Aijaijai, da haben wir Ding Shifu aber heute auf dem falschen Fuss erwischt, als wir um halb elf einsteigen und ihm bedeuten, wir moechten nach TongLi fahren. Er faehrt zwar erst einmal los, haelt aber gleich wieder an, um doch noch auf der Karte zu suchen. Suedlich von Suzhou muss man das suchen, hab' ich ihm auch gesagt. Und wir haben es ihm auf der Karte gezeigt. Er war sichtlich angefressen und hat zwischendurch telefonisch Rat eingeholt, dann den Weg aber doch problemlos gefunden. Dafuer hat er auch ein kleines Extra bekommen, um sich tagsueber zu amuesieren.
Tongli ist eins von diesen Doerfern im Wasserland, das angeblich den Beinamen "Venedig des Ostens" tragen soll - die haben hier viele Venedigs im Osten. Oder im Westen, denn von Shanghai aus gesehen liegt Tongli natuerlich im Westen - von hier ist es gar nicht mehr sehr weit zu Taihu, dem Tai-See, der durch die Algenplage und andere Umweltprobleme unruehmlich beruehmt ist.
Ding Shifu setzt uns "irgendwo" ab. Wir muessen ein Stueck durch alte oder neue Gassen gehen - die alten sind etwas abgewrackt, wie das so ueblich ist, die neuen noch voellig leer und auch irgendwie geist- und seelenlos. Dann kommen wir an der Stelle an, an der einem organisierte Wegelagerer und Beutelschneider fuer den "Eintritt ins Dorf" 80 RMB pro Nase abknoepfen. Aber das kennen wir ja schon von Zhujiajiao und Zhouzhuang ... Als erstes besuchen wir den Tuisi-Garten der tiefen Besinnung und Meditation. Zwar ist der sehr nett, aber ziemlich klein - und fuer tiefe Besinnung natuerlich zu voll. Den Mittelpunkt des Gartens bildet ein kleiner Teich mit (sicher ungesund vielen) Goldfischen (und angelaufenen silbernen, will sagen dunkelgrauen Fischen - die sieht man kaum). Man kann Fischfutter kaufen und es in die weit und rund aufgerissenen Zierkarpfenmaeuler werfen, bestimmt sterben die bald alle an Ueberfuetterung. Es war auch eine Braut im westlichen Brautkleid auf Fototournee in diesem Garten, irgendwie sah die auch ein bisschen nach Zierkarpfen aus. Immer wieder sehenswert sind Brautschuhe - die wenigstens haben ja weisse Pumps an, man hat schon alles gesehen incl. Turnschuhe. Diese hier trug aber rote Pumps, vermutlich passend zur rot-weiss-feinstreifigen Krawatte des zugehoerigen Braeutigams.
Danach war schon Mittagessenszeit. In dem Restaurant wurden wir ganz schoen abgezockt, wohl Touri-Preise: 215 RMB fuer drei Personen. Mit am teuersten war natuerlich Grossmutters Bluetentee, mit 20 RMB pro Person ein echter Preistreiber, Frechheit! Aber ansonsten haben die etwas unorthodoxen Bratkartoffeln, die Auberginen, die gebratenen Nudeln, die gefuellten Lotuswurzeln und der gedaempfte Seidenfisch (keine Ahnung, was das ist - so'n Fisch halt) gut geschmeckt. Kaum dass wir am Tisch sassen und bestellt hatten, fing auf der Buehne draussen ein Konzert an. Klassischer chinesischer Gesang. Nehme ich jedenfalls an. Ich habe leider noch keinen Gesangswuerdigungskursus besucht und weiss diese Art von Musik daher nicht zu wuerdigen. Johannes murmelte gar was von "ich mag Katzen sowieso schon nicht besonders gern, aber das ..." ;-))
Gestaerkt konnten wir uns der naechsten Attraktion zuwenden, dem China Sex Museum. Der deutsche Professor Haeberle, wohl eine Kapazitaet auf dem Gebiet, soll gesagt haben, dass man dieses Museum besichtigen solle, wenn man nur Zeit fuer einen einzigen Ort in China haette. Da sieht man's mal wieder: Akademiker werden gemeinhin ueberschaetzt. Das Museumsgelaende ist sehr schoen, der Garten mit einigen arg seltsamen Skulpturen bestueckt, aber die Ausstellung selbst ... na ja. Das koennte man sicher viel besser machen. Interessanterweise fand sich etwas zum Fuesse-Binden im Teil ueber sexuelle Abnormitaeten ... das war sicher das Ueberraschendste fuer mich. Es gab auch ein paar komische Worte ueber Homosexualitaet ... das ist wohl immer noch etwas sehr Suspektes hier.
Anschliessend war Zeit zum Kahnfahren. In 25 Minuten einmal um den Block, sozusagen, fuer 70 RMB. Am Platz zwischen den drei Bruecken waren die obligatorischen Kormorane zu besichtigen, und wir sind an einer katholischen Kirche vorbei gekommen, die wir anschliessend auch noch kurz besichtigt haben. Das Weihwasserbecken (?) am Eingang wird von einem kleinen ('tschuldigung!) Arschengel bewacht - und das ist keine Fehluebersetzung von archangel, Gruss aus Kalau. Es handelt sich vielmehr um eine kleine Putte mit nacktem, sehr ausgepraegten Hintern. Vielleicht eine Leihgabe aus dem Museum? ;-)))
Vorher hatten wir noch die Gengle-Halle besichtigt - das ist wieder so ein Fall, wo sich hinter einem relativ unscheinbaren Eingang ein grosses und schoenes Anwesen inklusive Garten mit Teich verbirgt. Als Besonderheit gibt es hier eine Sammlung von Wurzelkunstwerken, zum Teil recht beeindruckend. Und im Garten sind Bananenstauden und Hortensien in trauter Harmonie vereint - die Kombination war mir bisher noch neu.
Um halb sechs hatten wir uns mit Ding Shifu verabredet, der uns dann wieder heimgefahren hat. Es dauerte gar nicht lange, da fing es an zu regnen - wie gut, dass wir den ganzen Tag Schirme herumgetragen haben: sonst haette es garantiert schon tagsueber geregnet.
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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