Wir beginnen den Tag mit einem tibetanisch-west-oestlichen Fruehstueck. Die tibetanischen Elemente dabei sind die ziemlich saeuerlichen Yakmilchprodukte (Yoghurt, zu dem schon gleich Kristallzucker gereicht wird, und schnittfester Kaese, der einem an den Zaehnen knirscht), der Gerstenbrei, der suesse Puffgerstenriegel und der Yakbuttertee, der als Morgengetraenk doch etwas gewoehnungsbeduerftig ist. Hier gibt es auch leckeres Trockenobst (zum Teil UFO: unidentifiziertes Fruchtobjekt) und wirklich koestliches Walnussgebaeck. Und es ist gar nicht mal seeehr kalt im Speisesaal, nur ein bisschen … Bloss der Tee macht hier keinen Spass: kaum hat man ihn in eine eiskalte Tasse gegossen, ist die Tasse warm und der Tee kalt, aber richtig!
Vor der Abfahrt aus Zhongdian macht Burkhard noch ein Foto von der Bibliothek - ein sehr beeindruckendes Gebaeude, mindestens drei oder vier Stockwerke: sie wirkt buchstaeblich ueberragend. Dazu der dunkelrote Anstrich und einige goldene Verzierungen, sehr edel. Aber kalt ist es, von aussen betrachtet wirkt Kultur auch nicht erwaermend.
Dann fahren wir durch die baeuerlich gepraegte Landschaft. Zwischen den Bergen rechts und links ist das Tal eine Ebene, jetzt im Winter gepraegt von Ocker- und Brauntoenen. Die schwarzen Punkte auf den Weideflaechen sind meist Yaks, aber es gibt auch eine Menge Pferde. Die weiss getuenchten Bauernhaeuser rangieren von einfach bis repraesentativ, und das Balkenwerk ist meist mit Schnitzereien verziert. Apropos Balkenwerk: ueberall in der Landschaft stehen Trockengestelle fuer Gerste herum. Ich haette sie naeher bei den Haeusern erwartet, aber irgendeinen Grund wird es schon dafuer geben, dass sie teilweise inmitten einer Weideflaeche stehen.
Wir verlassen irgendwann die Talebene, und es geht auf Serpentinenstrassen in die Berge. Unser erstes Ziel fuer heute ist die Tigersprungschlucht. Es soll eine der tiefsten Schluchten der Erde sein, bis zu 3900 m tief, und an der engsten Stelle ist sie etwa 30 m breit, so dass die sagenhaften Tiger der grauen Vorzeit (und vielleicht auch die beruechtigten Pfeilschwanzloewen) sie problemlos ueberspringen konnten, daher der Name.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt haben wir den Wanderparkplatz erreicht. Man muss sich entscheiden, auf welcher Seite der Schlucht man gehen moechte: auf der Shangri-La-Seite (Haba-Bergmassiv) oder auf der Lijiang-Seite (Jadedrachen-Schneebergmassiv). Wir haben uns in Anbetracht des Sonnenstandes entschieden, auf der Schattenseite (Lijiang) zu gehen, so dass wir auf die Sonnenseite gucken koennen. Das ist auch ganz bequem, denn der Wanderweg verlaeuft ohne Hoehenunterschiede, wenn man mal davon absieht, dass man an der Tigersprungengstelle noch einige zig Stufen naeher an das "brodelnde" Wasser heran hinabsteigen kann. Allerdings sieht es so aus, als sei der Wanderweg gefaehrlich: wir muessen durch mehrere Tunnel gehen, und ausserhalb der Tunnel stehen dauernd Schilder, dass man nicht stehenbleiben darf oder dass hier kein Ort zum Fotografieren sei. Da wird einem ja richtig mulmig! Dabei fuehren die Tunnel durch schoene feste Marmorfelsen.
An einer Stelle muss man durch das Maul des Tigers gehen - so jedenfalls interpretieren die Chinesen den Ueberhang mit spitzigen Ecken, die an Tigerzaehne denken lassen. Nach etwa einer Dreiviertelstunde erreichen wir die Engstelle. Hier liegt ein grosser "Felswuerfel" im Flussbett, aber insgesamt finde ich die Szenerie gar nicht besonders beeindruckend. Da hilft auch der steinerne, zum Sprung ansetzende Tiger nichts, und die Treppen schon gar nicht, auf denen die Schaulustigen auf der Haba-Seite von der Strasse auf Tigersprunghoehe herunterklettern koennen. Witziger finde ich dann schon das Toilettenhaus ueber der Schlucht, einige zig Meter vor der Engstelle. Vielleicht haette ich das doch benutzen sollen, um herauszufinden, ob es spektakulaer ist oder nicht. ;-))
Der Rueckweg dauert natuerlich ebenfalls etwa eine Dreiviertelstunde, an einer Stelle kann man unten auf dem Talgrund ein Stueckchen einsamen sonnigen Sandstrands sehen - fehlt nur noch 'ne Palme! Vom Wanderparkplatz aus fahren wir nur um zwei, drei Strassenbiegungen, um das Mittagessen in einem lokalen Restaurant einzunehmen. Dies ist auch so eins, bei dem es keine Speisekarte gibt, sondern einen Blick auf die vorraetigen Zutaten. Wir bestellen scharfen Tofu und ein Gruenzeug, denn das tibetanische Fruehstueck haelt noch vor. Am zweiten Weihnachtstag haben wir mitten in den kalten Bergen draussen gesessen und gegessen - "drinnen" waere auch offen gewesen, aber ohne Sonne, also im Zweifelsfall deutlich kaelter, und ausserdem unter der Aufsicht des Grossen Vorsitzenden. In der Sonne war es jedenfalls ganz akzeptabel warm. Irgendwie kann ich ja nicht begreifen, warum die Leute hier diese offenen Raeume machen. Da lob' ich mir die Tibeter mit ihrem Sinn fuers Warme!
Kurz hinter diesem Restaurant fuehrt die Strasse an einem Koben mit gluecklichen Schweinen vorbei. Eine schoene dicke rosa Sau mit ein paar schwarzen Flecken liegt im Stroh in der Sonne, dann ist da noch ein Schwein, das "bei Wildschweins" wohl Ueberlaeufer genannt wuerde, also ein Frischling vom Vorjahr, und ausserdem gibt es eine Schar von neugierigen, aber auch recht vorsichtigen Ferkelchen. Wie suess!
Wir fahren nun ein Stueck weiter zur ersten Biegung des Yangzi - wobei ich dann lerne, dass wir hier immer noch weit von der Quelle entfernt sind und dass dies gar nicht die erste, sondern bloss die erste bedeutende Flussbiegung ist, denn hier biegt der lange Fluss nach China ab, waehrend die anderen beiden, der Mekong und der ???, weiter nach Sueden fliessen. Ausserdem haben hier der Khublai Khan und die rote Armee bei ihrem langen Marsch den Yangzi ueberquert. Dies ist ein Beispiel fuer eine Sehenswuerdigkeit, an der es eigentlich gar nichts Rechtes zu sehen gibt und die nur wegen der damit verknuepften Geschichte(n) ihre Bedeutung gewinnt. Denn tatsaechlich sieht man bloss einen Fluss, der in einer Ebene zwischen baumbestandenen Bergen leicht vor sich hin maeandert. Am Aussichtspunkt sind mal wieder zig Buden aufgestellt, an denen hier vorwiegend Troedelkram verkauft wird, allen voran mehr oder weniger dekorative Steine, meist Typ Flusskiesel. Viel Steine gab's … und eine Affenhand, makaber! - Hatte ich eigentlich schon erwaehnt, dass der Yangzi hier noch Goldsandfluss heisst, weil man bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts das begehrte Edelmetall aus seinem Sand waschen konnte?
Wenig beeindruckt treten wir die Weiterfahrt nach Lijiang an. Irgendwann biegen wir um eine "Bergecke" und schauen auf einen tiefblauen See - das ist das Naherholungsgebiet fuer die Einwohner von Lijiang, erklaert Wendy. Nun sind wir auch rasch in der Stadt und erreichen unser "Schatzhafen"-Hotel (ja, so heisst das) in den Neubaugebieten. Wir checken ein und entdecken auf dem Weg zu unserem Zimmer einen schoenen blauen Swimmingpool mit rauschendem Wasserfall - aber da der in der weitgehend unbeheizten Halle nicht "dampft", ist das Wasser vermutlich nur fuer total Abgehaertete geeignet. Man kann vom Zimmer aus auf eine Terrasse treten und von dort den Jadedrachen-Schneeberg sehen: das sind die besagten schneeglaenzenden Gipfel aus dem Titel. Allerdings liegt dort oben ziemlich wenig Schnee: zu dieser Jahreszeit haette ich mehr erwartet.
Wir haben noch freie Zeit heute und lassen uns von Wendy und dem Fahrer an der Altstadt absetzen. Wendy gibt uns eine Orientierungshilfe, und ab dann koennen wir allein durch die Gassen stromern. Da liegt wieder mal ein Laden neben dem anderen, mit all den Dingen, die man ueberall sehen und kaufen kann: Silber, Horn, bestickte und gebatikte Textilien udglm., nichts Besonderes. Kleine Fische sind hier vielleicht typisch, zwei gebogene Draehte, dazwischen gespannte Faeden - die Bai-Leute finden Fische glueckbringend (wie der Rest der Chinesen ja auch) und lassen auch einen angeblich fischfoermigen Balken von der Giebelspitze haengen. Denn Fische leben bekanntlich im Wasser und koennen deshalb vor Feuer schuetzen. Das Exemplar von "Fischbalken", an dem uns Wendy dies spaeter erklaeren wird, sieht allerdings einem Apfel aehnlicher als einem Fisch.
Wir laufen ein bisschen herum und wollen uns dann lieber ein Café suchen und ein bisschen "abhaengen". Wir finden eins am Square Market, wo wir im ersten Obergeschoss sitzen koennen - aber das ist auch offen. Nun denn, noch geht's und es ist nicht zu eisig. Als Snack bestellen wir Cashew-Kerne und "Naxi style deep fried potatoes", aber letztere entpuppen sich als Pommes frites und werden dementsprechend auch mit Ketchup serviert. Hihi - wahrscheinlich haben die Chinesen, die ja ohnehin alles erfunden haben (ausser Licola), auch die Pommes erfunden! Von unserem ansonsten gemuetlichen Platz beobachten wir, wie die Sonne hinter dem Huegel untergeht und die Beleuchtung eingeschaltet wird: die blaue Stunde, auch wenn sie hier nicht sehr blau ausfaellt.
Als es ganz dunkel ist und ich mir gegen die Kaelte noch eine heisse Milch bestellt und einverleibt habe, erkunden wir noch ein bisschen die abendlichen Gassen und erwischen eher zufaellig den Weg auf den Loewenhuegel, hinter dem die Sonne untergegangen war. Na, wenn wir nun schon hier oben sind, koennen wir auch noch den Aufstieg zum WanGu Lou auf uns nehmen. ("Zehntausend alt Turm" heissen die Zeichen, aber das WanGu ist bloss die phonetische Uebertragung der Dongba-Woerter fuer "oben auf dem Huegel"). Das vier- oder fuenfstoeckige Gebaeude sieht sehr traditionell aus, ist aber von 1997. Das Gute daran ist, dass die ca. 90 Treppenstufen recht gerade und wenig abenteuerlich sind. Von oben kann man die historische Altstadt, die auch auf der Weltkulturerbeliste steht, tatsaechlich gut ueberblicken, aber besonders spektakulaer ist das bei Nacht nicht. Besonders aergerlich ist dafuer der Laerm, der von der Barstrasse bis hier oben heraufschallt. Schrecklich! Das sollte man mal der UNESCO petzen, zumal an vielen Stellen der Stadt "Buerger- und Touristenermahnungsschilder" haengen, darunter viele, die besagen, man solle sich zivilisiert verhalten und keinen Laerm machen.
Auf dem Abstieg erkunde ich noch die oeffentlichen Toiletten von Lijiang, die ich an dieser Stelle ausdruecklich lobend erwaehnen moechte. Offenbar werden sie regelmaessig geputzt, bieten die Auswahl zwischen "westlicher Kloschuessel" und "chinesischem Hockklo", haben automatische Spuelung und Wasserhaehne, (zugegebenermassen wohl nur manchmal) Seife und funktionierende Haendetrockner, was ich bei kalter Witterung doch sehr zu schaetzen weiss. (Denn Haende mit kaltem Wasser gruendlich waschen und dann draussen vom Wind abtrocknen lassen fuehrt bei mir regelmaessig zu gefuehlter Eisbildung …) Und das alles "fuer umsonst"!
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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