Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 30. August 2008

Zwischen Kram, Kitsch und Kunst

Am Dienstag hatte ich einen ominoesen Brief vorgefunden: mit lauter chinesischen Zeichen beschriftet und, bei genauem Studium, unseren chinesischen Namen (als ob die irgendjemand kennen wuerde ;-)) ) ... und just zwei Namensbestandteilen in lateinischen Buchstaben. Ich dachte ja erst, ich bekaeme jetzt anonyme Drohbriefe, aber dann waren da zwei Eintrittskarten fuer The 2nd International Gift & Home Décor Trade Fair 2008. Von Zheng Hong extra fuer uns eingetuetet und per Post verschickt. Na, dann mussten wir da ja wohl heute mal hinfahren!

Diese Messe findet im "shanghai mart" statt, einem Gebaeude an der westlichen Yan'an-Strasse kurz vor diesem Riesenblumenstrauss, den ich "die Bademuetze" zu nennen pflege, weil er eine Form hat wie die beruehmten 70er-Jahre-Gummiblumenbadekappen. Und mit Gummiblumenbademuetzen ist man auch schon gleich richtig eingestimmt ... hier gibt es reichlich Kram auf vier Etagen. Bei so vielen Sachen liess es sich nicht vermeiden, dass auch mal ein paar gute Dinge dabei waren. Aber das Sammelsurium: Patchworkarbeiten, Fliesenbilder, Einkaufstaschen, Kalender, Lackkistchen, Glaskitsch, chinesische Moebelstuecke und Schnitzarbeiten, Teeservices, Puppen, Plueschtiere incl. einem Hein-Bloed-Verschnitt, Miniklaviere, Beijing 2008-Olympiakitsch (vor allem Vogelnest und Wasserwuerfel - und natuerlich die Maskottchen), Thermoskannen und -becher, Textilien, Schmuck, Bilder, Decken, Massageautomaten (hab's getestet: fuehlt sich wirklich ein bisschen an wie massierende Haende) und ich weiss nicht was noch. Wie es sich fuer Trash gehoert, war ploetzlich auch noch eine Schlaegerei im Gange, zu Hilfe! Die Streithaehne waren sehr gewalttaetig und konnten kaum auseinander gebracht werden. Schrecklich! Insofern vergessen wir diese ganze Veranstaltung mal gleich wieder. Es waren uebrigens so gut wie keine Langnasen dort. Oder halt, zwei Sachen noch: Zum einen habe ich hier erstmals Rohjade gesehen. Mehrere Staende boten dort Jade aus Burma/Myanmar an (eine der wichtigsten Einnahmequellen der dortigen Regierung, wie man hoert), und zwar sowohl roh als auch bearbeitet. Die rohen Kloetze hatten meist nur ganz kleine angearbeitete Ecken (nicht so wie auf diesem Bild, wo er ganz angeschliffen ist). Die kleinsten und schlechtesten fangen bei 1000 RMB an. - Zum zweiten (oder besser zum ersten, zum zweiten, zum dritten ...) habe ich hier erstmalig eine chinesische Versteigerung erlebt. Hier wurden klassische Rollbilder an den Mann und die Frau gebracht.

Nach gut zwei Stunden hatten wir dann aber wirklich genug - nach soviel Kramzeug wollten wir mal den "Puls der zeitgenoessischen Kunstszene" fuehlen. Das kann man an der Moganshan Lu, wohin wir es bisher irgendwie noch nie gebracht hatten. Heute gab es aber einen besonderen Anreiz: an diesem Wochenende findet dort die "Affordable Art Fair" statt, also eine Messe mit Kunst, die "man" sich leisten kann. In Geld ausgedrueckt: die Kunstwerke kosten zwischen etwa 300 und 3000 Euro. Mittlerweile gibt es in Shanghai sicher genug Leute, die sie sich leisten koennten, aber wie viele von denen sie sich auch leisten wollen, ist wohl eine andere Frage. "Im Schnitt", was auch immer das sein mag, sind die Chinesen wohl nicht sooo kunstinteressiert ... mir scheint, Luxusartikel werden tendenziell hoeher geschaetzt als Kunstgegenstaende.

Ding Shifu kennt die Moganshan Lu aber nicht, und fatalerweise ist sie auch nicht im Register des Stadtplans verzeichnet. Genauer: dort ist eine Moganshan Lu verzeichnet, aber die liegt in Hangzhou. Da wollen wir ja nun nicht hin! Zum Glueck haben wir den Artikel aus der Shanghai Daily dabei, da steht nicht nur die Adresse, sondern auch eine Telefonnummer. Ding Shifu macht sich schlau, und schon bald sind wir da. Die Moganshan Lu sieht ganz schoen abgewrackt aus. Auf dem ersten Stueck liegt rechts eine Mauer voller Graffiti, man sieht auch gerade zwei Kuenstler bei der Arbeit. Wir steigen dann irgendwo aus, wo die ersten "Kunstlaeden" anfangen, und finden auch bald die angegebene Adresse, Moganshan Lu No. 50. Die bezeichnet nicht ein Haus, sondern einen ganzen Block. Auf der Ecke liegt ein Café - ah, prima, erstmal einen Kaffee trinken und einen Happen essen! Nicht dass sich am Ende herausstellt, dass Kunst auf nuechternen Magen ungeniessbar ist ...

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