Gestern abend waren wir im großen Theater auf dem Shanghaier Volksplatz. Wow! Das ist so grossartig, dass man von den Kartenverkaufsschaltern nicht einfach hinaufgehen kann, sondern ganz aussenherum gehen muss, damit man dann die monumentale Freitreppe erklimmen kann. Bei Regen, so wie gestern, halte ich das nicht unbedingt fuer einen Vorteil ...
Wir hatten unsere Karten natuerlich schon im Vorverkauf erstanden, so dass das Spiessrutenlaufen durch die dichten Reihen von Schwarzmarktkartenanbietern durch staendiges No! no! no!-Rufen begleitet werden musste.
Es gab Musiiiik (gibt es jetzt hier den ganzen Abend nur Musik? Sie befinden sich in einem Konzert, mein Herr!), aber es war kein Konzert, sondern ein Ballettabend im Rahmen des Shanghai Dance Festival. Es gab etwas, das in einem der kostenlosen Langnasenblaettchen als "a good combination of western ballet and Chinese folk dance" beschrieben war. Wenn ich das jetzt so aufschreibe, stutze ich doch ... vielleicht haette ich vorher gruendlicher lesen sollen? Aber nein, ich haette ohnehin hingewollt, denn es handelte sich um das Stueck "Dream of the Red Chamber" (fuer nicht in China ansaessige und des Englischen maechtige Internetnutzer: Dream of the Red Chamber). Das ist angeblich der chinesische Roman schlechthin. Irgendwann im 18. Jahrhundert geschrieben und, so las ich irgendwo, so sehr kulturelles Allgemeingut, dass jedem/r Chinese(i)n zu den Hauptfiguren ebensoviel einfaellt wie jedem/r Europaeer/in zu Romeo und Julia.
Ich hatte vorher versucht, mir im Internet eine Kurzzusammenfassung der Handlung anzusehen, auf dass ich das Ballett besser verstehe. Aber schon dieses Unterfangen endete mit einem typischen Loriotgefuehl: Lord Hescott-Fortescue besucht seine Nichte Gwyneth Moldsworth und faehrt mit ihr in Abwesenheit von Lady Heather Fortescue ueber Middle-Friddlethorpe und Middle-Frithum nach Schloss Thrumbescroft ... Der Roman erzaehlt naemlich wohl die Geschichte von vier Familienclans (als ob zwei wie bei Romeo und Julia nicht gereicht haetten) und hat ca. 400 Charaktere ... o je!
Das alles haette mir ja aber gar nichts gesagt, wenn ich nicht im letzten Sommer den Garten des Grossartigen Blicks am Dianshan Lake in der naeheren Umgebung von Shanghai gar nicht erst besucht haette, nachdem mein Reisefuehrer mich wie folgt belehrt hatte: "Um die Bauwerke der Ming-Dynastie verstehen und geniessen zu koennen, die an den huebschen Teichen und Bambusalleen stehen, macht es Sinn, zumindest eine Kurzfassung des vierbaendigen Romans gelesen zu haben." (Anmerkung: das ist woertlich zitiert - fuer das "Sinn machen" kann ich also nichts!!) Diesen Ratschlag hat ein so beflissener Mensch wie ich dann natuerlich gleich zum Anlass genommen, sich das Buch zu beschaffen, bzw. wenigstens schon einmal den ersten Band, der jetzt hoffentlich uebermorgen noch jungfraeulich (ist naemlich gar nicht so lange vor der Versetzung gewesen, dass ich das Werk bestellt habe) aus irgendeiner Kiste mir wieder in die Haende fallen wird. Ich bin ja auch schon neugierig. Nach einer Leserkritik (mit Textbeispielen aus der englischen und der deutschen Ausgabe) bei amazon hatte ich mich fuer die englische Version entschieden ... vielleicht sind dann davon hier auch die weiteren Baende leichter erhaeltlich, falls ich denn dahin kommen sollte ... (mit koelschem Zungenroll-ll bei falls und bei sollte)
Jetzt wird mir das hier aber zu lang ... also morgen mehr! Jaja, SMS werden niemals meine Kunstform ... (Schon mal zur Vorwarnung: Falls es ab Samstag erst einmal Funkstille geben sollte, liegt das daran, dass ich dann in der neuen Wohnung die Internetverbindung noch nicht hinbekommen habe ...)
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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