Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 4. Februar 2007

... Tee mit 'Gepaeck'

Um also nochmal auf das Teehaus zurueckzukommen, in dem ich gern nach dem Aufstehen einen Tee zu mir nehmen wollte: Es handelt sich um das Teehaus 'Huxinting' = im Herzen des Sees. Der See ist ein kuenstlicher, boese Zungen nennen ihn Goldfischteich. Er gehoert zum Yu-Garten-Areal, liegt aber ausserhalb des kostenpflichtigen Bereichs. Ueber den besagten Teich fuehrt die Bruecke der neun Biegungen, ein Name, den ich persoenlich etwas irrefuehrend finde, da Biegungen nach "rundlichen Ecken" klingen. Auf den englischen Wegweisern ist von zigzag die Rede, das trifft es auch besser. Die Ecken hindern die boesen Geister, die Bruecke zu ueberqueren, aber auch fuer gute Sterbliche ist es nicht einfach, ist die Bruecke doch meistens ziemlich voll und der "Fussverkehrsfluss" gestoert, weil alle paar Schritte jemand fotografiert werden soll und man ja schliesslich nicht ins Bild laufen moechte. Das beachten sogar (nach allem, was man sonst so hoert und liest, unerwarteterweise) die Chinesen.

Waehrend die Bruecke fast immer voll ist, kenne ich das Teehaus bisher nicht anders als relativ leer. Wenn man ein bisschen im Internet herumsurft, findet man viel Kritisches: zu voll, zu teuer, zu touristisch - ich sehe es ein bisschen anders, mir gefaellt es sehr gut. Wie gesagt, ich habe es noch nie ueberfuellt gesehen. Ja, es ist relativ teuer, der angeblich beste Tee kostet 108 RMB, das ist allerdings stattlich. Das kann sich natuerlich auch nicht jeder leisten, wenn man bedenkt, dass man sich auch fuer ein Zehntel davon satt essen kann. Insofern sind es womoeglich tatsaechlich eher Touristen, die es sich leisten - aber es ist keineswegs so, dass etwa nur Langnasen im Teehaus zu sehen waeren. (Ich erinnere mich auch an den Kriminalroman* "Tod einer roten Heldin" von Qiu Xiaolong, in dem eine der Figuren davon schwaermt, dass ein Tee im Huxinting-Teehaus ein wunderbarer Luxus ist, den man sich ab und an goennen sollte.) Apropos zu sehen: aus dem Obergeschoss hat man einen schoenen Blick ueber die Bruecke, ueber die Baeume des Yu Yuan und auf den JinMao. Bei guter Sicht und gutem Sonnenstand ist vor allem letzterer spektakulaer!

Aber zurueck zum Tee: man muss diesen Preis auch noch ein bisschen relativieren. Dafuer bekommt man eine kleine chinesische Teezeremonie mit viel Wassergeplemper, toenernem Teeboot, einem toenernen Aufgusskaennchen (Yixing-Keramik? kommt ja von nicht allzu weit her), porzellanenem Teekaennchen, das eher das Format eines westlichen Milchkaennchens hat, hohem schmalen Teearomaschnuppertoepfchen aus Porzellan, die passenden winzig kleinen Teetaesschen oder besser -schaelchen und eine grosse, etwas prosaische Plastik-Thermoskanne mit heissem Wasser fuer die weiteren Aufguesse. Ausserdem Kleinigkeiten dazu: hartgekochte Wachteleier, in Bruehe gekochte Tofustuecke, die vom Format an ungefuellte Ravioli erinnern, von der Konsistenz eher ein bisschen an sehr feinporigen Eierstich, nur etwas zaeher. Ausserdem gibt es noch ein Tellerchen mit diversen Leckerli in kleinen Tueten - sowieso etwas, was hier sehr beliebt zu sein scheint. Verpackungsmuell? Das Wort kennt hier keiner. Da war ein Beutelchen mit kleinen roten getrockneten Fruechten, die sehr nach suessen (gesuessten?) Kirschtomaten schmeckten (sehr lecker!), ausserdem so ein gruenes Ding, vermutlich auf Klebreismehlbasis, flache duenne Kraecker und wuerzige Mini-Walnusskerne. Irgendwie ist man dann auch erst einmal gesaettigt, wenn man das alles gegessen hat, obwohl sich das nicht so anhoert, wenn man es liest, und nicht so aussieht, wenn man den Tee mit diesem 'Gepaeck' serviert bekommt.

Nimmt man also zu zweit jeder einen teuren Tee, ist man mit ca. 21 Euro sicher nicht guenstig davongekommen, aber andererseits ist es vergleichbar mit einem Nachmittagsimbiss in einem Koelner Café. Und man muss ja nicht den teuersten Tee nehmen, zumal ich finde, dass der Tie Guan (hiess er so?) Oolong fuer 'nur' 98 RMB noch besser schmeckt. Die Teeblumen gibt es alle schon fuer 55 RMB. Die sind dann natuerlich mit Glaskaennchen, damit man ihre Entfaltung genuegend wuerdigen kann, aber ohne Teezeremonie. Also, wenn Ihr mich fragt: ich empfehle dieses Teehaus und gehe wirklich sehr gern hin. Die Alternative zu Café Grotemeyer!

* Eigentlich bin ich ja keine grosse Leserin von Kriminalromanen. Dieser hier ist aber nett zu lesen (besonders fuer Shanghai-Reisende), da er, ganz wie die Wilsberg-Krimis mit Muenster-Flair, einige Farbe durch den Lokalkolorit bekommt. Inwieweit er Aufschluesse ueber die chinesische Gegenwart (bzw. die chinesische Gegenwart der 90er Jahre des 20sten Jahrhunderts) gibt und inwieweit das heute noch stimmt, vermag ich nicht abschliessend zu beurteilen - aber das ist ja eigentlich auch egal.

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