Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 28. Dezember 2008

Donnerstag, 25. Dezember 2008: Ein ganz besonderer Weihnachtstagsvormittag

Wir stehen richtig frueh auf, denn heute fliegen wir nach Zhongdian. Bis vor zwei Jahren hiess der Ort noch so, dann hat man beschlossen, ihn zur Foerderung des Tourismus in Shangri-La, auf Chinesisch XiangGeLiLa, umzubenennen. (Oder hatte ich das schon berichtet?) Ist ja nicht der einzige Ort, dem das so geht - aus Anhui kennen wir Huangshan City, frueher Tunxi, und auch der Ort ShiLin, Steinwald, heisst erst seit 10 Jahren so. Frueher war das einfach "die Strasse nach Sueden", LuNan. Zu unserer Verwirrung heisst der Flughafen auch nicht primaer wie die Stadt, sondern wie der Bezirk: Diqing. Der ist autonom tibetanisch. Eigentlich seltsam, dass er dann nicht der autonomen Region Tibet zugeschlagen wird, zumal es ein Stueck gemeinsamer Grenze gibt.

Als wir abfahrbereit in der Hotelhalle stehen, gibt es einen weiteren kleinen Aerger: der Fahrer ist nicht da. Wir wollen schliesslich ein Taxi nehmen, aber da schafft er's doch gerade noch, mit fast einer Viertelstunde Verspaetung. Wenn ich mich so frueh aus dem Bett gequaelt habe, bin ich wenig tolerant … Um diese fruehe Morgenstunde ist man dafuer in Nullkommanix am Flughafen, da die Strassen total frei sind und der Flughafen nicht weit entfernt liegt. Wir sind auch ganz schnell am Gate, aber schaffen es dort nicht einmal, die Fruehstuecksbox zu leeren. Es gibt Sandwich und trockenes, suesses Gebaeck à la Pannettone mit Butter und Marmelade, ausserdem 'n Appel und 'n Ei. Die Flasche Wasser mussten wir natuerlich schon vor der Sicherheitskontrolle leeren.

Wir essen noch, da werden wir schon zur Busreise aufgerufen. Der Flug ist "kurz und schmerzlos", hier gibt es noch ein Sandwich, eine Flasche "happy tea" und vier Ginseng-Menthol-Tabletten fuer jeden. Dann geht die Sonne auf und taucht Wolken und den Flugzeugfluegel in schoenstes Rosa und Orange. Wir landen, und auf dem Rollfeld begruessen irgendwelche Militaers andere, indem sie den traditionellen weissen Seidenschal hada ueberreichen.

Es ist kalt hier: -8 Grad Celsius. Ich will mir noch einen zusaetzlichen Pullover aus dem Koffer nehmen, da stelle ich fest, dass der Kofferreissverschluss hin ist. Na prima. Noch kann man hoffen, dass er diese Reise irgendwie uebersteht - anders waer' naemlich 'chlecht.

Wir fahren zuerst zum Hotel - super, wir koennen um diese fruehe Morgenstunde schon einchecken, normalerweise kostet das eine Nacht extra! Das Zimmer ist mit lokalem Flair gestaltet und sieht mit einer einladend gestalteten Sitzecke gemuetlich aus. Das Fenster geht auf den ueberdachten Lichthof hinaus, in dem sich auch die Hotellobby befindet - eine Tatsache, die ich angesichts der Temperaturen sehr begruesse. Uebrigens ist es kein Hotel der Shangri-La-Kette, sondern nennt sich Paradise Hotel. Dementsprechend hat es auch einen zweiten Lichthof, in dem sich ein Swimming Pool befindet, von tropisch wirkenden Pflanzen umgeben.

Um viertel nach neun treffen wir unsere Reisefuehrerin Wendy wieder, und es geht los: Abfahrt zum mehr als 300 Jahre alten Kloster Songzanlin oder Ganden Sumtseling Gompa, wie es auf Tibetisch (oder Tibetanisch?) heisst. Irgendwo muessen wir in einen sogenannten Oeko-Bus umsteigen. Nicht, dass der besonders oekologisch zu sein scheint, aber ganz dumm ist es ja nicht, den Individualverkehr von solchen Punkten fernzuhalten. Aber ein solches Gedraenge wie beim Einsteigen in diesen Bus habe ich noch nicht erlebt. Unglaublich! Und dann noch der Typ mit der brennenden Zigarette mittenmang dabei …

Wir entdecken, dass wir einen ganz besonderen Tag "erwischt" haben: Auch fuer die Tibeter ist heute ein Festtag, und "alle" Bewohner des Umlands stroemen auch zum Kloster. Kaum faehrt der Bus ueber einen kleinen Huegelgipfel, sieht man es praechtig auf dem naechsten Gipfel ueber einer Ansiedlung liegen. Mir ist jetzt nicht ganz klar, ob alle diese Haeuser Moenchsbehausungen sind oder nur ein Teil; immerhin leben hier um die 500 Moenche oder, besser gesagt, Lamas, wie die tibetanisch-buddhistischen Moenche heissen. Dafuer spricht, dass das Klostertor im Tal vor den ersten Haeusern steht, dagegen, dass es vermutlich doch mehr als 500 Haeuser sind.

Gegenueber vom Klostertor liegt ein See mit einer groben Stupa auf einer Insel, und an einigen Staenden werden diverse Waren angeboten, darunter Yakschwaenze, die nur dekorativen Zwecken dienen. Ich habe extra nachgefragt, denn sie sehen wie eine Mischung aus Staubwedel und grossem Pinsel aus.

Zusammen mit vielen zumindest teilweise traditionell gekleideten Tibeter/inne/n steigen wir die Treppe zum Kloster hoch (oder vielleicht, wegen des besonderen Anlasses: empor). Ein bisschen langsam lieber doch, denn auf ca. 3300 m ueber NN ist die Luft schon etwas duenner. Zum Glueck merke ich davon nicht viel, und Kopfschmerzen habe ich auch keine - davor hatten mich ja einige Kollegen gewarnt.

Schliesslich sind wir oben. Ganz schoen voll ist es. Viele Kinder und sogar einige der Lamas in noch kindlichem oder gerade jugendlichem Alter spielen hier aber mit Plastikgewehren - na sowas! Sollte das nicht in einem buddhistischen Kloster total verpoent sein?!

Wendy erklaert uns, dass Taenze aufgefuehrt wuerden, denen nun alle zuzusehen versuchten. Aber es ist nicht so einfach, ueber das Meer schwarzer Haarschoepfe und warmer Huete und pinkfarbenen Kopfschmucks der Frauen hinweg ueberhaupt auszumachen, WO denn eigentlich getanzt wird. Der pinkfarbene Teil des Kopfschmucks besteht manchmal aus einem Tuch, meist aber aus einem Buendel nur ganz leicht zusammengedrehter Wollfaeden.

Das Kloster besteht im Wesentlichen aus drei "Kloetzen". Wir besuchen zuerst die linke Halle. Darin befindet sich eine ueberlebensgrosse Statue des Gruenders des tibetanischen Buddhismus, mit der typischen Zipfelmuetze, oder Kaspermuetze, wie Burkhard vorschlaegt. Die Halle selbst ist fensterlos, und vor der Tuer haengt ein Stoffvorhang - gut so, sonst wuerde vermutlich selbst die Statue frieren. Die Waende sind ueber und ueber bemalt, aber in dem funzligen Licht kann man kaum was erkennen. Rechts steht ein silbernes schuesselfoermiges Gefaess, in dessen Mitte eine Art Miniaturgebaeude steht. Die Schuessel ist mit Gerstenkoernern gefuellt (Augen fernhalten, sagen meine Assoziationen, waehrend ich dies schreibe - "im richtigen Leben" hatte ich diese Anwandlung aber nicht), und fuer Glueck und Reichtum muss man dreimal in die Schuessel greifen und das Gebaeude mit den Gerstenkoernern "uebergiessen" und dann Geld zwischen die Koerner stecken.

Gleich angrenzend liegt ein Waermeraum, in dem sich einige Lamas an einem Feueroefchen versammelt haben. - Dann steigen wir nach oben, es gibt noch zwei oder drei weitere Geschosse. Wendy sagt, hier seien sonst Buecher aufbewahrt worden, aber jetzt wird renoviert, weshalb alles oed und leer ist. Hier oben gibt es auch ein paar Fenster, von denen aus man den Blick in die Ferne schweifen lassen kann.

Dann versuchen wir, uns hintenherum an die mittlere Halle anzupirschen, denn beim Versuch vornherum sind wir buchstaeblich in der Menge steckengeblieben. Wir landen bei den Moenchen, die hier die Zeremonie begleiten oder beobachten. Am mittleren Fenster stehen welche und schauen zu, hier laufen auch die maskierten Taenzer von der "Auffuehrungsflaeche" aus. Links stehen zwei "Alphornblaeser", die "Troeten" liegen auf der Fensterbank auf. Wir entdecken in einer Pause, dass die Alphoerner teleskopartig zusammengeschoben werden koennen, so dass sie nicht laenger als ca. ein Meter sind. Die Holzrohre sind mit fein gearbeiteten Silberbeschlaegen verziert.

Am rechten Fenster sitzen die "hohen Tiere", vermutlich der Oberlama, welcher bei uns Abt hiesse und von dem Wendy vermutet, dass es ein lebender Buddha mit magischen Kraeften sei, sowie weitere offenbar hochrangige Buddhisten, seien sie von hier oder auswaertige Gaeste. Es gibt Tee und Fruechte und weitere Speisen an diesem Tisch. Wir koennen uns kaum losreissen, und Burkhard ist mittlerweile in einen Fotorausch gefallen.

So richtig viel koennen wir von hier auch nicht sehen - kostuemierte Figuren mit grossen, bunt bemalten Maskenkoepfen fuehren eine Art Pantomimentheater auf, begleitet weniger von Musik denn von Rhythmus. Irgendwie geht es wohl um boese Geister und Beschuetzergottheiten. Dieses Fest findet einmal im Jahr an einem Tag statt - wir haben aber auch ein Glueck!

In der mittleren Tempelhalle stehen an der Stirnseite diverse Buddhafiguren hinter Glas, an denen man vorbeipilgern kann. Von links nach rechts, ganz wichtig: man muss den Tempel sozusagen im Uhrzeigersinn besuchen. Und genauso wichtig: beim Betreten des Tempels zuerst den linken Fuss ueber die Schwelle setzen, beim Verlassen zuerst den rechten. - Vor den Buddhas brennen hierzulande keine Oellampchen, sondern Butterlaempchen mit dicken Dochten. Ueberhaupt riecht es hier so buttrig: aha, auf meiner rechten Seite entdecke ich allerhand Butterskulpturen. Die meisten sind etwa 20 cm hoch und bestehen aus einem dunkelbraunen Lehmkegel mit einer Butterblume und ein oder zwei Butterblaettern, die sich von dem dunklen Kegel appetitlich abheben. In der Halle sind auf dem Boden Sockel zu sehen, die laengs auf die Stirnseite zulaufen und auf denen zum Teil dicke, mit rotem Samt bezogene Matten liegen. Einige Grueppchen sitzen darauf.

Dann steigen wir ins erste Obergeschoss und kommen in eine Halle mit einer ganzen Reihe von goldig glaenzenden Gebetsmuehlen, vermutlich aus Messingblech. Auch die darf man natuerlich nur im Uhrzeigersinn drehen, was durch gerichtete Griffe erleichtert wird. Dann sind wir noch weiter aufs Dach gestiegen, hier ist man dann unter freiem Himmel. Die sicher vergoldeten gebetsmuehlenartigen Dacheckenaufsaetze und die ebenso vergoldeten zwei Rehe, die rechts und links des buddhistischen Rades sitzen, glaenzen in der Sonne vor dem tiefblauen Himmel. Ist das schoen! (Jaja, angeblich ist das Wort "schoen" schon allzu platt, aber alles andere ist auch nicht viel bauchiger!) Im Hintergrund ist das Gebaeude noch ein oder zwei Stockwerke hoeher, und ueber der Gebetsmuehlenhalle thront ein kleiner Pavillon, der aussen von einigen weiteren Gebetsmuehlen geziert wird und eine grosse Trommel mit mindestens 1,50 m Durchmesser beherbergt.

Auf dieser Etage liegt auch eine kleine, russgeschwaerzte (oder jedenfalls recht dunkle) Kueche, in der ein Lama und ein "Laienbruder" am Feueroefchen sitzen. Der "Laienbruder" sieht gerade ein paar kleinen Fladenbroten beim Garwerden zu. Wendy hat uns alle bei den beiden zum Sitzen eingeladen und macht jetzt netten Smalltalk. Wir lernen so, dass Lamas auch Fleisch essen (was "normale" buddhistische Moenche ja nicht tun), und bewundern graubraune, leicht unfoermige Kloetze, die zum Teil auf einem Rost hoch ueber dem Ofen langsam vor sich hin trocknen: Kaese!

In der rechten Halle, sagt Wendy, sei gerade alles neu und jetzt nichts zu sehen. Dafuer gibt es in einem Seitengebaeude einen weiteren Tempel, der sich an Landsleute aus einer speziellen Gegend wendet. Hier erklaert uns Wendy die kostbaren Tangkats (keine Ahnung, ob man das so schreibt): leicht trapezfoermige Rollbilder aus kostbarer Seide mit gemalten oder gestickten Bildern, die Szenen aus Buddhas Leben oder sonstige heilige Stoffe zeigen.

Dann machen wir uns an den Abstieg, wo wir unterwegs noch einen weiteren Tempel besuchen, wieder speziell fuer eine bestimmte Gruppe. Wir sollen auch Raeucherstaebchen opfern - na gut, dann machen wir das doch. Vor dem Klostertor ueberquert ein Yak gemuetlich die Strasse, und wir steigen in einen Oeko-Bus ein - noch ist gar kein Gedraenge. Aber nach einer Weile heisst es, wir muessten in den oeffentlichen Bus umsteigen - na bitte, da haben wir das Gedraenge! Wir stehen ganz hinten und bemerken leider erst jetzt die kleine schwarze Sau, die den Platz abruesselt. Ich erkenne sie erst gar nicht und sage zu Burkhard: "Guck mal, der Hund da sieht aus wie ein Schwein!" :-)) Zu schade, da haetten wir ja gern den naechsten Bus genommen. Aber so unterhalten wir uns ein bisschen mit dem aelteren und dem juengeren Herrn, die in der letzten Reihe sitzen. Der aeltere traegt eine von diesen wunderbaren goldbestickten Muetzen mit schwarzem Pelzfutter, ausserdem einen breiten goldenen Ring mit einem korallenroten Stein. - Als wir wieder am Parkplatz ankommen, steigt der juengere Mann durch das Fenster aus - na, sooo eilig habe wir es dann doch nicht.

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