Heute ist der erste Tag des langen Wochenendes: morgen ist Drachenbootfest und "Montag ist Wochenende", wie es auf unserem Arbeitskalender heisst. Nach dem halbwegs zeitigen Einkaufen wollen wir also noch ein bisschen auf Besichtigungstour gehen heute. Als wir zurueckkommen, um die Einkaeufe im Kuehlschrank zu deponieren, sieht es auf der einen Seite noch ganz normal aus, auf der anderen hat der Himmel sich verfinstert. Die Sicht ist extrem schlecht, man kann schon den Oriental Pearl TV Tower nur noch im Dunst erkennen. Jeder Mensch kann sehen, dass es auf jeden Fall gleich zu regnen beginnen wird. Aber Burkhard fragt Ding Shifu, ob es wohl heute regnet. Nein, sagt der, morgen. Nun gut. Weil das genau das ist, was wir eigentlich gern hoeren wollen, glauben wir das wider besseres Wissen, packen unsere Einkaeufe weg, nehmen den Schirm mit (weil es dann bekanntlich nicht regnet) und lassen uns nach Hongkou fahren, das Stadtviertel im Norden von Puxi. Da haben die linken Literaten gewohnt, im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts, Lu Xun zum Beispiel. Schon als wir noch in Pudong sind auf dem Weg zum Dalian-Tunnel (bin ich noch nie durchgefahren bisher, so was aber auch!), fallen erste dicke Tropfen. Als wir in Puxi ankommen, wird das Wasser kuebelweise vom Himmel geschuettet. Und stuermen tut's auch. Die Kanalisation ist leicht ueberfordert, auf den Strassen steht das Wasser. Ding Shifu macht ein etwas dummes Gesicht, wir disponieren um: Statt zur Literatenstrasse moechten wir jetzt zum Lu Xun-Museum. Aber wie vom Auto zum Museum kommen, ohne bei Ankunft schon pitschnass zu sein? Bei diesen Kneippschen Guessen hilft der eine kleine Schirm fuer zwei nicht viel ... Aber da sieht man wieder, dass man sich um die Zukunft immer noch Gedanken machen kann, wenn sie zur Gegenwart wird: Als wir ankommen, regnet es nur ganz zivil ein paar Tropfen.
Wir wollen hineingehen, da werden wir zurueckgewiesen: wir brauchen ein Ticket. An der Ticketbude steht gar nichts auf Englisch, aber auf dem Schild, das dorthin zeigt, steht was von "mianfei" und "piao". Klingt eigentlich gut, heisst [sprich:] mjaen-fe-i doch "gratis". Und prompt reicht uns eine freundliche Hand zwei Eintrittskarten aus dem kleinen Durchreichloch, noch ehe ich irgendwas sage. 8 Yuan steht da drauf, aber Geld wird nicht verlangt. Nett! Vor allem werden wir jetzt auch freundlich eingelassen, nachdem der Kontrollabschnitt ordnungsgemaess abgerissen wurde. Das Museum ist ein bisschen seltsam, enthaelt der grosse, repraesentative Raum im Erdgeschoss doch nur ein paar Verkaufstheken. Es ist ein erhebendes Gefuehl, dass wir das rein chinesisch beschriftete Schild "Zur Besichtigung bitte nach oben gehen" nicht nur komplett lesen, sondern auch verstehen koennen!
Die Ausstellung ist fuer mich wie gehabt, aber immer noch interessant - sie ist recht gut gemacht und bringt dank englischer Beschriftungen auch Langnasen einen Schriftsteller naeher, von dem ich vor dem Besuch von Shanghai noch nie gehoert hatte, obwohl er doch als einer der wichtigsten Wegbereiter der modernen chinesischen Literatur gilt. Die beruehmte kleine Erzaehlung "Die wahre Geschichte von Ah Q" hatte ich schon bei meinem ersten Besuch hier gekauft und auch gelesen, diesmal haben wir noch mehr Buecher mitgebracht. Die kosten ja praktisch nix - ist auch keine tolle Papierqualitaet, aber so kann dem Prinzip "Bildung fuer die Massen" sicher Genuege getan werden - der dicke zweisprachige Sammelband ist mit 20 RMB erschwinglich. Womoeglich gibt's die rein chinesischen Ausgaben noch billiger ... Wir kaufen auch noch eine DVD mit einer schon alten Verfilmung dieser Geschichte. Mal gucken - die lief wohl in der Ausstellung und erinnert mich mit den Bildern und Farben von damals an die DDR-Maerchenfilme.
Als wir fertig sind mit der Besichtigung, regnet es immer noch - immer noch moderat, so dass wir dank Schirm problemlos das Auto erreichen koennen. Kaum sind wir losgefahren, geht das schon wieder los mit dem Wolkenbruch! Insofern gut, dass wir auf den Besuch des oeffentlichen Parks verzichtet haben. Ich glaube, dass wir heute sowieso keine Wasserkalligraphen bei der Arbeit haetten beobachten koennen ...
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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