben soll. Aber mir soll's ja auch egal sein - der zweite Teil, nach der Verfinsterung auszufuellen, "erforscht" dann die Zufriedenheit.

Die Fahrt fuehrt zu guten Teilen durch gruenes Patchwork - hier vor allem Baumwolle, die ich noch nie in natura gesehen habe und auf den ersten Blick fuer komische Kartoffelpflanzen halte - und durch oede Wueste. Aber der Himmel ist so wunderbar blau, und die weissen Woelkchen machen ihn noch schoener. Lan lan de tian, bai bai de yun, blauer, blauer Himmel und weisse, weisse Wolken, wie die Chinesen sagen, die erste Haelfte erwaehnte ich schon. Sie sehen auch gar nicht bedrohlich aus, die Woelkchen, obgleich sie natuerlich die Beobachtung der Sonnenfinsternis sehr wohl bedrohen. Wer haette das gedacht, mitten in der Wueste!

Trotz manch gefaehrlicher Rumpelei (jedenfalls kam sie mir so vor) erreichen wir nach ueber zwei Stunden ein Tor. Mitten in der Wueste ueberspannt es einen provisorischen, mit blauen Flaggen abgesteckten Fahrweg, der von der Rumpelstrasse abzweigt. Es heisst uns in der "eclipse city" willkommen. Der Bus faehrt noch ein paar hundert Meter, dann muss eine Zeitlang mit irgendwelchen Offiziellen diskutiert werden, bevor wir aussteigen duerfen. Die Badges? Will keiner sehen, und den zugehoerigen Pass (dessen Nummer auf den Badges steht) erst recht keiner. Nachdem heute Morgen, als alle im Bus sassen, mitgeteilt wurde, dass man den doch auf jeden Fall mitnehmen solle, worauf einige noch mal zurueckrennen mussten (denn das kann man ja nicht etwa vorher mitteilen).

Das Camp - vielleicht ein Dutzend Tarnzelte hinter einer Absperrung, ein mit schwarz-transparenter Plane ueberschatteter schmaler Bereich mit ein paar Tischen und Hockern, ein aufblasbarer Bogen (der den Nachteil hat, dass ein Motor droehnt, der staendig nachblaest), gelbe Fahnen mit Entfernungsangaben zu diversen Staedten der Welt und noch ein paar Zelte ganz am Rand, die einen mir nicht bekannten Zweck erfuellen. Und vier Klohaeuschen, nicht zu vergessen. Ganz neue Methode uebrigens. Da wird ein langer Folienschlauch von aussen nach innen ueber die Klobrille gezogen, jeweils auf Pedaltritt, und dann stueckweise verschweisst, oder so. Nix Chemieklo.

Ja, das ist das Camp. Begleitaktivitaeten? Weder fuer Vergnuegungssuechtige noch fuer Wissensdurstige (oder Bildungshungrige?) gibt es was. Kamelreiten, Ballonfahren, beides in unserem Programm erwaehnt? Wissenschaftler, die ueber ihre aktuellen Arbeiten rund um Sonnenfinsternis oder, "fuer Dummies", ueber die Grundlagen erzaehlen? (Haette mir auch gutgetan, nicht nur eine Auffrischung, sondern auch eine Erklaerung der ganzen Parameter, mit denen eine Sofi genau beschrieben wird.) Ein Infostand mit Fotografiertipps? (Schliesslich sind nicht alle Anwesenden Experten mit Erfahrung, Spezialsoftware ["Eclipse Orchestrator" soll gut funktioniert haben] und allen Wassern gewaschen.) Oder auch nur eine "Last-Minute-Bastelecke" fuer den Folienfilter, den man fuer die partielle Finsternis benoetigt? Alles Fehlanzeige. Verkauft werden die besagten Rucksaecke und Klapphocker (zum Aerger mancher Leute, die etwas bei Eclipse City gebucht hatten und erwarteten, dass das im Preis inbegriffen sei), ausserdem Melonen, Wasser und Tee und Postkarten mit Tagesstempel. Alles gut und schoen, aber was habe ich jetzt von den erfolgreich hergekarrten dreieinhalb Tonnen Spezialausruestung? Absolut nix - die Dienstleistung von Eclipse City beschraenkt sich offenbar im Wesentlichen auf das Auskundschaften einer Lokation und den Transport. Man hoert ziemlich viel Gemaule unter den Anwesenden, und ich muss sagen, ich finde das Angebot recht enttaeuschend. Leider weiss ich nicht, welchen Anteil am Gesamtpreis dieser Teil ausmacht - bestimmt mehr, als er (mir) wert ist. Was nuetzt es, wenn die Firma auch internationale Wissenschaftler im Camp hat? Meinetwegen koennen sie auch den chinesischen Staatspraesidenten, Bill Gates & Clinton, George Clooney, die auferstandene Audrey Hepburn und (vermutlich am interessantesten fuer diesen Anlass) den Mann im Mond beherbergen. Das macht fuer mich keinen Unterschied, wenn ich strikt getrennt davon "aufbewahrt" werde.

Um 18:15:52 h beginnt die Finsternis - unmerklich. Zuerst hat der Mond nur eine kaum sichtbare Delle in die Sonnenscheibe geknabbert. Auf Position vier Uhr, etwa. Astronomen haben dafuer sicher eine praezisere Angabe. ;-) Lange Zeit merkt man nichts, wenn man nicht durch die Spezialbrille guckt. Ich wandere ein bisschen durch die Wueste, mitten in der Wueste Gobi erreicht mich um halb sieben ein dienstlicher Anruf, nae nae … Ueberall sind Gruppen von Finsternisguckern, die Eidgenossen unter ihnen haben sich einen der zahllosen Huegel mit ihren roten Weisskreuzfaehnchen abgesteckt - aber verweigern nicht den Zutritt. Auf einem anderen Huegel weht die chinesische Flagge in "richtiger" Groesse - als ich den besteige, kommt einer im Tarnanzug und verweist mich der Staette: dieser Huegel sei fuer Chinesen, fuer Auslaender "der Rest der Wueste". Was das soll, ist mir zwar nicht klar, aber sei's drum. Burkhard hat seine Kamera mit dem extra mitgebrachten sperrigen Stativ auf einem Huegelchen in den hinteren Raengen aufgebaut, so dass man auch einen schoenen Blick auf die vielen Grueppchen von "Verrueckten" hat. Neben ihm sind ein paar Oesterreicher (?) und eine Familie mit einer nervigen Kati. "Kati, du bist anstrengend", heisst es irgendwann entnervt. Ein kleiner Wind kommt auf und kreiert Miniatur-Sandstuerme. Erst kurz vor der totalen Finsternis nimmt die Lichtintensitaet merklich ab, gefuehlt ab etwa 19 Uhr. Es wird nicht dunkler, das Licht wird einfach nur schwaecher. Um 19:12:49 h ist es soweit: der Himmel verfinstert sich weitgehend. Im Suedwesten und -osten bleibt ein gelber Streifen ueber dem Horizont und darueber eine schoene blaue Zone. Der Perlschnureffekt, dann die schwarze Sonne. Wie immer sehe ich nicht genug, und diesmal kommen mir 1 Minute und 50 Sekunden gar kurz vor. Dann ein super "Diamantring", und um 19:14:39 h ist der Zauber vorbei, es ist schlagartig wieder hell, wenn auch noch mit verringerter Intensitaet. Kaum zu beschreiben - das muss man erleben. Etwas schneller geht die zweite Haelfte der partiellen Verfinsterung vorueber, ab 20:07:36 h gehen Sonnen- und Mondscheibe wieder beruehrungsfreie Wege. Zwischendurch verschwindet die teilverdunkelte Sonne kurzzeitig hinter Wolken: wir hatten also wirklich Riesenglueck!!

Das allgemeine Zusammenpacken beginnt, um halb neun soll die Abfahrt sein. Es wird dann doch fast neun Uhr. Unter anderem, weil ploetzlich noch Leute auf die Idee kommen, Kleingruppenfotos mit dem gelb behemdeten Team von Eclipse City machen zu muessen, na prima. Die Rueckfahrt durch die Wueste dauert sehr lange, der Weg zieht sich … Wir brauchen wieder ueber zwei Stunden - eigentlich nicht ueberraschend, nur dass im Programm von einer Stunde die Rede war. Da hiess es Ankunft im Hotel gegen halb zehn, Zeit zum Frischmachen, dann grosses Gala-Dinnerbuffet ab zehn Uhr. Wir kommen aber erst nach elf Uhr an, und zwar nicht an unserem Hotel, sondern am Restaurant. Nix frischmachen. Ich habe ein bisschen Kopfschmerzen, die in Kombination mit der Rumpelei im Bus zu leichter Uebelkeit gefuehrt haben. Zwar habe ich noch eine Aspirin genommen, aber davon ist es nicht viel besser geworden. Burkhard ist auch muede, wir wollen gar kein Dinnerbuffet. Zumal das auch gar keine Atmosphaere hat. Kein speziell dekorierter Saal, wie ich vielleicht erwartet haette, einfach Tische in einem grossen Hotelhallenrestaurant. Was soll daran "Gala" sein? Und die angekuendigten Vorfuehrungen von Volkstaenzen aus der Provinz Gansu (falls sie denn zu so vorgerueckter Stunde noch stattfinden) erscheinen uns auch absolut verzichtbar. Wir beschliessen, ein Taxi zu nehmen, und muessen nur noch ausfindig machen, wann morgen das Programm beginnt. Ihr muesst morgen auschecken, und um 10:30 Uhr fahren wir los, heisst es. Daraufhin geht dieselbe Diskussion wie am Vorabend los: nein, wir checken eben nicht aus! Schliesslich wollen wir nicht unversehens zum Flughafen gekarrt werden. Aergerlich ist das.

Dann steigen wir ins Taxi und sind wenige Minuten spaeter im Hotel.. Aaah, die Aspirin wirkt jetzt doch ein bisschen, Sachen vom Leibe reissen, fertigmachen, hinlegen, endlich! Das tut gut.

Aber ich will den Artikel nicht mit Aerger beschliessen - schliesslich habe ich auf dem Zufriedenheitsfragebogen zwar ungewoehnlich viele schlechte Noten verteilt, aber bei Gesamtzufriedenheit eine sehr gute, denn mit dem Erlebnis der Sofi, wie die "Verrueckten" diese Art von Ereignis liebevoll nennen, bin ich sehr zufrieden. Da kann Eclipse City nichts dafuer, aber nicht einmal was dagegen! ;-))

Waehrend der Busfahrt wurde es Nacht ueber der Wueste, die Sonne war um kurz nach halb neun hinter einem Huegel versunken. Eigentlich ein Erlebnis fuer sich. Uneigentlich auch, aber im Rumpelbus … Lange Zeit war noch ein gelb leuchtender Streifen am Horizont zu sehen, der ueber leuchtendes Blau in das Nachtschwarzblau des "Himmelszelts" ueberging, an dem nach und nach die Sterne sichtbar wurden. Die Experten hatten natuerlich ihre Sternkarten dabei und konnten Satelliten und Raumstationen identifizieren. Schade nur, dass wir aus dem Bus diesen tollen Sternenhimmel gar nicht richtig geniessen konnten!

Sonntag, 3. August 2008

Freitag, 1. August 2008: Der erste Signalturm, der Jiayu-Pass und die Weinquelle

Wir stehen um viertel vor sechs auf und sind puenktlich um 7 Uhr in der Hotelhalle - aber da ist weit und breit keiner, der uns die besagten Spezialausweise (Badges heisst das Zauberwort) aushaendigen wuerde. Nach dem Fruehstueck (ueberwiegend chinesisch, aber ganz o.k.) gibt es immer noch keine Badges. Bei der Abfahrt ist erst einmal ein kleines Chaos angesagt, man hatte uns gesagt, wir muessten in Bus 1, dann mussten wir aber in Bus 2, und wo sind denn nun die Badges?? Angeblich soll Ivy mit denen kommen, immer muessen wir auf Ivy warten … Der Informationsfluss wirkt insgesamt eher ausgetrocknet, irgendwie ist das nervig.

Bei der Abfahrt haben wir eine schoene klare Sicht auf die Berge, zum ersten Mal seit Wochen, sagt Rico von Eclipse City. Sie haetten die Region im letzten und vorletzten Jahr "ausgekundschaftet", und da sei permanent gutes Wetter gewesen - aber dieses Jahr sei es seit Wochen schlecht. Na kein Wunder, wir sind mit den Reiseschweinen dabei, also Schwein gehabt!

Rico erzaehlt uns auch vom Reichtum von Jiayuguan: der beruht auf Stahl, JISCO heisst die Firma, in dieser Stadt sei alles von JISCO. Vor 50 Jahren gegruendet heisst die Stadt nur deshalb nicht JISCO-City, weil man sich entschieden hat, den guten alten Namen des Jiayu-Passes = Jiayuguan zu uebernehmen. Irgendwie muss ich an Leverkusen denken. Mit 50 Jahren ist die Stadt noch jung und muss noch wachsen und gross und stark werden: die Einwohnerzahl soll sich in den naechsten Jahren auf 300.000 verdoppeln.

Unser erster Programmpunkt ist es, den ersten Signalturm der Mauer zu besuchen - das ist ein hell-ockerfarbener Klotz aus ungebrannten Lehmziegeln, ohne weitere Strukturen. Man sieht auch seine spektakulaere Lage ueber dem Taolai-Fluss kaum, ich moechte fast sagen, ich haette sie gar nicht bemerkt, wenn da nicht ein speziell gestalteter Eingang zu einer "underground gallery" gewesen waere. Diese entpuppte sich als eine liebevoll gebastelte Hoehle mit einem Souvenirstand, ein paar im Boden mit Glasdeckel drapierte "Ausgrabungen" und einer Plattform fuer Mutige: weit ausladend mit Glasboden ueber dem relativ reissenden Fluss. Der versteckt sich in seiner Schlucht, die einfach nur aussieht wie aus dem Sand gespuelt. Aber 60 Meter tief, meine ich irgendwo gelesen zu haben. Es gibt eine Art Seilbahn, auf der man, in einer Aufhaengung "schwebend", den Fluss in luftiger Hoehe ueberqueren kann. Sie hat gerade geschlossen, aber ich haette sie wohl auch sonst nicht in Anspruch genommen. - Auf einer Plattform auf halber Hoehe stehen einige Meter flussabwaerts ein paar jurtenfoermige Gebaeude, sie wirken aber doch wie aus Beton.

Der Ziegelklotz wird durch eine grau-polierte Steintafel veredelt, die in kalligraphierten Lettern versichert, dass dies auch wirklich der erste Signalturm des Verteidigungsgesamtkunstwerks "Chinesische Mauer" sei. Und hier beginnt dann die Mauer. Waehrend die ersten 20 m tipptopp restauriert sind (wie der Signalturm aus Lehm), folgt ein langes Stueck im natuerlichen Verfallsgrad. Schnurstracks fuehrt es auf Jiayuguan (die Festung) zu, mitten durch die Wueste. Die Wueste - das ist hier graubrauner Sand und Steine, und alle paar Meter ein graublaugruenliches Wuestengestruepp, vielleicht 30 oder 40 cm hoch. Wenn's nicht ganz hell mattgelb ist und vertrocknet.

Das Schoenste hier sind die Kulisse und die Farben: die hell-ockergelben Bauwerke unter dem hohen, tiefblauen Himmel, im Hintergrund die schneebedeckten Berge und ein paar weisse Woelkchen - ich kann mich kaum sattsehen. Lan lan de tian, wie die Chinesen sagen, blue, blue sky. Nur wenn man in Richtung Jiayuguan-Stadt guckt, kann man einen gelblichen Smogstreifen sehen - und den Dampf von Kuehltuermen und grauschwarzen Rauch aus diversen Schornsteinen. Die sollen bloss aufpassen, schliesslich soll doch auch hier der Tourismus tuechtig ausgebaut werden.

Dann fahren wir weiter zum befestigten Fort am Jiayu-Pass. Das ist nur eine kurze Fahrt, etwa 8 km. Der Eingangsbereich weist das Fort als AAAAA-Sehenswuerdigkeit aus, wir wuerden das vermutlich 5 Sterne nennen. Je Stern gibt man uns 24 Minuten Zeit fuer die Besichtigung. Die Fuehrerinnen machen nicht gerade einen besonders guten Job, erklaeren kaum was und managen weder die Gruppe (die folglich als disziplinloser Haufen erscheint) noch die Zeit. Als erstes kommen wir zu einer kleinen Theaterbuehne, gegenueber ist ein Tempelchen zwischen die Militaerarchitektur geklemmt. Das war's dann auch mit dem Angebot fuer Geist und Seele, der Rest ist Fest-ung. Durch dicke Mauern mit schweren Toren geht es in einen ersten Vorhof, und dann stehen wir vor einem hohen Bogendurchgang durch eine noch dickere Mauer, die hier von einem dreistoeckigen, "typisch chinesischen" Gebaeude bekroent wird. Das Emblem von Jiayuguan sozusagen, eine Ikone, die in stilisierter Form auch unserem Hotel als Logo dient.

Nach diesem Durchgang kommt man in den ziemlich grossen Innenhof, linker Hand befindet sich eine Art Exerzierplatz, der mit weissen und gelben dreieckigen Fahnen abgesteckt ist, rechts liegen flache Gebaeude. Wir biegen aber um die (konvexe) Ecke und kommen zu einer weiteren (konkaven), in der immer irgendwelche Leute Steine aufeinanderklopfen. Fuer mich klingt das, wie wenn Steine aufeinandergeklopft werden, aber auf einer Tafel wird eine alte Legende erzaehlt. Das Englisch war so ein bisschen unverstaendlich, aber irgendwie hat es damit zu tun, dass die vielen Schwalben, die in der Festung nisteten, eines Abends von ihrem Tagewerk/Beutezug zu spaet heimgeflogen waren und vor die geschlossenen Tore geknallt sind und so verstorben - denn die Festung war selbst fuer Voegel unueberwindlich, so die Botschaft. Ihre Seelen aber konnten keine Ruhe finden und flattern noch umher und druecken sich mit dem Tschirpen aus, das entsteht, wenn Steine aufeinandergeschlagen werden. Wie heisst noch der passende Titel eines Cartoon-Bands von Gary Larson? Dumme Voegel.

Wir steigen dann auf die Mauerkrone - die Aufgaenge sind breit und bestehen aus etwa zwei Dritteln Rampe und einem Drittel Treppe. Ob das fuer die Berittenen war? Sehr breit ist die Mauerkrone aber nicht. Waehrend wir dort entlangbummeln und uns jemand im Norden die haengende Mauer zeigt, ich sie aber nicht wirklich ausmachen kann, patrouillieren kleine Trupps von je 6 Mann in Uniformen aus tuerkisblauem Stoff und Silberblech (incl. Helm) im Gleichschritt ueber die Mauer. Mindestens zwei Trupps sind das - wie schaffen die es bloss, in der Montur keinen Sonnenstich zu kriegen? Jaja, es gibt schon die komischsten Jobs.

In dem Hof hinter dem zweiten der insgesamt drei "typisch chinesischen" dreistoeckigen Gebaeude auf der Mauer liegt auf einem Sims ein einzelner Ziegelstein, zu dem es eine weitere Legende gibt. Der Baumeister habe nicht nur die Plaene entworfen, sondern auch das Baumaterial geplant. Und weil natuerlich ein so hervorragendes Bauwerk von einem hervorragenden Meister geplant worden ist, war am Ende genau ein Ziegel uebrig. Der ist dann an besagter Stelle platziert worden. Je nach Lesart geht die Legende noch weiter: Als jemand anweisen wollte, den Ziegel wegzunehmen, habe der Meister kundgetan, dann drohe das gesamte Bauwerk einzustuerzen. Und wenn er nicht zu Staub zerfallen ist, der Ziegelstein, so liegt er da noch heute - und das tut er. Allerdings ist er vermutlich genau so neu wie der Rest des Gebaeudes, denn so wie das alles aussieht ist es (hoffentlich) originalgetreu rekonstruiert.

Wir machen uns dann eine halbe Stunde vor der Abfahrt auf den Rueckweg, weil Rico uns gesagt hatte, dass man nicht auf demselben Weg zurueckgehen koenne, auf dem man gekommen sei, sondern weit aussen herum gehen muesse. Das ist auch so, und echt bloed. Und schlecht ausgeschildert, so dass wir immerzu in Sorge waren, ob wir noch auf dem rechten Weg seien. Aber wir finden den Bus rechtzeitig - was natuerlich nicht fuer alle gilt, so dass wir dennoch warten muessen. Na ja.

Als wir die Kasperlefrage endlich bejahen koennen, geht die Fahrt nach Weinquelle (ja, der Ort heisst so, also ist diese Praeposition richtig), Jiuquan auf Chinesisch, wo wir den oertlichen Park besuchen. Das ist so ein chinesischer oeffentlicher Garten mit allen Versatzstuecken, die dazugehoeren. Das Besondere hier: die periodische Benebelung der zentralen Allee und eines Brunnens dahinter, der auf diese Weise etwas Magisches bekommt. Im Prinzip ist es hier auch was fuer Wortfixierte - ueberall sind Zeichen in den Stein gearbeitet, es ist schon misslich, wenn man Analphabet ist.

Auf dem Hauptplatz des Parks, vor einem See, sind massive Steinfiguren aufgestellt und ein Trueppchen von Bronzesoldaten mit langen Lanzen. Oberhalb befindet sich die besagte Quelle, mit einer Art Omphalus gefasst in einem quadratischen Becken. Der Boden glaenzt von "Silberlingen", denn angeblich hat man Glueck, wenn man es schafft, eine Muenze in die Quelle zu werfen. Ich bin gar nicht sicher, wie das moeglich sein koennte, glaube ich doch, dass die Stroemung die Muenze davontraegt. Man muesste also die Stroemung beim Wurf mit beruecksichtigen … oder schon vorher grosses Glueck haben, das dann damit wahrscheinlich schon aufgebraucht ist. ;-))

Irgendwie konnten die Fuehrerinnen die Ueberlieferung zur Weinquelle nicht richtig 'rueberbringen, im Nachhinein habe ich Folgendes verstanden: der General Huo Qubing, der es in jungen Jahren (mit 20) schon zum General gebracht hatte, war siegreich gewesen und hatte vom Kaiser ein paar Faesser besten Weins bekommen. Er wollte sie mit seinen Soldaten teilen - aber wie? Also hat er sie in die Quelle geschuettet und alle aus der Quelle trinken lassen. Es ist nicht ueberliefert, ob bei diesem Saufgelage jemand betrunken geworden ist. Dafuer war es gut fuer den General, alles schon frueh in seinem Leben erreicht und getan zu haben - im Alter von 23 ist er wohl schon verstorben.

Nach dem etwas plan- und ziellosen Besuch des Parks fahren wir ein paar hundert Meter weiter zu einem Hotel, in dem uns ein "Loentsch" serviert wird. Das Essen ist nicht weiter erwaehnenswert, neben allerhand Chinesischem gab es ein Lammkotelett mit Puree (nicht aufgebraten) und blasse, so gut wie ungesalzene Fritten. Vom Service rede ich gar nicht - die Suppe kam an unserem Tisch nur troepfchenweise an und fuer die Haelfte gar nicht. Erwaehnenswert ist eigentlich nur das rote Spruchband ueber dem mit rotem Teppich ausgelegten Eingang: "Welcome Honored Guest Observing the Total Solar Eclipse to JiuQuan Hotel".

Samstag, 2. August 2008

Donnerstag, 31. Juli 2008: Ankunft in Jiayuguan und die Freuden von Gruppenreisen

Wir sind (glaube ich) halbwegs puenktlich in Jiayuguan gelandet. Relativ kurz vorher erst war die geschlossene Wolkendecke immer zerlumpter geworden und hatte sich schliesslich aufgeloest. So bekamen wir einen Blick auf schneebedeckte Gipfel und bei der grossen Schleife vor der Landung schoene Aussichten auf den Uebergang von der Ebene ins Gebirge, wobei die Erdfalten ganz "nackt" daliegen, kein gruener Mantel bedeckt sie. Gruen gibt es hier laut Erkundung aus der Luft nur als handgemachte Patchworkdecke. Wir erfahren spaeter, dass die Menschen hier i.W. vom Wasser von den Schneegipfeln leben, mit dem die Felder bewaessert werden. Vom Flugzeug aus sieht das beeindruckend aus, das verschiedenfarbig-gruene Flickwerk, umgeben von graubraunem Oedland. Nicht wie Oase, allerdings, dafuer sind die Gebiete zu gross (und es fehlt die Palme, haha!).

Der Flughafen von Jiayuguan ist im wesentlichen eine grosse Betonflaeche, lange Zeit haben wir nicht mal das Terminalgebaeude ausmachen koennen. Es gibt aber doch eins, davor stehen kugelrunde Weihnachtsbaeume. Ja, Fichten wohl, aber mit einer kugelfoermigen Wuchsform. Drinnen gibt es auch ein Gepaeckband, an dem mit uns vorwiegend Langnasen warten. Mit dem Laestern muessen wir uns zurueckhalten, "gefuehlt die meisten" sind Deutsche.

In der Empfangshalle wartet keine/r mit einem Schild oder dem besagten Poster von Ivy, schon komisch. Dann finden wir den Bus, der bis auf den letzten Platz besetzt ist und in dem wir dann mindestens eine Viertelstunde auf die besagte Ivy warten muessen, die auf der Jagd nach irgendeinem verlorenen Handy ist. Oder so. Von gruenen Diamanten war jedenfalls nicht die Rede. Unsere lokale Reisefuehrerin nennt sich Charlene und erzaehlt uns ein bisschen was ueber Jiayuguan und die schneebedeckten Berge, von denen 16 Fuenftausender sind. Allerdings ist die relative Hoehe geringer, denn Jiayuguan und Umgebung liegen auf einer Hochebene etwa in 1000-1500 Metern ueber dem Meeresspiegel. Wir kommen an einer Kiiirche und an einer Moschee vorbei und erreichen dann einen bunten Platz mit Skulpturen und Wasserspielen und Neondeko - offenbar der zentrale Platz des Ortes. Leider halten wir da auch und sollen in so einem oeden Hotel unser Dinner einnehmen - erstens gehoert das nicht in unser Programm, zweitens gab's auf dem Teilstueck von Xi'an hierher schon eine warme Mahlzeit und drittens bin ich ziemlich kaputt und will ins Bett. Letzteres trifft noch auf mehrere Teilnehmer zu, weshalb sich dann der Bus, schaetzungsweise zu einem Drittel gefuellt, schon einmal zu unserem Hotel aufmacht. Im Bus hatte Charlene auch schon ein Programm fuer morgen angekuendigt, das nicht unseres war. O je, und das soll um 7:30 Uhr beginnen. Abfahrt, meine ich.

Beim Check-in ist ein Deutsch sprechender Mitarbeiter von Eclipse City zugegen, dem Spezialreiseveranstalter fuer Sonnenfinsternistouristen, mit dem unser Anbieter kooperiert. Die Zusammenarbeit war aber doch wohl nicht so reibungslos, denn ploetzlich hiess es, fuer uns seien zwei Naechte gebucht, dabei sollten es drei sein. Lange Diskussion, unser Ansprechpartner in Shanghai wurde trotz leicht fortgeschrittener Stunde (kurz vor zehn) "dazutelefoniert", am Ende wurde dem Hotel Bescheid gegeben, dass wir drei Naechte bleiben, und wir bekamen einen dritten Fruehstuecksgutschein. Was das Programm betraf, hatte der besagte Mitarbeiter von Eclipse City fuer uns folgende Optionen: entweder ihr macht beim Standardprogramm mit, oder ihr koennt im Hotel bleiben, aber das eigentlich auch nicht, weil wir ja dann keinen Transport zur "eclipse city" haetten, dem Finsternisbeobachtungscamp in der Wueste Gobi. Vor diese supertollen Alternativen gestellt, haben wir uns fuer das Standardprogramm entschieden. Es hiess jetzt doch Abfahrt "erst" um 8 Uhr. In der Zwischenzeit haben wir noch den Eclipse City-Rucksack bekommen, mit T-Shirt und Baseballkappe, keiner Sonnenbeobachtungsfolienbrille (die eigentlich dabei sein sollte), einem "desert stool" genannten Klapphocker und einem Programm, das ich besser nicht gelesen haette. Darin stand, man muesse auf jeden Fall puenktlich um 7 Uhr morgens den Spezialausweis in Empfang nehmen, ohne den man das Camp nicht betreten koenne. Auf Zuspaetkommer koenne keine Ruecksicht genommen werden. Kein Pardon fuer Schlafmuetzen und Bummelanten, wie Wattfuehrer Heino, Alfreds Sohn, sagen wuerde!