Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 7. März 2009

Der unvergleichliche Wat - Teil 1

Am vergangenen Mittwoch hat mir jemand gesagt, das graue, truebe, nasskalte da draussen (nennt sich das Wetter?) solle jetzt "nur" noch 12 Tage andauern. Was, noch fast zwei Wochen?! Wie soll ich mich denn da bei Laune halten? Schliesslich ist doch dieser Text, der jetzt gleich kommt, der dritte und letzte von den mitgebrachten literarischen Andenken an Angkor Wat, die seltsamerweise alle irgendwie mit Sonne, Licht, Farben und zum Teil auch Waerme zu tun haben und in meinem Kopf schoene Bilder "anklicken" und Erinnerungen an heisse Wintertage in Kambodscha. - Immerhin, ich muss es zugeben, habe ich heute am lichtgrauen Himmel eine Art grauweissen Fleck mit sehr unscharfen Raendern gesehen, und es hat nicht geregnet. Das andere Bild des Tages war der sehr frische Fischkopf im Supermarkt, der noch die Kiemen heftig oeffnete und schloss und wohl vergeblich zu atmen versuchte. Etwas makaber - deshalb will ich mich rasch von der ohnehin mit reichlich Eis allzu kalten Fischabteilung ab- und dem grossartigen Komplex von Angkor Wat zuwenden.

"Keiner, der je vom inneren Dammweg aus gesehen hat, wie die truebe graue Masse des riesigen Tempels nach und nach Gestalt annimmt und sich aus der Dunkelheit loest, wird diesen Anblick wohl so leicht vergessen. Lange nachdem all die anderen Sterne schon verschwunden sind, scheint der Morgenstern, immer schwaecher werdend, so lange, bis auch er im staerker werdenden Licht erstirbt. Unbestimmte Gestalten bewegen sich gespenstergleich durch die farblose Szenerie; sie nehmen diesen Weg zum Dorf, um einem der Tempelgoetter eine Blume oder eine Kerze darzubringen, alles in aeusserster Stille, die nur von dem gelegentlichen Klacken unterbrochen wird, das entsteht, wenn die Bambus-Wasserbehaelter zusammenschlagen, die an jemandes Tragstange hin und her schwingen.

Die Sonne scheint sich beim Aufgehen Zeit zu lassen. Aber schliesslich schickt sie in einer ersten morgendlichen Liebkosung langsam einen langen blassen Strahl, um die praechtigen Tuerme zu wecken, so, wie sie es Tausende Mal gemacht hat, seit die Tuerme zum ersten Mal ihrem entzueckten Blick enthuellt wurden. Und doch scheint dieser Strahl jeden Morgen mit derselben anbetenden Beruehrung auf ihnen zu verweilen, denn Angkor Wat ist ein Gebieter, dessen selbst meine Herrin, die Sonne, niemals muede werden kann.

Die Morgendaemmerung am Wat ist exquisit, der Sonnenuntergang aber ist spektakulaer. Im Zentrum seiner farbenpraechtigen Verwandlung scheint der enorme Steinhaufen ueberwaeltigend nah und doch maerchenhaft unwirklicher denn je. Die Wandreliefs in der aeusseren westlichen Galerie sind orange-rote, von lila Schatten gerahmte Bildplatten, abgeriegelt von der endlosen gleichfoermigen Reihe quadratischer Pfeiler, die weissgluehend in der Sonne liegen, und die Details der Reliefs, die an den Stellen, an denen die Haende ganzer Pilgergenerationen sie andaechtig beruehrt haben, wie poliertes Kupfer und Messing glaenzen, zeichnen sich in den suchenden Strahlen so scharf ab, dass Sie aus mehr als hundert Yards Entfernung noch die Details der Pferde und Streitwagen und Kaempfer aus den epischen Schlachten lang vergangener Zeiten ausmachen koennen. Das geschwungene, ueberhaengende Dach der Galerie erscheint in einem warmen, rosigen, lilastichigen Braun, in dem das Muster der verzierten Stein'fliesen' deutlich zu erkennen ist. Doch die zentrale Masse darueber scheint in dieser wunderlichen Beleuchtung zu ganz unmoeglichen Hoehen aufzusteigen, in denen sie alle Soliditaet verloren und die substanzlose Struktur einer Fata Morgana angenommen hat. Die Sonnenglut hat ihre Durchgaenge so gruendlich durchdrungen, dass nur hier und da ein Faden Dunkelheit das aetherische grau-goldene Spitzengewebe durchbricht, welches von den Daechern und Tuermen und mit feingliedrigen Saeulen versehenen Fenstern gebildet wird und das fast wie Wolken unmerklich mit dem gleissenden Dunst des Himmels verschmilzt.

Langsam, unter Ihren Augen, erstirbt der kupfrige Glanz der Reliefs in der Galerie, und die Kampfszenen verschwinden voellig, als ob sie in den Stein versunken waeren. Die Wand, jetzt leer und farblos, scheint sich weiter und weiter zurueckzuziehen, bis sie von der Dunkelheit vollstaendig verschluckt ist, abgeriegelt von duesternen grauen Pfeilern. Das rosa Dach nimmt erst ein kaltes Braun an und wird dann schwarz, waehrend die Sonnenstrahlen es verlassen; das goldene Licht verweilt aber noch auf den oberen Galerien, und waehrend die Sonne weiter sinkt, bahnt es sich seinen Weg immer tiefer unter die Vordaecher und Durchgaenge, bis am Ende jede Spur von Schatten in ihnen verjagt ist. Und so bleibt die Szenerie fuer die allzu kurze Zeit eines Atemzugs unveraendert, waehrend in Ihrem Ruecken der prachtvolle karminrote Sonnenball feurig hinter der aeusseren Fassade untergeht, wo er sich im stillen Wasser des heiligen Beckens spiegelt; ihre Hitze laesst die Sonne zurueck, gespeichert in dem Stein, auf dem Sie sitzen, und von wo aus sie Ihnen nun ein Leuchten mitten ins Herz sendet.

Nach und nach kriechen die flachen Strahlen, deren Licht sich zu Orange vertieft hat, hoeher und hoeher die Tuerme hinauf, wobei sie jede Ebene nur langsam zuruecklassen, als ob es ihnen widerstrebte, 'Gute Nacht' zu sagen. Sie verweilen ein oder zwei Augenblicke lang auf dem obersten von ihnen; die Spitze des hoechsten zentralen Punktes ueber dem Heiligtum flammt eine letzte Sekunde lang auf wie der Strahler eines Leuchtturms ... und verlischt ploetzlich ... Und dann nimmt der Mond, dreiviertel voll, den Schauplatz unter seine Obhut und verwandelt ihn im Handumdrehen von Gold in Silber, waehrend der Wat, eben noch erdrueckend nah, eine entfernte, geheimnisvolle Masse geworden ist, aus der alle Form und Farbe gewichen sind und die auf seltsame Weise den Eindruck eines ziemlich verschwommenen Fotos ihrer selbst erweckt."

Uebrigens habe ich den Text, der einem gewissen H. W. Ponder aus der Feder geflossen (und in einem Cambodian Glory betitelten Buch 1936 in London erschienen) ist, nicht geteilt, damit er noch fuer fast zwei Wochen reichen moege - sondern bloss, weil er mehr als doppelt so lang wie die beiden anderen ist.

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