Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Shanghai Grand Prix

Hiermit ist der Tag im Kalender rot angestrichen - ich bei der Formel 1! In den letzten Jahren habe ich das schon lange von mir auf Lebensmittel angewandte Prinzip "Alles mindestens einmal probieren" auf andere Dinge erweitert, und so haben wir uns dieses Jahr in ein Investment gestuerzt und fuer ca. 200 Euro (pro Nase, wohlgemerkt) Karten fuer den Grossen Preis von Shanghai erworben. Nicht gerade ein preiswertes Vergnuegen, und das sind auch keineswegs die besten Karten - die kosten etwa das Doppelte.

Wir hatten Ding Shifu gebeten, uns hinzufahren. Auf der Yan'An-Stadtautobahn hatten wir dann erst einmal unseren eigenen, allerdings ganz ungeplanten Boxenstopp: das Auto hatte vorn links einen Platten! Aber, das muss man Ding Shifu lassen, in etwa 10 Minuten hatte er ihn gewechselt, auf einem "Zwickel" zwischen der Autobahn und einer Ausfahrt stehend. Ich glaube, es war dann eine gute Stunde nach der Abfahrt, als er uns irgendwo im Oedland von Jiading - die haben da naemlich nicht nur einen Konfuziustempel - an einer Shuttlebushaltestelle abgesetzt hat. Bloederweise lassen die niemanden vorfahren, auch wenn es nur jemanden abzusetzen gilt. Na ja.

Der Shuttlebus, in dem ungefaehr zig Maenner und zwei oder drei Frauen sassen und in dem auch gar nicht wenig deutsch gesprochen wurde, entliess uns am Shanghai International Circuit in der Naehe von Block B ins Gedraenge. Hm - so konnten wir auf dem Weg zu unseren Plaetzen in Block K die halbe Strecke von aussen inspizieren: an dem grossen Hauptgebaeude (an der Start-/Zielmarke auf der Skizze vom Streckenverlauf, die man, dem Link folgend, ansehen kann) entlang bis zu den "grandstands", die auf der Skizze ziemlich genau bei der Nummer 15 liegen. Zu meiner Ueberraschung gab es bloss Cola-Verkaufsstaende und gar keine Imbissbuden, jedenfalls nicht im eingezaeunten Bereich - dafuer natuerlich "Mörtschendaißing" aller Marken und von Formel 1 allgemein und vom Shanghai Circuit. Schirmkappen ab 350 RMB, sind die denn des Wahnsinns fette Beute?!

Als wir unsere Plaetze (noch vor ein Uhr mittags) erreicht hatten, lief gerade so ein Tourenwagenrennen oder so. Ganz schoen laermig! Auf dem Weg hatten uns auch schon ca. 500 fliegende Haendler Ohrstoepsel und Fernglaeser angeboten ... Am Ende konnte man auf einer Leinwand die Siegerehrung sehen, und dazu wurde die deutsche Nationalhymne gespielt. Keine Ahnung, welcher "Lanzmann" ;-) da was gewonnen hat. Spaeter fuhren dann diverse Streckenkontrollfahrzeuge und eine Strassenkehrmaschine vorbei, und dann irgendwann ein paar Formel 1-Autos. Au weia! Die Tourenwagen waren ja schon richtig laut, aber noch angenehm verglichen mit diesen Fahrzeugen. Das kann ja noch heiter werden ...

Dann gab's aber erst einmal Musik aus den Lautsprechern, und auf der Leinwand gab es ein paar Latein-Tanzvorfuehrungen und ein herumhampelndes Haibao-Ballett zu sehen. Ja, und dann ging es also los mit der Einfahrrunde. Dieser Laerm, unglaublich! Wir haben einen tollen Blick auf die besagte Haarnadelkurve. Davor liegt die lange Gerade, auf der die Fahrer so richtig Gas geben koennen, und dann muessen sie tuechtig bremsen, die Kurve nehmen und dann wieder tuechtig beschleunigen, wobei natuerlich sowohl der Bremsvorgang als auch die Beschleunigungsphase mit besonderem Laerm verbunden sind. Die selbst mitgebrachten Ohrstoepsel helfen so gut wie nicht. Zu Anfang ist das noch nicht so schlimm, in den ersten fuenf bis zehn Runden kommt das Fahrerfeld weitgehend en bloc angefahren, und wenn die erst wieder weg sind, ist es "wunderbar still" (alles ist halt relativ). Der Silberpfeil von Hamilton faehrt vorneweg, gefolgt von den zwei roten Ferraris, aber - soweit ich das beurteilen kann - nie ernsthaft in Gefahr, ueberholt zu werden.

Ja, und so fahren die Fahrer eine Runde nach der anderen. Mittlerweile ist das Feld zerfallen, so dass der Laerm durchgaengig die Ohren belaestigt. Und die Raucher vor uns, darunter ein Pfeifenraucher (die kann man doch in der Pfeife rauchen!) belaestigen uns mit ihrem Qualm. Wenn's nach mir ginge, wuerde ich das sofort zu einer Nichtraucherveranstaltung deklarieren, vor allem, da ich doch in Japan schon schlotmaessig passivgeraucht hatte! Nach etwa einer Stunde spuere ich akute Zermuerbung. Furchtbar, dieser Laerm, dem man ueberhaupt nicht entkommen kann! Meine Musik aus dem MP3-Player, die ich mit dicht abschliessenden Ohrstoepseln und der Geraeuschunterdrueckungsfunktion zu hoeren versuche, hilft nicht, alternativ helfen die Stoepsel auch nicht, und die Ohren mit den Fingern heftig zupressen nuetzt ebenfalls nicht. Zu Hilfe!

Nach 1:31:57.403 Stunden ist es so gut wie vorbei, das wurde auch Zeit! Hamilton hat mit ca. 15 Sekunden Vorsprung auf Massa gewonnen (Ergebnisse zum Beispiel hier) und war nach meinem Dafuerhalten zu keinem Zeitpunkt von seinen Verfolgern bedroht.

Wir muessen jetzt nur noch Ding Shifu und das Auto wiederfinden, gar nicht so leicht! Wir gehen schon ein ganz schoenes Stueck und warten an einer Kreuzung im Verkehrschaos fast eine Stunde lang. Schliesslich findet er uns zu Fuss (wir hatten ja vorher schon mehrfach telefoniert), dann muessen wir noch ein ganz schoenes Stueck gehen und dann ueber volle Strassen heimfahren. Schliesslich sind wir um 20 Uhr reichlich erschoepft wieder zu Hause. Formel 1 habe ich jetzt also einmal probiert, das reicht fuer mindestens ein Leben!

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