Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Freitag, 5. Oktober 2007

Mittwoch, 12. September 2007: Umgebung von Melaka

Diese Nacht haben wir in der zweiten Etage verbracht, und zwar ohne tropfende Klimaanlage. Geht doch! Wir fruehstuecken wieder draussen, vor dem etwas laermigen kuenstlichen Wasserfall, der hier vermutlich zur Aufwertung des Mikroklimas installiert wurde. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich das gut finden soll - hier kann man sich auch zu konspirativen Sitzungen treffen: am Nebentisch kann man wegen des Rauschens wirklich nicht verstehen, was da gesprochen wird - oder doch ein bisschen laestig, weil man auch am eigenen Tisch die Stimme erheben muss, wenn man gehoert werden will.

Heute steht jedenfalls alles in und um Melaka herum auf dem Programm, was man nicht so gut zu Fuss besichtigen kann. Es beginnt mit dem China-Huegel, auf Malaysisch Bukit Cina. Den Huegel hatte seinerzeit die besagte Hang Li Poh "fuer sisch auszubre-iten" (so wuerde man das wohl im Rheinland sagen) angewiesen bekommen. Damals haben da also Chinesen gelebt, aber wie es so geht, im Verlauf langer Jahre sind sie alle gestorben und wurden dann da auch begraben, so dass der Huegel im Lauf der Zeit zur dauerhaften Heimat von ca. 12.500 Chinesen geworden ist: soviele Graeber gibt es auf diesem riesigen Friedhofsareal. Das liegt heute mitten in der Stadt und wird von den sprichwoertlichen "Immobilienhaien" mit Appetit beaeugt - aber eine Buergerinitiative konnte verhindern, dass hieraus schoenes Bauland gemacht wird. Fuer zartbesaitete, aber nicht suizidgefaehrdete Gemueter ist es ohnehin wahrscheinlich keine angenehme Vorstellung, auf einem Friedhof zu wohnen ... Ein vermutlich interessanter Unterschied zu Friedhoefen, wie ich sie aus europaeischen Laendern kenne, besteht uebrigens in der Tatsache, dass ich an keinem der chinesischen eine Umfriedung gesehen habe. Auch am Bukit Cina geht der Strassenrand einfach in Friedhofsgelaende ueber. Es gibt einige ohne besonderen Aufwand angelegte Asphaltwege (Asphalt hingeschuettet, einmal druebergewalzt, fertig - so sieht es jedenfalls aus), auf denen vor allem Jogger das Gelaende einer Zweitnutzung als Sportplatz zufuehren.

Waehrend Burkhard und ich uns noch umschauen, hat Mr Badrul wieder Leute zum Quatschen gefunden, ein paar junge Maenner in diesem Fall. Ich versuche alldieweil, einen dieser "Tropenhausvoegel" ins Visier zu bekommen. Das sind amselgrosse, im Wesentlichen quietschgelbe Voegel mit einigen schwarzen Flecken, die einen relativ lauten, durchdringenden Ton ausstossen, der so klingt, als wuerde er mit einer gerollten Zunge produziert ... ich weiss nicht, ob ich mich irgendwie verstaendlich ausdruecke ... Aber sie sind schwieriger zu fotografieren als Graeber und fliegen mir immer davon. Dann bekomme ich irgendwie mit, dass die besagten jungen Maenner einen Vogel abrichten. Aha, da sitzt so eine Art Taube. Wie? Damit kann man weitere Exemplare derselben Art fangen? Ist das denn eine Raubtaube? Jedenfalls heisst es, wir koennten uns ihr ruhig naehern. Ich schleiche mich also an, die "Raubtaube" wird nervoes, fliegt aber nicht weg. Irgendwann schickt sie sich doch an, da sehe ich, dass sie angebunden ist. Ach, wie gemein! Das tut mir einerseits wirklich leid fuer sie - soooviel Stress wollte ich ihr eigentlich nicht bereiten -, andererseits frustriert es mich auch, bin ich doch nicht sooo geschickt im Anpirschen - sie hatte einfach keine Wahl. Natuerlich ist es auch keine Taube - aber was es genau war, weiss ich nicht.

Auf der anderen Seite des Huegels liegt der Sam Poh Kong-Tempel, in dem auch Zheng He "eingekehrt" sein soll und der spaeter dann auch zu seiner Anbetung herangezogen wurde, heisst es. Neben diesem Tempel liegt ein Brunnen, der unter diversen Namen bekannt ist und in seinem Brunnendasein schon diverse Vergiftungsattentate ueber sich ergehen lassen musste, was am Ende dazu gefuehrt hat, dass er mit einer Mauer samt Zinnen und Kanonen umgeben wurde. Auf der Infotafel wird er unter dem Namen "Koenigsbrunnen" gefuehrt. Jetzt ist er nicht vergiftet, und im Tempel probieren wir sein Wasser, das uns Mr Badrul nahezu aufdraengt. Wir sind eher wegen der Becher besorgt als wegen des Wassers ... Dann fuehrt er uns noch ein Experiment vor, in dem er durch Einwerfen zahlreicher Muenzen einen vorher nicht ganz vollen Becher zum Ueberlaufen bringt - leider verstehen wir es beide nicht. Da ist nichts Uebernatuerliches dabei.

Auf der anderen Strassenseite, gegenueber vom Tempel, liegt ein muslimischer Friedhof. - Nach soviel uns fremder Religion wollen wir aber mal wieder eine Kirche sehen, da bietet sich St. Peter's Church an, angeblich die aelteste christliche Kirche von Melaka. Sie ist genauso geschlossen wie die Christuskirche am roten Platz. Vor der Tuer haelt ein Erzengel Wache und dreht die Augen (schein-??)heilig zum Herrn. Neben der Kirche befindet sich ein zartgelb gestrichenes Gebaeude, dessen spitzbogige Fenster mit zwei Gruentoenen farblich akzentuiert werden. Aha, das kenn' ich: genau so ein Fenster ist im Reisefuehrer mit der genialen Bildunterschrift "Architecture with European influence" oder so aehnlich abgebildet. Die denken sich auch immer was aus, diese Reisefuehrerschreiber ...

Die Leute von Melaka sind ein bisschen landhungrig und betreiben daher Landgewinnung im Westen, wo sie dem Meer schon eine Insel mit dem originellen Namen Pulau Melaka (= Melaka-Insel) abgetrotzt haben. Ob sie gar keine Sorgen haben, ihre beruehmte Strasse zu sehr zu schmaelern? ;-)) Im Moment ist das jedenfalls noch mehr oder weniger eine Toteninsel: sie ist schon bebaut, aber ausser - na, was wohl? - der Moschee ist noch nichts fertig. Und dementsprechend laufen ein paar verstreute Arbeiter herum, die irgendwas sauber oder instand halten, ansonsten herrscht gaehnende Leere. Die Moschee erscheint mir ein bisschen zu bunt (weiss getuencht, rote Daecher, grosse gruene Boegen an den Seiten, und war da nicht noch irgendwas Blaues?), aber dafuer ist die Lage am Meer sehr beeindruckend. Zum Freitagsgebet werden die Leute dann wohl mit Shuttle-Bussen hergekarrt. Komisch. Auf einem freien Gelaende neben der Moschee steht die Beschriftung der Strasse von Melaka, das ist auch ein bisschen kurios. Angeblich ist diese Meeresstrasse die laengste und belebteste der Welt, so steht da. The straits. Ja dann.

Von hier aus kann man auch eine Insel sehen, die den Spitznamen "Island of the Pregnant Lady" traegt, also Insel der Schwangeren. Wenn man sie gesehen hat, weiss man auch gleich, woher der Name kommt: Die Schwangere liegt auf dem Ruecken.

Danach verlassen wir die Toteninsel wieder und fahren zu einem gewissen Fort St. John's, das auf einem mittlerweile nach diesem Johann benannten Huegel liegt. Frueher hiess der Bukit Pipi - klingt ja fuer deutsche Ohren ziemlich doof, aber die (eine?) Bedeutung waere "Wangenhuegel". Hier oben gibt es Fernblick bis zur straits, jede Menge hollaendische Kanonen, die unter anderem von einem gewissen CLAES NOORDEN gemacht wurden und mit dem VOC der hollaendischen Ostindien-Kompagnie (VEREENIGDE OOSTINDISCHE COMPAGNIE) gekennzeichnet sind, und ein Fotoshooting fuer ein Tourismusmagazin. Die schoene, glueckliche Zweikindfamilie kann es vor Glueck kaum aushalten in Malaysia, so lautet wohl die im Bild einzufangende Botschaft. Gar nicht leicht einzufangen, scheint es ...

Von hier oben aus kann man auch das portugiesische Dorf sehen, ein Ueberbleibsel aus den uralten Kolonialzeiten. Angeblich wird da immer noch so ein antiquiertes Portugiesisch gesprochen, jedenfalls - wie das immer so ist - von den Aelteren. Man ist streng katholisch, weshalb an allen Haeusern, die sonst durchaus nicht viel anders sind als die malaysischen, ueber der Haustuer ein Jesus oder eine Maria prangt. Die Hautfarbe der Portugiesen sei dunkler als die der "Eingeborenen", sagt Mr Badrul. Allerdings haengen auch hier nur malaysische Fahnen, eine portugiesische ist weit und breit nicht zu sehen. Am Ufer liegt ein grosser Hotelkomplex, aber der ist noch nicht eroeffnet, und mit den "Mampfbuden", die das Hotel gern vereinnahmen moechte, gibt es insofern Probleme, als dass die sich nicht vereinnahmen lassen wollen. Vermutlich ist der Deal "Du kriegst schoene neue richtige Geschaeftsraeume fuer eine teure Miete" ... aber da deshalb vermutlich auch nicht mehr Kunden kommen, kann ich die Bedenken nachvollziehen. Auch sonst wirkt es ein bisschen tot.

Nachdem wir nun schon beim Thema Haeuser sind, sehen wir uns ein preisgekroentes (ja, hier gibt's wohl alljaehrlich einen Wettbewerb fuer das schoenste malaysische Haus) irgendwo in der Naehe des portugiesischen Dorfs an und dann das Kampung Morten, also das malaysische Dorf in Melaka-City, das wir gestern schon vom Fluss aus gesehen hatten. Hm, ja, so Haeuser. Und der Hang zu Gartenzwergen ist hier mindestens so gross wie in Deutschland, nur dass eben weniger kleine Maenner mit Knollennasen und spitzen roten Muetzen aufgestellt werden, sondern allerlei anderer Nippes, der auch nicht besser ist. Und Nationalfahnen. Hatte ich das Haus erwaehnt, dessen Dach anlaesslich der Unabhaengigkeitsfeiern mit der Flagge bemalt war und den Worten "50 Tahun Merdeka"? - Wir besehen uns die trueben Fluten, in denen trotz allem noch das schon bekannte Leben herrscht: Schlammspringer und Warane.

Dann fahren wir wieder ein Stueck und landen auf einem weiteren Friedhof, auf dem das Mausoleum von Hang Tuah zu finden ist. Ein Nationalheld und Ausbund an Loyalitaet zu seinem Sultan. Auf Tafeln rund um ein mehrere Meter langes, etwa schulterhohes Bauwerk, das das Mausoleum sein soll, sind die Abenteuer und Heldentaten in Wort und Bild dargestellt. Mir ist natuerlich am besten die Geschichte in Erinnerung geblieben, in der Hang Tuah eine schoene Braut geworben hat, die sich auf die Werbung in dem Irrglauben einliess, sie wuerde Hang Tuah, den Schoenen, Starken und Edlen ehelichen. Aber nein - der Held hatte nicht fuer sich, sondern fuer seinen geliebten Herrn, den Sultan, geworben - ob der nun ebenso schoen, stark und edel war, ist nicht ueberliefert. Vermutlich nicht - dumm gelaufen. Irgendwann jedenfalls soll Hang Tuah irgendeinen Dolch in irgendein Gewaesser geworfen haben (Excalibur, ick hoer dir trapsen), und seinen Bruedern und Schwestern dazu prophezeit zu haben, dass, solange der Dolch (ein Kris, versteht sich, so heisst die landestypische Variante) nicht auftaucht, Malaysia bestehen wird ... oder so aehnlich.

Unsere naechste Station erfordert wieder eine Ueberlandfahrt, und dann landen wir am Grab von Scheich Ahmad Majnun, neben dem ein paar Megalithen stehen, die im Volksmund lebende Steine (batu hidup - batu heisst Stein, das wissen wir ja schon seit den Batu Caves) genannt werden. Angeblich wachsen die ... sie sind jedenfalls recht ungewoehnlich geformt, und zwei von ihnen sind auch reliefiert. Sowohl Grab als auch Steine sind ordentlich eingefasst und ueberdacht. Irgendwie ein seltsamer Ort. Ich gehe auf Libellen-Fotosafari und habe auch eine schoene Trophaee davon heimgetragen. Unweit vom Grab gibt es einen Brunnen unter einem grossen fruchttragenden Mangobaum. Das sei die Sorte, die man noch leicht unreif isst und die dann eine pikante Saeure habe, weiss Mr Badrul zu berichten.

Wieder fahren, das naechste Grab. Bei Naning. Auf einem kleinen Friedhof hinter einer Moschee liegt ganz hinten in der Ecke ein halbwegs gepflegtes, vollkommen gelb angestrichenes Gebilde. Hier, mittlerweile am Waldesrand, frueher am Reisfeldrand, liegt der Held und Heilige Dato Dol Sayid begraben, auch wenn man von der Lokation eher sagen wuerde, dass hier der Hund begraben liegt. Am Reisfeldrand, weil Dol Sayid sich gegen die Besteuerung der Reisernte durch die Briten erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte. Dass ihn das zum Helden qualifiziert, sehe ich ein - woher die Heiligkeit kommt, habe ich nicht so genau verstanden. Ein paar Schritte in den Wald hinein stehen wohl noch ein paar kleine Megalithen, aber da muss ich schon die Flucht ergreifen - Mueckenattacke! Schnell weg hier! Burkhard hatte zwar zwei auf mir erschlagen, aber Stiche hatte ich da schon einige davongetragen, wie ich bald darauf feststellen muss. :-(

Am Wegesrand gibt es noch einen relativ grossen Megalithen zu sehen, der allerdings gebrochen und auch sonst in einem schlechten Zustand ist und daher "geschient" wurde. Ein trauriger Anblick. Interessanter ist da schon die Echse, die darauf sitzt. Weiter stehen am Wegesrand mehr malaysische Haeuser mit fuer den Grossraum Melaka typischen bunt gefliesten Treppenaufgaengen. Gar nicht sehr weit von Melaka entfernt liegt irgendwo im Nichts der Hindu-Tempel Sri Sithi Vinayagar Sri Bala Subramaniar Alayam. Ich liebe solche Namen ... Der Eingang ist mit Bananenpflanzen dekoriert. Das deutet auf irgendwas feierlich zu Begehendes hin. Und so ist es auch: aus der offenen Halle schallt uns etwas entgegen, das in westlichen Ohren eher den Eindruck von rhythmischem Laerm als den von Musik hervorruft, und Gurus (oder wie die heissen) sitzen mit nacktem Oberkoerper und leichter Bemalung vor einem grossen viereckigen Drahtkorb, in dem Sachen brandgeopfert werden. In einer Art von "Kapelle" ein paar Meter von der Haupthalle entfernt sitzt ein schwarzer Ganesha, der vor lauter Blumenketten kaum als solcher erkennbar ist. Insofern unterscheidet er sich nur wenig von mit Prachtmaenteln behaengten schwarzen Madonnen, wie sie gelegentlich in Pilgerkirchen anzutreffen sind ... nur dass die Madonnen auch bei genauem Hinsehen ueblicherweise keinen Ruessel mitten im Gesicht haben.

Dann, es ist spaeter Nachmittag, kehren wir nach Melaka zurueck. Im Hof des Hotel Puri schluerfen wir einen leckeren alkoholfreien Cocktail, und ich blogge ein bisschen. Abends essen wir in einem etwas enttaeuschenden Restaurant ein schlichtes Asam Pedras oder so aehnlich, Fisch in einem Currysud, dazu Reis. Hm. Das ist nicht direkt schlecht, aber irgendwie nicht so befriedigend - da gehen wir doch lieber nochmal ins Geographér's Café, um dort je ein Dessert und einen Cocktail zu konsumieren.

Na, fehlt nur noch, dass heute ein Sonntag gewesen waere - bei so vielen Friedhoefen, Graebern, Mausoleen waere das ein ausgewachsener Totensonntag gewesen!

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