Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Dienstag, 23. Dezember 2008: Ein Tempel, eine Hoehle, ein Wald

Als erstes fahren wir - ganz unplangemaess, oder planungemaess? - zum Yuantong Si, einem grossen buddhistischen Kloster in Kunming. Es liegt am Fuss eines Huegels, aber beim Betreten denken wir gleich: o je! Am Torbogen blaettert die Farbe massiv ab, und gleich dahinter ist - eine Baustelle. Mr Liu weiss, dass hier auch eine Halle fuer 500 Arhats gebaut wird - wieviel Ausgaben es wohl von denen gibt? Aber kaum hat man die Baustelle hinter sich gelassen, wird es
richtig schoen: ein (relativ) grosser See liegt da, eine sich im Wasser spiegelnde Bogenbruecke fuehrt hinueber, und mitten im See liegt ein Achteckpavillon, ba jiao ting. Eine Seltenheit fuer eine Tempelhalle, meint Mr Liu, obwohl ich da gar nicht so sicher bin. Aber egal - das Beste ist, dass mittlerweile die Sonne hervorkommt - das sieht natuerlich toll aus. Die Haupthalle des Tempels kann man gar nicht betreten, sondern nur hineinlugen, und auch das geht nicht so gut, weil vor den geoeffneten Tueren die Kissen "fuer ze Bete" ausgelegt sind und sich auch reichlicher Benutzung erfreuen. Aber eigentlich ist das auch egal, halt wieder so eine Tempelhalle. Fuer mich ist der Gesamteindruck viel wichtiger. Zum Gesamteindruck tragen hier im Yuantong-Tempel noch zwei Besonderheiten bei. Rechts hinter der Haupthalle formt der Huegel einen kleinen Ueberhang (einen Abri, wuerde ich am liebsten sagen, denn ich finde dieses franzoesische Wort dafuer am besten), der eine fuer die Gegend wohl typische Streifung in Dunkelgrau und einem rosastichigen Ocker aufweist und natuerlich mit einer Kalligraphie "verbessert" wurde. Gleich hinter der Haupthalle steht eine weitere Halle aus weissem Stein mit einem hellbraunen Dach aus glasierten Ziegeln. Der Stil ist so gar nicht chinesisch - dies ist ein Tempel in thailaendischem Stil fuer die vielen Besucher aus dem gar nicht so fernen Thailand. Ihn zu betreten traue ich mich aber nicht, denn es ist gerade ein Gottesdienst (oder wie man das auch immer nennen mag) im Gange. Die Musik rieselt hier also nicht bloss vom Band. Ich begnuege mich mit der Aussenansicht, die stark von den je zwei winzigen Bananenhainen und gar nicht so winzigen weissen Waechtertieren gepraegt wird. Mr Liu kannte diesen Teil des Areals noch gar nicht …

Nachdem wir uns an diesem praechtigen Bild des farbenfrohen Tempels in der strahlenden Morgensonne sattgesehen haben, steigen wir fuer ein laengeres Stueck Fahrt ins Auto. Eigentlich stand der Zheng He-Park in Kunyang, der Geburtsstadt des beruehmten Eunuchen und Flottenkommandanten, auf dem Programm. Aber Mr Liu hatte gemeint, der sei eigentlich nicht sehr interessant und auch nicht so guenstig gelegen. Die Kalksteinhoehle in JiuXiang sei viel interessanter. Bevor wir da ankommen, fahren wir ein Stueck am roten Fluss entlang, der hier nicht seeehr breit ist, vor allem aber ziemlich wenig Wasser fuehrt. Der rote Fluss ist besser als Mekong bekannt: hier fliesst also das chinesische Stueck dieses grossen Stroms.

In Jiuxiang angekommen, nehmen wir als erstes einen Aufzug in die Tiefe (ist das dann ein Abzug, Gruss aus Kalau?). Am Grund der Schlucht stuerzt sich ein reissender Bach durch und ueber die Felsen. Die von Mr Liu angekuendigte Bootsfahrt faellt aus unerklaerten Gruenden aus, und wir nehmen gleich den Weg "ins Innere der Erde" (die Hintergrundmusik wird dramatischer!). Wow! Die Hoehle ist ja riesig! Ich fuehle mich an Frankreich erinnert, wo es in der Karstlandschaft rund um den Tarn vergleichbare "Abgruende" gibt. Leider faellt mir der Name nicht mehr ein, waehrend ich die Bilder vor mir sehe … jaja, das Alter. Die Wege sind alle recht gut ausgearbeitet, wie wir das schon von der Schilfrohrfloetenhoehle in Guilin kennen. Und natuerlich ist es auch recht bunt beleuchtet, so dass die Fotos zum Teil aussehen wie Bilder vom Blauen Reiter. Bald kommen wir in einen riesigen, nach aussen offenen Saal von mehreren tausend Quadratmetern, der von einer monolithischen Steinplatte gedeckt wird. In einem Aquarium schwimmen Jiuxiang-Blindfische, wohl eine Makrelenart mit degenerierten Augen. Die leben auch frei in der Hoehle, heisst es. Hier gibt es auch eine Ausstellung von schoenen Steinen (in chinesischen Augen), von Mineralien und von anthropologischen Funden, denn in einer Nebenhoehle wurde in den 19x0er Jahren eine bedeutende Fundstelle aufgetan. Danach geht es in den Feenpalast - das ist nun eine klassische Tropfsteinhoehle. Die Tropfsteine sind nicht ueberdurchschnittlich grossartig, da hat man schon bessere gesehen. Aber die unterirdischen Sinterterrassen! Supertoll! Zwar arg gruen angeleuchtet, aber schon im Eingangsbereich waren welche zu sehen, die nicht so kuenstlich angestrahlt wurden.

Dann heisst es noch einmal durch die freie Natur gehen; der Weg verlaeuft sozusagen im Hoehlenschlund, ueber uns der offene grau-ockerrosa gestreifte Fels. Auf diese Weise erreicht man den unterirdischen Wasserfall, der ganz schoen laermig ist und sogar die Chinesen zu uebertoenen vermag. Daneben ist eine "Skulptur" an der Wand, von der Chinesen sagen, es sei Guanyin, die dem Wasserfall lausche. Dabei ist es ganz deutlich ein Bundesadler! Eventuell wuerde ich auch die Interpretation Bundespfau durchgehen lassen, weil der Kopf ein wenig mehr nach Huehnervogel als nach Adler aussieht - aber die Fluegelpositur ist auf jeden Fall "Bundes-". Auf verschlungenen Wegen entfernt man sich dann von dieser Laermquelle und landet schliesslich in einer weiteren grossen Halle, die eigentlich schoen sein koennte, aber irgendwie "zersiedelt" erscheint. Auf einer kleinen Buehne werden irgendwelche Vorbereitungen getroffen, und an der Wand haengt ein Plakat, auf dem eine Minderheitenfrau mit Victory-Zeichen fuer ordentliche Abfallentsorgung wirbt. Bestimmt nicht ihr erster Job, denn mir ist so, als wuerde ich sie aus der "Rotbaeckchen"-Saftreklame aus meinen Kindertagen kennen.

Gleich nebenan wartet eine Phalanx von Saenftentraegern auf Kundschaft, und der Weg an ihnen vorbei entpuppt sich als Aermelzupflauf. Wie kann der zwanzigste noch denken, dass man einsteigen will, wenn man vor seinen Augen schon 19 anderen bedeutet hat, dass man kein Interesse hat?! Aber warum sind hier ueberhaupt Saenftentraeger? Weil es jetzt an den Aufstieg zum Hoehlenausstieg geht. Ein etwas sibyllinischer - oder einfach nur sehr chinesischer - Ratschlag besagt: Der Aufstieg ist ein bisschen anstrengend. Wer sich nicht wohl fuehlt, moege sich ausruhen oder eine Saenfte nehmen. Wobei sich mir persoenlich nicht erschliesst, wie man durch Ausruhen ans Tageslicht gelangen soll … Der Weg ist auch wirklich etwas anstrengend, mir wird ganz schoen heiss - ich habe ja sowieso schon diverse Temperatur-Wechselbaeder hinter mir heute. Wobei die Hoehle ueberraschenderweise sogar relativ warm ist, folglich keinen Anlass zum Frieren bietet.

Am Hoehlenausgang wartet witzigerweise zuerst ein kleines als "clinic" beschriftetes Haus, dann ein Sessellift, der uns wieder zum Ausgangspunkt zurueckbringt. Ein ganzes Stueck aufwaerts ueber einen Berg und dann mit Blick in den tiefen Hoehlenschlund wieder herunter. Unter uns rupfen ein paar Ziegen Kraeutlein auf einer winzigen Lichtung. Als wir ueber die Bergkuppe fahren, weht ploetzlich ein heftiger Wind und ich bin froh, dass ich meine Daunenjacke wieder anhabe.

Nach dieser Besichtigung ist es schon wieder zu spaet fuer normales Mittagessen, aber Mr Liu fuehrt uns trotzdem wieder in ein nun vollstaendig leeres Restaurant. Burkhard bestellt per Fingerzeig auf die Zutaten, die in einer Vitrine lagern. Es gibt Rindfleisch, Suppe mit Gruenzeug, leckere Auberginen, Tofu und - Tannenspitzen. Vielleicht auch Kiefern- oder Fichtenspitzen, aber das sind jedenfalls frische Nadelbaumtriebe. Gar nicht so uebel, aber fuers Weihnachten seh' ich schwarz, denn wo sollen jetzt die goldenen Lichtlein blitzen?

Als wir aufgegessen haben, geht es nun endlich zum Steinwald. Das ist angeblich die Hauptsehenswuerdigkeit von Kunming - immerhin Weltnaturerbe. Auf dem Weg sieht man schon karstige Felsspitzen allenthalben aus dem Boden wachsen. Es erinnert zum Teil ein bisschen an die megalithischen Steinsetzungen in der Bretagne, nur dass hier niemand ausser Mutter Natur und/oder Vater Schoepfer Hand anlegen musste. Weit und breit keine vernuenftige landwirtschaftliche Flaeche in Sicht: viel Steine gab's, und wenig Brot. Mehr oder weniger willkuerlich hat man einen Bereich eingezaeunt und zur Sehenswuerdigkeit erklaert. Dieses Areal erreichen wir gegen viertel vor vier und muessen erst den grossspurigen Eingangsbereich hinter uns lassen und dann noch einen See, der angelegt wurde, nachdem Zhou En-Lai bei seinem Besuch in den 1950er Jahren bemaengelt hatte, dass es hier so viele Steine gaebe und (nein, nicht etwa so wenig Brot, sondern) so wenig Wasser. Das gehoere schliesslich zusammen, und sonst fehle der Landschaft etwas. Hier irrte der grosse Politiker meiner Meinung nach - und zum Glueck ist der See ja im wahrsten Sinne des Wortes eine Randerscheinung. Eine weitere Randerscheinung ist ein Hotel direkt auf dem Gelaende des Steinwalds. Das muss im naechsten Jahr abgerissen werden, sagt Mr Liu, die UNESCO wuerde dergleichen nicht dulden. Und dann erreichen wir schliesslich den Steinwald, Shi Lin. Genauer den grossen Steinwald. Das sind bis 30 m hohe s-pitze S-teine, zwischen denen ein Labyrinth von Wegen durchfuehrt. Eigentlich kein Labyrinth, denn das hat bekanntlich nur einen moeglichen Weg. Der Steinwald ist also eher ein riesiger Irrgarten. Da hilft auch der Ueberblickspavillon irgendwo mittendrin wenig. Die Wege sind zum Teil extrem schmal, so dass man sich mit einem Rucksack schon hindurchzwaengen muss - normal gehen ist nicht ueberall moeglich. Ich fuehle mich an den Film "Picknick am Ayers Rock" erinnert, den ich als Jugendliche immer gar erschroecklich fand, und mache mich darauf gefasst, gleich von den Steinen verschlungen zu werden. Aber die scheinen mich nicht zu wollen, so dass wir unbehelligt auch noch den kleinen Steinwald besuchen koennen. Hier sind die Felsen weniger hoch und stehen vereinzelter, dazwischen ist fast alles mit saftig-gruenem Rasen bewachsen. Am Ausgang sind ein paar putzig-pelzige Kiefernmaeuse, sprich: Eichhoernchen, zu beobachten.

Zwischendurch hat Burkhard noch einen Pavillon auf einem Huegel im Randbereich entdeckt, von dem aus man eine schoene Uebersicht ueber den grossen Steinwald hat. Und diese Steinspitzen in der Abendsonne, hier und da mit ein paar herbstlichen oder immergruenen Baeumen garniert, sehen auch wirklich beeindruckend aus. Mr Liu findet das nicht, er sei schon ueber hundert Male hier gewesen (weil der Steinwald halt Pflichtprogramm fuer jeden Gast in Kunming ist), aber hier an diesem Pavillon sei er noch nie gewesen. Komisch - ueberhaupt scheint er nach enthusiastischem Beginn ploetzlich an akuter Unlust erkrankt zu sein …

Danach geht es ein paar hundert Meter mit dem Auto zum Hotel, dem Tianqi Ashima Hotel. Das sei das beste Haus am Platze, heisst es. Aber es hat nur zu drei Sternen gereicht, und da war fuer Heizung kein Budget mehr da. Ausserdem befinden wir uns bekanntlich suedlich des Yangzi, da braucht es angeblich keine Heizung. Als wir ins Zimmer gefuehrt werden, steht die Terrassentuer sperrangelweit offen, na prima! Und die laesst sich auch gut schliessen, es bleibt nur ein Spalt von ca 1 cm Breite offen. Der reicht fuer Kaelte und Muecken, denn trotz ersterer gibt es letztere, nicht zu fassen! Da wir doch trotz der Fahrten relativ viel herumgelaufen sind, bestellen wir uns eine Fussmassage. Dazu kommen zwei Maedels aufs Zimmer und weisen uns an, unter der Bettdecke zu liegen - stimmt, sonst ist es auch viel zu kalt. Die Massage ist angenehm, danach kann ich mich nur rasch bettfertig machen, alles andere ist viel zu kalt. Brrr!

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