Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Sonntag, 9. November 2008: Mumbai immer noch am Meer

Nach dem Mittagessen fahren wir nur ein kleines Stueck und halten irgendwo an einem Strassenrand. Wir seien jetzt am Mahalaxmi-Tempel, sagt Kedar. Ja, wo isser denn? Wir gehen durch eine belebte Fussgaengergasse, und dann sieht man die ersten Laeden mit den typischen Blumenketten und anderen Devotionalien. Und dann soll man ploetzlich mitten auf der Strasse seine Schuhe ausziehen! Wie, was, auf der Strasse?? Na gut, da faengt dann auch so eine Art roter Teppich an. Jedenfalls war der irgendwann frueher mal rot ... Das Gedraenge wird jetzt immer groesser, die Strasse ist mittlerweile durch einen Zaun in der Mitte in zwei Gehstreifen geteilt, links hinein, rechts heraus. Auf beiden Seiten saeumen Verkaufsbuden den Weg, ausser Devotionalien gibt es auch Suessigkeiten. Der Tempeleingang ist irgendwie unspektakulaer, vom Gedraenge mal abgesehen. Die Polizei oder jedenfalls irgendwie Uniformierte regeln den Zustrom mit Gebruell. Vor der Treppe, die zum Tempel hinauffuehrt, teilt sich die Menge in Maennlein (rechts) und Weiblein (links). Jeweils abwechselnd wird "das Wehr geoeffnet", um einen der beiden Teilstroeme einzulassen. Am oberen Ende der Treppe muss man durch ein Sicherheitstor gehen, aber das ist aus farbigem Plastik und sieht irgendwie wie ein grosses Spielzeugtor aus. Danach guckt noch jemand in die Taschen - ich solle vorsichtig sein, heisst es, hier sei Gedraenge. Oh, danke fuer den Hinweis!

Ein kleines Problem habe ich jetzt: keine Nutan, keine Erklaerung, denn Kedar war natuerlich in der Maennerschlange gelandet. Es gibt ein Absperrungslabyrinth, in dem sich die zwei Schlangen in das Innere des Hauptschreins schlaengeln koennen. Hm. Wenn ich mich da anstelle, bin ich ja in zwei Stunden noch nicht heraus, und was soll ich denn da machen? Viele der Tempelbesucher - genauer: viele der Tempelbesucherinnen - haben Teller oder Schalen mit Blumen (Tagetes, Chrysanthemen, gern auch Lotos), Kokosnuessen, Bonbons dabei. Die kann man im Tempel segnen lassen und dann als etwas Gesegnetes mit nach Hause nehmen, hatte Kedar erklaert. Aber ich habe ja nun einmal keine Schale und beschliesse daher, mich nicht anzustellen. Statt dessen finde ich ein silbern vergittertes Fenster, durch das ich das wilde Treiben beobachten kann. Hinter einer Art Theke stehen zwei oder drei Priester oder Gurus oder wie auch immer die heissen moegen mit freiem Oberkoerper, und vor der Theke branden die Massen heran, "knallen" ihre Schuesseln hin, ein Priester schnappt sich je eine, stellt sie kurz auf den Altar und dann wieder zurueck, da! fertig! gesegnet! Nimm deine Schale und geh! Und das machen die Leute dann auch. Sieht alles ziemlich hektisch aus. Nicht so, dass ich dort haette "beten" koennen, fuer meinen Geschmack war da von "Andacht" keine Spur.

Statt dessen gehe ich auf der Rueckseite des Hauptschreins eine Treppe hinunter. Dort ist ein kleines Nebentempelchen mit einem Affengott (?) in einem Hauptraum. Davor sitzt ein Priester oder Guru und bewacht Spendendosen, die man hier bestuecken kann/soll. Ringsum fuehrt ein Umgang, den alle Leute entlanggehen - das mache ich dann auch. Neben dem Tempel liegt eine Art Plattform, auf der ich zu meiner Ueberraschung entdecke, dass auch der Mahalaxmi-Tempel direkt am Meer liegt. Hier haengen viele Leute herum, von denen ich keine Ahnung habe, was sie hier eigentlich machen. Wenn man sich wieder der Treppe zum Haupthuegel zuwendet, liegt links noch ein Raum mit einem Ganesha. Nachdem ich das alles gesehen habe (und keine Fotos gemacht, was dort strikt verboten war), warte ich im Ausgangsbereich auf Kedar und beobachte das Treiben in diesem Innenhof. Dort steht auch eine grosse silberbeschlagene Saeule - ueberhaupt gibt es hier viel Silber.

Nach einer Weile kommt Kedar zurueck. Ja, er habe sich an der Schlange angestellt. Sieh an, hat gar nicht mal sooo lange gedauert wie erwartet. Es ist irgendwie schade, dass man zwar in den Tempel hineingehen kann, aber so gar keinen Ueberblick oder auch nur eine richtige Ansicht des Gebaeudekomplexes bekommt, dazu ist er viel zu sehr zwischen Haeusern und Meer eingezwaengt. Wir verlassen den Tempel, tauschen unsere Schuhe wieder gegen eine Aufbewahrungsmarke ein und gehen zurueck zur Hauptstrasse. Dort befinden sich noch ein Tempelchen und ein Torbogen mit einer kleinen Ganeshastatue, die nur durch eine Plexiglasscheibe davor bewahrt wird, voellig beschissen zu werden - der Torbogen ist voll von Tauben.

Nach dem Tempelbesuch stehen nur noch die so genannten "Hanging Gardens" auf dem Programm. Wir fahren wieder ein Stueck, dann geht es huegelan - wir sind da. Und betreten eine Parkanlage, die ich nun nicht soooo beeindruckend finde. Aussenherum stehen Baeume, innen gibt es eingezaeunte Rasenflaechen, Hecken und eine ganze Menge von Baumfiguren, oder wie nennt man diese bewachsenen Gestelle? Die Zaeune hindern jedenfalls kaum jemanden daran, den Rasen zu betreten und sich dort haeuslich niederzulassen. Es gibt eine lustige Steintafel mit der Aufschrift "Experience confirms that friends who regularly meet & walk in the garden have remained healthy and fit for the day. Spread the message of good health through friendship for generations." Super.

Ich erkundige mich bei Kedar, warum dieser Park "haengende Gaerten" heisst - sollte dann nicht wenigstens irgendwo ein Aussichtspunkt sein? Er weiss es auch nicht und fragt ein paar von den Freunden, die hier gemaess ihrem regelmaessigen Brauch spazieren gehen. Die ersten wissen das auch nicht, dann sagt einer, dies waeren hier gar nicht die haengenden Gaerten. ?! Na sowas. Wir streben dem Ausgang zu, ueberqueren einen vielbefahrenen Platz mit Kreisverkehr und gehen auf der anderen Seite in ein anderes Stueck Park. Das ist auch nicht viel spannender, aber es gibt eine Plattform, von der aus man die Bucht von Mumbai ueberblicken kann. Aber sooo toll ist der Ausblick nun auch wieder nicht. Bei der Plattform steht ein grosser begehbarer Stiefel, hellgelb mit roten Kanten und, total abwegig, einem Dach. Aber bei Kindern ist der natuerlich sehr beliebt. (Fuer mich wurde es eigentlich erst interessant, als ich spaeter dem indischen Kollegen in Shanghai davon erzaehlte. Der berichtete aus seiner Kindheit. Da habe der Stiefel auf dem Rasen gestanden - heutzutage ist natuerlich alles gepflastert, da der Rasen wohl ohnehin immer bloss zertrampelt waere - und sei rot gestrichen gewesen, mit weissen Kanten und ohne Dach: ein echter Nikolausstiefel im gruenen Gras. Vermutlich war das den Indern, die ja alles Englische schon in der Namensgebung beseitigt haben, gar zu unindisch ...)

Mit den haengenden Gaerten haben wir das geplante Programm "abgearbeitet", es ist auch schon nach vier Uhr - ich schlage vor, zum Hotel zurueckzufahren. Aber Kedar findet, ich muesse mir noch eine der tollen Malls in Navi Mumbai (Neu-Bombay) ansehen, wo wir einigermassen ungefragt hinfahren. Na gut, in Gottes Namen ... eigentlich interessiert mich das einen feuchten Kehricht, ausserdem sieht es da aus wie in allen Malls der Welt. Das Indischste daran ist wahrscheinlich die Tatsache, dass alle Preise in Rupien angegeben sind. Wenn ich nun aber schon mal da bin, kaufe ich saeckeweise Suessigkeiten fuer meinen Workshop und eine Schachtel Pralinen fuer die Sekretaerin, die alles organisiert hat. Lindt-Pralinen - hoffentlich haben die keinen Transportschaden und sind immer ordnungsgemaess aufbewahrt worden. Von aussen sieht die Schachtel voellig unversehrt aus, aber das muss ja nichts heissen.

Dann setzen wir noch Kedar bei ihm zu Hause ab, irgendwo an einem der unzaehligen Wohnblocks in Neu-Mumbai, und irgendwann gegen sieben bin ich zurueck.

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