Am Morgen werden wir von Li Chao abgeholt und fahren zum Piaotang-Bergwerk. Die Gegend durfte vor zwei Jahren aus mir nicht bekannten Gründen von Ausländern nicht betreten werden, jetzt gilt diese Einschränkung aber wohl nicht mehr. Zumindest hatte John dies über Li Chaos Vater, der Polizist ist, in Erfahrung gebracht. Wir sollen aber nicht fotografieren. Hm - so richtig wohl ist mir nicht zumute.
Wir erreichen die Piaotang-Mine und fahren zu einem am Rande gelegenen kleinen Büro. Dort werden wir schon erwartet und erst einmal zu einigen Tassen Tee eingeladen. Dann soll es auf das Minengelände gehen, aber plötzlich sind die verantwortlichen Chinesen sich nicht mehr so sicher, ob ich dort gesehen werden dürfte. Sie hantieren schon mit einer albernen Skimütze herum, um mich zu tarnen. Na, die hätte ich aber nicht aufgesetzt ... wer weiss, wer da schon drin wohnt! Ich sehe eben nicht chinesisch genug aus - Neffe Johannes hätte da wohl kaum Probleme gehabt. Jedenfalls einigen wir uns am Ende, dass ich besser im Fahrzeug bleibe. Wir fahren auf das Minengelände, sehen aber im Wesentlichen nur Halden. Am zweiten Haltepunkt (Haldepunkt, kalauert d. Red.) bittet man mich doch auszusteigen, woraufhin ich mir das Haldenmaterial etwas genauer anschaue. Derweil krabbelt John mit seiner UV-Lampe unter einer lichtundurchlässigen Plane über den Boden. Der Chef reicht mir ein paar interessante Brocken; einen nehme ich mit.
Nach kurzer Zeit sitzen wir schon wieder im Büro, es gibt ein großes Palaver, zahlreiche Telefonate und reichlich Tee. Was John sucht, ist derzeit wohl nicht zu finden. Also fährt der Chef vor uns her zurück nach Dayu. Um einen weiteren Mineralienfreund zu besuchen, wie es heisst, vor allem aber wohl, um uns, speziell mich, von der Mine wegzubekommen. Unterwegs geraten wir in eine Polizeikontrolle - mir wird's schon wieder ganz mulmig. Der Chef unterhält sich kurz mit den Polizisten, dann können wir unbehelligt durchfahren.
In Dayu besuchen wir bald darauf wieder eine Mineralienfreundwohnung. Der Sammler ist stolzer Eigentümer einer Großstufe, etwa 1 m lang und fast 50 cm hoch, aus weißem Quarz und grünem Fluorit - die ist allerdings beeindruckend. Bevor ich sie aber ausgiebig betrachten darf, wird sie erst mit Hilfe der bereitstehenden Spruehflasche durch einen feinen Wasserfilm zum Glaenzen gebracht. Immer noch besser als das sonst von Chinesen reichlich zu diesem Zweck verwendete Oel! Ansonsten hat er nur für mich absolut uninteressante Mineralien. Auch die anderen interessieren sich weniger für die Steine und mehr für das Basketballspiel, das gerade im Fernsehen übertragen wird: Detroit gegen Denver. Wir verabschieden uns denn auch bald. Der Chef der Mine fährt zurück zur Arbeit, wir bleiben in Dayu und fahren ein weiteres Mal zu Li Chaos Laden, wo wir nochmals seine Schätze durchforsten. Es findet sich aber kein weiteres für mich attraktives Material.
Zur Mittagszeit tauchen zwei Herren auf, mit denen wir zum Essen fahren. Der eine Herr möchte etwas über die Mineralienbörsentermine in Deutschland wissen, aber da kann ich ihm auch nur grobe Angaben machen. Nach dem Essen fahren wir zu seinem Haus. Im dritten Stock in einem separaten Zimmer mit Glasvitrinen werden die Mineralien in einer eher europäischen Art präsentiert. Es gibt viele schöne Stücke zu sehen, die Preise sind aber auch jenseits von Gut und Böse. Wir bleiben nicht allzu lange, sondern sind schon bald wieder zurück in unserem heimlichen "Basislager" hier vor Ort: Li Chaos Laden. Dort macht John in seinem tiefsten Innern die Entdeckung, dass wir morgen zurückfliegen sollten. Er führt einige Telefonate mit der Fluggesellschaft, und schon ist der Flug gebucht. Wir fahren noch schnell zum Busbahnhof und kaufen uns Fahrkarten für den darauffolgenden Tag. Uups! Fliegen! Darauf bin ich "gepäckmäßig" ja gar nicht vorbereitet, da müssen wir unser Gepäck wohl noch etwas umorganisieren. Dazu lassen wir uns von Li Chao Pappkartons und Klebeband geben, womit wir uns ins Hotel zurückziehen, um zu packen. Am Abend gibt es wieder nur ein kleines Abendessen.
Am nächsten Morgen müssen wir den 7:50-Uhr-Bus nach Ganzhou nehmen. Li Chao holt uns freundlicherweise am Hotel ab. In Dayu gibt es nämlich kaum Taxis, so dass wir anderenfalls Probleme gehabt hätten, zum Busbahnhof zu kommen. Vor der Abfahrt muss noch eine ältere Frau aus dem Bus komplimentiert werden. Obwohl drei Personen auf sie einreden und versuchen, sie vom Sitz zu zerren, gibt sie erst auf, als ein Polizist in den Bus steigt. Mehr braucht der allerdings nicht zu tun - eben nur die Autorität des Gesetzes verbreiten. Die Frau hat wohl keine Fahrkarte und auch kein Geld, um eine zu erwerben. Irgendwie tut sie mir leid, und einen Moment denke ich, ich könnte ihr ja die Fahrkarte kaufen - aber das kommt dann bestimmt irgendwie auch nicht gut, so dass ich beschließe, mich doch lieber ganz herauszuhalten.
Nach etwa zwei Stunden, um 9:50 Uhr, sind wir in Ganzhou, von wo aus es eine halbe Stunde mit dem Taxi weitergeht - so lange dauert die Fahrt zum Flughafen. Der Flieger soll um 12:50 Uhr starten, kommt aber erst mit Verspätung aus Xi'an an und dann auch erst um 14:30 Uhr los. Gegen 16:00 Uhr landen wir in Hongqiao. Ding Shifu holt uns ab, und wir bringen erst John nach Hause, bevor ich mich dann am frühen Abend - deutlich früher als erwartet, aber wohlbehalten und um einige Erfahrungen reicher - im hellen und warmen Zuhause wiederfinde.
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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