Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 22. März 2009

Brillenschlangen unterwegs

Am Freitag hatte ich ja noch - voellig abwegig eigentlich - geglaubt, dass es am Wochenende wieder schoenes sonniges Fruehlingswetter geben wuerde, mit gelbem Ding an blauem Himmel. Am Samstagmorgen ereilte mich dann die graue Wirklichkeit. Hm. Nee - bei so einem Wetter will man nicht wirklich einen Ausflug ins Blaue oder Gruene machen, ich jedenfalls nicht. So raffe ich mich endlich fuer uns beide auf und schlage vor, mal wieder den Brillenmarkt zu besuchen, nachdem Burkhard seine Brille schon seit einiger Zeit nicht mehr gut genug ist. Die Gegend rund um den Bahnhof - in dessen "Eingeweiden" sich ja der Brillenmarkt befindet - ist jetzt auch eins von den zahlreichen Abrissvierteln: Shanghai putzt sich fuer die Expo. Die Bruchbuden, von denen einige noch eine kurze Gnadenfrist zu haben scheinen, sehen aber auch wirklich schlimm aus. Und jetzt, wo man sie zum Teil besonders gut in Augenschein nehmen kann, weil drumherum schon alles abgerissen ist, ist die verrottete Substanz deutlich zu sehen.

Burkhard findet recht schnell ein neues Gestell - mal wieder was Randloses - ich such' mir einen Wolf. Am Ende finde ich doch noch ein Gestell. Der Verkaeufer behauptet, dass er uns noch kennt, und man muss es ihm fast glauben. Ich beschwer' mich gleich ueber meine jetzige Brille - angeblich war das ja das allerbeste Gestell, aber die goldene Farbe unter dem Schutzlack vertrug sich lange nicht mit meiner Haut. Nur an der kleinen Stelle an den Ohren, wo das Gestell die Haut beruehrt, aber dafuer hat es mir Aerger genug gemacht. Zuletzt sind offenbar alle Allergene aufgebraucht, und es verhaelt sich hautneutral. Der Verkaeufer hat das gleiche Gestell noch im Sortiment und bietet mir kostenlosen Austausch an - einerseits verlockend, aber ich befuerchte, dass es dann wieder von vorn losgeht, weshalb ich am Ende dankend ablehne. Es dauert eine ganze Weile und bestimmt 50 oder mehr Versuche, bevor ich eine Brille finde, die nicht bescheuert und nicht allzu langweilig aussieht. Dann muessen wir noch Schlange stehen fuer die Staerkenueberpruefung - der Laden geht ziemlich gut.

Am Ende ist es schon fast halb fuenf, als Ding Shifu uns wieder einsammelt. Wir wollen aber noch einmal zur Moganshan Lu fahren, zum "Galerien-Nest" m50. Angeblich soll die Epson-Galerie, die sich (wenig ueberraschend) auf Fotografie spezialisiert hat, ja immer an Neuem interessiert sein. Burkhard hat seine Shanghai Highlights dabei. Da ist so ein Jimmy, der aber ziemlich aetzend von oben herab erlaeutert, dass das hier nur fuer Professionelle sei. Es ginge naemlich ums Verkaufen, sagt er. Ich entgegne etwas spitz, dass diese Fotos auch zum Verkaufen seien. Jaja, meint er, das wuerde ich denken ... Dummes Zeug, wenn ich sehe, was in anderen Foto-Galerien angeboten wird, sind Burkhards Fotos mindestens so verkaeuflich, und so reagieren schliesslich auch viele, die sie zu sehen bekommen. Der Typ ist aber ueberhaupt nicht hilfreich, auf meine Frage, ob er denn jemanden kenne, der auch noch unbekannten Kuenstlern ein Forum biete, gibt er nur ausweichend Antwort und den Hinweis, dass er sich auf Zeitgenoessisches spezialisiert habe. Soweit ich das ueberschaue, leben wir allerdings in derselben Epoche wie er ... Und auf chinesische Fotografen, faellt ihm dann noch ein. Dieses Kriterium erfuellen wir offenbar nicht. Ouf!

Leicht aergerlich machen wir uns von dannen und besuchen noch eine Handvoll anderer Galerien. Die Fotos bei Epson zeigen im Moment echte Menschen (und Haustiere), die fein saeuberlich in Bilder von Hausmodellen hineinmontiert sind. Hm. Da gefaellt mir die contemporary calligraphy eines Kuenstlers, dessen Namen ich mir dummerweise nicht gemerkt habe, schon besser. Chinesische Tinte auf Reispapier, dazu rote Stempel, die er gleich flaechenweise einsetzt - gar nicht uebel. Richtig gut sind die Kopien buddhistischer Hoehlenmalereien à la Mogao. Da haben Leute eine Methode entwickelt, diese Kopien in Originaltechnik, naemlich al fresco, auf eine duenne Lehmschicht zu malen - bloss dass dahinter eben keine Hoehlenwand ist, sondern eine Rahmenrueckwand. Nicht uebel!

Am Ende fallen wir noch in die Haende von Cong FangZheng, der seine zum Teil grauenhaft kitschigen, zum Teil gar nicht so ueblen Werke (ob die wirklich alle von ihm sind??) offenbar vor allem an Langnasen verkauft. Er hat eine ganze Wand voll mit Fotos, die ihn mit wechselnden Langnasen zeigen, und wir kriegen jetzt zu (fast) jedem Foto erzaehlt, welche Landsleute darauf zu sehen sind ... Und dann gibt es da noch das sagenhafte grossformatige Werk mit einer verschneiten Berglandschaft und zwei winzigen rot gekleideten Figuren am linken unteren Bildrand, das wir anzufassen genoetigt werden. Dieses Oelbild ist naemlich total unempfindlich, und es fuehlt sich ja so gut an, und ist es nicht super?! Irgendwie hat es was, das stimmt schon ... aber am Ende sind wir doch froh, als wir uns aus diesem Laedchen wieder verdruecken koennen.

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