Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 29. Juni 2008

Über die Annehmlichkeiten des Reisens

Ach nee, das macht ja keinen Spass - total pünktlich eingestiegen in den gut gefüllten Jumbo, total pünktlich abflugbereit - und dann keine Starterlaubnis bekommen. Wegen allzu dichten Luftverkehrs über Shanghai, hiess es. Hoffentlich kommt bald der A380 - aber vermutlich wird das nicht mal eine Erleichterung bringen. Über 1:20 Stunde zu spät weggeflogen! Und dann haben wir auf einem turbulenten Flug nicht viel aufholen können, die erhöhte Geschwindigkeit hat nur dafür gesorgt, dass die grossen Schlechtwetterumwege nicht zu zusätzlicher Verspätung geführt haben. Hat der Pilot gesagt.

Irgendwie war die Zeit auch nicht so richtig zum Schlafen geeignet, obwohl ich natürlich ziemlich müde war - in diesem Monat hat es mit dem pünktlichen Zubettgehen nicht gut geklappt. Ich habe nur ein bisschen gearbeitet und ansonsten einige Filme geguckt, darunter La Môme. Ein schrecklich-schöner, wenn auch schon nicht mehr ganz neuer Film, bei dem ich gemerkt habe, dass ich zwar viele Lieder von Edith Piaf kenne, aber über ihre Biografie eigentlich vorher gar nichts wusste. Zu meiner grossen Verwunderung war Sous le ciel de Paris nicht im Soundtrack ... schade. Übrigens sorgt die Lebensgeschichte der Sängerin für das Adjektiv "schrecklich", der Film ist gut und sorgt für "schön".

Mit unserer üppigen Verspätung wurde die Übergangszeit in Frankfurt ein bisschen knapp - 19:24 Uhr gelandet, Ab"flug" des Zuges mit der Flugnummer um 20:09 Uhr. Erst einmal sind die "Flug"steige für die Züge nicht gut ausgeschildert, dann habe ich eine Passkontrolle erwischt, an der es recht langsam ging und an der auch kein Schalter für EU-Staatsangehörige war, und zu allem Überfluss stand vor mir ein suspekter Chinese. Der Beamte hatte in relativ kurzer Zeit herausgefunden, dass diesem Kandidaten schon einmal die Einreise verweigert worden war, und dann fing es natürlich an, ein bisschen langwierig zu werden. Ich bekam schon ganz heisse Füße von den Kohlen, auf denen ich stand ... bis der Beamte den Chinesen schliesslich angewiesen hat, "da drüben" an der Grenzpolizeistation erst einmal zu warten.

Mit halbwegs hängender Zunge komme ich also gegen 1 vor 8 am "AiRail"-Gepäckschalter an - der tolle Service in dieser LH-DB-Kooperation ist ja, dass das Gepäck nach Köln durchgecheckt wird, man es aber trotzdem an besagtem Schalter abholen muss und dann selber im Zug damit hantieren. Super Idee, das! Ich bin also gerade noch passend da, und was ist natürlich nicht da? Meine Koffer. Dafür machen die wohl den leuchtend-orangefarbenen "Priority"-Aufkleber ans Gepäck ... Schliesslich kommt noch einer der beiden Koffer, aber der andere (noch) nicht. Der Gepäckfritze empfiehlt mir und einem anderen Herrn, der mein Schicksal teilt, dass wir uns entscheiden können: Entweder auf den nächsten Zug warten oder ein Fax-Suchformular ausfüllen. Ich hab' mich für letzteres entschieden, was vielleicht nicht die beste Entscheidung war ... Wie auch immer, den Zug habe ich dann noch erreicht. Und Ende gut, alles gut - am Sonntagnachmittag wurde der Koffer gebracht, und jetzt ist also alles in Butter. Und das ganz ohne Fettfleck!

Samstag, 28. Juni 2008

Wochenendarbeit

Na, das ist vielleicht alles ein Huddel ... nachdem unser Softwarelieferant die Entwicklung im Wesentlichen 2007 abgeschlossen haben wollte, dann am 18. Januar, dann im Maerz usw. usf., fallen heute Heerscharen von diesem ('tschuldigung) Saftladen bei uns im Buero ein. Angemeldet waren drei, gestern hiess es, es wuerden sieben kommen. Ist wohl auch noetig, denn als wir gestern die beruehmte GoNoGo-Entscheidung treffen wollten, lief die Anwendung noch nicht. :-(((( Sagte der Kunde: "Sie laeuft nicht." Sagte der Lieferant: "Das kann man so nicht sagen, nur eine Komponente hat noch ein Problem." Wie ein Auto mit platten Reifen halt - man kann nicht sagen, ob es fahren wird, wenn man die Reifen repariert. Und selbst wenn dem so ist - im Moment kann man erst einmal nicht fahren, und falls man die Reifen nicht reparieren kann, sitzt man fest. Apropos sitzen: Ich sitze nun schon am Flughafen und warte auf den Flug nach Falankefu. Deshalb und da der Projektleiter seinen Aufenthalt vor Ort in Korea wegen der Probleme verlaengern musste, musste ich leider den aengstlichen Mitarbeiter auch noch zur Wochenendarbeit verdonnern. Sonst waer' ich ja vielleicht selbst hingegangen. Tut mir ja leid fuer ihn, aber das laesst sich nun leider nicht vermeiden. Hoffentlich wird die Saftladenbesetzung wenigstens heute fertig, dann braucht er nicht auch noch am Sonntag zu kommen. Mir ist ganz unwohl bei dem Gedanken - hoffentlich geht das alles gut. Fuer mich selber habe ich auch Samstagsarbeit dabei - erfahrungsgemaess reicht die Arbeit immer fuer viel laenger, als der Flug dauert, und das, obwohl er doch recht lang ist! So ein Mist!

Johannes und Burkhard haben also jetzt sturmfreie Bude. Maennerwirtschaft ... o ha. ;-)) Aber nur zwei Tage, denn am Montag zu unsittlich frueher Stunde fliegt Johannes schon wieder zurueck. Allen Zweiflern sei es noch einmal gesagt: Man braucht sich in Shanghai keineswegs zu langweilen - Programm fuer zwei Wochen gibt es locker. Und auch kulinarisch gibt es genug Abwechslung, "die chinesische Kueche" (was auch immer das sein mag) ist sehr vielfaeltig. Am Mittwoch hatten wir zum Beispiel Beijing HotPot und gestern "Tisch-Braterei". (Was zugegebenermassen eher koreanisch als chinesisch ist, aber wer weiss, vielleicht essen die Nordostchinesen das auch traditionellerweise? Die Koreaner grillen ja auf so runden Dingern, die in der Tischmitte eingelassen sind und mich immer irgendwie an Felgen erinnern - aber in dem Restaurant, in dem wir waren, gab es eine heisse Platte, auf der gegart wurde). Das Prinzip ist sehr aehnlich: man bekommt bergeweise Teller mit rohen Zutaten auf den Tisch gestellt und bereitet sie dann selbst am Tisch zu. Im ersten Fall wird gekocht, im zweiten gebraten - das ist kurzweilig und lecker.

P.S. Fuer alle, die sich jetzt wunders was denken: Falankefu ist leider keine Suedseeinsel, sondern nichts Anderes als der chinesische Name von Frankfurt.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Drachenquark

Heute gab's mal wieder etwas Besonderes im Chinesischunterricht: Quark mit Sosse - nein, Kleine-Drachen-Garnelen mit Sauce! Yang XiaoLi hatte ein Beutelchen voll eingekauft, es war auch irgendwie noch ein kleines bisschen warm - so frisch geholt, oder haben die Mandarin-Haeusler irgendwo einen weibolu? Jedenfalls schwammen die besagten Tierchen in einer duennfluessigen, leicht scharfen Sauce, und dazu gab es noch eine andere, ebenfalls duennfluessige Sauce, aber ich war zu dumpfnasig, um die beiden zu unterscheiden. War aber auch egal: die Flusskrebse - denn um nichts anderes handelt es sich - haben ziemlich lecker geschmeckt. Die gibt's hier im Moment an jeder Ecke, moechte ich sagen. Sie scheinen Saison zu haben. Komischerweise sind sie mir im letzten Jahr gar nicht aufgefallen.

Ansonsten habe ich ziemlich volles Bueroprogramm und zu allem Ueberfluss einen Mitarbeiter, der sich vor mir fuerchtet. Das ist mir ja noch nie passiert! Und es ist definitiv sehr unangenehm - einfach kein gutes Arbeitsklima. Wie soll man so vernuenftig vorankommen?? Ob ich ihn mal zu Frau Dr. Tietze (*verlegen lach* ach, ohne Doktor) in die psychologische Arbeitsgruppe schicken sollte? "... und Sie sagen einmal ganz angstfrei, was Sie Herrn ... äh ... Wegner gegenüber immer gern losgeworden wären ..." Aber im Ernst, ich finde es ziemlich schwierig, damit umzugehen.

Burkhard und Johannes haben auch volles Programm - das "Zettelchen der Moeglichkeiten" ist schon ziemlich gestrichen. Trotz recht durchwachsenen Wetters scheint alles noch recht gut zu funktionieren. Gestern war ein Wahnsinnssonnenuntergang, der den Himmel ueber der Stadt in leuchtendes Orange getaucht hat. Nix da blaue Stunde!

Mittwoch, 25. Juni 2008

Service attitude

Jaha, da sollen sich mal diverse Leute ein Beispiel nehmen! Als ich heute Abend nach Hause kam, stand am Aufzug eins von diesen Bekanntmachungsschildern, die dort gelegentlich auftauchen. Heute mit folgendem Inhalt:

Verehrte Hausbewohner,
wir informieren Sie hiermit, dass ab dem 21. Juni 9:00 Uhr der Wassertank unserer Wohnanlage gereinigt wird. In dieser Zeit ist die Wasserversorgung normal. Fuer die Unannehmlichkeiten bitten wir um Entschuldigung.
Gueltigkeit: 25. - 27. Juni.

Vermutlich meint der Autor, dass es inakzeptabel ist, wenn waehrend der Reinigung keine Beeintraechtigung der Wasserversorgung auftritt. Frei nach dem Motto "Was keine Stoerung verursacht, ist auch nichts wert." - und somit nicht annehmbar. Die einzige Frage, die noch offen bleibt: Wie kommt sowas? Liegt es an der Dienstleistungsmentalitaet, an der "chinesischen Logik", an mangelhaften Englischkenntnissen oder einem Fluechtigkeitsfehler beim Schreiben? ;-))

Dienstag, 24. Juni 2008

Wunderschwein - Schweinewunder

Ach, manchmal ist die Welt doch voller Wunder, zumindest fuer Schweinefreunde und -freundinnen. Ein Schwein ist am 17. Juni nach 36 Tagen aus Erdbebentruemmern in der Naehe von Wenchuan gerettet worden, ist es nicht ruehrend??! So berichtet jedenfalls die Shanghai Daily heute. Das Schwein hat sich offenbar von Regenwasser und Holzkohle ernaehrt (auch keine sehr attraktive Diaet) und dabei schlappe 100 kg abgenommen - vermutlich war es jetzt auch selbst ganz schlapp, das arme Schwein, und hat immer ganz leise "Huelfe!" gegrunzt. Und da sieht man es wieder: nie zu frueh aufgeben! Jemand hat es fuer etwa 3000 RMB gekauft und auf den Namen Zhu Jianqiang (sprich etwa dschu dschjaen-tschiang) getauft, "Schwein Festerwille", so ungefaehr. Dieses echte Gluecksschwein darf jetzt sein Leben lang Artgerechtes fressen, bevor es irgendwann eines natuerlichen Todes sterben und in den Schweinehimmel kommen wird - so habe ich es verstanden. Das Leben ist schoen!

Montag, 23. Juni 2008

Weibolu oder: Nach langen Jahren aufgegeben

Nachdem wir ja gestern wieder Sachen "in die Tasche geschlagen" hatten, sprich: uns piggy bags hatten geben lassen (schliesslich sind wir hier im Jahr des Schweins und nicht des Hundes), habe ich nach langjaehrigem Widerstand resigniert. Zum Aufwaermen solcher "Mitbringsel" ist ein wei-bo-lu zweifellos besser geeignet als eine Gasflamme unter Toepfen. Jetzt steht ein kleines Monstrum neben dem Reiskochermonstrum ... und auf der Arbeitsflaeche ist kein Platz mehr. Dann ist das Kochen in China wohl jetzt definitiv beendet?!! ;-))

Wei ist nicht nur das nervige Hallo am Telefon, wei 微 kann auch winzig klein oder Mikro- heissen. Ein Weibolu ist dementsprechend, wieder einmal ueberraschend woertlich, ein Mikrowellenherd. Bin gespannt, wie ich mich damit anfreunden werde.

Sonntag, 22. Juni 2008

Shanghaier Skulpturenspass

[freie Uebersetzung von Shanghai Sculpture Space] Am Vormittag habe ich die "Jungs" Richtung Shanghai Museum ziehen lassen, denn ich hatte ja wieder Kalligraphieunterricht. Als sie zurueckkamen, berichteten sie aber statt dessen vom Stadtentwicklungsmuseum und der Expo-Sonderausstellung dort und waren voll des Lobes - das Shanghai Museum sei heute nicht in Frage gekommen wegen einer allzu langen Warteschlange.

Im Unterricht habe ich uebrigens schon wieder vergessen zu fragen, ob der Herr Generalkonsul auch ein Schueler von Zheng Hong ist, hatte ersterer in seiner Rede zur Ausstellungseroeffnung doch von seinem Unterricht bei einem der Kuenstler gesprochen. Ich habe jetzt einen weiteren Stempel - scheint ja so, als koenne man davon nie genug haben. Diesmal ist es ein metallener, Bronze wohl, angeblich vergoldet. Mit einem entzueckenden kleinen Drachen drauf - wo shu long, ich bin Drache. Eine ganz kleine Skulptur ist das also, womit ich schon beim Thema waere. Wir haben uns dann naemlich gleich ein Taxi angeln lassen (Service des Wachpersonals), was trotz beginnenden Regens ziemlich schnell ging, und uns zur West Huaihai Road fahren lassen, was trotz des Sonntagnachmittags ziemlich langsam ging.

Um kurz nach vier waren wir aber doch da, ich konnte mir den grossen Einsteinkopf jetzt auch persoenlich ansehen, der dort vor kurzem aufgestellt worden ist. Auch sonst stehen da einige Sachen auf gruenem Rasen herum; insgesamt ist das ganze Gelaende aber noch mitten in der Entwicklung. Dort befindet sich der Shanghai Sculpture Space (den es schon laenger gibt), und rundherum entstehen mehr oder weniger schicke Galerien. Gar nicht so uninteressant - wir haben alle besucht, die geoeffnet hatten, und das Spektrum an Werken ist sehr breit: Es beginnt mit PopArt, zum Beispiel in Form von einem Paar Kirschen (westfaelisch auszusprechen, Kirschen sind ja einer der Hauptbestandteile des beruehmten westfaelischen Obstsalats, die anderen beiden sind Biiirnen und Pfiiirsiche - und ausserdem gibt es ein sehr aehnliches Werk im westfaelischen Muenster auf dem Harsewinkelplatz). Weiter geht es mit "klassischen" menschlichen Figuren aus diversen Materialien, es ist auch einiges an Auseinandersetzung mit den Versatzstuecken der langen chinesischen Kulturtradition zu besichtigen. Aus dieser Kategorie hat mich das Pferd aus geknuelltem Drahtgeflecht beeindruckt, das mit Magneten auf einer Glasplatte montiert ist. Vorbild seien die Roesser auf Reliefs am Grab des Tang-Kaisers Li Shimin, stand auf dem "Beipackzettel", aber ich haette ebenso geglaubt, wenn statt dessen auf die Pferde von Lascaux verwiesen worden waere. (Interessant genug, heisst es doch in der Bildunterschrift bei diesem Link "das chinesische Pferd".) Offenbar ein Universalkunstwerk, "das Pferd an sich", sozusagen.

Anschliessend haben wir uns noch einen Kaffee gegoennt, bevor wir zum Essen ins Pin Chuan gefahren sind - sehr empfehlenswert! Das Interieur ist ganz edel in schwarz, weiss, rot gehalten, das Licht ist hell und angenehm, der Service ist freundlich (und spricht englisch), die Kueche ist die von Sichuan. Zum Teil daher entsprechend scharf und sehr lecker! Es ist nicht superbillig, aber auch nicht teuer - und wer's mag, kann hinterher noch ins Hofbraeuhaus gehen, das liegt gleich nebenan. Wir wollten aber lieber gleich nach Hause und haben doch wirklich trotz des Regens in dieser etwas abgelegenen Taojiang Road sofort ein Taxi ergattert! Nicht zu fassen!

Samstag, 21. Juni 2008

Tongli

Aijaijai, da haben wir Ding Shifu aber heute auf dem falschen Fuss erwischt, als wir um halb elf einsteigen und ihm bedeuten, wir moechten nach TongLi fahren. Er faehrt zwar erst einmal los, haelt aber gleich wieder an, um doch noch auf der Karte zu suchen. Suedlich von Suzhou muss man das suchen, hab' ich ihm auch gesagt. Und wir haben es ihm auf der Karte gezeigt. Er war sichtlich angefressen und hat zwischendurch telefonisch Rat eingeholt, dann den Weg aber doch problemlos gefunden. Dafuer hat er auch ein kleines Extra bekommen, um sich tagsueber zu amuesieren.

Tongli ist eins von diesen Doerfern im Wasserland, das angeblich den Beinamen "Venedig des Ostens" tragen soll - die haben hier viele Venedigs im Osten. Oder im Westen, denn von Shanghai aus gesehen liegt Tongli natuerlich im Westen - von hier ist es gar nicht mehr sehr weit zu Taihu, dem Tai-See, der durch die Algenplage und andere Umweltprobleme unruehmlich beruehmt ist.

Ding Shifu setzt uns "irgendwo" ab. Wir muessen ein Stueck durch alte oder neue Gassen gehen - die alten sind etwas abgewrackt, wie das so ueblich ist, die neuen noch voellig leer und auch irgendwie geist- und seelenlos. Dann kommen wir an der Stelle an, an der einem organisierte Wegelagerer und Beutelschneider fuer den "Eintritt ins Dorf" 80 RMB pro Nase abknoepfen. Aber das kennen wir ja schon von Zhujiajiao und Zhouzhuang ... Als erstes besuchen wir den Tuisi-Garten der tiefen Besinnung und Meditation. Zwar ist der sehr nett, aber ziemlich klein - und fuer tiefe Besinnung natuerlich zu voll. Den Mittelpunkt des Gartens bildet ein kleiner Teich mit (sicher ungesund vielen) Goldfischen (und angelaufenen silbernen, will sagen dunkelgrauen Fischen - die sieht man kaum). Man kann Fischfutter kaufen und es in die weit und rund aufgerissenen Zierkarpfenmaeuler werfen, bestimmt sterben die bald alle an Ueberfuetterung. Es war auch eine Braut im westlichen Brautkleid auf Fototournee in diesem Garten, irgendwie sah die auch ein bisschen nach Zierkarpfen aus. Immer wieder sehenswert sind Brautschuhe - die wenigstens haben ja weisse Pumps an, man hat schon alles gesehen incl. Turnschuhe. Diese hier trug aber rote Pumps, vermutlich passend zur rot-weiss-feinstreifigen Krawatte des zugehoerigen Braeutigams.

Danach war schon Mittagessenszeit. In dem Restaurant wurden wir ganz schoen abgezockt, wohl Touri-Preise: 215 RMB fuer drei Personen. Mit am teuersten war natuerlich Grossmutters Bluetentee, mit 20 RMB pro Person ein echter Preistreiber, Frechheit! Aber ansonsten haben die etwas unorthodoxen Bratkartoffeln, die Auberginen, die gebratenen Nudeln, die gefuellten Lotuswurzeln und der gedaempfte Seidenfisch (keine Ahnung, was das ist - so'n Fisch halt) gut geschmeckt. Kaum dass wir am Tisch sassen und bestellt hatten, fing auf der Buehne draussen ein Konzert an. Klassischer chinesischer Gesang. Nehme ich jedenfalls an. Ich habe leider noch keinen Gesangswuerdigungskursus besucht und weiss diese Art von Musik daher nicht zu wuerdigen. Johannes murmelte gar was von "ich mag Katzen sowieso schon nicht besonders gern, aber das ..." ;-))

Gestaerkt konnten wir uns der naechsten Attraktion zuwenden, dem China Sex Museum. Der deutsche Professor Haeberle, wohl eine Kapazitaet auf dem Gebiet, soll gesagt haben, dass man dieses Museum besichtigen solle, wenn man nur Zeit fuer einen einzigen Ort in China haette. Da sieht man's mal wieder: Akademiker werden gemeinhin ueberschaetzt. Das Museumsgelaende ist sehr schoen, der Garten mit einigen arg seltsamen Skulpturen bestueckt, aber die Ausstellung selbst ... na ja. Das koennte man sicher viel besser machen. Interessanterweise fand sich etwas zum Fuesse-Binden im Teil ueber sexuelle Abnormitaeten ... das war sicher das Ueberraschendste fuer mich. Es gab auch ein paar komische Worte ueber Homosexualitaet ... das ist wohl immer noch etwas sehr Suspektes hier.

Anschliessend war Zeit zum Kahnfahren. In 25 Minuten einmal um den Block, sozusagen, fuer 70 RMB. Am Platz zwischen den drei Bruecken waren die obligatorischen Kormorane zu besichtigen, und wir sind an einer katholischen Kirche vorbei gekommen, die wir anschliessend auch noch kurz besichtigt haben. Das Weihwasserbecken (?) am Eingang wird von einem kleinen ('tschuldigung!) Arschengel bewacht - und das ist keine Fehluebersetzung von archangel, Gruss aus Kalau. Es handelt sich vielmehr um eine kleine Putte mit nacktem, sehr ausgepraegten Hintern. Vielleicht eine Leihgabe aus dem Museum? ;-)))

Vorher hatten wir noch die Gengle-Halle besichtigt - das ist wieder so ein Fall, wo sich hinter einem relativ unscheinbaren Eingang ein grosses und schoenes Anwesen inklusive Garten mit Teich verbirgt. Als Besonderheit gibt es hier eine Sammlung von Wurzelkunstwerken, zum Teil recht beeindruckend. Und im Garten sind Bananenstauden und Hortensien in trauter Harmonie vereint - die Kombination war mir bisher noch neu.

Um halb sechs hatten wir uns mit Ding Shifu verabredet, der uns dann wieder heimgefahren hat. Es dauerte gar nicht lange, da fing es an zu regnen - wie gut, dass wir den ganzen Tag Schirme herumgetragen haben: sonst haette es garantiert schon tagsueber geregnet.

Donnerstag, 19. Juni 2008

Von Kandidaten und Schafen

Diese Woche habe ich an einem recht interessanten Workshop der Personalabteilung teilgenommen - so ein "Rundumschlag" ueber alle personalrelevanten Prozesse. Da wurden auch einige ganz interessante Statistiken vorgestellt (von denen wir natuerlich wissen, dass wir ihnen nicht trauen sollen, denn wir haben sie ja nicht selbst erstellt, aber trotzdem ...), darunter eine, die Folgendes besagt: in China stehe dem Nachfragevolumen nach Kandidaten fuer Management-Positionen ein Angebotsvolumen von 50% gegenueber. Auf Position 2 in Asien folgt, mit schon gehoerigem Abstand, Malaysia (30%) - das sieht ja dann so aus, als gaebe es fuer die naechsten Jahre noch genuegend Expat-Positionen ... so lange halt, bis der Nachwuchs nachgewachsen ist.

Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten. Burkhards Neffe ist vorgestern hier eingetroffen, um als "nachabituerliche" Aktivitaet Shanghai zu erkunden. Das Wetter meint es nur halb gut mit ihm - gestern hat es ziemlich geschuettet, was zu einem Aquarientag anregte. Heute war es immerhin laengere Zeit trocken, weshalb sie die Gegend rund um den Drachenblumentempel erkundet haben, samt Maertyrermausoleum, Tempel, vegetarischem Restaurant und Stadion. So weit her war es dann aber auch nicht mit der Trockenheit, ist es doch mit einem Schlag unglaublich schwuel geworden. Als ich heute das Buero verliess, um zum Chinesischunterricht zu gehen, war ich gleich wie vor den Kopf geschlagen. Und Burkhard wusste zu berichten, dass die ersten Grillen zu hoeren gewesen seien! Zwar macht eine Grille noch keinen Sommer, aber unter dem Einfluss der nach ihnen benannten Kaelte frierende Schafe wurden nicht gesichtet. Insofern ist der Sommer wohl doch jetzt da ...

Samstag, 14. Juni 2008

Tadj Puhul

Der Wetterbericht sah heute wieder uebel aus - schliesslich ist Pflaumenregenzeit und ausserdem Wochenende. Was also tun nach dem samstaeglichen Einkauf? Mal das andere Aquarium angucken, dachte ich mir. Aquaria 21 heisst das und liegt im Changfeng-Park im Stadtviertel Changning, irgendwo im "wilden Westen" der Stadt. Wofuer wohl die 21 steht, frage ich mich ... Altersobergrenze fuer den Besuch? Ich denke, dass es fuer Kinder ganz nett ist. Allerdings ist es mehr als Vergnuegungs- denn als Bildungsstaette hergerichtet, es sind eigentlich alles irgendwie Schaubilder mit Wasser und Fischen, nicht so sehr Lebensraeume. Biologie, Umweltschutz udglm sind hier kein Thema. Es gibt gemalte Meerjungfrauen, Mini-Zierfische, die den blauen Himmel ueber einem Sonnenblumenfeld bevoelkern und Kaleidoskope, durch die man in Aquarien blicken kann. In den Aquarien und auch sonst treiben sich nicht nur Fische, sondern auch allerhand falsche Tiere und diverse andere Gegenstaende herum. Man muss zum Teil schon genau gucken, ob das, was man da bestaunt, aus Plastik oder lebendig ist ...

Eine der Hauptattraktionen ist ein grosses Becken mit Haien, Mantas, grossen Meeresschildkroeten und anderem Getier, man kennt das ja. Achtbeinige Freunde? Fehlanzeige. Nach etwa einer Stunde sind wir schon durch. Das vielgepriesene Streichelbecken (siehe Titel) kann ich nicht entdecken. Angeblich koennen Kinder da Seesterne und sowas anfassen - warum eigentlich immer nur Kinder?? Ich finde sowas auch interessant und bin daher ein bisschen enttaeuscht.

Es gibt noch eine Belugawalshow - die finde ich eigentlich nicht interessant, sie ist aber im Preis inbegriffen. Der Preis ist uebrigens fuer das, was es da zu sehen gibt, ganz schoen happig - 120 RMB pro Nase, genauso viel wie im Shanghai Ocean Aquarium. Und da gibt's m.E. ungleich viel mehr dafuer, und die Praesentation ist auch besser! Die Walshow findet in einem Gebaeude am gegenueberliegenden Ufer des Sees statt, aber um halb vier schon die letzte ... die haben wir dann wohl verpasst. Mal sehen, ob wir das noch nachholen - die Eintrittskarte ist noch gueltig bis Ende des Monats.

Wir eiern ein bisschen durch den Park - jetzt ist alles nass, es muss in der Zwischenzeit heftig geschuettet haben. Wir ueberlegen, ob wir noch Tretauto fahren wollen auf dem See, viele Boote sind hier, ach, wie lustig!, autofoermig. Der Vorteil an diesen Modellen ist, dass sie ueberdacht sind - alles keine Cabrios. Aber es ist nur vorgesehen, sie fuer mindestens eine Stunde zu mieten, und um fuenf Uhr ist Feierabend - also ist das jetzt um viertel nach vier auch keine Option. Wir kaufen uns ein Eis (Typ Cornetto, zwei fuer 10 RMB - wenigstens das Vergnuegen ist billig) und suchen uns eine nicht allzu nasse Bank, von der aus wir einige Herrschaften beim Individual-Taiji beobachten koennen. Oft tun sich ja welche in Parks zu Gruppen zusammen, die sich dann auch meist Musik mitbringen - hier steht aber alle 10 Meter ein Einzelkaempfer, komische Leute sind das in diesem Viertel. Vor allem scheinen die noch nicht so viele Langnasen gesehen zu haben, vermutlich verirren sich nur selten welche in den Changfeng-Park - wir werden mehr oder weniger neugierig angeglotzt. Aber wenigstens glaubt keiner, wir waeren im "Tadj Puhul".

Donnerstag, 12. Juni 2008

Schmierlieder

Manchmal ist Chinesisch so schraeg, wenn man sich die woertlichen Bedeutungen von Begriffen ansieht ... oder auch so plastisch, sinnhaft, witzig ...

Passend zur Fussball-EM nehmen wir gerade die Lektion ueber das wunderbare Fussballturnier durch: Heute nur unentschieden gespielt, weil DaWei (=David) die 1A-Torchance nicht zum 3:2-Sieg verwandelt hat, und morgen geht's gegen die Mathematiker-Mannschaft - einen schwierigen Gegner. [Da sieht man schon, dass Lehrbuchtexte nicht immer mitten aus dem Leben gegriffen sind - dass Mathematiker eine besondere Staerke beim Fussballspielen haetten, ist mir neu ...] Aber da MaLi (=Mary) und Anna zum Anfeuern kommen werden, werden DaWei und sein Team sicher siegen.

So weit die Geschichte - und was heisst naemlich Anfeuern? jia you, hinzufuegen Oel. Oel ins Feuer giessen eben, oder auch schmieren. Und weil das auf Englisch to cheer heisst, habe ich auf diese Weise eine neue Uebersetzung fuer cheerleader gefunden, die auf geniale Weise die beiden im Chinesischen gelaeufigen Uebersetzungsprinzipien kombiniert, die phonetische und die sinnhafte. ;-))

Dienstag, 10. Juni 2008

Bei Geschaeftsfreunden ... aeh ... Konsul Weisenbach ...

Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Shanghai Dr. Albrecht von der Heyden laedt Sie herzlich zur Eroeffnung der Ausstellung UNTERWEGS am 10. Juni 2008 um 18:30 Uhr im John-Rabe-Saal ein.

So steht es auf der Karte, die mir einer der vier ausstellenden Kuenstler am Sonntag persoenlich ueberreicht hatte. Zwei deutsche Frauen, zwei chinesische Maenner, je sieben Werke: Tuschezeichnungen, mehr oder weniger konventionell, auf chinesischen Rollbildern. Die 28 langen, schmalen Werke fuellen die Waende des besagten John-Rabe-Saals fast vollstaendig.

Ich bin schon in Sorge, dass wir zu spaet kommen - musste mir ja sozusagen einen halben Tag frei nehmen und schon um 17:45 Uhr gehen, und dann war es noch furchtbar knapp. Es regnete (und gar nicht so wenig), so dass der Verkehr noch eine Nummer schlimmer war als sonst. Aber wir haben es doch gerade so geschafft.

Der Generalkonsul hat eine kleine Begruessungsrede gehalten, die ins Chinesische uebersetzt wurde, und dann hat Frau H. ein paar Worte zu den vier Kuenstlern und ihren ganz unterschiedlichen Werken und Wegen - jede/r ist ja unterWEGs - gesprochen, welche von einem jungen langnasigen Herrn im dunklen Anzug, aber mit blondem Pferdeschwanz und schwarz-weiss-kleinkarierten Stoffschuhen ins Englische uebersetzt wurde. Anschliessend zwangloses Getoese mit sehr deutschem, sehr fleischlastigem Imbiss (belegte Brote, Mini-Frikadellen, Leberkaeskloetze, dazu Salzstangen und Nuesse - Kaese? Gemuese? alles Fehlanzeige). ;-))

Die Kuenstler selber haben nicht gesprochen, standen aber *Vorsicht Wortspiel!* selbstredend fuer den Dialog zur Verfuegung. Die Werke sehr unterschiedlich: Gao Jiangang hat sich Qin-Krieger zum Thema genommen (die kennt man in ihren Terrakotta-Versionen), Steffi Busch malt Bambus und Shanghaier Hochhaeuser (die einige Gemeinsamkeiten haben), nicht ganz unoriginell. Beatrix Franke zeichnet mehr, als dass sie malt, und bewegt sich irgendwo zwischen Grafik und (westlicher) Kalligraphie, auch wenn die chinesischen Charaktere in den Bildern ebenfalls beruecksichtigt sind. Da jedes der sieben Bilder um eins dieser schoenen Woerter kreist, die so wunderbar elementar und kraftvoll sind (Sohn, Berg, Tiger, Sonne, Mond, Wasser - zu dumm aber auch, dass ich das siebte vergessen habe), erscheinen mir diese besonders zugaenglich. Zheng Hong (wie die werten Leser schon erraten haben werden, wurde ich von meinem Kalligraphielehrer eingeladen) hat hier abstrakte Bilder praesentiert, nach dem Prinzip "wir koennen auch anders", kennt man (so auch Frau H.) doch seine figuerlichen Aquarelle. Unterwegs, in Bewegung. Schwieriger, aber nicht ohne Reiz. Und farbig - alles andere ist mehr oder weniger monochrom.

Burkhard hat einen der Mitstreiter vom Set wieder getroffen - einen, der unter den Dreharbeiten zu "Das Leben der Anderen" in Berlin wochenlang gelitten hat, sagt er, die Strasse ewig voll und keine Parkplaetze - und das alles dafuer, dass man sie im Film nicht einmal sehen kann! Dort seien naemlich nur die Innenaufnahmen gedreht worden. Naja, das vermeintliche Schiff, mit dem Burkhard im Film wegzufahren den Anschein erweckt, war ja auch nur eine voellig seeuntaugliche Wand ohne die restlichen 95% Schiff.

Dieser Herr und der Herr Generalkonsul wussten jedenfalls zu berichten, dass das ZDF, dessen Intendant kuerzlich Shanghai besucht hatte, aus der Premiere des John-Rabe-Films in Shanghai ein Ereignis machen will - bei der Gelegenheit habe ich gelernt, dass es von diesem Film nicht nur eine Kinoversion, sondern auch einen Fernseh-Zwei(?)teiler geben wird. Aber wann genau die Premiere sein wird, wusste noch niemand. Die Gattin des Konsuls empfahl mir am Rande der Diskussion den Film "L'auberge espagnole" - kann jemand diese Empfehlung unterstreichen oder widerrufen?

Danach musste ich leider noch zum Business Dinner, sonst waer's ein prima Abend gewesen. ;-))

Montag, 9. Juni 2008

Premiere!

Burkhard hat letzte Woche von Brad (nicht Janet) (das ist hier so ein Maedchen fuer alles, was genau sein Job ist, weiss ich gar nicht) einen Fotoband geschenkt bekommen, in dem die Ergebnisse des Skyline Mansion-Fotowettbewerbs von 2006 dokumentiert sind. Eigentlich hat man das bloss den Eigentuemern zugeschanzt, damit sie sich in recht gutem Licht den Verbleib ihres Geldes vor Augen fuehren koennen. Es sieht ja auch gar nicht schlecht aus hier. Ausser generellen Architekturfotos von der Anlage und von Lujiazui sind natuerlich auch, wohl mehr in dokumentarischer Absicht, die verschiedenen Einrichtungen abgebildet. Darunter auch die Schwimmhalle (ein halbwegs grosses Schwimmbecken, ein kleines flaches Planschbecken und ein jacuzzi). Schande, dass ich in anderthalb Jahren noch nie dort gewesen bin!!

Am Donnerstag berichtete Yang XiaoLi dann auch noch, dass sie sich einen Badeanzug (=Schwimmkleidung, youyongyi - Chinesisch ist oft sooo simpel!) gekauft habe, weil sie mal schwimmen gehen wolle. Oder so aehnlich, sie braucht einen Schwimmreifen, sagt sie, weil sie eine "Trockenlandente" ist, wie Chinesen Nichtschwimmer nenne. Das war mir endgueltig ein Zeichen.

Nachdem gestern der einzige trockene Tag des langen Wochenendes war, bin ich also heute endlich mal schwimmen gegangen; etwas anderes Vernuenftiges konnte man sowieso nicht machen. Immerhin ist das fuer Bewohner von Skyline Mansion gratis, und dafuer bekommt man sogar ein Handtuch gestellt. Es waren zwar ein bis zwei Handvoll Leute dort heute, aber das Becken ist gross genug, dass ich in Ruhe vor mich hin schwimmen konnte, etwa 40 Minuten - das ist dann hoffentlich etwa 1 km gewesen. Anschliessend habe ich mir noch eine Fuss- und Ruecken"massage" im recht heissen Jacuzzi gegoennt.

Gag am Rande oder vielmehr beim Betreten der Schwimmhalle: Da muss man durch so ein kleines flaches Kaltwasserbecken gehen, wohl damit niemand auf die Idee mit den Strassenschuhen kommt. Waehrend ich ja finde, dass es eine Menge chinesischer Zeichen gibt, die sich sehr aehnlich sehen und die ich deshalb leicht verwechseln kann, konnte man hier dokumentiert sehen, dass auch Chinesen die lateinischen Buchstaben verteufelt aehnlich finden. Was ist, bitteschoen, der Unterschied zwischen einem grossen D und einem grossen P? Vom Zeilenzusammenhang mal abgesehen (der wuerde ja helfen, anders als bei den chinesischen Zeichen) ist das einfach nur ein kleiner Strich. Tueckisch, tueckisch, steht doch auf dem erlaeuternden Schild "PISINFEKTION". :-)))

Sonntag, 8. Juni 2008

Sonntag, 25. Mai 2008: Guilin

Und wieder graut der Morgen - wann blaut er denn hier mal?! Damit nicht genug, es regnet auch noch. Bis nach dem Fruehstueck hat es ja noch Zeit, sich auszuregnen. Fruehstueck gibt es auf der dritten Etage, mit Ausblick in die Hotelhalle. Im Hinblick auf den Energieverbrauch ist es vermutlich sehr guenstig, dass diese riesige Hotelinnenhalle weitgehend in der Finsternis liegt, aber das drueckt schon ein bisschen aufs Gemuet.

Nach dem Fruehstueck regnet es immer noch. Egal, wir muessen ja erstmal nur ins Auto steigen und danach ein paar Meter zum Eingang der Schilfrohrfloetenhoehle gehen, die innen zwar auch feucht ist (denn das ist eine Tropfsteinhoehle), aber in der es dennoch nicht regnet. Oh, Ueberraschung: das ist eine so internationale Sehenswuerdigkeit hier, dass die Wegweiser sogar auf Deutsch beschriftet sind!! Mein Lieblingsschild, leicht makaber, ist der Wegweiser zum "Fuehrer-Ausruheraum", auf dem jemand das Ausruhe-E mit einem Kaugummi "weggeklebt" hat. Ich habe nicht nachgesehen, wer da ruht.

Tony hat uns schon erzaehlt, dass das die VIP-Hoehle sei: Jeder offizielle Gast muss diesen Ort besichtigen. Na, hoffentlich nicht gerade heute, sonst duerfen wir bestimmt nicht hinein - wie damals in Dresden, als das Gruene Gewoelbe fuer uns wegen VIP-Besuchs verschlossen blieb. Anders als ueblich legt sich hier der Souvenirladen nicht wie eine Wucherung um den Ausgang, sondern schon um den Eingang, er ist zugleich Wartesaal mit Stuhlreihen.

Lange muessen wir aber nicht warten, bevor wir die Hoehle betreten koennen. Sie ist sehr geraeumig und die Wege sind mindestens so gut hergerichtet wie alle anderen Flaniermeilen dieser Welt. Die Tropfsteinformationen haben blumige chinesische Namen (obwohl in europaeischen Hoehlen ja auch immer hoechst fantasievoll Dinge gesehen und entsprechend benannt werden, die prosaischere Gemueter fuer Kalziumkarbonatknuddel halten) und sind zwar farbig angeleuchtet, aber nicht kitschig - ich finde die Illumination recht gelungen, hilft sie doch, die verschiedenen Ebenen und Formen hervorzuheben oder gar erst vernuenftig sichtbar zu machen. Es gibt Loewen, Pilze und eine reiche Gemueseernte sowie eine drachenumschlungene Pagode. Aha! Das ist der Unterschied zwischen Asien und Europa: in Europa waere das unzweifelhaft eine Madonna mit dem Kind gewesen, ich zeige Tony genau, wo sie steht und wo das Kind ist. In der grossen Haupthalle gibt es alle paar Minuten eine Ton- und-Licht-Show. Hm, die finde ich weniger gelungen. Das ist recht bunt, und die Laserfiguren (tanzende Strahlen, wandernde Kreise etc.) sind irgendwie unzwingend. Und dann werden auch noch tuechtig Seifenblasen produziert - wenn ich das jetzt so aufschreibe, frage ich mich, ob der Boden davon nicht doch auf Dauer ein bisschen rutschig wird?

Danach steht der Besuch von Mineralienhaendlern auf dem Programm. Wir halten an der Perlenfabrik. Was, Perlen? Wollen wir nicht - naeh, nich' schon wieder Perlen, maulten die Schweine. ;-) Neinnein, beruhigt uns Tony, hier gaebe es auch Mineralien. Eine lokale Fuehrerin nimmt uns in Empfang und fuehrt uns erst einmal durch das Jade"museum". Es beginnt mit antiker Jade und reicht bis zu zeitgenoessischem chinesischen Kunsthandwerk (modern wuerde ich es nicht unbedingt nennen). Waehrend man sich international gibt, ist das Fotografieren nur auf Chinesisch verboten. Toll, das habe ich zwar halb erraten, aber zu einem Viertel gelesen. Besonders nachhaltig ist mir eigentlich nur ein riesiges Stueck durchwachsener Speck in Erinnerung - naturbelassener Stein, nur die Oberseite ist gelblich-rotbraun eingefaerbt, wie es sich fuer eine ordentliche Schwarte gehoert. Und dann kommt die Verkaufsausstellung - da gibt's natuerlich auch nur so'n Jadekram. Burkhard erklaert Tony, das das nicht das ist, was er sucht, aber waehrend Tony ansonsten recht gut ist, uebersteigen Burkhards Ideen hier sein Vorstellungsvermoegen. Das ist wohl mehr ein interkulturelles Missverstaendnis … na egal, dann eben keine Mineralienhaendler. Wir fahren noch zu einem anderen Laden, der ausser Jadewaren auch Wurzelskulpturen und Schnitzarbeiten und sogar ein paar Stuecke mit Kalzitkristallen und aehnlich Langweiligem hat - aber so sind wir mit diesem Programmpunkt schnell fertig.

Der zweite Laden liegt bei dem Elefantenruesselberg, der NICHT so heisst, aber den wir auch von unserem Hotelfenster aus gut sehen koennen und der unserer Meinung nach viel elefantenfoermiger ist als der andere. Wir klettern nicht hinauf, sondern begnuegen uns damit, ihn von diesseits und jenseits des Flusses zu wuerdigen und die Pagode zu bewundern, die auf einer Felsnadel vor der Elefantennase vermutlich fuer das richtige Fengshui sorgt. Den Fluss kann man hier auf zwei recht chinesischen Brueckchen ueberqueren - kleine genuegen, weil ein Inselchen den Fluss teilt. Am jenseitigen Ufer gibt es lauter offene, ueberdachte Restaurantterrassen, die auch schon gut besucht sind. Wir muessen jetzt aber zum Guilin Park Hotel fahren, aus voellig obskuren Gruenden ist der "Loentsch", den wir bekommen sollen, heute im Programm enthalten. Es gibt Gongbaojiding und andere chinesische Gerichte aus der Kategorie "fuer Anfaenger", also weder Huehnerfuesse noch Seegurken oder Quallen oder 1000jaehrige Eier. Viel zu viel, aber nicht schlecht. Aber auch nichts Besonderes.

Nach dem Mittagessen steht der Palast der Jinjiang-Prinzen auf dem Programm. "Palast" sagen wir auf Deutsch, das steht aber mehr fuer ein Gelaende mit Gebaeuden und Landschaft, eingeschlossen den Berg der solitaeren Schoenheit und den (kuenstlich angelegten) Mondsichelsee an seinem Fuss. Auf den englischen Schildern steht auch, glaube ich mich zu erinnern, "City of the Jinjiang Princes". Die Gebaeude sind weniger beeindruckend, eins ist zu einem kleinen Museum umgestaltet, die anderen sind Raeumlichkeiten der Universitaet. Die Fachgebiete Geschichte und Kunst sind hier ansaessig, wie sinnig. Waehrend die lokale Fuehrerin uns die glueckbringenden kleinen aberglaeubischen Handlungen erlaeutert, die man hier machen kann, bin ich ganz angetan von den vier Maedels, die ihre Promotion dokumentieren wollen und in schwarzen Roben und Doktorhut, aber mit bunten Sandalen an den Fuessen vor einem Fotografierbuerschchen in verschiedenen Konstellationen posieren. Glueckbringende Handlungen: zum Beispiel Kopf und Schwanz des "Drachen" beruehren, der sich um den Mann-und-Frau-Baum schlingt. Dieser Baum ist einer, der von einer Wuergefeige umschlungen ist und das nun schon seit 100 Jahren aushaelt, waehrend er normalerweise schon abgestorben sein muesste. Stutz … Der Drache besteht uebrigens aus fantasieanregenden Stuecken der Feige. Glueckbringende Handlungen zum Zweiten: die Reichtum verheissende Steinvase im Treppengelaender anfassen und dann die Hand in die Tasche stecken - dann ist allzeit "Jelld in de Taesch", angeblich.

Wem das mit dem Glueck noch nicht reicht, der kann die Hoehle mit den 60 Jahresgottheiten besuchen und den Zustaendigen belabern, beschimpfen oder anbeten. Meiner hatte irgendwie ein Schwert, alles andere incl. Namen habe ich vergessen. Gut, dass ich mir vorher schon ein Stueck Glueck gesichert hatte - ohne das waeren wir sicher den Verkaeufern nicht entkommen, die einem unbedingt "Abreibungen" der Felsbilder verkaufen wollen und die man natuerlich nicht umgehen kann, weil der Weg an ihnen vorbei fuehrt. Die besagte Hoehle liegt uebrigens schon im Fels der solitaeren Schoenheit, an dessen Seite auch die groesste Kalligraphie der Gegend zu bewundern ist: nan tian yi zhu steht da, ein Pfeiler, der den ganzen suedlichen Himmel traegt. Direkt neben dieser wahrhaft staatstragenden Rieseninschrift (relativ dezent, gruen auf felsgrauem Grund) liegt dann gleich die "Weinkellerhoehle" - ob das zur Schwere der Verantwortung passt? Die Jinjiang-Prinzen waren naemlich Brueder, die der (ein) Kaiser von China gluecklich hierher entsorgt hatte und die dann 13 (?) Generationen lang hier residiert haben. Sie durften fast soviel wie der Kaiser selbst, zum Beispiel ihre rotlackierten Tueren mit 7x9 Messingbuckeln bestuecken, waehrend dem Kaiser 9x9 zustanden. In Beijing wuerden wir die 81 Buckel sehen koennen, versichert uns die lokale Fuehrerin.

Aber zurueck zum Berg der solitaeren Schoenheit. Ausser der Riesenkalligraphie gibt es noch viele in kleinerem Format, darunter auch eine indische. Unsere Fuehrerin verabschiedet sich von uns - wenn man den Berg besteigen will, muss man das ungefuehrt tun. Nicht dass man sich verirren koennte oder eine Seilschaft braeuchte - nein, es gibt schon eine ordentliche Steintreppe. Aber die ist zum Teil recht steil und nicht ueberall beschattet, will sagen, die knapp 300 Stufen sind ein bisschen anstrengend. Aber eigentlich ein Wunder, dass es trotzdem so vergleichsweise bequem ist. Immerhin ragt der Fels - bei grober Abstraktion - wie eine aufrecht gestellte Streichholzschachtel auf, will sagen, fast quaderfoermig (es ist also kein Kegel) mit einer breiten und einer schmalen Seite. Die Blicke von oben entschaedigen fuer die Strapazen, auch wenn es jetzt sonnig, aber nicht ganz klar ist. Auf dem Li-Fluss trainieren diverse Mannschaften mit dem Drachenboot, denn das gleichnamige Fest naht (8. Juni). Jenseits des Flusses kann man eine interessante Konstruktion sehen, eine Mischung aus Pyramide und Schieferdach-Weihnachtsbaum, sozusagen (wahrscheinlich ist es eher ein Holzdach). Das sei ein Trommelturm der Dong-Minderheit, erklaert Tony. Der habe als Versammlungsraum gedient.

Nachdem wir so lange den Ausblick genossen haben, bis wir uns vom Aufstieg erholt hatten, geht's an den Abstieg, den ich genau so unangenehm finde. Unten goennen wir uns erst mal ein Eis am Stiel und fahren dann zum Mausoleum der Jinjiang-Prinzen. Die Strasse dahin ist ganz schoen schlecht - ueberraschend schlecht dafuer, dass sie zu einer der Sehenswuerdigkeiten fuehrt, die in fast jedem Reisefuehrer steht. Zugegeben, sie steht zwar im Reisefuehrer, aber nur in den wenigsten Reisegruppenprogrammen. Trotzdem. Unterwegs kommen wir an einem riesigen Friedhof vorbei, als Einstimmung auf das Thema Mausoleum, sozusagen. Das ist der oeffentliche Friedhof von Guilin (man erinnere sich: einer Kleinstadt). In China wird traditionell erdbestattet, auch wenn die Regierung mittlerweile versucht, die Urnenbestattung zu "promovieren" - wie heisst das nochmal auf Deutsch? Schliesslich will ich ja nicht sagen, dass demnaechst Dr. Urnenbestattung der Vorzug gegeben werden soll. ;-))

Bevor wir das Mausoleum erreichen, kommen wir durch bluehende Landschaften. Nicht dass ich Blueten saehe, aber die Luft ist schwer von suessem Bluetenduft (die Poeten pflegten nicht immer zu uebertreiben, ich empfinde es wirklich so). Insofern ist es wenig ueberraschend, dass man reihenweise Bienenstoecke am Wegesrand zu sehen bekommt. Wenn es fuer mich schon koestlich duftet, muss es fuer die Bienen ja wohl paradiesisch sein.

Ob fuer den Prinzenfriedhof "Mausoleum" das richtige Wort ist, sei dahingestellt. Es handelt sich um ein recht grosses Areal, in dem jede Prinzen-Grabanlage aus einer aeusseren und einer inneren Mauer besteht, mit zwei Hallen und einer Prozessionsstrasse, deren mittlerer Teil den Prinzen vorbehalten war (und der rechte den Militaers, der linke den zivilen Wuerdentraegern - oder war's umgekehrt?). Die Prozessionsstrasse wird von Paaren steinerner Figuren bewacht, die rechts und links Spalier stehen. Insgesamt soll das hier eine Art Miniaturausgabe der Ming-Graeber in Beijing sein - Bilder von dort kennt man ja, wobei ich mich immer ueber die Verschiedenartigkeit der Figuren wundere. Ein "echter Waechter", ein Schaf, ein PiXiu - so ein Sammelsurium!

Die erste Halle wird leider zur Zeit renoviert, was nicht nur das Fotografieren, sondern auch den Frieden des Ortes empfindlich stoert. Zwar ist Sonntag, aber der wird ja auf chinesischen Baustellen nicht anders behandelt als andere Wochentage. Statt himmlischer Ruhe und Bienengesumm in warmer, bluetenduftgesaettigter Sommernachmittagsatmosphaere kreischen Saegen, und es stinkt nach Lackloesemitteln, die vermutlich nicht sehr gesund sind. Schade - sonst waere es richtig toll hier, zumal nicht viele Besucher da sind.

Hinter der letzten Halle befindet sich das Grab unter einem riesigen Erdhuegel, nicht kleiner oder anders als die alten Tumuli in den westlichen Regionen Frankreichs. Hier "tobt das Bio" - wir stoebern einige interessante Raupen auf und einen bunt metallisch schillernden Kaefer. Schmetterlinge gibt es auch reichlich. (Bei der Gelegenheit fallen mir Wolf Schneiders Ausfuehrungen ueber das Wort Schmetterling ein - ja, da hat er Recht, es ist schon komisch, dass diese zarten, unstet flatternden Wesen mit einem Wort bezeichnet werden, das womoeglich fuer einen kraftvoll die Trompete blasenden Musikanten viel passender gewesen waere.)

Tony geraet ins Philosophieren - warum wir wohl den Palast und die Graeber der Jinjiang-Prinzen auf dem Programm haetten. Das wuerden wir ja doch alles gar nicht verstehen. Stutz?! Na ja, dafuer haben wir ihn ja: dass er es uns erklaert, so dass am Ende selbst so unwissende Langnasen wie wir einen kleinen Einblick in die Wunder der chinesischen Hochkultur erlangen koennen. Ich glaube nicht, dass meine Erklaerung ihn ueberzeugt, aber sei's drum.

Im Hintergrund liegt der Berg Yao, auf den - gut sichtbar - eine Seilbahn fuehrt. Aber es ist ja diesig; wir fahren also direkt zurueck in die Stadt und lassen uns in der Naehe des Dong-Turms absetzen. Ganz so nah nicht - Tony ist wohl besorgt, dass wir nicht zum Hotel zurueckkommen, wir sind ja schliesslich auf der anderen Seite des Flusses. Deshalb wirft er uns am 5-Sterne-Hotel der Amerikaner heraus, da gaebe es immer eins. Wir muessen also an der Uferpromenade promenieren, um zu diesem Park zu kommen, in dem der Turm sich befindet. Wir kommen an Haufen von abgebrannten Boellern vorbei - die hatten wir auf dem Berg der solitaeren Schoenheit schon von weitem gehoert. Und an provisorischen Tempeln in Zelten. Das sind die Ruderertempel, in denen jede Mannschaft beim zustaendigen Gott oder Geist fuer den Sieg des eigenen Bootes wirbt, unter anderem mit Boellern. Oder ob jedes Team einen eigenen Gott/Geist hat?

Schliesslich finden wir den Eingang zum Minderheitenpark. Die Ticketbuden sehen so aus, als seien sie schon "hundert" Jahre nicht mehr in Benutzung gewesen, aber das Tor steht offen, und auf den Schildern an den Buden steht ein langes Programm geschrieben, was hier jeden Tag von vormittags bis abends um zehn passiert. Aber der Kontrolleur will uns nicht einlassen. So ein Frust. Ich aergere mich ein bisschen vor mich hin, aber es hilft ja nix. Wir beschliessen also, ein Taxi zum richtigen Elefantenruesselberg zu nehmen. Zum Glueck biegt gleich eins um die Ecke, so dass wir nicht bis zu dem besagten Hotel zuruecklaufen muessen. Die Taxifahrerin behauptet implizit, sie sei "multi-tasking", und uns beschleicht der Verdacht, dass wir gar nicht in ein Taxi, sondern in ein fahrendes Buero eingestiegen sind. Sie telefoniert ununterbrochen mit dem "Hendl" am Ohr, was zwar auch in China verboten ist - aber wer will so kleinlich sein. Zwischendurch guckt sie Telefonnummern auf einem klein und eng bedruckten, laminierten DIN A4-Blatt nach - das sind wohl die Stammdaten ihres Geschaefts … und vielleicht zugleich das wichtigste Betriebskapital. Trotzdem erreichen wir heil unser Ziel fuer kleines Geld - die Grundgebuehr betraegt in Guilin 7 RMB und ist damit zwar schon deutlich hoeher als in Chongqing (5), aber ein Klacks im Vergleich zu Shanghai (11).

Das Spaetnachmittagslicht ist gerade gut und wir wollen rasch hinein in den Park rund um die Ikone von einem Berg - da faengt die "Besatzung" der Ticketbude (mindestens 4 oder 5 Leute) mit einer langen Diskussion an. Wir sollten bitte eine halbe Stunde warten. Waaas?! Dann ist doch das Licht weg. Die Diskussion wird immer laenger und lauter, wir mit etwas Chinesisch, zwischendurch englische Brocken … da ist auch ein junges Paerchen aus der spanischen Gruppe, das auch hinein moechte … am Ende holt Burkhard das Mobtel hervor und beginnt, die Beschwerde-Hotline anzurufen. Solche Nummern stehen hier naemlich an allen Touristenattraktionseingaengen (die vom Minderheitenpark hatte ich mir aufgeschrieben). Aha, daraufhinkoennen wir alle vier hinein. Bald darauf kommt einer angerannt und drueckt Burkhard zwei Tickets in die Hand. Das also war des Pudels Kern: die Eintrittskarten waren ausgegangen. Na ja, wenn man zu mehreren da ist, haette ja wohl schon laengst einer ausziehen koennen, neue Kartenbloecke zu besorgen, als der alte zur Neige ging. Stattdessen mit auslaendischen Touristen 'rumdiskutieren, so dass die im Zweifelsfall frustriert und unverrichteter Dinge abziehen, scheint mir fuer eine Stadt, die im Wesentlichen vom Tourismus lebt, wenig angebracht. Das ist mir auch noch nie passiert, dass ich binnen einer halben Stunde an zwei Sehenswuerdigkeiten abgewiesen werde.

Wie auch immer, das Licht ist gut und Burkhard kann die Fotos vom Ruesselberg wie gewuenscht einfangen. Dann besteigen wir auch diesen Huegel mit noch einmal an die 200 Stufen. Oben steht eine Pagode, die aber gar nicht so aussieht, wie Langnasen sich Pagoden vorstellen. Dies ist einfach ein Ziegelgebaeude ohne Zugang, das schnoerkellos vermutlich als Wachturm gedient hat.

Auf der Aussichtsplattform nach Westen wollen wir den Sonnenuntergang ueber den Karstbergen beobachten. Es sieht schon gut aus, als wir dort ankommen - das "gelbe Ding" ist noch ein Stueck oberhalb der unwirklich aussehenden Pappkulissen (denn echt koennen die ja wohl nicht sein, diese Berge) in einem leichten Dunst, der dadurch zart gelb-orange eingefaerbt wird. Wie auf kitschigen Bildern. Aber was macht sie dann, die Sonne?! Noch bevor sie die Berge erreicht, verschwindet sie einfach sang- und klanglos in Wolken, von denen man vorher gar nicht gesehen hat, dass sie da waren. Nae, nae, das hat die hiesige Tourismusbehoerde aber schlecht organisiert.

Wir beschliessen, jetzt erst einmal zum Hotel zurueckzugehen, das ist ja nicht weit. Wir muessen wieder ueber den Fluss - oha, was ist das? Das Wasser fliesst jetzt wenige Zentimeter unterhalb des Steges, der vorhin noch in einiger Hoehe ueber der Wasseroberflaeche lag. Und wo ist die kleine Landzunge, auf der ein Angler gesessen hatte? Und die Plattform, auf der ich vorhin gestanden hatte, um den "Ausblick auf den Durchblick" zwischen Ruessel und Vorderbeinen des Elefanten zu betrachten, ist jetzt ueberschwemmt. Huch! Schnell weg! Der besagte Durchblick ist jetzt auch deutlich kleiner als vorher, denn der Wasserspiegel ist in so kurzer Zeit recht stark angestiegen.

Bald erreichen wir das Hotel und sind ein bisschen muede und koennen uns nicht recht durchringen, noch herumzulaufen - die Fuesse sind das Muedeste. Hungrig sind wir auch nicht wirklich, so dass wir uns am Ende mit dem "Begruessungsobst" und ein paar Keksen begnuegen. So versaeumen wir auch, uns den Hotel-Wasserfall von innen anzusehen - aber es wird sowieso nicht viel anders aussehen als in einer Autowaschanlage. ;-))

Samstag, 7. Juni 2008

Himmel, Museum und Wolkenbruch

Heute ist der erste Tag des langen Wochenendes: morgen ist Drachenbootfest und "Montag ist Wochenende", wie es auf unserem Arbeitskalender heisst. Nach dem halbwegs zeitigen Einkaufen wollen wir also noch ein bisschen auf Besichtigungstour gehen heute. Als wir zurueckkommen, um die Einkaeufe im Kuehlschrank zu deponieren, sieht es auf der einen Seite noch ganz normal aus, auf der anderen hat der Himmel sich verfinstert. Die Sicht ist extrem schlecht, man kann schon den Oriental Pearl TV Tower nur noch im Dunst erkennen. Jeder Mensch kann sehen, dass es auf jeden Fall gleich zu regnen beginnen wird. Aber Burkhard fragt Ding Shifu, ob es wohl heute regnet. Nein, sagt der, morgen. Nun gut. Weil das genau das ist, was wir eigentlich gern hoeren wollen, glauben wir das wider besseres Wissen, packen unsere Einkaeufe weg, nehmen den Schirm mit (weil es dann bekanntlich nicht regnet) und lassen uns nach Hongkou fahren, das Stadtviertel im Norden von Puxi. Da haben die linken Literaten gewohnt, im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts, Lu Xun zum Beispiel. Schon als wir noch in Pudong sind auf dem Weg zum Dalian-Tunnel (bin ich noch nie durchgefahren bisher, so was aber auch!), fallen erste dicke Tropfen. Als wir in Puxi ankommen, wird das Wasser kuebelweise vom Himmel geschuettet. Und stuermen tut's auch. Die Kanalisation ist leicht ueberfordert, auf den Strassen steht das Wasser. Ding Shifu macht ein etwas dummes Gesicht, wir disponieren um: Statt zur Literatenstrasse moechten wir jetzt zum Lu Xun-Museum. Aber wie vom Auto zum Museum kommen, ohne bei Ankunft schon pitschnass zu sein? Bei diesen Kneippschen Guessen hilft der eine kleine Schirm fuer zwei nicht viel ... Aber da sieht man wieder, dass man sich um die Zukunft immer noch Gedanken machen kann, wenn sie zur Gegenwart wird: Als wir ankommen, regnet es nur ganz zivil ein paar Tropfen.

Wir wollen hineingehen, da werden wir zurueckgewiesen: wir brauchen ein Ticket. An der Ticketbude steht gar nichts auf Englisch, aber auf dem Schild, das dorthin zeigt, steht was von "mianfei" und "piao". Klingt eigentlich gut, heisst [sprich:] mjaen-fe-i doch "gratis". Und prompt reicht uns eine freundliche Hand zwei Eintrittskarten aus dem kleinen Durchreichloch, noch ehe ich irgendwas sage. 8 Yuan steht da drauf, aber Geld wird nicht verlangt. Nett! Vor allem werden wir jetzt auch freundlich eingelassen, nachdem der Kontrollabschnitt ordnungsgemaess abgerissen wurde. Das Museum ist ein bisschen seltsam, enthaelt der grosse, repraesentative Raum im Erdgeschoss doch nur ein paar Verkaufstheken. Es ist ein erhebendes Gefuehl, dass wir das rein chinesisch beschriftete Schild "Zur Besichtigung bitte nach oben gehen" nicht nur komplett lesen, sondern auch verstehen koennen!

Die Ausstellung ist fuer mich wie gehabt, aber immer noch interessant - sie ist recht gut gemacht und bringt dank englischer Beschriftungen auch Langnasen einen Schriftsteller naeher, von dem ich vor dem Besuch von Shanghai noch nie gehoert hatte, obwohl er doch als einer der wichtigsten Wegbereiter der modernen chinesischen Literatur gilt. Die beruehmte kleine Erzaehlung "Die wahre Geschichte von Ah Q" hatte ich schon bei meinem ersten Besuch hier gekauft und auch gelesen, diesmal haben wir noch mehr Buecher mitgebracht. Die kosten ja praktisch nix - ist auch keine tolle Papierqualitaet, aber so kann dem Prinzip "Bildung fuer die Massen" sicher Genuege getan werden - der dicke zweisprachige Sammelband ist mit 20 RMB erschwinglich. Womoeglich gibt's die rein chinesischen Ausgaben noch billiger ... Wir kaufen auch noch eine DVD mit einer schon alten Verfilmung dieser Geschichte. Mal gucken - die lief wohl in der Ausstellung und erinnert mich mit den Bildern und Farben von damals an die DDR-Maerchenfilme.

Als wir fertig sind mit der Besichtigung, regnet es immer noch - immer noch moderat, so dass wir dank Schirm problemlos das Auto erreichen koennen. Kaum sind wir losgefahren, geht das schon wieder los mit dem Wolkenbruch! Insofern gut, dass wir auf den Besuch des oeffentlichen Parks verzichtet haben. Ich glaube, dass wir heute sowieso keine Wasserkalligraphen bei der Arbeit haetten beobachten koennen ...

Sonntag, 1. Juni 2008

Samstag, 24. Mai 2008: Himmel, Pfannkuchen und Wolkenbruch

Ich habe recht gut geschlafen in dieser "Bretterbude", muss ich sagen, es war (zugegeben: auch dank Klimaanlage) nicht zu warm - und selbst blutsaugende Plagegeister wurden nicht gesichtet, die durch die (wenigen) Loecher in den Fliegengittern haetten hereinkommen koennen. Hier in den suedlicheren Gefilden von China scheint zum Glueck die "Lakenmethode" weitgehend unbekannt zu sein, statt dessen gibt es richtige Bettdecken in einem Bettbezug. Seeehr vernuenftig!! Wenn ich bloss nicht den Wecker eine Stunde zu frueh gestellt haette! So weckte er arg uebertrieben frueh. Kaum bin ich mit dem Duschen fertig, faellt der Strom aus - maafi kachraba, wie die Araber sagen - und bleibt weg. Da muss Burkhard im Schein einer Taschenlampe duschen. Seiner Taschenlampe. Dies ist ungefaehr die einzige Unterkunft auf unserer ganzen Reise, in der eine Taschenlampe nicht zur Zimmerausstattung gehoert.

Vermutlich ist der Stromausfall auf das Morgengewitter zurueckzufuehren, das sich hier in den Bergen mit Blitz, Donner und Waberwolken ueber den Reisterrassen festgesetzt zu haben scheint. So ein Mist! Wir wollen doch heute noch in der Landschaft herumstreunen! Trotz oder wegen des Wetters ist der Blick aus unserem Zimmerfenster auf die sieben Mondbegleiter mindestens so schoen wie gestern und wegen der schnell ziehenden, tiefliegenden Wolkenfetzen viel abwechslungsreicher.

Vielleicht hoert das Gewitter ja noch auf; wir gehen erst einmal fruehstuecken. Wir bekommen ungefragt "western breakfast", was mit Cowboyfilmen nichts zu tun hat. Apropos Cowboys: hatte ich schon mal erwaehnt, dass die auf Chinesisch auch woertlich "Kuhjunge" heissen? Und was tragen Kuhjungen? Kuhjungenhosen, natuerlich, niu-zai-ku. Wir nennen die Jeans. Aber zurueck zum Fruehstueck: es gibt 4 Scheiben Waberweissbrot (passend zu den Waberwolken), dazu 1 kaltes, durchgebratenes Spiegelei, 1 Glas quietschorangefarbenen Zuckerbrei mit Geschmack, aber ohne einen Hauch von Saeure (soll vermutlich Marmelade darstellen), 1 Banane, 1 Pfannkuchen und die Auswahl "coffee or juice". Gut, dass wir Tee trinken, so koennen wir Tee UND Saft bekommen. Nach dem Fruehstueck beratschlagen wir mit Tony. Da das Gewitter vorbei zu sein scheint und der Regen zumindest nachlaesst, wollen wir gern zum alten Zhuang-Dorf gehen. Alternativ koennen wir direkt abreisen - das geht gar nicht, wir haben doch noch nicht genug gesehen!! Mit Schirm und Regencape und Wanderstock bewaffnet gehen wir gegen halb zehn Uhr los. Die Aussichten auf die sieben Sterne, die den Mond begleiten, bleiben faszinierend. Nach einer Weile erreichen wir noch eine alte Wind- und Regenbruecke - die heissen alle so, lerne ich bei der Gelegenheit, das ist also kein Eigenname, sondern eine "Typenbezeichnung" fuer ueberdachte Bruecken. Sie hat Sitzbaenke an den offenen Galerien, auf denen man Platz nehmen kann, waehrend man das Ende des Regens abwartet. Aber im Moment faellt so gut wie kein Regen, so dass Tony uns nur die grosse Steintafel erklaert und wir dann gleich weitergehen. Auf der besagten Steintafel ist verzeichnet, was jeder Dorfbewohner in den Bau der Bruecke investiert hat: Soundsoviel Geld und soundsoviele Arbeitstage, jeder ist namentlich aufgefuehrt.

Unterwegs findet Burkhard eine kleine Schlange mit rotem Bauch, von der Groesse eines besseren Regenwurms - aber sie ist tot. Was wir hingegen gar nicht antreffen, sind Touris. Heute koennten ja alle ein bisschen wasserscheu sein, aber schon gestern Nachmittag waren kaum welche unterwegs. Tony meint, die meisten kaemen als Tagesausfluegler von Guilin und wuerden daher erst am spaeten Vormittag eintrudeln - aber andererseits, faellt mir spaeter auf, gibt es doch diese zahlreichen Hotels und Gaestehaeuser?! Wie auch immer, mir soll's recht sein, wenn wir heute Vormittag die tolle Landschaft fuer uns haben. Irgendwann erreichen wir das alte Zhuang-Dorf. Ein steinerner Tuerrahmen samt Holztuer markiert die Dorfgrenze. Das Dorf sieht nicht viel anders aus als PingAn, nur dass es nichts fuer Touristen gibt, sondern bloss die "normalen" Einrichtungen des Dorfes. Auch hier sind die Haeuser aus Holz, und es gibt relativ viele Hunde. Als erstes stossen wir auf einen Brunnen aus der Qing-Zeit: ein vielleicht 1,5 Quadratmeter grosser, rechteckiger Steintrog mit ein paar Schriftzeichen auf der Vorderwand sowie je zwei steinernen Froeschen und Krebsen auf den vier Eckpfosten. Frueher habe der das Dorf mit Trinkwasser versorgt.

Im Zentrum des Dorfes liegt eine weitere Wind- und Regenbruecke, wobei diese noch einen dritten Eingang an einer Seite hat. Auf dem Boden ist ein rundes Medaillon in den Steinboden gearbeitet. Sein Drei-Fische-Motiv stehe fuer das "harmonische Miteinander" von Han, Zhuang und Yao. Ein paar Meter vom Seiteneingang der Bruecke entfernt liegt ein Drachenbrunnen unter einem einfachen Dach. In den mehr oder weniger offenen Erdgeschossen der Haeuser hier an der Gasse sitzen einige Dorfbewohnerinnen und beaeugen uns im Vorbeigehen. Eine hantiert mit Speck, auch wenn nur Huehner und Enten zu sehen sind. Wir inspizieren den Brunnen: Das Wasser quillt hier aus dem Berg, es ergiesst sich von einem kurzen, drachenfoermig gestalteten Stueck steinerner Wasserleitung in ein flaches, laengliches Auffangbecken, woraus es mit einem deutlichen Strudeltrichter abfliesst. Auf der anderen Seite der Gasse verrottet ein altes Wasserrad vor sich hin - Tony sagt, die Wassermenge, die aus den Bergen kaeme, sei zuletzt nicht mehr ausreichend gewesen, das Rad anzutreiben. Klimawandel? Im Moment gibt es aber genug Wasser, denn die Wolken haben soeben zu brechen begonnen, oder wie sagt man bei einem Wolkenbruch?

Wie gut, dass hier ja gleich die Wind- und Regenbruecke ist! (Fengyu qiao uebrigens, sprich feng-ü tschjao, mit dem bekannten unbetonten e, das damit irgendwo zwischen e und ö landet.) Wir warten zusammen mit dem aelteren Herrn, der schon die ganze Zeit da sitzt. Ob das der Dorfvorsteher oder sowas ist oder bloss ein ganz gewoehnlicher Buerger? Ich versuche, ein bisschen was vom schwarzen Brett des Dorfes zu entziffern: Wer in den Wald geht, zuerst Feuer anzuenden! Hm. Das kann doch nicht sein, oder? Tatsaechlich heisst "setzen, stellen" und "verhindern" beides "fang", wenn auch mit unterschiedlichem Ton und abweichendem Schriftzeichen (aber mit gemeinsamer Komponente). Also ist es doch auch hier erste Buergerpflicht, Waldbraende zu verhindern statt sie zu legen. Das ist mir vielleicht eine Sprache …

Es dauert eine ganze Weile, bis der Regen wenigstens nachlaesst - leider hoert er nicht auf, da hilft jetzt nichts: da muessen wir durch. Auf dem Rueckweg gucke ich dementsprechend viel zu Boden; vielfach ist der Weg mit Steinen befestigt, die, wenn nass, blau-gruen gebaendert erscheinen. Die sind ja richtig schoen, und jetzt verstehe ich auch die Sprachen, in denen es fuer blau und gruen EIN Wort gibt, wie zum Beispiel Chinesisch: diese Steinplatten sind qing (sprich: tsching). (Jaja, es gibt jetzt auch separate Woerter.)

Gegen ein Uhr mittags sind wir schliesslich zurueck. Da in unserem Programm ja extra auf die Pfannkuchen des Hauses hingewiesen wird, essen wir noch Apfel- und Bananenpfannkuchen, auch wenn wir sie schon vom Fruehstueck kennen. Salzige Belaege gibt es leider nicht, schade. Dafuer landet vor dem Essen eine fliegende Schabe auf dem Tisch, das ist ja nun nicht schoen … am Vorabend hatten schon welche das Licht sehr attraktiv gefunden. Nur nicht weiter drueber nachdenken …

Dann machen wir uns wieder auf den Weg. Das Dorf ist jetzt tatsaechlich schon voller, das sind dann wohl die Tagesausfluegler. Die haben aber wirklich kein Glueck, denn der Regen hat jetzt wieder zugenommen. Beim Abstieg zum Parkplatz will ich einen Haufen getrockneter Eidechsen fotografieren, die eine Frau da zum Kauf anbietet, aber sie laesst mich nicht, nicht einmal gegen Geld. Das ist ja bloed!

Dann koennen wir uns erst einmal buchstaeblich zuruecklehnen, waehrend Shi Shifu uns nach Guilin zurueckfaehrt. Unterwegs machen wir an der Teeplantage halt, die nach der dritten Schwester Liu benannt ist: Liu San Jie (Link in englischer Sprache mit einer Kurzfassung der zugehoerigen Legende). Eine singende Nationalheldin ist das hier sozusagen in der autonomen Region Guangxi, in der Guilin liegt. In der Teeplantage wird sie uns gar als eine Fee dargestellt von einer staendig kichernden lokalen Fuehrerin. Was hatte die bloss??

Jedenfalls fuehrt sie uns durch den Teegarten, laesst uns zwei Blattspitzen Tee essen (schmeckt vor allem nach Blatt), erklaert ein paar Standarddinge ueber die Herstellung von Tee (nichts wirklich Neues) und erlaeutert die zahllosen positiven Wirkungen des Tees auf die Gesundheit. Dann koennen wir uns eine Teezeremonie angedeihen lassen, um verschiedene Sorten zu probieren. Darunter meinen Standard-Buerotee: Oolong mit Osmanthusblueten. Das sei hier eine Spezialitaet in Guilin, was nicht weiter verwundert, heisst Gui doch nichts anderes als Osmanthusbaum (und Lin Wald). Die kleinen gelblichen, suess duftenden Blueten, die die Baeume im September tragen, parfuemieren nicht nur Tee, sondern auch Kuchen und Suessspeisen. Auch hier wird der Ginseng-Oolong serviert, den wir schon in Chongqing kennengelernt haben und der ebenfalls wieder gut schmeckt. Der gruene Tee, den wir probieren, ist nicht schlecht, der weisse aber nicht so mein Fall.

Dann fahren wir weiter, es ist nicht mehr sehr weit bis "Guilin-City". Fuer chinesische Verhaeltnisse ist das eine Kleinstadt mit nur etwa 750.000 Einwohnern. Aber diese unglaubwuerdigen Berge, die da ueberall herumstehen … sogar mitten in der Stadt. Man kann die Stadt selbst trotzdem nicht als bergig bezeichnen, die Karstkegel ragen einfach zwischen den Haeusern auf. Wir checken im Li-Fluss-Wasserfall-Hotel ein, eins der groessten und besten Haeuser am Platz, versteht sich. Waehrend der Klotz nicht gerade besonders toll aussieht, haben wir ein schoenes grosses Zimmer im 12. Stock (das ist die oberste Zimmer-Etage) mit Blick auf den Li-Fluss, den Elefantenruesselberg und den See mit den zwei Pagoden. Allerdings liegt unser Zimmer so, dass wir nur eine sehen koennen – die andere versteckt sich vollstaendig dahinter. Trotzdem: der Blick ist gar nicht uebel. Waeren da nur nicht im Hintergrund die Pappkulissen von diesen unechten Bergspitzen. ;-))

Fuer den Abend haben wir die Bootsfahrt "2 Fluesse und 4 Seen" gebucht, Tony hat das schon gleich per MobTel von unterwegs erledigt. Aber bis dahin ist noch Zeit. Weil der Regen jetzt wieder aufgehoert hat, beschliessen wir, einen Gang um den See zu machen. Die Pagoden sind auch keine Zwillingstuerme, sondern deutlich unterschiedlich. Die, die wir von unserem Zimmer aus sehen koennen, ist goldfarben und hoeher und schlanker als die andere, die bunt bemalt ist. Und jetzt kommt sogar die Sonne ein wenig hervor!

Als wir etwa zwei Drittel des recht kleinen Sees umrundet haben, finden wir den Zugang zu den Pagoden, die Sonnen- und Mondpagode genannt werden. Was, 30 RMB pro Nase? Na gut … Ausser den zwei Tuermen gibt es auch eine huebsche, sehr chinesische Gartenanlage mit Felslabyrinth und Wasserfall und Kalligraphien, die man dafuer besichtigen darf. Wir steigen zuerst auf die Mondpagode. Die ist reichlich mit Schnitzwerk geschmueckt, jede der sieben Etagen hat ein anderes Thema. Auf der sechsten Etage geht es zum Beispiel um spielende Kinder, auf der dritten um die Landschaft von Guilin. Auf der obersten Etage wartet ein "Pagodenheiliger" auf uns, der einen weissen Bart hat und einen roten Mantel traegt. Ich kann mir nicht helfen – das muss doch ein chinesischer Nikolaus sein?!! Wir sehen eine Gruppe eintrudeln und beeilen uns daher, schnell wieder herunterzukommen und "den Massen" auf der Sonnenpagode zuvor zu kommen. Wir hatten uns schon gefragt, wie man ueberhaupt zur Sonnenpagode kommt, ist doch vom See aus kein Zugang erkennbar. Mit einem Boetchen uebersetzen? Kann irgendwie auch nicht sein, es gibt nicht einmal einen Anleger. Des Raetsels Loesung finden wir im Keller der Mondpagode: es gibt einen Tunnel, der hinueberfuehrt. Der ist ganz psychedelisch ausgeleuchtet und damit ein kleiner Bruder des sogenannten "Fussgaengertunnels" unter dem Huangpu in Shanghai, scheint mir.

Wir nehmen dankbar den Aufzug an, der uns auf die siebte der neun Etagen der Sonnenpagode bringt. Die letzten beiden Stockwerke muss man auf steilen, engen Messingtreppen selber erklimmen, um oben Buddha-Altaere zu finden. Der Blick unterscheidet sich nicht wirklich von dem aus der Mondpagode, die insofern bequemer war, als sie aussen einen Umgang hatte. Dann wird es langsam Zeit, dass wir uns auf den Rueckweg zum Hotel machen, ein Drittel des Sees haben wir ja noch vor uns.

Um zwanzig nach sieben treffen wir Tony in der Lobby. Er fuehrt uns wieder zum See zurueck – ach so, das ist hier auch der Anleger fuer die abendlichen Bootsfahrten. Die sind so beliebt, das mindestens drei oder vier Schiffe zur gleichen Zeit ablegen, und immerhin gibt es drei Touren pro Abend. Wir teilen das Schiff mit einer Gruppe Spanier – aha, die reisen jetzt also auch schon in China herum. Die Sitzplaetze unter dem Glasdach sind nummeriert, aber wir wollen natuerlich sowieso lieber an Deck gehen. Als wir um 19:25 Uhr ablegen, ist soeben die Beleuchtung der Pagoden angeschaltet worden. Wenn es blau waere, waere das jetzt gleich die blaue Stunde – sieht schoen aus. Die Sonnenpagode wird mit gelblichem Licht beleuchtet, die Mondpagode mit weissem, wie sich das gehoert. Wir fahren ueber vier Seen und die beiden Fluesse, die in der Stadt zusammenfliessen: den Li-Fluss und den Pfirsichbluetenfluss. Alle diese Gewaesser gehen irgendwie ineinander ueber, und es ist schon ganz schoen beeindruckend, wie die Stadtvaeter oder -muetter ihre Stadt in Szene setzen fuer die Touristen. Bruecken, Berge, Ufer, Pagoden, Baeume, ein Wasserfall - alles wird angeleuchtet. Was die Bruecken betrifft, waren die Stadteltern aber weniger kreativ als bei der Beleuchtung: wir fahren unter der Bruecke her, die vom Sommerpalast in Beijing kopiert ist, unter der Budapester Bruecke (oder war's die Prager Karlsbruecke?), unter einer Kleinausgabe der Golden Gate Bridge … Die brauchen hier auch mal was Eigenes, ein Jodeldiplom oder so! Aber halt, haben sie ja: eine Bruecke ganz aus Glas. Wobei die Gestaltung ansonsten europaeisch inspiriert ist.

Unterwegs muessen wir uns natuerlich noch eine Kormoranfischergruppe ansehen. Fischen mit Kormoranen, das geht so: man nehme ein Bambusfloss, eine Lampe, einen Eimer, einen Kabelbinder und natuerlich einen Kormoran. Mit dem Kabelbinder schnuere man den Hals des armen Vogels ein wenig ein, so dass keine Fische hinuntergehen. Dann zuende man die Lampe an, fahre aufs Wasser hinaus und scheuche den Vogel vom Boot. Der taucht dann und faengt die vom Licht angelockten Fische. Theoretisch. Hier sind das ziemlich dicke Brocken – damit es auch genug zu sehen gibt, werden die Fische von jemandem auf dem Ausflugsboot an der Touri-abgewandten Seite ins Wasser geworfen, und meist schnappen die Kormorane sie, noch bevor sie sich ueberhaupt vom Licht angezogen fuehlen koennen. Der Vogel will seinen Fang herunterschlucken, was natuerlich nicht geht, wegen des Kabelbinders. Der Fisch bleibt also im oberen Teil des Halses stecken. Weil der Kormoran gut abgerichtet ist, kommt er dann zum Fischer zurueck, unter dessen Anleitung er den Fisch wieder hervor- und in den Eimer wuergt. Irgendwie gemein, finde ich!

Als wir nach etwa einer Stunde wieder anlegen, ist es schon fast Zeit fuer den kuenstlichen Wasserfall an der Fassade unseres Wasserfall-Hotels. Dafuer steht das Hotel sogar im Guinness-Buch der Rekorde – na ja, so viele Fassadenwasserfaelle wird es ja nicht geben auf der Welt. Um 20:30 Uhr faellt das Wasser, und schon vorher versammeln sich schaulustige Massen auf dem Platz hinter dem Hotel. Wie durch ein Wunder steht wenige Meter vor uns niemand anderes als die amerikanische Reisegruppe von OAT. Jetzt ist das Hallooo! schon groesser, und am Ende nimmt der glatzkoepfige Hobby-Fotograf, der allerdings noch einiges zu lernen hat uebers Fotografieren, doch noch unsere Visitenkarte mit. Er will uns mal ein Mail schreiben nach der Heimkehr (bis zum 4. Juni sind sie allerdings noch unterwegs). Da bin ich aber gespannt, ob er das tut. Erstmal will er wissen, wo wir wohnen - hinter dem Wasserfall?! Wow! Dafuer hat er keine Ahnung, wo sie selber untergebracht sind, aber man braucht ja auch keine Ahnung, sondern bloss eine Visitenkarte des Hotels, und die hat er. Ausserdem hat die Gruppe schliesslich ihren Reisefuehrer dabei.

Was den Wasserfall betrifft, ist das ja zwar eine ganz lustige Idee, aber so wirklich verstehe ich nicht, was der Gag daran sein soll. Als das Schauspiel, fuer das ich definitiv keinen Eintritt bezahlen wuerde, vorbei ist, ist es schon fast neun Uhr. Wir gehen rasch zum "Congee-Koenig", einem Restaurant ganz in der Naehe, das uns Tony empfiehlt. Spezialitaet ist, wie der Name schon vermuten laesst, Congee, waessriger Reisbrei. Hier schmeckt er nicht so ploerrig wie schon mal auf den Fruehstuecksbuffets (ist halt nur Reis und Wasser mit gar nichts in der Grundform), sondern wie eine schmackhafte Reissuppe, aber mein Leibgericht wird das sicher nicht. Die Kartoffelnudeln schmecken ganz gut, riechen aber irgendwie scheusslich. Aber wir werden satt, und es ist nicht teuer. Danach sind es zum Glueck nur wenige Meter bis zum Hotel, so dass wir schon bald in unsere schoenen breiten Betten fallen koennen.