Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Montag, 26. Mai 2008: Und noch 'ne Kreuzfahrt

Warum muss man Touristen eigentlich immer schon fruehmorgens irgendwo hin befoerdern? Heute heisst es wieder frueh aufstehen, denn um 8:30 Uhr werden wir abgeholt und zum Bootsanleger in Zhujiang gefahren. Immerhin 40 Minuten Fahrzeit. Vorher staerke ich mich (unter anderem) mit der Spezialitaet von Guilin: Reisnudeln. Schmecken halt wie Nudeln, sind aus Reismehl gemacht. O.k., aber dafuer braucht man nicht hinzufahren. :-))

Als wir am internationalen Anleger ankommen, wartet da schon eine Armada von Li-Flussschiffen, von denen mindestens die Haelfte um 9:30 Uhr ablegen wird. Tony sagt, es gaebe auch einen chinesischen Anleger fuer die heimischen Touristen - wie der wohl ist? Fuer uns ist ein Platz in der kleinen 12-Personen-Kabine auf dem Oberdeck unseres Schiffes reserviert. Wir haben Guilin ja gestern schon in einem etwas komischen Licht kennengelernt, und dieser Eindruck wird heute nicht ausgebuegelt, sondern verstaerkt: diesmal muss Tony fuer uns diskutieren, damit wir nach oben gelassen werden - das Personal will uns doch wirklich einen Platz unten in der Hauptkabine anweisen. Was soll denn das?!! Selbst Tony ist perplex.

Dann legen wir ab, mittlerweile hat sich eine kleine Reisegruppe unbekannter Nationalitaet (vermutlich orig. ung. wie die vielzitierte Salami) zu uns gesellt. Der Reiseleiter macht auf mich den Eindruck eines Zynikers, der der Welt schon hundert Jahre ueberdruessig ist - hoffentlich (im Interesse der Gruppe) ist der Eindruck falsch. Waehrend die Fahrt sonst wohl manchmal wegen Wassermangels etwas schwierig und langwierig ist (mindestens 4-5 Stunden), ist das nicht unser Problem. Der Fluss ist voll (wie gestern Abend schon bemerkt) und fliesst schnell und reisst allerhand Teilchen mit sich, so dass das Wasser trueb gelbbraungraugruen aussieht (fuer Loriotfreunde: ohne Stich ins Roetliche). Das ist vermutlich die Kehrseite der Medaille, habe ich doch gehoert, dass sich die fantastischen Landschaften, die immer noch so unecht aussehen wie zuvor, im blauen Flusswasser spiegeln koennten. Jetzt spiegelt sich gar nichts.

Unterwegs wird Mittagessen serviert - das ist o.k., aber keine kulinarische Erleuchtung - und vor allem stoert es!! Man muss doch dauernd "rumkucken" und sich eine Felsformation nach der anderen angucken, den Schreibpinsel, die Bambussprossen, die Wand der neun Pferde, den Katzenkopfberg, die beruehmte "Yangdi Scenery" und wie sie alle heissen. Und natuerlich die Ansicht von der Rueckseite des 20-Yuan-Scheines. Wenn das Schiff so schnell faehrt wie heute, hat man nicht lange Zeit, diesen Anblick zu identifizieren. Mein Tipp also: Banknote bereithalten und Mittagessen gar nicht erst buchen!

Nach gut drei Stunden erreichen wir schon Yangshuo, brauchen aber noch eine halbe Stunde, bis wir schliesslich an Land gehen koennen, denn da die ganze Armada ungefaehr zur gleichen Zeit los"gesegelt" ist, kommen alle ungefaehr zur gleichen Zeit an - und muessen sozusagen "Schlange treiben". Am Anleger erwarten uns Kormoranfischer, mit denen man sich (fuer Geld, versteht sich) fotografieren lassen kann, auf Wunsch auch ohne Fischer, nur mit Kormoranen. Und dann muss man durch das Souvenirbudenspalier spiessrutenlaufen. Danach lustwandeln wir durch die Weststrasse (Xi Jie), die extrem touristisch ist: Cafés, Restaurants, Souvenirbuden dicht an dicht, dazu fliegende Haendler und reichlich Laerm - aus den Etablissements dringt das Gesaeusel oder Gebruell der Beschallungsanlagen, und der Kuerbisdudelpfeifenverkaeufer spielt Jingle Bells. Dabei kann man hier gar nicht Schlittenfahren! Aber es ist eine Fussgaengerstrasse, so dass man wenigstens von anderen Gefaehrten unbelaestigt bummeln kann.

Am Ende der Weststrasse liegt unser Hotel, das "Paradesa Resort". Weil hier offenbar nicht so hoch gebaut wird, ist das ein Komplex, der mindestens ein halbes Dutzend Gebaeude umfasst. Mit den Hoefen und langen Gaengen mit Terrakottafliesenfussboden und weiss getuenchten Waenden muss ich, ohne mir das bewusst zu machen (es faellt mir tatsaechlich erst beim Schreiben explizit auf), an ein altes Kloster denken. Das wird vermutlich stark von dem vermeintlichen Weihrauchduft unterstuetzt. In Wirklichkeit handelt es sich um Raeucherspiralen, die die Muecken in Schach halten sollen.

Bevor wir aber ueberhaupt einchecken, treffen wir unsere lokale Fuehrerin Ping in William's Seventh Heaven Café, in dem wir auch schon gleich bestellen, was wir morgen gern zum Fruehstueck haetten - denn unser Programm sieht vor, dass wir nicht im Hotel, sondern eben hier im siebten Himmel fruehstuecken. Ping informiert uns ueber die noetige Ausstattung (Hut und Wasser und Sonnenschutzcreme vor allem), Tony informiert Ping schon gleich auf Chinesisch, dass wir Langschlaefer sind, wir wollen doch tatsaechlich erst um 9 Uhr zum Fruehstueck kommen!

Wir checken frueh ein (offiziell erst ab drei Uhr nachmittags, aber man laesst uns schon um halb zwei); der Koffertraeger oeffnet uns die Tuer zum Zimmer 6209 mit den Worten "das schoenste Zimmer", was vielleicht sogar sein kann, denn es ist ein Eckzimmer mit Fenstern auf zwei Seiten. Auf einer Seite befindet sich ein flacher Fenstererker mit bequemem Sessel und Beistelltischchen, auf der anderen geht es auf einen Balkon hinaus. Wir haben zwar keinen Blick auf den Fluss, aber doch auf Wasser in Form des Pools, an dem sich sogar einige Gaeste aufhalten.

Wir sortieren unsere Sachen ein und wollen die Stadt erkunden - das Programm sieht heute nichts weiter vor. Als wir uns auf den Weg machen, sehen wir einen Wegweiser zum rooftop, also einer Dachterrasse. Wir gehen gleich neugierig gucken. Der Blick ueber die Stadt ist ganz nett, aber nicht spektakulaer; und wir muessen leider die Diagnose "Reesche wer'mer kriesche" stellen. Also ruesten wir unser Stadtspaziergangsgepaeck noch mit dem Schirm nach und machen uns dann auf den Weg.

Die West Street sieht, wenn man sie in umgekehrter Richtung geht, auch nicht anders aus. Meine "Lieblingsgeschaefte" kann ich ohne Weiteres identifizieren: das sind die, aus denen lautstark die (von mir so genannte) Tempelmusik quillt und sich mit dem sonstigen Laerm vermischt. Wir sind ein bisschen faul und wollen gern im Café sitzen, am liebsten mit Flussblick. Wir finden an der Strasse, die parallel zum Fluss verlaeuft, das Mian Yuan Café, das einen guten Eindruck macht. Der Flussblick ist allerdings eingeschraenkt durch ein paar Souvenirstaende, die Ufermauer und Baeume – egal. Ich trinke Osmanthus-Caffè Latte, Hommage an den Osmanthuswald (=Guilin), nicht nur originell, sondern gar nicht uebel! Wir sitzen gemuetlich da und beobachten das bunte Treiben auf der Strasse, als ploetzlich der Holzstaender mit dem Menu umkippt und auf der Strasse zerschellt. Ooops! Was ist passiert? Die Katze, die leichtfuessig ueber den Sockel des Staenders gelaufen war, hatte nicht beachtet, dass der Staender zu breit fuer die Treppenstufe war, auf der er stand, und dass sie nicht auf die in der Luft haengende Seite haette treten duerfen. Dummes Tier! Aber sie laeuft einfach ungeniert weiter. Dummdreistes Tier!

Dann faengt es an zu regnen, oder nein, zu schuetten. Erst sitzen wir ja noch gemuetlich auf der ueberdachten Terrasse im Trockenen und das ficht uns nicht an, aber irgendwie will der Regen gar nicht aufhoeren. Wir beschliessen, uns eine Fussmassage zu goennen – bis wir das gesuchte Etablissement auf halbem Rueckweg gefunden haben, sind wir trotz Schirm schon halb nass, igitt! Obwohl es nur eine Fussmassage werden soll, reicht man uns Hemd und Hose, alles 100% Plastik, wie ich zu sagen pflege, noch mal igitt! Aber wenigstens sind die Sachen trocken. Nach 90 Minuten sind wir gut durchgeknetet, und es regnet kaum noch. Jetzt muessen wir uns umziehen und uns fuer unser Abendprogramm vorbereiten: "Sister Liu - Impressionen" (zwei verschiedene Links, beide englischsprachig) heisst die Show, entwickelt von Zhang Yimou, dem Regisseur von Filmen wie Hero oder Rote Laterne – oder von Olympia-Eroeffnungsfeiern. In Frankreich wuerde diese Veranstaltung in der Kategorie "Son et Lumières" laufen. Seit 2004 laeuft das Stueck taeglich (!). Unglaublich. Angeblich hat ein grosser Teil der Einwohner von Yangshuo auf diese Weise zwei Einnahmequellen: tagsueber in einem normalen Beruf als Bauer, Haendler, Handwerker und was weiss ich nicht, abends als Schauspieler.

Wir muessen ein Stueck aus dem Ort hinausfahren. Am Eingang werden Regenmaentel ausgeteilt … zwar ziehe ich ihn schon vorbeugend an, aber dann (bzw. deswegen) bleibt es zum Glueck doch trocken. Hinter den Karstbergen zucken noch vereinzelt Blitze durch den grauen Himmel, bevor die Berge weitgehend im Dunkeln verschwinden, sofern sie nicht speziell angestrahlt werden. Um acht Uhr geht's los: die ganze Show besteht aus einer Abfolge recht bombastischer Massenszenen mit Licht und Farbe und Musik. (Wer einmal ein paar Eindruecke von den Eindruecken sehen moechte, wird bei den obigen Links fuendig oder kann einfach Bilder googeln.) Ich find's nicht schlecht, muss aber sagen, dass ich es mir irgendwie noch toller vorgestellt hatte.

Nach der Show sind wir doch noch ein bisschen "appetitlich" (hungrig waere halt zuviel gesagt) und gehen ins Mei You Café, das trotz seines Namens erstens kein Café ist, sondern ein Restaurant, und zweitens gar nicht nichts hat (mei you heisst naemlich "hamwer nich'"), sondern eine grosse Auswahl. Wir essen Bierfisch, die lokale Spezialitaet, ausserdem fritierte Shrimps mit Teeblaettern und Aubergine aus dem Alupaeckchen. Alles sehr lecker! Wir lassen den Abend mit einem Espresso in einem der zahlreichen anderen Etablissements ausklingen und hoffen, uns dann gleich ins Bett fallen lassen zu koennen, doch nein! Erst heisst es Muecken jagen. Davon gibt's hier nicht zu knapp. Auf dem Weg hatten wir einen Frosch ertappt, der ueber das Hotelgelaende huepfte – statt erschreckt im Lampenlicht zu sitzen und zu glotzen, soll der mal lieber tuechtig Muecken fressen!

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