Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Montag, 22. Dezember 2008

Montag, 22. Dezember 2008: Unter Druck (oder: Unterdruck)

Gestern Abend haben wir uns ja noch nicht soviel dabei gedacht, als Burkhard den Schaft seiner Taschenlampe oeffnete und es sanft "plopp" machte. Jaja, Kunming ist hoeher gelegen als Shanghai - wir sind hier auf knapp 2000 Metern ueber Normalnull. Aber heute Morgen hat es meinem Deoroller glatt die Kugel weggerissen, die ich danach aus dem Papierkorb angeln musste, und die Haelfte des Flascheninhalts (sie war vorher noch halbvoll) war auf mir und dem Fussboden verteilt. Na prima. Die Cremetube ist auch besonders spendabel, zu Hilfe! Schnell wieder zuschrauben!

Auf diesen Schreck hin konnten wir uns erst einmal ueber das Fruehstuecksbuffet freuen. Leckeres Obst (frisch, aus der Dose und getrocknet), Toast (sogar Vollkorn) und Croissants, Muesli, Joghurt, Baked beans (nicht zum Essen, nur zum Schmunzeln - in dem kuerzlich von mir empfohlenen Buch "Concise Chinese-English Dictionary for Lovers" gibt es darueber eine herrliche Sequenz), aber auch gebratene Reis-Vermicelli, gedaempfte Broetchen mit roter Bohnenfuellung u.v.m.a. Dazu spielt ein unsichtbarer Spieler Klavier. Nur der Saft koennte
besser sein.

Mit Daunenjacke, Stulpen, Handschuhen und heissem Tee gewappnet geht es dann um halb zehn los. Wir fahren in die westlichen Huegel Xi Shan. Die liegen angeblich da wie eine huebsche Frau, deren Locken in den Dian-See fallen - ich bin wohl zu prosaisch, um das zu sehen. Mr Liu sagt auch, dass bis vor einigen Jahren das Trinkwasser fuer Kunming noch aus diesem See gekommen sei, der mit 500 Quadratkilometern Flaeche der groesste See von Yunnan sei. Jetzt sei aber die Wasserqualitaet allzu schlecht. Very terrible indeed. Die Regierung habe
Verbesserungsmassnahmen eingefuehrt, aber natuerlich ist Sauberkriegen viel schwieriger als Verseuchen.

An einer Art Wanderparkplatz auf (gefuehlt) halber Huegelhoehe steigen wir aus und folgen einer schmalen Strasse aufwaerts. An der Talseite, die hier die Seeseite ist, bauen die ersten fliegenden Haendler auf ihren nicht ganz so volatilen Staenden den Krimskrams auf. Ich glaube, um diese Jahreszeit ist das Geschaeft hier nicht gut. Kaum ein Tourist zu sehen, Langnasen schon mal gar nicht. Bald erreichen wir eine steile Treppe - als ob ich dieses Jahr am Huangshan nicht schon genuegend Stufen gestiegen waere! Diese hier fuehren zum Tempel der drei Reinen, Sanqing Ge. Der besteht aus mehreren Gebaeuden, die sich am Hang verteilen. Das war mal die Sommerresidenz eines mongolischen Fuersten (nett!) und ist dann irgendwann zu einem daoistischen Tempel umgebaut worden. Man betritt den Tempelbereich ueber eine "Overlooking Sky Bridge", die aber durchaus weniger spektakulaer ist als zum Beispiel die Sky Bridge in den Petronas Twin Towers in Kuala Lumpur. Hier wuerde man, genau betrachtet, gar
nicht merken, dass man auf einer Bruecke steht, wenn es nicht explizit da stuende und wenn nicht ein Verkehrsspiegel so in einem Baum angebracht waere, dass man auf der Bruecke stehend den Bogen sehen kann. Hingegen will ich ja gern glauben, dass das Bauen der Bruecke zu den alten Zeiten ein grosses Wagnis und eine technische Herausforderung gewesen ist. In einer blauen Tempelhalle sitzt eine achtarmige goldene Muttergoettin unter einem grossen schwarzweissen gemalten Yin-und-Yang. Meine persoenlichen Favoriten sind die gemalten roten Fledermaeuse, die, von der Farbe abgesehen, etwas nach dem noch kuerzlich zitierten Grisu aussehen. ;-))

Bei dem grossen Steinwasserbecken vor der Haupthalle habe ich uebrigens versucht, eine Muenze in das Maul des Loewchens zu werfen, das an seinem Grund sitzt. No way! Die Muenzen werden wie von einer Stroemung weggetrieben, statt einfach zu Boden zu sinken. Aber wo soll da eine Stroemung herkommen?? Das hat also meinen zukuenftigen Wohlstand nicht befoerdert, aber da waren noch mehrere andere hilfreiche Gesten, wie das Streicheln der Schlange (Reichtum!), die sich um die Schildkroete (langes Leben!) windet. Insofern kann ja nichts schiefgehen.

Nach dem Sanqing Ge geht es weiter bergan, durch mehrere Hoehlchen, halb offene Tunnelchen, an Tempelchen vorbei, auch an einem "Rinderbrunnen" und einer kleinen Halle mit Fotos von beruehmten Persoenlichkeiten, die auch alle schon die Xi Shan und das Drachentor besucht haben. So auch Koenigin Elisabeth, der auch Coca-Cola serviert wurde. Trinkt die Queen Coca-Cola??

Schliesslich erreichen wir das Drachentor. Kurz davor wird in einer Hoehle die SongZiGuanYin verehrt. GuanYin ist ja die buddhistische Goettin der Barmherzigkeit, aber hier ist es mehr was fuer Kinderlose. Langnasen moegen songzi fuer Pinienkerne halten (die heissen auch so), aber hier handelt es sich um andere Zeichen, und song zi bedeutet "schenken Kinder". Ich tue sehr empoert ueber den Knaben mit der Hose, die im Schritt offen ist. Nein sowas! Man kann alles sehen! - Das Tempelchen am Drachentor selbst ist dem Literatengott Kuixing gewidmet, "Kui Star", wie es auf der Erklaerungstafel heisst. Weil dieses xing ja Stern bedeutet.

Das Drachentor ist ein Ort, zu dem jeder Kunminger regelmaessig aufsteigen sollte, um seinen Reichtum und sozialen Status zu befoerdern. Dazu muss man mit der linken Hand den marmornen "Buckel" unter dem Tuersturz beruehren, dessen Form mich an eine von diesen "Draufhauglocken" erinnert, die schon mal an Hotelrezeptionen herumstehen. Wir werden mal wieder aufs Foto gebeten, ach, ist das schoen! Fuer Touris, die weder den Star Kui sehen noch ein Foto von sich unterm Drachentor machen wollen, waere da noch die Aussicht auf den See und Kunming am anderen Ufer. Leider ist es heute nicht seeehr klar.

Dann geht es durch einen Tunnel, den zu bauen angeblich 5 Jahre gedauert hat, Richtung "Kleiner Steinwald". Aber der ist da gar nicht, oder jedenfalls sehe ich ihn nicht. Hier befindet sich die Bergstation eines Lifts. Wir kaufen die Karten - und dann heisst es, der Lift habe Probleme, und ob wir nicht lieber zu Fuss gehen moechten. Schliesslich machen wir das (Geld gibt's natuerlich zurueck), schon aus Furcht davor, eine halbe Stunde in der Luft festzuhaengen.

Kurz bevor wir den Wanderparkplatz erreichen, schenke ich mir noch einen chinesischen Stempel: shui ru jiao rong, was so etwas bedeutet wie "enge Beziehung - perfekte Harmonie". Und so ist unser Vormittag harmonisch zu Ende gegangen.

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