Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Donnerstag, 31. Juli 2008

Donnerstag, 31. Juli 2008: Zwischenlandung in Xi'an

Jetzt ist es kurz vor halb sechs und wir sitzen auf dem Flughafen von Xi'an. Xi'an bedeutet uebrigens westlicher Frieden und ich vermute, dass es Zeiten gab, in denen Leute fanden, dass dieser Ort schon seeeeehr weit im Westen laege. Aber das muss natuerlich schon seeeeehr lange her sein, ist doch die grosse Mauer auch nicht mehr die Juengste. Und um ihren Anfang oder auch ihr Ende zu erreichen, muessen wir jetzt noch gut zwei Stunden fliegen.

Ich ueberlege - das scheint mir der erste Flug mit Zwischenlandung zu sein, den ich je gehabt habe. Fluege mit Umsteigen sind natuerlich nicht gemeint: hier heisst es raus aus dem Flugzeug und hinterher zurueck in dasselbe mit derselben Flugnummer. Das Einsammeln der Bordkarten, Aushaendigen einer "Transitkarte" und Zuruecktauschen gegen die urspruengliche Bordkarte beim Wiedereinstieg ist ein zauberhafter kleiner manueller Prozess mit der Eleganz eines
Taschenspielertricks. Erst werden alle Bordkarten fein saeuberlich eingesammelt und gestapelt. Auf dem Schalter am Ausgang werden sie dann fuer den Wiedereinstieg wie bei einer Patience sehr ordentlich ausgelegt, in der Mitte laengs leicht angeknickt, so dass sie etwas dachfoermig aufliegen, und mit der oberen rechten Ecke zu einem leichten Eselsohr hochgebogen, natuerlich bei allen Bordkarten ganz gleich. Die einzelnen Karten sind schuppenfoermig uebereinander gelegt, sonst wuerde der Platz ja nicht ausreichen. Mit traumwandlerischer Sicherheit greift die junge Frau ohne Ueberlegung aus den bestimmt an die hundert Bordkarten die jeweils zur nummerierten Transitkarte passende und zieht sie hervor, ohne dass die Ordnung der Reihen gestoert wuerde und alles chaotisch durcheinanderpurzelt - klasse.

Unsere Reisefuehrerin vom Veranstalter Eclipse City hat sich als eine Ivy geoutet, traegt aber trotzdem keine efeugruenen Sachen, sondern ein knallorangefarbenes T-Shirt. Als Erkennungszeichen hat sie ein Poster mit dem Bild einer Sonnenfinsternis dabei. Davon haben sich so an die 40-50 Leute angezogen gefuehlt.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Der Abflug steht bevor

Ja, das ging jetzt irgendwie schnell - morgen fliegen wir schon wieder! Kurzurlaub in den Finsternissen, oder wie soll man sagen? Eine Finsternis ist die Sonnenfinsternis am 1. August, die andere die Finsternis der Mogao-Grotten. Unser Reiseplan sieht folgendermassen aus:
  • Donnerstag, 31. Juli. Flug nach Jiayuguan. Wir muessen "wegen Olympia" (noch 9 Tage bis zum "Anpfiff") schon mindestens zwei Stunden vorher am Flughafen sein. Der Flug dauert 5 1/4 Stunden, allerdings inklusive einer Zwischenlandung in Xi'an. Ob uns da die Terrakottasoldaten einen coolen Drink servieren? Wie auch immer, nach dem langen Flug sind wir von Chinas Westgrenze immer noch weit weit entfernt. Wir bleiben in der Provinz Gansu.
  • Freitag, 1. August. Die Sonnenfinsternis. Tagsueber Vergnuegungscamp in der Wueste Gobi fuer ich weiss nicht wie viele Sonnen(finsternis)anbeter - bestimmt sind da Heerscharen, o je ... Am fruehen Abend (19:12 Uhr) ist der grosse, finstere Moment, danach sammeln wir unseren Kram und die Veranstalter die Heerscharen ein und es geht zurueck nach Jiayuguan. Dort gibt es ein Event namens "Eclipse Gala Dinner & Show".
  • Samstag, 2. August. In Jiayuguan (Link zu einer englischsprachigen Seite) befindet sich das Ende der grossen Mauer, oder auch der Anfang. Hier gibt's ein Stueck, das die haengende Mauer genannt wird - die werden wir besuchen und anschliessend das angeblich sehr gute Mauer-Museum (gibt's sowas nicht auch in Berlin?) sowie das fortifizierende Fort, das den Anfang der Mauer markiert.
  • Sonntag, 3. August. Mit dem Zug fahren wir in aller Herrgottsfruehe nach Dunhuang, auch knapp 5 Stunden. Den Nachmittag koennen wir auf der grossen Duene (gibt's sowas nicht auch in Pilat unweit von Bordeaux?) und am Mondsichelsee verbringen und mit Foermchen spielen oder so ...
  • Montag, 4. August. Wir besuchen die Mogao-Grotten und erkunden ein Stueck Seidenstrasse, die auf chinesisch uebrigens auch genau so heisst. Wir ueberqueren den Yangguan-Pass und besuchen den Nanhu-Damm.
  • Dienstag, 5. August. Wir machen einen Tagesausflug zu den Yulin-Hoehlen etwa 125 km oestlich von Dunhuang. Die gehoeren auch zum "Gesamtkunstwerk Mogao-Hoehlen", aber angeblich gibt's dort nicht so viele Terr-ouristen. Bin gespannt.
  • Mittwoch, 6. August. Einen ganzen Tag herumhaengen, erst am Flughafen Dunhuang, dann im Flugzeug nach Xi'an, dann am Flughafen Xi'an, dann im Flugzeug nach Shanghai, dann in unserem Auto. Ging leider irgendwie nicht anders.

Dienstag, 29. Juli 2008

Wenn das Essen winkt

... kann einen das schon mal ein bisschen nervoes machen, vor allem, wenn man es nicht erwartet. So geschehen heute mit unserem Sashimi. War da nicht mal dieses Lied von den Prinzen, in dem es heisst "Oder winken in Schwaben/aus dem Sashimi Kraben?" (mit Doppel-b wuerde es sich ja nicht reimen ...) Jedenfalls bin ich - huch! - schrecklich zusammengezuckt. Ansonsten hat es aber gut geschmeckt, und das Zucken (seins, nicht meins) hat dem Shrimp dann auch nicht mehr geholfen.

Im Moment sitze ich hier im Arbeitszimmer, und der Wind heult um die Skyline Mansion-Tuerme, dass man an Novemberstuerme denken muss. Heute war es auch furchtbar grau und es muss, der Naesse auf den Strassen nach zu urteilen, wohl heftig geregnet haben - hab's gar nicht mitbekommen in meinem "Aquarium". Hingegen war der Himmel gestern recht blau, und er wurde aufs Schoenste von rasch vorbeiziehenden weissen Wolken dekoriert.

Montag, 28. Juli 2008

Kleine Frustration

Wer hat nun eigentlich gestern seine kleine Frust-Ration abbekommen? Zheng Hong oder ich? Wie auch immer, nachdem ich den dritten meiner Faecher mit einem von Yang XiaoLi ausgewaehlten Gedicht* beschriftet habe, sollte diesmal nach Ansicht von Zheng Hong nicht einer der chinesischen Four-letter-Sentences auf der Rueckseite prangen, sondern ein Gebaeude, passend zum Text, sozusagen. Beim letzten Mal hatte er das schon angekuendigt und meinen skeptischen Blick damit quittiert, dass chinesische Malerei wie Kalligraphie sei, bloss Striche (ach nee!), und uebrigens viel einfacher, weil es, anders als bei der Kalligraphie, nicht ganz so genau darauf ankommt, wie jeder einzelne Strich aussieht und wie exakt er platziert ist. Ja dann ...

Apropos Four-Letter-Sentence (ich weiss gar nicht, mit welchem Fachausdruck man diese chinesischen Ausdruecke bezeichnet): Zheng Hong hat mir mal wieder einen Stempel mitgebracht, diesmal nicht mit einem Namen oder Drachen, sondern mit dem Spruch "san si er xing", erst denken, dann handeln (siehe auch Das mir!). Mit einem Stempel bekommt man diese Botschaft natuerlich viel schneller zu Papier als mit dem Pinsel! Den Stempel gab's wieder fast geschenkt, fuer bergeweise Material (mehrere Pinsel, ein Kasten mit 12 Tuben Farbe fuer chinesische Malerei, ein weiteres Vorlagenbuch, ein Teller zum Anmischen der Farbe) musste ich sage und schreibe 50 RMB hinblaettern. Angeblich nur 42, mein Protest (wo gibt's denn sowas, 12 Tuben Kuenstlerfarbe fuer angeblich nur 14 Yuan??) wurde ignoriert. Ich verarme!

Nun bestens ausgestattet, sollte ich ganz ohne Voruebung, nur nach Vorlage, rasch mal die Landschaft zu Papier bringen. Ich habe ratlos dreingeblickt, daraufhin hat er mir mal demonstriert, wie das geht, und in gar nicht langer Zeit eine Berg-Wald-Gebaeude-Wasser-Landschaft hingepinselt. Ich durfte ein paar Kiefernnadelbueschel malen, woraufhin Zheng Hong erst gesehen hat, was man alles falsch machen kann. Daraufhin hat er die Zeichnung doch lieber selber fertiggestellt. Am Ende wurde die Tuschezeichnung mit einigen Pinselstrichen koloriert, alles ganz einfach, und - peinlich! - mit meinem Namensstempel versehen. Ich schaeme mich ja richtig ob der Anmassung ...! Hier ist "mein" Werk:

Zwischendurch hat uns Zheng Hong noch ein paar seiner Bilder von Neuschwanstein und eins von Muenchens Marienkirche gezeigt - nach Fotos gemalt, das besagte Schloss ist einfach eine Ansicht, die Chinesen zu faszinieren scheint. Wenn ich wieder in Deutschland bin, muss ich da doch wohl mal hin ... bisher dachte ich immer, ich braeuchte das nicht ... Die Bilder waren uebrigens auf duennem chinesischen Reispapier gemalt und nachlaessig zusammengefaltet wie gebrauchtes Geschenkpapier.


*Sicher brennen alle nur so darauf zu erfahren, wie denn nun das besagte Gedicht mit dem Titel "Besteigung des Storchenturms" geht. Fuer meine Uebersetzung von der englischen Version gibt's keine Garantien - hier ist sie:

Die Sonne ist hinter den Huegeln untergegangen.
Der Gelbe Fluss fliesst ins Meer.
Steig' noch ein Stockwerk hoeher hinauf
und dein Blick auf die Welt wird sich weiten.

Der besagte Storchenturm, guan4 que4 lou2, war uebrigens urspruenglich um 580 n.Chr. erbaut und spaeter in der Yuan-Dynastie (1271 - 1368) zerstoert worden. Laut einem im Internet erstoeberten Artikel hat man ihn, mehr oder weniger an seinem urspruenglichen Platz, in der Stadt Yongji in der Provinz Shanxi am Ufer des Gelben Flusses ab 1997 wieder aufgebaut, 73,9 m hoch und (samt Park drumherum) 55 Millionen RMB teuer. Man kann jetzt also wieder weitere Blicke auf die Welt bekommen.

Sonntag, 27. Juli 2008

Haiku, zweite Version

Das selbstgemachte "spagyrische" Haiku geht mir immer noch so im Kopf herum, das kann einfach nicht so bleiben, es ist zu schlecht. Es bekommt jetzt einen Titel und heisst fortan "Im Garten des Spagyrikers". Die neue Version lautet:

Tautropfenrose -
der alte Schleifstein dreht sich
das Sirren der Klinge

Sommerliche Verschwendung

Hatte ich eigentlich schon erwaehnt, dass es jetzt seit einiger Zeit wieder richtig Sommer ist? Schwalben hab' ich zwar nicht gesehen, aber dafuer Grillen gehoert. Nicht das Grillen, das ist natuerlich in Shanghai nicht so populaer wie z. B. in deutschen Landen frisch auf den Gartentisch - schon allein deshalb, weil ja niemand draussen sitzen will, viel zu heiss, finden alle. Fast alle jedenfalls. Immerhin sind es fast taeglich um die 35°C. Besser als frieren!! Einige Kolleg/inn/en beklagen allerdings, dass die Klimaanlage in ihren Bueros so furchtbar kalt sei. Bei mir geht's zum Glueck, obwohl ich ueblicherweise auch kaltfingrig in die Mittagspause gehe. Eine hat sich einen Heizluefter mitgebracht - das ist natuerlich pervers, aber ich kann's verstehen.

Burkhard hat uebrigens neulich sogar welche von den Grillen gesehen, das sind halt diese grossen, etwa 10 cm langen. (Ob man die auch essen kann?!) Toll, das Geraeusch, aber ganz schoen laermig. In der Mittagshitze kommt das Motorengeraeusch der vorzugsweise schwarzen Autos hinzu, die am Strassenrand mit laufendem Motor dafuer sorgen, dass der Fahrer ein gut gekuehltes Mittagsschlaefchen in der prallen Sonne halten kann. Es gibt Leute, fuer die das Benzin definitiv nicht teuer genug ist ...

Die Essensreste von gestern gibt es auch in verschwenderischer Menge, da muessen wir uns jetzt richtig ranhalten, alles aufzuessen ... Ich muss auch dauernd an einen abgewandelten Loriot-Dialog à la graue Rentner denken:

'Ich hab' ja dann auch meine Kueche.' ...
'Kochen hat sowas - Lebendiges.'
'Ja, es macht viel Arbeit.'

Schmunzel. Aber die lohnt sich auf jeden Fall, die Arbeit! Anders als manchmal im Buero kann man wirklich sehen (und obendrein fuehlen, riechen, schmecken, in der Kueche manchmal sogar hoeren), was man produziert hat - allein das ist es schon wert.

Samstag, 26. Juli 2008

Im Fegefeuer

Ach nein, stimmt ja gar nicht - war bloss die Kueche. Manchmal faellt es dann doch unangenehm auf, dass sie keine Klimaanlage hat. Ich komme mir da auch vor wie Gary Larsons Trottel in der Hoelle, der naemlich das herrschende Klima gegenueber dem diensthabenden Teufel mit "Ganz schoen heiss hier" kommentiert, worauf der besagte Teufel ein recht frustriertes Gesicht macht.

Im Fegefeuer habe ich jedenfalls heute (und gestern Abend) das Menu vorbereitet. Es gab
  • Caponata siciliana mit Bueffelmozzarella
  • Vichyssoise mit Petersilienoel und Croûtons
  • Kurzgebratenes Rind und langgeschmortes Lamm mit Kartoffelgratin und Pilzragout
  • Kokos-Mango-Eis mit Rum-Rosinen-Ananassalat und kandiertem Ingwer

Mir war naemlich eingefallen, dass wir ja auch unsere Eismaschine mitgebracht haben, die habe ich hier noch gar nicht benutzt. Heute also Premiere, und recht lecker, fanden alle. Glaube ich. ;-)) Auch sonst war (fast) alles selbstgemacht, sogar der kandierte Ingwer. Das Ingwerkochwasser habe ich uebrigens (in kleinen Schlucken) getrunken, es war mir zu schade zum Wegwerfen. Das ist allerdings heftig. Hitze mit Heissem vertreiben - sogar eisgekuehlt wuerde ich den Ingwersud als heiss bezeichnen ...

Burkhard war fuer das Essen gestern und heute "jagen und sammeln" - und den Gratin hat er natuerlich auch gemacht, ist ja schliesslich seine Spezialitaet. Einkaufen fuer ein Menu ist nie ein Vergnuegen, aber hier gab es an diesen beiden Tagen nicht einmal etwas so Primitives wie Schnittlauch - der gehoert natuerlich auf die Original-Vichyssoise (eine kalte Kartoffelsuppe), weshalb ich vom Original ein bisschen abweichen musste. Und dann diese bloede Sache, dass es auch keine frische Sahne gibt ... aber gut, ich denke, dass wir, wo noetig, mehr oder weniger kreativ alternative Loesungen gefunden haben.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Bing Ba

... oder Eisbar, auf deutsch. 冰吧。Nein, ich habe kein e vergessen, dies ist kein Artikel ueber Polarfauna. Oder vielleicht irgendwie doch? Heute war ich mit meinen Kolleg/inn/en zum Essen eingeladen. Auf diese Weise hab' ich's endlich mal ins Binjiang One, hier ganz in der Naehe, geschafft. Seit Monaten wollen wir das ja mal ausprobieren, aber es hat noch nie geklappt. Immer waren wir zu faul oder zu satt oder ich weiss nicht was.

Der Laden scheint nicht supergut zu gehen und wirkt ein ganz kleines bisschen verlassen, was an den relativ hohen Preisen liegen mag. Nicht dass es ganz leer war, aber doch halb leer. Der Blick auf den Bund ist jedenfalls hervorragend, und das Essen ist auch gut. Kreativ-frongsoesiesch mit kleinen asiatischen Anklaengen, oder wie wuerde ich das nennen? Wenn man ein bisschen googelt, steht allenthalben "Fju:schn", mit langem u und sch wie j in frongsoesiesch journal, so heisst das wohl heutzutage ... Bei einigen Gerichten, muss ich allerdings sagen, haette ein bisschen mehr Salz (oder Meersalz) nicht geschadet. Wenn es selbst mir zum Teil etwas salzarm erschien, will das schon was heissen.

Statt Dessert haben wir dann die besagte Bing Ba auf gesucht. Und Eisbar darf man dabei gar nicht mit Eiscafé oder dgl. velwechsern, wie es seit Ernst Jandl ja heisst. Hier gibt's nichts ausser Wodka in ziemlich vielen Varianten, inclusive "parfumierten". Den braucht man dort wohl auch, es herrschen Minusgrade in einem kuehlen Dekor à la Eishotel. Man bekommt zwar einen warmen Winterparka samt kunstpelzbesetzter Kapuze geliehen, aber fuer die Damen ist es doch ein bisschen fusskalt ... meine Kollegin war in Anbetracht der zuletzt immer deutlich ueber 30 °C liegenden Aussentemperaturen ohne Struempfe in Sandalen unterwegs, brrr!, aber als sie erst zwei Wodka auf hatte, war sie dennoch guter Dinge. Ich habe mir hingegen mit einem kalten Apfelsaft in der Hand was zusammengefroren. Na, ich weiss nicht ... fuer meinen Geschmack braucht man dergleichen nicht, zumal das natuerlich Energievergeudung ohnegleichen ist. Danach war es dank meiner Brille draussen sehr lange sehr neblig, aber ansonsten habe ich alles gut ueberstanden.

Montag, 21. Juli 2008

Der Fortschritt humpelt links (oder rechts) herum

... wobei das eine voellig unpolitische Aussage ist. Und wenn er geradeaus ginge, braeuchte er gar nicht zu humpeln, das hat einzig und allein damit zu tun, dass dasselbe chinesische Zeichen guai 拐 fuer hinken und abbiegen steht, wie wir neulich entdeckten. Chinesen koennen darueber natuerlich nicht lachen, aber bei uns taugt diese kleine sprachliche Kuriositaet fuer den beruehmten "gespielten Witz".

Apropos Witz: es gibt tatsaechlich mindestens einen, der sogar auf chinesisch funktioniert. Wenn man ein Paar vorbeigehen sieht, kann es gut sein, dass die Frage aufkommt, ob die beiden eigentlich verheiratet sind. Antwort: Ja, beide.

Und weil sich nun jede/r fragt, was das alles mit Fortschritt zu tun hat: manchmal ist das Chinesische erstaunlich einfach. Beispiel: frueher ma-che, 马车, Pferd-Gefaehrt, heute qi-che, 汽车, Dampf-Gefaehrt. Und die kreative Entdeckung von heute bezieht sich auf den beruehmten Prinzen auf dem weissen Pferd, auf den sogar die chinesischen Frauen und Maedchen warten: bai ma wangzi, 白马王子, Weisspferdprinz. Da braucht man nur einen Buchstaben der Lautschrift zu veraendern und hat bao ma wangzi, 宝马王子, was zwar woertlich Schatzpferdprinz heisst, aber, ich erwaehnte es schon (siehe Quai des brumes), BMW-Prinz bedeutet. Und ich koennte mir gut vorstellen, dass manche der Chinesinnen von heute, vielleicht auch die meisten, den BMW einem Pferd vorziehen wuerden. Zum Beispiel hier in Shanghai taete es mir auch wirklich leid fuers Pferd, wahrscheinlich wuerde das immerzu angefahren und muesste dann doch nicht nur links oder rechts herum, sondern sogar geradeaus humpeln. Oooch, das arme!

Aber (auch) deshalb macht Sprache eben so viel Spass!

Sonntag, 20. Juli 2008

Mittwoch, 28. Mai 2008: Regendrachen

Unser letzter Tag, schaaade! Wir muessen also ein kleines bisschen frueher aufstehen, um unsere Sachen zu packen. Das erfordert diesmal besondere Denkleistung (und das auf nuechternen Magen! ;-)) ), muessen wir doch beruecksichtigen, dass alle nicht Handgepaeck-tauglichen Sachen schon gleich in den Koffern landen und dass wir noch trockene Sachen bereitlegen muessen, um uns nach der Flossfahrt umziehen zu koennen, denn laut Warnung im Programm koennte man wohl ein wenig Wasser abbekommen. Schliesslich gilt es, etwa ein Dutzend kleine Staustufen zu ueberwinden!

Das Wetter sieht, wir sind ja schon daran gewoehnt, ziemlich truebe aus. Na ja, gehen wir erst einmal fruehstuecken, vielleicht klart es ja noch auf. Waehrend wir das schon bekannte Pfannkuchenfruehstueck verzehren, klart es aber nicht auf, sondern ganz im Gegenteil: es beginnt zu schuetten! Wir sitzen skeptisch unter der Markise und ziehen uns auf die Plaetze an der Hauswand zurueck, weil der Regen vom Strassenpflaster auf unsere Beine spritzt. Und es ist keine Besserung abzusehen! Ping hat ihr Cape dabei und leiht uns daher ihren Schirm, damit wir erst einmal halbwegs trocken zum Zimmer gehen koennen. Aber auch waehrend des Zaehneputzens findet der Regen kein Ende; als wir wieder vor die Tuer treten, scheint sich der heftige Guss in einen gleichmaessig-ergiebigen Landregen gewandelt zu haben. Nun gut, ist ja letztlich egal, ob man von Fluss- oder Regenwasser oder beidem nass wird.

Mit dem sogenannten Elektroauto, einer Art offenem Minibus, werden wir auf Holperstrassen durch die regennasse laendliche Landschaft zu der Stelle am Yulong-Fluss gefahren, an der wir aufs Floss steigen sollen. Wir haben die Regencapes an, und eine Frau verkauft ganz normale duenne Plastiktueten "fuer um die Fuesse zu binden", wie dae Koelner an sisch sagen wuerde. Dann heisst es unsere Plaetze auf dem Bambusfloss einnehmen. Huch, da sind wir aber ganz schoen 'rumgeeiert … haben aber die Sitze ohne Unglueck erreicht. Die Floesse bestehen aus dicken Bambusstangen mit einem Durchmesser von vielleicht 15 Zentimetern, vorn sind sie etwas nach oben gebogen. Darauf montiert sind zwei Stuehlchen fuer die Fahrgaeste und ein grosser Sonnenschirm, der offenbar auch als Regenschirm Verwendung findet, fertig. Der Floesser steht mit einer Stakestange hinten und lenkt das Gefaehrt uebers Wasser. Wenn die Staustufen kommen, sollen wir uns am Sitz und unser Gepaeck an uns gut festhalten und die Beine anheben, gibt uns Ping noch mit auf den Weg, dann ueberlaesst sie uns in den Haenden des Floessers unserem Schicksal.

Es geht auch gleich los, und schon bald kommt die erste Staustufe. Das sieht aber ein bisschen bedenklich aus?!!! Die erste ist wohl auch die hoechste, wir fahren darauf zu, Beine hoch!, das Floss kippt vorn herunter und taucht ins Wasser, Hilfe!, dann kommt es aber wieder hoch, und die Fahrt kann ganz normal weitergehen. Nur dass es mehr so von hinten unten geschwappt hat: waehrend Fuesse, Ruecken und Vorderseite regenabweisend gewappnet sind, hat uns niemand gesagt, dass auch der Allerwerteste in Gefahr ist. Jetzt sind Hose, Rock und Slip nass. Na ja, egal, es ist ja nicht kalt.

Von den Staustufen abgesehen ist es eine ganz gemaechlich-gemuetliche Stakfahrt auf dem Fluss. Es ist wunderbar still, man hoert nur den Regen und das Geplaetscher der Staustufen. Wir sehen Wolkenfetzen zwischen den unechten Bergkulissen wabern. Das sieht schon toll aus! Auch (oder gerade?) im Regen ist die Landschaft sehr schoen.

Bald kommen wir an der ersten "Wasserbar" vorbei, einem etwas groesseren und besser ausgestatteten Floss, das irgendwo auf dem Fluss festgemacht ist und fuer die Touristen kalte Getraenke anbietet. Wir haben keinen Bedarf, kaufen aber ein Bier fuer den Fahrer. Heute geht das Geschaeft wohl nicht so gut.

Gestern hatte uns Ping auf blass-himbeerrosa Ballen von Schneckenlaich aufmerksam gemacht, die man an den Flussufern finden kann. Sogar am Teich bei unserem Hotel mitten in der Stadt uebrigens, wo wir am Abend zuvor auch eine Schnecke bei der Laichablage beobachtet hatten. Wenn man das einmal weiss, sieht die man Laichballen ueberall. Zu hunderten, zu tausenden, an Steinen und Pflanzen, ueberall! Wir sind umgeben von Abermillionen Schneckeneiern! Ein einzelner Ballen sieht eigentlich huebsch aus, wie gesagt, himbeerfarbig und –foermig, aber in dieser Menge ist es fast schon widerlich. Diese Schnecken scheinen einigermassen ungeniessbar zu sein, wo doch den Chinesen nachgesagt wird, dass sie alles essen. Diese aber wohl nicht, obwohl die Schnecken richtig ordentliche Happen abgeben wuerden, in der Groesse eines kleinen Huehnereis, wuerde ich sagen.

Nach einer guten Stunde sind wir am Ziel. Die Bruecke sieht heute von unten im Regen ganz anders aus als gestern von oben in der Abendsonne – aber kein Zweifel, das ist wohl die Stelle. Ping erwartet uns schon mit dem "Elektroauto". Auf der Regenseite sind die Fensteroeffnungen immer noch mit Planen zugehaengt: gucken nur auf einer Seite. Warum heissen die Dinger wohl Elektroautos, wenn's doch keine sind? Das ist doch Quatsch … Wir fahren auf demselben Weg zurueck in die Stadt wie gestern mit dem Rad. Ping liefert uns am Hotel ab, und wir verabschieden uns hier von ihr. Es hat schon Spass gemacht mit ihr, eine sehr nette und gute Fuehrerin ist das!

Wir muessen uns ein bisschen ranhalten, denn man muss um 12 Uhr auschecken und wir haben nur eine halbe Stunde Karenz bekommen, da unser Zimmer am selben Tag wieder belegt wird. Raus aus den nassen Klamotten, rein in die bereitliegenden trockenen Sachen – und dann haben wir die nassen Stuecke noch ein bisschen gefoent. Wir sind naemlich in Sorge, dass die Koffer zu schwer werden, wenn wir diese Sachen allzu feucht einpacken. Nicht dass wir wegen ein bisschen Flusswasser in der Kleidung extra zahlen muessen, wo doch die Preise fuer Uebergewicht meist fantastisch hoch sind!

Am Ende sind wir ein kleines bisschen vor der Zeit fertig und gehen auschecken und unsere Koffer an der Rezeption abstellen. Schon um 16:20 Uhr muessten wir losfahren, hatte uns schon Tony beim Abschied ans Herz gelegt. Zwar ist unser Flug erst um halb neun, aber die Fahrt wuerde ja dauern, und wegen "Olympiasicherheit" muesse man ja jetzt auch bei Inlandsfluegen schon zwei Stunden vorher da sein. Herrje! Bevor wir aber an Abflug denken, lenken wir unsere Schritte noch einmal durch die Weststrasse zur Schiffsankunft und gehen Touristen begruessen. Wir begruessen sie natuerlich nicht buchstaeblich, sondern gucken nur von oben zu, wie die Schiffe eins nach dem anderen ihre Ladung am Ufer "auskippen". Unglaublich, was das fuer Touristenstroeme sind!

Als sich die Stroeme zu einem Rinnsal verlaufen haben, suchen wir erst einmal ein geeignetes Etablissement zum Mittagessen. Wir finden eine crêperie bretonne – wer weiss, vielleicht klappt nordfranzoesisch in suedchinesisch besser als sueditalienisch in suedchinesisch? Wir sind die einzigen Gaeste, was ja normalerweise kein gutes Zeichen ist, aber hier irrt die Mehrheit: wie es sich gehoert, gibt es die salzigen Versionen als galettes aus Buchweizenmehl und die suessen als crêpes. Und alles schmeckt gut, ich bekomme tatsaechlich einen der Klassiker, mit caramel au beurre salé, also diesem – mjam! - leckeren Karamel mit gesalzener Butter. Dazu gibt's bretonischen Cidre zu trinken, alles stilecht. Gleich nebenan liegt ein franzoesisches Restaurant, das gehoert wohl demselben; vielleicht haetten wir gestern lieber dort dinieren sollen?!

Jetzt haben wir natuerlich noch ein bisschen, aber nicht allzu viel Zeit, der Regen hat nachgelassen, aber es sieht immer noch so aus, als koenne es jederzeit wieder loslegen mit dem Wasser von oben. Und zugegebenermassen sind wir jetzt auch ein bisschen faul, so dass wir beschliessen, noch einmal gemuetlich im Ming Yuan Café zu sitzen, in dem es uns schon am Montag so gut gefallen hat. Gesagt, getan. Wir geniessen die Kaffeespezialitaeten dort, auf dem Buechertisch im Innenraum entdecke ich die chinesische Ausgabe eines Klassikers von Antoine de Saint-Exupéry: Xiao Wangzi. (Bei diesem Link kann man ein paar Zeilen hoeren.)

Um kurz vor vier Uhr nachmittags machen wir uns auf den Weg zurueck zum Hotel. Wir kommen ein bisschen vor der vereinbarten Zeit an und Shi Shifu, derselbe, der uns auch in Guilin und nach Longji gefahren hat, ist sichtlich erleichtert, dass wir nicht verlorengegangen sind und er deshalb keine Suchaktion starten muss. Seine Frau und einige Tueten mit Obst- und Gemueseeinkaeufen sind auch dabei. Dann kann's also losgehen zum Flughafen. Fast eindreiviertel Stunden dauert die Fahrt, es geht ueber Schleichwege. So richtig leise kann man da aber auch nicht fahren, sie sind ziemlich holperig. Schleichen bezieht sich somit nur aufs Tempo. Unterwegs haben wir auf fast leerer Strasse noch einen Beinah-Unfall, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer meint, er muesse unvermittelt Fahrkapriolen schlagen. Nicht zu fassen … aber es ist ja nichts passiert, und ganz ploetzlich sind wir aus dem Nichts am Flughafen angekommen, das war definitiv nicht der offizielle Zubringer. Wir verabschieden uns jetzt auch vom Fahrer, und nun heisst es nur noch einchecken, warten, fliegen, heimkommen.

Das Einchecken geht schnell, die Sicherheitskontrolle auch – somit duerfen wir besonders lange warten. Nachschlag gibt's noch, weil das Flugzeug, das uns nach Shanghai bringen soll, etwas verspaetet eintrifft und daher auch verspaetet abfliegt. Am Ende kommen wir ein bisschen verspaetet in Hongqiao an, von wo uns Ding Shifu in weniger als einer halben Stunde sicher nach Hause befoerdert. Gegen Mitternacht sind wir da. Morgen geh' ich dann einfach ein bisschen spaeter ins Buero.

Samstag, 19. Juli 2008

Dienstag, 27. Mai 2008: Paettkestour

Zum Fruehstueck im siebten Himmel bekommen wir genau das, was wir gestern bestellt haben: Joghurt mit frischem Obst (Apfel und Wassermelone), Eier (geruehrt oder gespiegelt) mit Speck, Toast mit Butter und Marmelade und Bananenpfannkuchen, dazu frischgepressten Orangensaft und Tee. Das Lustige ist, dass man auswaehlen konnte, ob man Toast mit Butter und Marmelade oder Bananenpfannkuchen moechte, und dass man beides bekommt, wenn man den Pfannkuchen angekreuzt hat … Ping ist schon da und leistet uns Gesellschaft. Sie macht einen sehr netten und patenten Eindruck, auch einen erfahrenen – blutjung ist sie nicht, bestimmt aelter, als sie aussieht.

Nach dem Fruehstueck gehen wir noch einmal "auf" unser Zimmer (sagt man wohl so "auf" Deutsch), um uns die Zaehne zu putzen und die natuerlich bereit liegende Ausruestung incl. Regencape zu greifen (der Wetterbericht verheisst nichts Gutes, heavy rain, sagt Ping … o je!), dann koennen wir uns bei einem der zahlreichen Fahrradverleiher einen Drahtesel aussuchen. Es gibt fuer mich i. W. die Auswahl zwischen einem Damenfahrrad und einem Mountainbike mit einer Stange wie beim Herrenfahrrad, also keine. Damit geht wenigstens die Fahrradwahl schnell, wir fahren ein paar Probemeter, ich auf meinem Damenfahrrad "mit nichts", Burkhard auf dem Mountainbike mit Gangschaltung. Noch rasch den Sattel auf die richtige Hoehe einstellen, Abfahrt!

Wir fahren zuegig aus der Stadt hinaus und kommen schon bald an den Yulong-Fluss (遇龙, sprich Ülong). Zwar habe ich irgendwo als Uebersetzung "Jadedrachenfluss" gesehen, aber das ist gar nicht richtig. Zwar heisst (eins der vielen) Yu Jade und Long heisst Drache, aber das erste Zeichen ist nicht das fuer Jade. Dieses Yu heisst vielmehr treffen. Ob man da Drachen treffen kann? Zunaechst ueberqueren wir aber diesen nicht sehr breiten und ganz sanft dahinfliessenden Fluss nur, um dann am Li entlang nach Liugong zu radeln, durch Felder, Wiesen und Auen, sozusagen. Es ist alles sehr laendlich. In manchem Wasserspiegel auf frisch bepflanzten Reisfeldern spiegeln sich die unechten Karstgipfel, die wirklich taeuschend echt aussehen …! Oder sollten die doch echt sein??!!

Es ist ganz schoen warm, ich verliere unterwegs den Stoepsel meiner Wasserflasche, so was Dummes! Irgendwann hat sich dann auch noch die Sattelarretierung geloest und ich rutsche waehrend der Fahrt immer tiefer, zu Hilfe! Von den Bremsen des Fahrrads rede ich gar nicht, eine Ruecktrittbremse hat es nicht, und die Handbremsen kreischen zum Karstbergerweichen. Es ist auch besser, nicht allzu viel in der Landschaft herumzugucken, denn die "Strasse" ist nicht befestigt, und tiefe Schlagloecher und dicke Steine bedrohen den arglosen Radfahrer. Ansonsten laeuft aber alles gut, es ist heiter bis wolkig und wir sind fuer die Wolken im Grunde recht dankbar, denn es ist auch ohne volle Sonne ziemlich heiss.

Nach etwa zweieinhalb Stunden und 16 oder 17 Kilometern erreichen wir Liugong, ein kleines Bauerndorf am Li. Dort kehren wir bei einem Bauern zum Mittagessen ein, es gibt "chinesische Landkueche", nichts Besonderes, ganz lecker. Waehrend wir aufs Essen warten, viel trinken und uns in der schattigen Loggia oberhalb des Ufers ausruhen, waescht eine Frau nach alter Manier mit der Hand auf dem Treppenstein ihre Waesche im Fluss. O je – ich moechte definitiv nicht tauschen. Ping erzaehlt aus ihrer Jugend: als sie sechs Jahre alt war, musste sie die Waesche der Familie waschen. (Ihr Bruder hingegen durfte faulenzen, Jungen sind ja faul und keine grosse Hilfe …, sagt sie.) Sie berichtet, wie sie die grossen schweren nassen Waeschestuecke der Eltern kaum tragen und handhaben konnte und sich damit weinend abgeplagt hat. Offenbar eine nachhaltige Erinnerung.

Beim Essen ueberlegen wir erst, wie der Nachmittag weitergehen soll. Wollen wir zurueckradeln, ein Boot oder Auto anheuern und uns damit zurueckfahren lassen oder gar noch weiter fahren? Das Wetter sieht zwar ein bisschen bedrohlich aus, aber eben nur ein bisschen, nicht sehr. Nein, da sind wir uns einig: jetzt sofort zurueck wollen wir noch nicht – und auf demselben Weg schon gar nicht. Ausserdem hiess es ja, man koenne, wenn man wolle (oder koenne ;-)) ) noch zum Mondberg fahren. Wie weit das sei? Nochmal so weit? Gut, dann machen wir das, stillschweigend annehmend, dass wir uns ja dann bei Bedarf vom Mondberg abholen lassen koennen.

Bevor wir uns aber wieder auf den Sattel schwingen, machen wir erst noch einen Dorfrundgang. Ein altes Tempelchen ist stillgelegt, die alten, finsteren Haeuser sozusagen auch: wer es sich leisten kann, baut ein neues Haus mit grossen Fenstern und nutzt die alten "Hoehlen" als Speicher und Abstellraum. Und fuer den Hausaltar. Eine aeltere Frau laesst uns den Hof eines solchen alten Hauses betreten. Die Tueren von Haus und Hof sind mit chunlian aus rotem Papier geschmueckt. An der Aussenwand beherbergen ueberdachte Nischen unter anderem die Kueche (Feuerstelle, Spuelbecken). Den zentralen Eingangsraum, der wirklich hoehlenfinster ist, beherrscht jetzt – ein Fernseher. Na, der steht aber unguenstig, direkt gegenueber der Tuer … Aber vielleicht ist der ja nur fuer die Ahnen? Die winzigkleinen Fenster, je eins hoch oben neben der Tuer, sind im ansonsten recht rohen Mauerwerk ueberraschend fein aus Stein gearbeitet, in Form je einer glueckbringenden Fledermaus. Ohne Scheiben, versteht sich. Das neue Haus hat ein paar geflieste Waende und sieht gar nicht nach Dorfromantik aus – aber wenigstens ist es hell und bequem und trocken, wer wollte es den Bewohnern verdenken, dass sie es vorziehen? An einem anderen Haus entdecken wir feinst gearbeitete Stirnseiten von Balken ueber der Tuer, so gar nicht baeuerlich-derb. Ja, hier haetten die reicheren Bauern gewohnt ...

Dann machen wir uns aber doch auf den Weg weiter Richtung Mondberg. Wir haben ein Stueck Landstrasse dabei, das nicht viel besser ist als die bisher befahrenen Wege, nur mehr von Autos und LKWs befahren wird. Puuuh, ist das heiss! Wir sind jetzt doch ein bisschen angestrengt und Burkhard hat Probleme mit dem Fotoapparat, der einfach nicht richtig arbeiten will. Bad vibrations. Unterwegs begegnen uns Frauen, die mit Hilfe eines Jochs Kinder in Koerben herumtragen und sich fuer Geld fotografieren lassen wuerden. Bald darauf kommen wir durch eine Mini-Siedlung, in der jemand eine zahme Eule hat, die man am Strassenrand bestaunen kann. Das Beste an der Siedlung: sie gibt uns das Gefuehl, der Zivilisation wieder naeher zu kommen, ein Gefuehl, dass wir mittlerweile ganz beruhigend finden. Kurz darauf erreichen wir eine glatt asphaltierte und richtig stark befahrene Strasse. Ah, hier ist der Park mit dem Banyan-Baum. Ping meint, da koennten wir auf dem Rueckweg halten, wenn wir wollten. Burkhard hat gar keine Lust, ich moechte eigentlich lieber gleich … aber nun gut, fahren wir erst mal zum Mondberg. Das ist zum Glueck nur noch ein kurzes Stueck Wegs auf dieser Strasse. Zwar ist sie stark befahren, aber sie hat einen superbreiten Seitenstreifen, auf dem alle langsameren Fahrzeuge recht sicher (glaube/hoffe ich jedenfalls) fahren koennen. Es ist in meinen Augen ein echter Vorteil, eine glatte Asphaltpiste unter den Reifen zu haben, denn jetzt kann man den Blick auch mal ein bisschen schweifen lassen.

Bald sind wir da, jetzt doch ein bisschen kaputt. Wir machen erst einmal Rast im Mondbergcafé. Ah, was zu trinken! Wir bestellen ausser Wasser und Saft auch einen Kaffee mit Ingwer nach dem Prinzip, die Hitze mit Heissem zu vertreiben, denn Ingwer ist ein "warmes" Lebensmittel. Ah, hier in Ruhe am Tisch sitzen und den Mondberg von unten bewundern – das reicht uns fuer heute. Ihn besteigen? Nein, definitiv nicht, das jetzt nicht auch noch. Zwar erzaehlt Ping, dass man von oben einen wunderbaren Blick hat, aber dafuer hat man dann keinen wunderbaren Anblick. Schliesslich hat der Mondberg seinen Namen von einem kreissegmentfoermigen Loch, das zumindest den Eindruck erweckt, vollmondrund zu sein, und sich geradewegs in der Mitte des auch recht symmetrisch wirkenden Berges befindet. Natuerlich ist er nicht wirklich auch nur annaehernd symmetrisch, aber bei diesem Gebilde hat mein "inneres Fotoalbum" das Flag "automatisch stilisieren" gesetzt, und das scheint sich auch nicht loeschen zu lassen. Fuer manche Leute sei es ein Muss, oben auf dem Mondberg den Sonnenaufgang zu beobachten, das habe sie auch schon mit manchen Touristen gemacht, sagt Ping. Aijai, da muss man dann aber seeehr frueh aufstehen. Mitten in der Nacht hinradeln, im ersten Morgengrauen schon Berge besteigen? Fuer andere Leute mag das ein Muss sein, fuer mich nicht. Ping muss sich dann auch anstrengen, sagt sie doch, sie muesse jeden Tag 10 Stunden Schlaf haben. Wie macht man das denn???!! Halt um 9 Uhr abends ins Bett gehen und um 7 Uhr morgens aufstehen, sagt sie. Nein, das kann ich ja nun wirklich nicht … wahrscheinlich muss sie auch aus ihren Kindertagen noch Schlaf nachholen. Zur Zeit der Reisernte im August haetten sie damals mitten in der Nacht aufstehen und ab 2 Uhr (nachts) mit Fackeln auf dem Feld arbeiten muessen. Ich denke, dass sich Pings Leben, wie auch immer es genau jetzt sein mag, zum Besseren gewandelt hat. Wenn man seine Heimatlandschaft liebt, kann es ja nicht das Schlimmste sein, mit langnasigen Touristen Radtouren durch dieselbe zu machen – so schlimm koennen die gar nicht sein. Oder …?

Es ist jetzt gar nicht mehr die Rede davon, dass wir uns von hier mit dem Auto abholen lassen koennten – noch 7 Kilometer auf der asphaltierten Hauptstrasse, weiter seien wir nicht mehr von Yangshuo entfernt. Ja dann … mittlerweile entwickeln unsere Hintern einen eigenen Willen und wollen nicht mehr auf den Sattel … Als wir etwas ausgeruht wieder losfahren, kommen wir an einer riesigen Plakatwand vorbei, auf der Li Village als Modelldorf angepriesen wird. Als "das Mondbergdorf" sei ihr Heimatdorf ueberregional bekannt, sagt Ping - den Namen wuerde hingegen keiner kennen. Aehnliches gilt fuer die naechste Siedlung ganz in der Naehe - das Dorf ihrer Mutter, in dem sie selbst jede Menge Zeit bei den Grosseltern verbracht hat. Der Name ist auch hier Schall und Rauch: die Zhuang-Siedlung ist als das Dorf mit dem grossen Banyan-Baum bekannt. Wir naehern uns dem besagten Banyan-Baum-Park-Gelaende nun quasi durch den Lieferanteneingang, was es uns aber nicht erspart, das Eintrittsgeld (immerhin 18 RMB pro Person) zu bezahlen. Seit 1978 ist der Baum eine Touristenattraktion, die Ruhm und Geld ins Dorf bringt. Dabei hat der Baum schon ganz andere Zeiten gesehen, er soll sage und schreibe ueber 1400 Jahre alt sein! Alles ist nett angelegt, an einem kleinen Fluss steht der grosse – riesige! – Baum, es gibt ein paar Verkaufsbuden und Leute in bunten Trachten, zur Ausstattung des Flusses gehoeren Flosse (das ist jetzt mal ein Wort, bei dem das Eszett besonders bitterlich fehlt), auf denen man kostenlos uebersetzen kann (nicht eigentlich kostenlos – das ist im Eintrittspreis enthalten) zu einer "offenen Hoehle", die natuerlich ausser bizarren Felsen auch eingearbeitete Kalligraphien aufzuweisen hat. Den Fluss schmueckt hier ein funktionsloses Wasserrad. Auf einem breiten Damm, nur ein kleines Stueck hoeher als der Wasserspiegel, kann man wieder zurueckgehen. Frueher sei der Damm viel schmaler gewesen und bei schlechter Witterung ueberschwemmt, sagt Ping. Wir gehen all dies in umgekehrter Reihenfolge ab, so dass der Baum als Hoehepunkt zuletzt kommt. Der ist riesig, irgendwo habe ich gelesen, dass er eine Flaeche von etwa 1000 Quadratmetern bedeckt, also einen Kreis mit einem Durchmesser von etwa 35 Metern. Ob das stimmen kann? Scheint mir zuviel, die Haelfte erscheint mir plausibel. Aber ein Kreis mit 17 Metern Durchmesser ist immer noch ganz schoen gross, und der Banyan-Baum hat weit ausladende Aeste, von denen er vor langen Zeiten Luftwurzeln zu Boden gestreckt hat, die sich jetzt zu richtigen Staemmen entwickelt haben. Uebrigens mit einer anders aussehenden Rinde, so dass ich im ersten Moment dachte, es seien kuenstliche Stuetzen. (Davon hat er auch welche – aber die meisten sind echt.) Man moechte sich am liebsten in diese grosse lichte Laube setzen und den Spaetnachmittag geniessen, aber heutzutage ist der Baum natuerlich eingezaeunt, und damit der Zaun auch brav respektiert wird, stehen ein paar Wachleute herum und verbreiten Autoritaet. Ping erzaehlt, dass sie frueher mit den anderen Kindern auf den Aesten herumgeklettert sei, waehrend die Bueffel unter dem Baum angebunden wurden. Im Winter haetten sie sich mit Samen beworfen. Ich muss sagen, dass solche Erzaehlungen den Eindruck, den der Baumriese macht, deutlich verstaerken. Uebrigens wuerden die "Eingeborenen" den Banyan yao qian shu, etwa "Sieh-nach-und-es-ist-Geld-da-Baum", nennen.

Als wir uns genug umgesehen haben, machen wir uns auf zur Rueckfahrt nach Yangshuo ueber die Hauptverkehrsstrasse. Wenigstens gibt es keine Schlaglochschlaege mehr, es faehrt sich glatt, ruhig und bequem. Wir ueberqueren noch einmal den Yulongfluss, auf dem zig Floesse in der Abendsonne ein schoenes Bild abgeben. Hier werden wir dann morgen nach unserer Flossfahrt ankommen.

Jetzt kommen wir erst einmal nach nicht sehr langer Zeit wieder in Yangshuo an. Der Verkehr dort ist schon sehr gewoehnungsbeduerftig – ich bin froh, dass ich die Einfahrt in die Stadt heil ueberstehe und wir die Fahrraeder nach etwa 42 Kilometern (tapfer, gell? Fuer so super Trainierte wie uns war das gar nicht schlecht, finde ich!) unbeschadet zurueckgeben koennen. Uebrigens sind in der Stadt die Strassen zum Teil noch nass, und es gibt ein paar Pfuetzen - sieht aus, als haette es hier heute geregnet. Da haben wir wirklich richtig viel Glueck gehabt, denn richtig weit weg waren wir ja nicht, aber es war doch die ganze Zeit trocken. Aber ich hab' ja auf Reisen immer Schwein, weil dann die Reiseschweine dabei sind. ;-))

Nach einer kleinen Ruhepause im Hotel gehen wir abends noch einmal in die Weststrasse. Hier hatten doch so viele Schilder fuer Holzoffenpizza geworben, also wollen wir uns heute mal unchinesisch ernaehren. Das Etablissement, das wir am Ende auswaehlen, serviert aber nichts Tolles. Es gibt Erfolge und Erfahrungen – dies war also eher eine Erfahrung. Was soll man auch erwarten von sueditalienischen Spezialitaeten inmitten suedchinesischer Doerfer? Aber egal, wir sind jetzt satt und ein bisschen muede und mit dem Tag recht zufrieden, so dass wir ohne Groll zum Hotel zurueck und dort gleich ins Bett gehen. Nein, wir kaufen auf dem Rueckweg auch keins der etwas befremdlichen T-Shirts, die auf der Weststrasse feilgeboten werden. Wahrscheinlich hat da auch jemand gedacht, das T in T-Shirt stuende fuer Tourist, und dann die Woerter Tourist und Terrorist verwechselt. Jedenfalls prangt auf den besagten Baumwollhemden wahlweise ein Konterfei von Hitler, Saddam Hussein oder Osama bin Laden. Wer soll denn sowas anziehen??

Mittwoch, 16. Juli 2008

Montag, 26. Mai 2008: Und noch 'ne Kreuzfahrt

Warum muss man Touristen eigentlich immer schon fruehmorgens irgendwo hin befoerdern? Heute heisst es wieder frueh aufstehen, denn um 8:30 Uhr werden wir abgeholt und zum Bootsanleger in Zhujiang gefahren. Immerhin 40 Minuten Fahrzeit. Vorher staerke ich mich (unter anderem) mit der Spezialitaet von Guilin: Reisnudeln. Schmecken halt wie Nudeln, sind aus Reismehl gemacht. O.k., aber dafuer braucht man nicht hinzufahren. :-))

Als wir am internationalen Anleger ankommen, wartet da schon eine Armada von Li-Flussschiffen, von denen mindestens die Haelfte um 9:30 Uhr ablegen wird. Tony sagt, es gaebe auch einen chinesischen Anleger fuer die heimischen Touristen - wie der wohl ist? Fuer uns ist ein Platz in der kleinen 12-Personen-Kabine auf dem Oberdeck unseres Schiffes reserviert. Wir haben Guilin ja gestern schon in einem etwas komischen Licht kennengelernt, und dieser Eindruck wird heute nicht ausgebuegelt, sondern verstaerkt: diesmal muss Tony fuer uns diskutieren, damit wir nach oben gelassen werden - das Personal will uns doch wirklich einen Platz unten in der Hauptkabine anweisen. Was soll denn das?!! Selbst Tony ist perplex.

Dann legen wir ab, mittlerweile hat sich eine kleine Reisegruppe unbekannter Nationalitaet (vermutlich orig. ung. wie die vielzitierte Salami) zu uns gesellt. Der Reiseleiter macht auf mich den Eindruck eines Zynikers, der der Welt schon hundert Jahre ueberdruessig ist - hoffentlich (im Interesse der Gruppe) ist der Eindruck falsch. Waehrend die Fahrt sonst wohl manchmal wegen Wassermangels etwas schwierig und langwierig ist (mindestens 4-5 Stunden), ist das nicht unser Problem. Der Fluss ist voll (wie gestern Abend schon bemerkt) und fliesst schnell und reisst allerhand Teilchen mit sich, so dass das Wasser trueb gelbbraungraugruen aussieht (fuer Loriotfreunde: ohne Stich ins Roetliche). Das ist vermutlich die Kehrseite der Medaille, habe ich doch gehoert, dass sich die fantastischen Landschaften, die immer noch so unecht aussehen wie zuvor, im blauen Flusswasser spiegeln koennten. Jetzt spiegelt sich gar nichts.

Unterwegs wird Mittagessen serviert - das ist o.k., aber keine kulinarische Erleuchtung - und vor allem stoert es!! Man muss doch dauernd "rumkucken" und sich eine Felsformation nach der anderen angucken, den Schreibpinsel, die Bambussprossen, die Wand der neun Pferde, den Katzenkopfberg, die beruehmte "Yangdi Scenery" und wie sie alle heissen. Und natuerlich die Ansicht von der Rueckseite des 20-Yuan-Scheines. Wenn das Schiff so schnell faehrt wie heute, hat man nicht lange Zeit, diesen Anblick zu identifizieren. Mein Tipp also: Banknote bereithalten und Mittagessen gar nicht erst buchen!

Nach gut drei Stunden erreichen wir schon Yangshuo, brauchen aber noch eine halbe Stunde, bis wir schliesslich an Land gehen koennen, denn da die ganze Armada ungefaehr zur gleichen Zeit los"gesegelt" ist, kommen alle ungefaehr zur gleichen Zeit an - und muessen sozusagen "Schlange treiben". Am Anleger erwarten uns Kormoranfischer, mit denen man sich (fuer Geld, versteht sich) fotografieren lassen kann, auf Wunsch auch ohne Fischer, nur mit Kormoranen. Und dann muss man durch das Souvenirbudenspalier spiessrutenlaufen. Danach lustwandeln wir durch die Weststrasse (Xi Jie), die extrem touristisch ist: Cafés, Restaurants, Souvenirbuden dicht an dicht, dazu fliegende Haendler und reichlich Laerm - aus den Etablissements dringt das Gesaeusel oder Gebruell der Beschallungsanlagen, und der Kuerbisdudelpfeifenverkaeufer spielt Jingle Bells. Dabei kann man hier gar nicht Schlittenfahren! Aber es ist eine Fussgaengerstrasse, so dass man wenigstens von anderen Gefaehrten unbelaestigt bummeln kann.

Am Ende der Weststrasse liegt unser Hotel, das "Paradesa Resort". Weil hier offenbar nicht so hoch gebaut wird, ist das ein Komplex, der mindestens ein halbes Dutzend Gebaeude umfasst. Mit den Hoefen und langen Gaengen mit Terrakottafliesenfussboden und weiss getuenchten Waenden muss ich, ohne mir das bewusst zu machen (es faellt mir tatsaechlich erst beim Schreiben explizit auf), an ein altes Kloster denken. Das wird vermutlich stark von dem vermeintlichen Weihrauchduft unterstuetzt. In Wirklichkeit handelt es sich um Raeucherspiralen, die die Muecken in Schach halten sollen.

Bevor wir aber ueberhaupt einchecken, treffen wir unsere lokale Fuehrerin Ping in William's Seventh Heaven Café, in dem wir auch schon gleich bestellen, was wir morgen gern zum Fruehstueck haetten - denn unser Programm sieht vor, dass wir nicht im Hotel, sondern eben hier im siebten Himmel fruehstuecken. Ping informiert uns ueber die noetige Ausstattung (Hut und Wasser und Sonnenschutzcreme vor allem), Tony informiert Ping schon gleich auf Chinesisch, dass wir Langschlaefer sind, wir wollen doch tatsaechlich erst um 9 Uhr zum Fruehstueck kommen!

Wir checken frueh ein (offiziell erst ab drei Uhr nachmittags, aber man laesst uns schon um halb zwei); der Koffertraeger oeffnet uns die Tuer zum Zimmer 6209 mit den Worten "das schoenste Zimmer", was vielleicht sogar sein kann, denn es ist ein Eckzimmer mit Fenstern auf zwei Seiten. Auf einer Seite befindet sich ein flacher Fenstererker mit bequemem Sessel und Beistelltischchen, auf der anderen geht es auf einen Balkon hinaus. Wir haben zwar keinen Blick auf den Fluss, aber doch auf Wasser in Form des Pools, an dem sich sogar einige Gaeste aufhalten.

Wir sortieren unsere Sachen ein und wollen die Stadt erkunden - das Programm sieht heute nichts weiter vor. Als wir uns auf den Weg machen, sehen wir einen Wegweiser zum rooftop, also einer Dachterrasse. Wir gehen gleich neugierig gucken. Der Blick ueber die Stadt ist ganz nett, aber nicht spektakulaer; und wir muessen leider die Diagnose "Reesche wer'mer kriesche" stellen. Also ruesten wir unser Stadtspaziergangsgepaeck noch mit dem Schirm nach und machen uns dann auf den Weg.

Die West Street sieht, wenn man sie in umgekehrter Richtung geht, auch nicht anders aus. Meine "Lieblingsgeschaefte" kann ich ohne Weiteres identifizieren: das sind die, aus denen lautstark die (von mir so genannte) Tempelmusik quillt und sich mit dem sonstigen Laerm vermischt. Wir sind ein bisschen faul und wollen gern im Café sitzen, am liebsten mit Flussblick. Wir finden an der Strasse, die parallel zum Fluss verlaeuft, das Mian Yuan Café, das einen guten Eindruck macht. Der Flussblick ist allerdings eingeschraenkt durch ein paar Souvenirstaende, die Ufermauer und Baeume – egal. Ich trinke Osmanthus-Caffè Latte, Hommage an den Osmanthuswald (=Guilin), nicht nur originell, sondern gar nicht uebel! Wir sitzen gemuetlich da und beobachten das bunte Treiben auf der Strasse, als ploetzlich der Holzstaender mit dem Menu umkippt und auf der Strasse zerschellt. Ooops! Was ist passiert? Die Katze, die leichtfuessig ueber den Sockel des Staenders gelaufen war, hatte nicht beachtet, dass der Staender zu breit fuer die Treppenstufe war, auf der er stand, und dass sie nicht auf die in der Luft haengende Seite haette treten duerfen. Dummes Tier! Aber sie laeuft einfach ungeniert weiter. Dummdreistes Tier!

Dann faengt es an zu regnen, oder nein, zu schuetten. Erst sitzen wir ja noch gemuetlich auf der ueberdachten Terrasse im Trockenen und das ficht uns nicht an, aber irgendwie will der Regen gar nicht aufhoeren. Wir beschliessen, uns eine Fussmassage zu goennen – bis wir das gesuchte Etablissement auf halbem Rueckweg gefunden haben, sind wir trotz Schirm schon halb nass, igitt! Obwohl es nur eine Fussmassage werden soll, reicht man uns Hemd und Hose, alles 100% Plastik, wie ich zu sagen pflege, noch mal igitt! Aber wenigstens sind die Sachen trocken. Nach 90 Minuten sind wir gut durchgeknetet, und es regnet kaum noch. Jetzt muessen wir uns umziehen und uns fuer unser Abendprogramm vorbereiten: "Sister Liu - Impressionen" (zwei verschiedene Links, beide englischsprachig) heisst die Show, entwickelt von Zhang Yimou, dem Regisseur von Filmen wie Hero oder Rote Laterne – oder von Olympia-Eroeffnungsfeiern. In Frankreich wuerde diese Veranstaltung in der Kategorie "Son et Lumières" laufen. Seit 2004 laeuft das Stueck taeglich (!). Unglaublich. Angeblich hat ein grosser Teil der Einwohner von Yangshuo auf diese Weise zwei Einnahmequellen: tagsueber in einem normalen Beruf als Bauer, Haendler, Handwerker und was weiss ich nicht, abends als Schauspieler.

Wir muessen ein Stueck aus dem Ort hinausfahren. Am Eingang werden Regenmaentel ausgeteilt … zwar ziehe ich ihn schon vorbeugend an, aber dann (bzw. deswegen) bleibt es zum Glueck doch trocken. Hinter den Karstbergen zucken noch vereinzelt Blitze durch den grauen Himmel, bevor die Berge weitgehend im Dunkeln verschwinden, sofern sie nicht speziell angestrahlt werden. Um acht Uhr geht's los: die ganze Show besteht aus einer Abfolge recht bombastischer Massenszenen mit Licht und Farbe und Musik. (Wer einmal ein paar Eindruecke von den Eindruecken sehen moechte, wird bei den obigen Links fuendig oder kann einfach Bilder googeln.) Ich find's nicht schlecht, muss aber sagen, dass ich es mir irgendwie noch toller vorgestellt hatte.

Nach der Show sind wir doch noch ein bisschen "appetitlich" (hungrig waere halt zuviel gesagt) und gehen ins Mei You Café, das trotz seines Namens erstens kein Café ist, sondern ein Restaurant, und zweitens gar nicht nichts hat (mei you heisst naemlich "hamwer nich'"), sondern eine grosse Auswahl. Wir essen Bierfisch, die lokale Spezialitaet, ausserdem fritierte Shrimps mit Teeblaettern und Aubergine aus dem Alupaeckchen. Alles sehr lecker! Wir lassen den Abend mit einem Espresso in einem der zahlreichen anderen Etablissements ausklingen und hoffen, uns dann gleich ins Bett fallen lassen zu koennen, doch nein! Erst heisst es Muecken jagen. Davon gibt's hier nicht zu knapp. Auf dem Weg hatten wir einen Frosch ertappt, der ueber das Hotelgelaende huepfte – statt erschreckt im Lampenlicht zu sitzen und zu glotzen, soll der mal lieber tuechtig Muecken fressen!

Dienstag, 15. Juli 2008

Spagyrischer Nachtrag

Was ich gestern ganz vergessen habe: Auch Grimms Woerterbuch (klasse, das gibt's auch online!) weiss was Spagyrisches. Das hat aber einen guten deutschen u-Umlaut statt Ypsilon: Ein Spaguerlein sei einerseits eine (offenbar geringwertige) Schweizer Muenze, andererseits "typisch fuer etwas geringes" (so zitiert, die Grimms pflegen die Kleinschreibung). Leider wird Paracelsus' Gebrauch nicht weiter erlaeutert, wenn auch der Quellenverweis nicht fehlt.

Jaja, ich weiss schon ... das interessiert wahrscheinlich ausser mir keine/n die Bohne oder, besser, ein Spaguerlein. Aber mir geht dieses Wort immer noch im Kopf herum - zu Hilfe, wie werde ich es wieder los?! Schliesslich will ich das Thema mit diesem Artikel definitiv beenden. Aber nicht, ohne vorher noch ein passendes Haiku zum Besten zu geben (vielleicht taugt es sogar als Exorzismus):

Tautropfenrose -
den Weg des Spagyrikers
verzaubert sie nicht.
Das ist zwar wahrscheinlich kein Spaguerchen wert, aber immerhin selbst verfasst!

Montag, 14. Juli 2008

Spagyrien

Achtung, schwieriger Artikel, nur mit gehoerigen Vorkenntnissen auf den Gebieten der Geographie, Botanik, Mineralogie, Medizin, Kinematographie und Televisiographie zu verstehen!

Wo liegt denn dieses Land? Irgendwie kam es mir doch gleich komisch oder besser spanisch vor, als ich bei meinen diversen Einkaeufen auch eine Probe spagyrischen Rosen(quarz)-Gesichtswassers geschenkt bekam. [Jaja, der Hersteller scheint mit sich und seinem Gesichtswasser im Unreinen zu sein, ob es nun aus Rosen oder dem danach benannten Quarz gemacht ist - solange nur die Haut nach Gebrauch nicht mit sich und mir ins Unreine geraet, soll mir das egal sein ...] Ich habe auch in der Naehe der boehmischen Doerfer nachgesehen, aber Spagyrien ist auf keiner Karte zu finden.

Dann dachte ich als naechstes an Alfred Tetzlaff, der sich bekanntlich mit den Spaghettis, Spagorskis und Spaginskis herumgeschlagen hat (herrje! ich bin offenbar sooo alt! Im Vergleich zu den einschlaegigen Loriotzitaten findet man diese nicht mal beim Googeln!) - warum nicht auch mit den Spagyrskis?

Aber man soll nicht laestern! Denn so konnte ich wieder einmal auf mir bisher voellig unbekanntem Gebiet dazulernen: Spagyrisch ist kein "Nationalitaeten-Adjektiv", das zugehoerige Substantiv heisst vielmehr Spagyrik und bezeichnet einen Zweig der Alchemie, der sich mit der Herstellung von Heilmitteln befasst. Das Wort geht wohl auf Paracelsus zurueck ... Der hat naemlich, keine dumme Idee, den Gedanken gehegt und gepflegt, dass nicht Gold zu machen Aufgabe der Alchemisten sei, sondern Medizin zu machen. Daran hat er auch gearbeitet, und das war sicher produktiver und erfolgreicher als die Suche nach Gold und/oder dem Stein der Weisen.

P.S. Beim "Googeln" habe ich zwei prima Seiten zum Thema Spagyrik gefunden (eine und noch eine). Alle Leute, die annaehernd aehnlich denken wie ich, koennen diese mit grossem Vergnuegen lesen.
* Mein Favorit beim zweiten Link: Schwanzus longus, oder wer war das noch mit dem verhohnepipelten Namen?!
* Meine Favoriten beim ersten Link: Dr. Zimpel und die Methoden zur Aufbereitung pflanzlicher und mineralischer Substanzen, vor allem die dritte (obwohl - fehlt dabei nicht etwas?).

P.P.S. Vive la république!

P.P.P.S. Muss dieser Artikel jetzt in der Kategorie "Tagebuch" oder eher unter "Der Unsinn des Tages" erscheinen??

Sonntag, 13. Juli 2008

Das mir!

Eigentlich bin ich ja ein Murmeltier und kann immer und ueberall schlafen, aber jetzt hat mich die sechste Jahreszeit wohl ganz durcheinander gebracht. Ich! Eine Schlafstoerung! Darunter hatte ich bisher immer eine Person verstanden, die morgens heftig und ungemuetlich an mir ruettelt. Insofern habe ich fast immer eine - ein Wecker ist einfach nicht sicher genug, denn man kann nicht unbedingt davon ausgehen, dass seine Geraeusche tief genug in Ohr und Traum dringen, um Aufwachen zu bewirken. Aber letzte Nacht konnte ich doch wirklich nicht einschlafen. Auch nach ueber 30 (!!!) Seiten Lektuere noch nicht (ich, die ich doch sonst oft ueber 3 Zeilen nicht hinauskomme), und auch nicht mit Zeitzeichengeschichten im Ohr.

Jetzt bin ich entsprechend muede und waere heute beim Kalligraphieren fast eingeschlafen. Dabei habe ich heute den zweiten Faecher fertiggestellt, mit einem beruehmten Gedicht aus der Tang-Dynastie:
Jung ging ich fort, jetzt bin ich alt und kehre in meine Heimatstadt zurueck.
Ihren Akzent habe ich behalten, die Schlaefen sind mir grau geworden.
Die Kinder, die ich treffe, kennen mich nicht
und fragen mit einem Laecheln: Opa, wo kommst du her?
So lautet meine Uebersetzung der englischen Uebersetzung - ich hatte Zheng Hong gefragt, ob es nicht ein Buch mit Uebersetzungen gaebe, und daraufhin hat er mir auch wirklich zwei mitgebracht. Es ist ja sonst einfach zu bloed, wenn man nicht einmal versteht, was man da eigentlich schreibt. Auf der Rueckseite steht einer der zahllosen - nein, nicht "four-letter-words" - Vier-Wort-Ausdruecke. Die sind ueblicherweise nicht unflaetig, sondern der Inbegriff chinesischer Weisheit und Bildung. Viele muss man naemlich kennen, um sie zu verstehen - die vier Woerter sind dann nur die Assoziationsanker fuer eine Geschichte, die die Bedeutung enthaelt. Das fuer diesen Faecher gewaehlte Sprichwort ist noch relativ einfach: erst denken, dann handeln (woertlich eher: dreimal denken, dennoch gehen). Grosse Weisheit Nr. 7.

Samstag, 12. Juli 2008

Salat

Das mit dem tollen Wetter haette ich wohl besser nicht schreiben sollen - heute war es wieder grau und trueb wie eh und je, und kurz nach Mittag gab es ein heftiges Gewitter. Aber da musste ich ja noch schlafen, hat mir doch die sechste Jahreszeit* zwei superkurze Naechte beschert, zumal ich gestern bis 23 Uhr mit unserem furchtbaren Softwarelieferanten und unseren gemeinsamen unzufriedenen koreanischen Kunden zusammen gesessen hatte ... schrecklich. Das einzig Gute: sie sind nur mit dem Lieferanten unzufrieden, nicht mit uns. Ouf!

Ansonsten waren wir am Donnerstag wieder zum Chinesischunterricht. Yang XiaoLi hat sich ueber die naturreinen aetherischen Oele (Fenchel - beruhigend, Rosengeranien - ausgleichend) gefreut, die ich ihr wunschgemaess aus Deutschland mitgebracht hatte. Und sie hat Burkhards schoene Shanghai-Bilder in ihrem Blog veroeffentlicht (am besten alle mal klicken, weil sie sich immer riesig ueber zahlreiche Besucher ihrer Seite freut, und ein bisschen herunterblaettern zu den Bildern ...) und gleich berichtet, dass es schon 189 Klicks oder Besucher oder was gegeben haette ... Burkhards Jahrhundertbild, das einen Blitzeinschlag im Oriental Pearl TV Tower zeigt, ist auch als Hardy's Jahrhundertbild beschrieben. ;-))

Und dann habe ich noch eine lustige Essensgeschichte von gestern Mittag zum Besten zu geben: Die Tischrunde war international zusammengesetzt (zwei Koreaner, zwei Chinesen, ein Inder, eine Deutsche), und die chinesischen Kollegen hatten das Essen bestellt. Da kam ein Tellerchen mit einem kleinen Haufen drauf auf den Tisch, der von einer quietschgelben, zaeh-glibberigen Sauce bedeckt war. Mir wurde bedeutet, ich muesse das als erste probieren, und es sei Fisch. Ich probiere - suess. Definitiv kein Fisch. Ja, dann wuerde der sich wohl unter der Sauce verbergen. Jemand anderes hat ein bisschen tiefer gegraben, dort kam eine fast ebenso gelbe, aber nicht glibberige Masse zum Vorschein. Mehr so von der Konsistenz von festem Pueree. Ich habe auch das probiert, und es hat mich sowohl von der Textur als auch vom Geschmack massiv an die Quarkmasse auf gebackenem Kaesekuchen erinnert. Zu komisch aber auch, dass das Dessert als erstes serviert wird - aber die Chinesen betrachten dergleichen natuerlich nicht als Dessert. Nein, habe ich autoritaer erklaert, das sei definitiv kein Fisch. Bald darauf wurde der Fisch serviert, der auch so aussah - ach so ja, dann muesse das wohl der Fisch sein. Irgendjemand erinnerte sich ploetzlich, man habe "Suesskartoffelsalat" bestellt - das gelbe Zeug sei dann wohl dieser Salat. Kommt das Wort nicht von "gesalzen"?!!

* budget season

Mittwoch, 9. Juli 2008

Shanghai ist schoen!

Gestern bei der Abfahrt vom Koelner Hauptbahnhof war es ziemlich windig und etwas frisch, aber der Himmel war blau und der Dom lag in der Spaetnachmittagssonne. Der Umbau der Treppe zum Bahnhofsvorplatz war wirklich eine der gelungeneren Aktionen, diese seltsamen Strukturen im 70er-Jahre-Design, die es vorher gab, machten einfach viel weniger her als die grosszuegige Freitreppe jetzt.

Der Zug ist zwar mit fast 10 Minuten Verspaetung gestartet, aber so gut wie puenktlich angekommen, Abflug (diesmal kein Jumbo, sondern ein A340) war auch fast puenktlich, und ich hatte es rechtzeitig zum Ausgang geschafft, obwohl diesmal doch wirklich meine Unterwaesche an der Sicherheitskontrolle kontrolliert wurde. Nicht die im Koffer, sondern die am Leibe. Herrje!

Der Flug selber war ruhig und nicht turbulent wie der Hinflug. Ich habe die meiste Zeit verschlafen, nicht ohne vorher zum Essen den tschechischen Film "Leergut" anzuschauen. Wir sind ebenso puenktlich gelandet. Eine Neuerung gibt es: jetzt muss man auch noch beim Verlassen des Terminals das Gepaeck durchleuchten lassen. Keine Ahnung wozu ... Ich mit meinen 2 Koffern (zusammen 36,5 Kilo, aechz!), 1 Laptoptasche, 1 Survival Kit (als Handtasche getarnt) und dem zusaetzlichen Beutel mit "zollfreier" Schokolade ... wie gut, dass Ding Shifu mir alsbald wenigstens den grossen Koffer abnehmen konnte.

Um kurz vor 17:00 Uhr war ich zu Hause. Und hatte mich schon ueber den zumindest etwas blauen Himmel gefreut, und die relativ klare Sicht. Burkhard sagte, es sei zuletzt noch besser gewesen, aber so war es schon schoen. Die Fotoausbeute der letzten Tage war auch entsprechend gut. Und auch heute sah die blaue Stunde zwischen Tag und Nacht mit den ersten Lichtern in Pudong wieder ganz toll aus! Es ist schon schoen hier.

Das einzige Problem: Ich kann meinen Firmenrechner nicht mehr benutzen - Passwort abgelaufen. "Aendern Sie es an einem anderen Rechner und versuchen Sie es erneut." Natuerlich ist jetzt abends keiner mehr da, der mir dabei helfen kann. So ein Mist! In den paar Tagen in Deutschland haben sich viele Mails angesammelt, und schliesslich ist ja auch die sechste oder siebte Jahreszeit: Budget-Saison. Da kommt einem ein nicht benutzbarer Rechner gerade zu Pass.

Dienstag, 8. Juli 2008

Shanghai Chicken

Nein, das ist jetzt keine neue Girlie-Band, sondern eine der Kandidatinnen bei der großen Lieblingspizzawahl des Lebensmittelhändlers Rewe, die einem zu jeder vollen Stunde in der Radioreklame vor den Nachrichten wie sauer Bier (oder eher laue Pizza) vorgestellt werden. Wählen Sie jetzt: Tex-Mex, Bollywood, Akropolis ... und eben Shanghai Chicken. Welche soll ins Sortiment? 

Leider hatte ich keine Gelegenheit auszuprobieren, ob man die Hühnerstücke darauf nicht nur essen, sondern auch genießen kann, d.h. ob sie mit Knochen sind, wie es sich für ordentliche chinesische Hühner gehört.  ;-))

P.S. Die fernöstlichen Hühner liegen mit 20% der Stimmen im Moment abgeschlagen auf dem 3. Platz, nur Bollywood wollen weniger. Was ist denn das?!!

Christopher Street Day

Am Samstag war ich Köln zum Konjunkturankurbeln. Alles muss raus ... aus dem Portemonnaie. Da ich mir zum Glück nichts Kompliziertes vorgenommen hatte, hat das ganz gut funktioniert. Es war nur schon furchtbar voll in der Stadt, und viele seltsame Gestalten bevölkerten die langen, breiten, hohen Strassen und Gassen und vermutlich auch den vielzitierten Altermarkt, aber dort bin ich nicht gewesen, um mich etwa davon zu überzeugen.

Es waren sicher ungewöhnlich viele homosexuelle Menschen unterwegs; die seltsamen Gestalten waren aber wohl doch zahlreicher als die Schwulen und Lesben, die schon zu den diversen Veranstaltungen des Wochenendes angereist waren. Mein Haupteindruck war, dass der Christopher Street Day einen willkommenen Anlass für Karneval endlich mal bei warmem Sommerwetter ist. Einige Leute waren auch richtig kostümiert, und es gab viele Gruppen, die aus meiner Sicht die etwas flippigere Variante eines Kegelausflugs machten.  ;-))

Am Sonntag Morgen hiess es in den Radionachrichten sinngemäß: Höhepunkt des heutigen Christopher Street Day ist die Parade durch die Stadt, an der sich neben Gruppen wie Gay Union und der AIDS-Hilfe auch die FDP und ver.di beteiligen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! 

Sonntag, 6. Juli 2008

Haus Kemnade

Sieht schon komisch aus, der Fiat Bravo, den ich diesmal als Mietwagen bekommen habe, oder? Jedenfalls hat man mir dieses (leider schwarze) Auto bei Europcar angewiesen, und nachdem ich diverse Dinge in der Anleitung nachgelesen hatte (wo ist die Feststellbremse? wie bedient man das Navigationssystem? wie legt man den Rückwärtsgang ein?), konnte ich am letzten Sonntag losfahren Richtung Haus Kemnade. Das liegt "halbwegs halbwegs" zwischen Telgte und Köln und bietet sich daher als Treffpunkt an. Da gibt es allerhand zu sehen, es macht aber auch ein bisschen den Eindruck, dass man in den Räumlichkeiten der Wasserburg alles untergestellt hat, wofür man keinen anderen Platz gefunden hat. Zum Beispiel die "geldgeschichtliche" Sammlung der Stadtsparkasse - i.W. Spardosen. Schon mal gut, da bekanntlich Spardosen traditionell oft schweinsförmig sind.  :O))

Ansonsten - bekannter - die Musikinstrumentensammlung von Hans und Hede Grumbt. Sicher eine interessante Sammlung, aber furchtbar schlecht aufbereitet. Es ist eben einfach "nur" eine Sammlung. Irgendwo lag ein Begleitheft herum, da habe ich (musikalisch offenbar deutlich ungebildeter, als ich dachte) erstmalig eine Klassifizierung von Musikinstrumenten gesehen. Aha, sehr aufschlussreich! (Für ähnlich Ungebildete: hier kann man nachlesen, welche vier Kategorien es gibt. Die fünfte - Elektrophone - kommen natürlich bei Hans und Hede noch nicht vor.)

Außerdem gibt es noch eine ostasiatische Sammlung - schon komisch, wenn einen plötzlich in einer Wasserburg im Ruhrgebiet ein goldener Buddha anlächelt - und eine Ausstellung über die Dorfkirche Stiepel, die in diesem Jahr auf ihr 1000jähriges Bestehen zurückblicken kann. So würden vielleicht die Journalisten sagen, ich meine hingegen, dass Kirchen nicht blicken. Meist haben sie keine Augen. 

In dem Saal mit dieser Ausstellung liefen gerade, als wir da waren,  auf einem Fernseher die Bochumer Jahresschauen aus den späten sechziger bis in die frühen achtziger Jahre. Zu der Zeit gab's noch keinen Kemnader See, der wurde da erst geplant. Es handelt sich nämlich um einen Stausee, mit dem die Ruhr wahnsinnige 2,50 Meter hoch aufgestaut wird. Wenn man gerade vom Drei-Schluchten-Damm kommt, fragt man sich, wozu man für 2,50 Meter überhaupt anfängt ...

Nach so viel Bildung haben wir erst einmal im Burghof Kaffee und Kuchen zu uns genommen, bevor wir uns Richtung Kemnader See aufgemacht haben. Der ist wohl sehr beliebt für Rad- und Rollschuhtouren. Auf dem Parkplatz hatte ich schon bemerkt, dass alle Leute entweder das eine oder das andere ausluden. Als wir losgingen, wurde auch klar, warum das hier so populär ist: es gibt einen schönen breiten, wunderbar glatt asphaltierten Weg, der offenbar ganz um den Stausee herumführt. Als Fußgänger muss man dementsprechend auch aufpassen, dass man nicht umgefahren wird ... aber ich will nicht meckern, die meisten sind rücksichtsvoll genug.

Für eine Bootstour war es schon zu spät, also haben wir uns nur die Staustufe angesehen und noch ein bisschen in der Nachmittagssonne bei einem Getränk oder Eis am See gesessen. Schön!