Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Freitag, 22. Januar 2010

Jingju

(sprich ungefaehr: dschingdschü) Noch habe ich gar nicht berichtet, dass wir am letzten Samstag erstmalig "richtige" Pekingoper gesehen haben! In Beijing hatte man uns ja in eine nicht nur schlechte, sondern auch noch grottenlangweilige Touristenneppveranstaltung gefuehrt. Aergerlich. Seither hatten wir die Veranstaltungshinweise besonders gruendlich studiert, und siehe da! Letzte Woche gab es im Shanghaier Yifu-Theater an der Fuzhou Lu Pekingoper-Auffuehrungen aus Anlass des 115ten Geburtstages von Zhou Xinfang, der dieser traditionellen Kunstform im 20sten Jahrhundert eine Renaissance verschafft hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass das Publikum mittlerweile auch wohl immer aelter wird, braucht man einen solchen Wiedergaenger ...

Am Samstagabend um 19:15 Uhr war es dann soweit: Vorhang auf zu fast drei Stunden Auffuehrung, ohne Pause, versteht sich. Das Theater sieht so gut wie ausverkauft aus, und, wie schon gesagt, vertreten wir in diesem Publikum eher die Jugend. Alles ist eben relativ. Uns kommt es so vor, als muessten die Chinesen verstehen koennen, was da gesungen und gesprochen wird, denn selbst wir koennen einen Teil der Untertitel phonetisch mit dem Gehoerten uebereinbringen und einen (kleineren) Teil der Untertitel sogar verstehen. Aber insgesamt ist die Summe der verstandenen Fetzen nicht ausreichend, um zu wissen, worum es genau geht - und ob wir da ein Stueck gesehen haben (wenn ja, war es der "WuLong-Garten") oder eine Auswahl aus verschiedenen Stuecken, was wohl nicht unueblich ist.

Jedenfalls sehen die Kostueme nicht so furchtbar nach meiner Schwester aus ("mei-ne Schwes-ter heisst Po-ly-ester ..."), die Schauspieler sind ordentlich geschminkt, und rechts auf der Buehne leicht hinter dem Vorhang spielt die Musik, wenn sie auch fuer untrainierte Ohren oft doch mehr nach Geraeusch klingt. Aber eben live. Das Stueck nimmt ein boeses Ende - die schoene, aber nicht gute Tochter einer alten Mutter reizt den blaubemaentelten Freier (?) mit einer Erpressung, die auf einem offenbar irgendwie kompromittierenden Brief fusst sowie einen kleinen Goldbarren involviert, so lange, bis beide sich am liebsten umbringen wollen. Sie setzt dann auch schon einmal mit ihrer spitzen Handarbeitsschere dazu an, aber irgendwie ist die Gelegenheit nicht richtig. Im Gegenzug findet er die anschliessende Gelegenheit fuer sich gut genug und streckt die schlechte Schoene mit Messerstichen nieder. Der armen alten Mutter bleibt nur ein Geheul, dann schliesst sich der Vorhang. Und wir sitzen da und sehen betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen, sozusagen. Ein zweisprachiges Programmheft waere ein echter Mehrwert gewesen(, jedenfalls wenn eine der Sprachen Englisch, Franzoesisch oder Deutsch gewesen waere). Es gibt nicht sehr viel Applaus - typisch chinesisch halt -, aber anders als sonst stroemen nicht alle nach zweimal Klatschen zu den Ausgaengen: eine ganze Reihe begeisterter Anhaenger eilt nach vorn an die Buehne und applaudiert dem Ensemble doch noch ein bisschen. Und wir sind um eine diesmal positive Erfahrung reicher. Als naechstes muss ich Kunqu gucken!

Montag, 18. Januar 2010

Fro-Schlaich

Heute waren wir nach dem Mittagessen im Dessert-Restaurant und hatten uns "black pearls in sauce with green tea ice" (oder so aehnlich) bestellt. Ich hatte solche kleinen dunklen Geleekuegelchen erwartet, wie Sago, bloss eben nicht hell. Was uns dann serviert wurde, sah aber aus wie klare Sagoperlen mit einem dunklen Kern in Groesse eines schwarzen Sesamkorns darin. Burkhard schaute etwas nachdenklich in das kleine Schuesselchen, woraufhin ich die Stimmung in dem Satz "Und wann schluepfen die?" zusammenfasste. Dabei schmeckte das gar nicht schlecht, und noch ist aus meinen Innereien kein Froschkonzert zu vernehmen.  ;-))

Samstag, 9. Januar 2010

Lass uns das Ding drehn?!

Das ist kein Jahr fuer kleine Fische? Nein, sowieso nicht, bei mir ist ja immer das Jahr des Schweins, und diesmal faengt es mit besonderem Glueck an. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich leicht sarkastisch ueber den Firmen-Adventskalender im Intranet gelaestert hatte ... der war ja soooo doooof! Ob die Kommunikationsabteilung die Mitarbeiter/innen fuer Trottel haelt? Langweilige Fragen mit jeweils 1, 2 oder 3 Buchstaben des Loesungssatzes hinter der richtigen Antwort. Und schon in der richtigen Reihenfolge. Am Wochenende keine Tuerchen zum Oeffnen, und ab dem 21sten Dezember standen alle Tueren schon gleich offen, wenn man bloss auf den Kalender klickte, weil wegen allgemeinen Urlaubs der Loesungssatz schon am 18ten Dezember komplettiert werden konnte. Und das Groesste: FAQ zum Adventskalender! Wie auch immer, ich haette ja zu Beginn des Monats beinahe falsch gelegen. Hatte bei "We wi..." auf "We wish you a merry Christmas and a happy new year" getippt, aber das war natuerlich viel zu lang und zu religioes, so dass es am Ende nur "We wish you a happy new year" hiess. In einem Anfall von Wahn habe ich diesen genialen Loesungssatz an die angegebene Adresse gemailt, und vorgestern finde ich ein Glueckwunschmail: Sie haben den 10ten Preis gewonnen, einen Fotokalender - an welche Adresse man mir den bitte schicken duerfe. Buohahahaha!

Gestern nach dem Mittagessen fragte man uns, ob wir eine fapiao wollten, also eine offizielle Rechnung. So ein Rubbellos eben. Und in einem weiteren Anfall von Wahn sagte ich ja, obwohl wir natuerlich keine brauchen. Zu Burkhard sagte ich danach erklaerend: Wir muessen naemlich mal wieder was gewinnen, hatten schon lange nichts mehr. Die Rechnung kommt, ich rubbele das Feld frei: ha! Nix da "xiexie nin", danke sehr! Statt dessen 5 RMB! Nicht dass es mich seeehr reich macht, aber ich darf mich wohl offensichtlich auf ein glueckbringendes Jahr einstellen. Da sieht man eben, dass auch wenig Geld gluecklich machen kann. Dann mal immer weiter so!

Mittwoch, 6. Januar 2010

Supersexy Unterhosen!

Heute waren wir zum Mittagessen im "Old Beijing Style Hot Pot"-Restaurant, und man hatte uns einen Tisch angewiesen, von dem aus ich direkt auf das Schaufenster des Socken-und-Unterwaesche-Geschaefts gegenueber schauen konnte. Als ich erst einmal gesehen hatte, was es da zu sehen gab, konnte ich meine Augen kaum von dieser genialen Dekoration abwenden! Und ich krieg' mich immer noch kaum ein.
Normalerweise sagt ein Bild bekanntlich mehr als 1000 Worte, aber ich weiss nicht, ob ein Bildanhang beim Mail-in korrekt verarbeitet wird und kann es ja auch nicht pruefen (vielleicht kann mir bitte jemand ein Feedback dazu geben?). Also verbal: eine maennliche und eine weibliche Schaufensterpuppe in roter langer Unterwaesche, die maennliche Puppe mit einer kurzen Unterhose und einer langen darueber - und damit man die kurze darunter auch sehen kann, war die lange halb heruntergezogen, so dass sie irgendwo knapp ueberm Knie herumhing. Wow! Und ich dachte immer, es hiesse "no sex please, we're Chinese"?!

Freitag, 1. Januar 2010

Silvester 2009

So, jetzt hat das neue Jahr begonnen. Die Globalisierung macht sich hier auch insofern breit, als dass gestern Abend sogar "was los" war (oder was los gemacht wurde - nicht nur die Ausflugsboote auf dem Huangpu vom Kai). In der Zeitung waren "count down parties" angekuendigt worden, eine auf der Bund-Seite des Flusses, eine auf "unserer" Seite gegenueber vom Bund und eine in Xintiandi. Wir haben aber erst unser Silvestermenu zubereitet und verzehrt. Es gab Lachstartar (mit Kapern und Dill, lecker!) und dann einen ganzen Fisch, der mit Speck, Zwiebeln, Rosmarin und Knoblauch und in einer Pfuetze Rotwein erst in ein Alufolienmaentelchen und dann in den Ofen geschluepft ist. Ganz fettarm also (anders als der Lachs) und auch ziemlich lecker! Dazu gab es rote Linsen und eine "sesame flute", also ein Stangenbrot mit Sesam. Die Baguettes waren bei Paul schon aus. (Paul ist die franzoesische Backwarenkette hier.) Zum Nachtisch hatten wir, Asche auf mein Haupt und ernstliche Reue ins Herz!, gekaufte Mousse au chocolat. Die Reue ist seeehr aufrichtig - das schmeckt doch nicht! Demnaechst also wieder richtig (oder gar nicht).

Um halb zwoelf haben wir uns dann auf den Weg gemacht, warm eingepackt, denn es war um die null Grad draussen. Aber trocken. Der Himmel hing schon voller Laternen, denn so genannte "sky lanterns - Himmelslaternen" (genau so stand es auf den Plastikhuellen, auf Englisch und Deutsch - natuerlich auch auf Chinesisch) waren gestern der Verkaufsschlager. Zu Hunderten stiegen sie ueberall auf - wer nicht weiss, wie er/sie sich das vorstellen soll, googelt Bilder. Wenige Minuten vor Mitternacht hatten wir uns dann in der Naehe der Super Brand Mall auf der Flusspromenade postiert, den festtagsbeleuchteten Bund im Ruecken, Blick auf den Aurora Tower, auf dessen Projektionsflaeche eine Uhr die verbleibende Zeit anzeigte. Zur Stunde Null ging dann das Feuerwerk los, wie ueblich von drei eigens auf dem Fluss postierten Schiffen, die man nur als duennen schwarzen Strich in der Flusslandschaft wahrnehmen kann. Das Feuerwerk war nicht sooo ausgiebig wie am Nationalfeiertag oder zum chinesischen neuen Jahr, aber immerhin! Wir erinnern uns an Silvester 2006, als wir gerade angekommen waren und noch im Ascott wohnten: da war ungefaehr gar nichts. Ein paar Leute, die privat Feuerwerk zuendeten, ein kleiner Auflauf an der Uferpromenade: nichts Ernstzunehmendes.

Hinter uns auf der Buehne der count down party war eine "Flitterbombe" gezuendet worden, die glitzernde Folienstueckchen vom Himmel regnen liess. Um diese Zeit fingen auch schon die ersten Himmelslaternen an, dunkel und ausgebrannt zur Erde zurueckzukehren. Bald schwammen reichlich welche im Huangpu ... Um halb eins war der Zauber dann vorbei, und das allgemeine Nach-Hause-Stroemen setzte ein. Wir sind auch gestroemt, haben dann noch mit Champagner aufs neue Jahr getrunken, und sind dann gleich schlafen gegangen.