Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 24. Februar 2007

Von Tempeln und Schweinen

Nachdem der Himmel heute morgen blaeulich aussah, dachte ich, es waere eine gute Idee, zum Drachenblumenkloster bzw. -tempel (Longhua Si, das i wieder wie ein unbetontes e zu sprechen) zu fahren. War es wohl auch, aber die Blaeue wich doch bald einem weniger freundlichen Grau. Vor dem Klostertor tobte wieder das wilde Leben. In den ersten Laeden gab es Feuerwerk zu kaufen, z. B. diese ganz langen Baender, die ein bisschen wie Maschinengewehrmunition aussehen und sich ja auch aehnlich "benehmen": 1000mal Knall und sogar (das ist dann zu einem Zylinder mit schaetzungsweise gut 40 cm Durchmesser aufgewickelt) 5000mal Peng! Dazu Raeucherwerk und Buddhastatuen, in Folienverpackung, damit sie auch wirklich schoen frisch und saeuberlich auf dem Hausaltar ankommen koennen (denn ich nehme an, dass sie dafuer gedacht sind). Besonders beeindruckt haben mich ja die Brustspitzen eines ueberlebensgrossen, dicken goldenen Sitzbuddhas (der uebrigens nicht eingeschweisst war, vielleicht war er ja auch gar nicht verkaeuflich), die liebevoll aus einem grossen rosafarbenen Kuegelchen (in Liebesperlengroesse) in der Mitte und lauter kleinen stecknadelkopfgrossen drumherum, auch rosa, gestaltet waren.

Auf dem ganzen Stueck vor dem Tempeleingang sind, vermutlich anlaesslich des Neujahrsfestes, Buden aufgebaut, in denen allerhand meist unnuetze Dinge angeboten werden, und auf dem Platz um die Pagode ist Kinderbelustigung angesagt. Was ich noch nie gesehen hatte: riesige Wasserbaelle aus durchsichtigem Material, in denen die "Blagen" auf einem flachen Wasserbecken (einfach aufblasbar) herumtollen konnten. Zuerst dachte ich ja, dass das relativ steife Kugeln waeren, aber nein ... nach "Befuellen mit Kind" folgte jeweils das Befuellen mit Druckluft. Reissverschluss zu, fertig! Sah nach ziemlich viel Spass aus, so ein Pech, dass wir schon so alt sind ... Die Aufenthaltszeit ist natuerlich wegen der begrenzten Menge Luft nur relativ kurz, aber da es auch nur zwei Baelle gibt, sollen die Kandidaten und -innen ja auch nicht zu lange warten muessen.

Die Pagode selbst ist leider nicht zugaenglich - ich stelle mir vor, dass man von oben einen schoenen Blick ueber die Tempelanlage haette, aber was hilft's ... diese Holzgebaeude mit vermutlich engen Treppen sind wohl fuer massenhaften Publikumsverkehr nicht geeignet. Schade. Der ueberdachte Umgang , auf dem man in einem Viertelkreis mit Blick auf die Pagode wandeln kann (und dabei die stark befahrene Longhua-Strasse ueberqueren), ist einfach nicht hoch genug gelegen.

Dann endlich gehen wir hinein in den Tempel. Dieser hier ist buddhistisch, aber anders als im Jadebuddhatempel sind fast keine Touristen da. Oder jedenfalls fast keine langnasigen Touristen, wie es mit den chinesischen Besuchern ist, kann ich nicht beurteilen. Aber Besucher gibt es genug! Auch hier lodern die Feuer und ziehen duftende Rauchschwaden von unzaehligen Raeucherstaebchenbuendeln durch die Hoefe. Raeucherstaebchen fuers Rauchopfer kommen naemlich immer in Buendeln, vermutlich gilt das Motto "Je dicker, je besser". Schliesslich soll man beim Opfer nicht geizen! Heute bekam man fuer seine extra teure Eintrittskarte (20 RMB pro Person) dafuer aber auch ein Buendelchen "geschenkt". Wir haben eins gegen eine Eintrittskarte getauscht und haben es zur grossen Erheiterung sowohl des Raeucherstaebchenverteilers als auch des Eintrittskartenkontrolleurs mitgenommen, statt es gleich im Tempel anzuzuenden. So hatten die wenigstens auch ihren Spass!

In den verschiedenen Tempelhallen gibt es allerhand verschiedene Buddhas und sonstige Heilige oder Erleuchtete oder was das dann sein mag. Die vier Himmelskoenige in der zweiten Halle sind sogar auf Englisch beschriftet und erlaeutert ... das ist dann aber auch so ziemlich das Einzige, was wir da lesen koennen. Und verstehen - davon rede ich erst gar nicht. Alle Figuren erfreuen sich gleichermassen der Anbetung, ich weiss auch nicht, ob man sich an mehrere oder gar alle wenden muss, wenn man ein Anliegen hat, oder ob es Spezialisten fuer die verschiedenen Sorgen und Wuensche gibt, oder wie das alles geht. In der Haupthalle (in der der grosse goldene Buddha mit der blauen "Bademuetze" und dem Hakenkreuz auf der Brust thront), werfen mir nicht bekannte Ereignisse ihre Schatten voraus. Dort wurden Stege (Buehnen?) gezimmert, und (Verkaufs- oder Schreib-)Tische hereingetragen ... ich haette ja zu gern gewusst, wofuer.

Um ein Uhr mittags haben wir beschlossen, noch schnell ins vegetarische Buffet-Restaurant "Jen Dow" zu gehen. Oh! Das hat west-oestlichen Edel-Look und west-oestliche Kueche. Pro Person kostet "all you can eat and drink" (jedenfalls was nicht-alkoholische Getraenke und Bier betrifft) am Wochenende 158 RMB. Nicht ganz billig, stimmt, aber dafuer kann man wirklich schlemmen. Man kann gar nicht so viel schlemmen, wie man angesichts der Leckereien vielleicht moechte! Das einzige, was mir nicht klar war, war, ob das nun wirklich alles vegetarisch war, auch der ganze Fisch und das ganze Fleisch. Der Thunfisch auf den Sushi war definitiv kein echter Thunfisch und leider nicht sehr gut gelungen. Besonders empfehlenswert waren dafuer aber die Desserts und der Kuchen und die hausgemachten Schoko-Leckereien. Die haben da wirklich einen 1A-Konditor! Den besonders attraktiv aussehenden Japanese Tea Cake fanden offenbar alle Leute sehr attraktiv - als fuer mich Dessertzeit war, war er schon ganz aufgegessen oder weggefressen, heul, jammer, wie schade!

Im Tempelladen konnte ich dann nicht widerstehen, da gab es noch einen von diesen Anhaengern mit einem runden, beinahe kugeligen Gluecksschwein. Wir haben ja schon ein "blondes", das ich letztes Jahr aus dem Stadtgotttempel mitgebracht habe, und ein schwarzbraunes, das wir zu Weihnachten im Jadebuddhatempel erstanden haben. Das neue ist ein bisschen braungruenlich (nein, nicht braungruengrau mit einem Stich ins Blaeuliche wie die Lieblingsfarbe von Herrn Bloehmann, der seine Frau nicht schlaegt [fuer Loriotkenner]), da muss doch jeder zugeben, dass das nicht im Tempel bleiben konnte, sondern unseren beiden Gesellschaft leisten muss!

Und damit bin ich auch schon wieder bei den Schweinen angekommen! Gestern Abend gab's auf "Animal Planet", einem der ominoesen Sender, die wir hier ueber Satellit empfangen, aus der Reihe "Heavenly Zodiac Animals" (zu den Tieren der chinesischen Tierkreiszeichen) eine wunderbare Doku ueber Schweine. Wunderbare und schreckliche Bilder natuerlich, und eine herrliche Illustration des Satzes "But there's a snag."* (zu deutsch etwa "Aber die Sache hat einen Haken.") ueber Trueffelschweine: Die Trueffelsau Kiki verspeiste eine der selbst gefundenen teuren Knollen mit offensichtlich grossem Genuss, bevor Baeuerin Marthe sie daran hindern konnte.

Und eben gab es noch eine Sendung auf National Geographic (etwas weniger ominoes) unter dem Titel "Africa's Hogs Heaven" ueber ein Reservat in Uganda, mit ganz vielen Schweineszenen mit Warzenschweinen und, noch viel besser, da noch nie so gesehen, mit Riesenwaldschweinen, die in der Suhle nichts Besseres zu tun haben, als Luftblasen vor sich hin zu blasen. Klasse!!

* Beginn meiner Lieblingspassage aus dem Buch A Year in Provence von Peter Mayle, es geht um den Einsatz von Hunden oder Schweinen bei der Trueffelsuche. Leider bekomme ich es auswendig nicht ganz hin, und das Buch ist hier noch nicht wieder aufgetaucht - schlummert wohl noch in einer Kiste, denn wir haben es dabei. Uebrigens gibt es von dem Buch natuerlich auch eine deutsche Uebersetzung, aber die besagte Passage ist soooo schlecht und farblos ... ich kann nicht dazu raten. Wenn lesen (fuer Provence- oder Frankreichfans), dann im Original!

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