Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 20. Juli 2008

Mittwoch, 28. Mai 2008: Regendrachen

Unser letzter Tag, schaaade! Wir muessen also ein kleines bisschen frueher aufstehen, um unsere Sachen zu packen. Das erfordert diesmal besondere Denkleistung (und das auf nuechternen Magen! ;-)) ), muessen wir doch beruecksichtigen, dass alle nicht Handgepaeck-tauglichen Sachen schon gleich in den Koffern landen und dass wir noch trockene Sachen bereitlegen muessen, um uns nach der Flossfahrt umziehen zu koennen, denn laut Warnung im Programm koennte man wohl ein wenig Wasser abbekommen. Schliesslich gilt es, etwa ein Dutzend kleine Staustufen zu ueberwinden!

Das Wetter sieht, wir sind ja schon daran gewoehnt, ziemlich truebe aus. Na ja, gehen wir erst einmal fruehstuecken, vielleicht klart es ja noch auf. Waehrend wir das schon bekannte Pfannkuchenfruehstueck verzehren, klart es aber nicht auf, sondern ganz im Gegenteil: es beginnt zu schuetten! Wir sitzen skeptisch unter der Markise und ziehen uns auf die Plaetze an der Hauswand zurueck, weil der Regen vom Strassenpflaster auf unsere Beine spritzt. Und es ist keine Besserung abzusehen! Ping hat ihr Cape dabei und leiht uns daher ihren Schirm, damit wir erst einmal halbwegs trocken zum Zimmer gehen koennen. Aber auch waehrend des Zaehneputzens findet der Regen kein Ende; als wir wieder vor die Tuer treten, scheint sich der heftige Guss in einen gleichmaessig-ergiebigen Landregen gewandelt zu haben. Nun gut, ist ja letztlich egal, ob man von Fluss- oder Regenwasser oder beidem nass wird.

Mit dem sogenannten Elektroauto, einer Art offenem Minibus, werden wir auf Holperstrassen durch die regennasse laendliche Landschaft zu der Stelle am Yulong-Fluss gefahren, an der wir aufs Floss steigen sollen. Wir haben die Regencapes an, und eine Frau verkauft ganz normale duenne Plastiktueten "fuer um die Fuesse zu binden", wie dae Koelner an sisch sagen wuerde. Dann heisst es unsere Plaetze auf dem Bambusfloss einnehmen. Huch, da sind wir aber ganz schoen 'rumgeeiert … haben aber die Sitze ohne Unglueck erreicht. Die Floesse bestehen aus dicken Bambusstangen mit einem Durchmesser von vielleicht 15 Zentimetern, vorn sind sie etwas nach oben gebogen. Darauf montiert sind zwei Stuehlchen fuer die Fahrgaeste und ein grosser Sonnenschirm, der offenbar auch als Regenschirm Verwendung findet, fertig. Der Floesser steht mit einer Stakestange hinten und lenkt das Gefaehrt uebers Wasser. Wenn die Staustufen kommen, sollen wir uns am Sitz und unser Gepaeck an uns gut festhalten und die Beine anheben, gibt uns Ping noch mit auf den Weg, dann ueberlaesst sie uns in den Haenden des Floessers unserem Schicksal.

Es geht auch gleich los, und schon bald kommt die erste Staustufe. Das sieht aber ein bisschen bedenklich aus?!!! Die erste ist wohl auch die hoechste, wir fahren darauf zu, Beine hoch!, das Floss kippt vorn herunter und taucht ins Wasser, Hilfe!, dann kommt es aber wieder hoch, und die Fahrt kann ganz normal weitergehen. Nur dass es mehr so von hinten unten geschwappt hat: waehrend Fuesse, Ruecken und Vorderseite regenabweisend gewappnet sind, hat uns niemand gesagt, dass auch der Allerwerteste in Gefahr ist. Jetzt sind Hose, Rock und Slip nass. Na ja, egal, es ist ja nicht kalt.

Von den Staustufen abgesehen ist es eine ganz gemaechlich-gemuetliche Stakfahrt auf dem Fluss. Es ist wunderbar still, man hoert nur den Regen und das Geplaetscher der Staustufen. Wir sehen Wolkenfetzen zwischen den unechten Bergkulissen wabern. Das sieht schon toll aus! Auch (oder gerade?) im Regen ist die Landschaft sehr schoen.

Bald kommen wir an der ersten "Wasserbar" vorbei, einem etwas groesseren und besser ausgestatteten Floss, das irgendwo auf dem Fluss festgemacht ist und fuer die Touristen kalte Getraenke anbietet. Wir haben keinen Bedarf, kaufen aber ein Bier fuer den Fahrer. Heute geht das Geschaeft wohl nicht so gut.

Gestern hatte uns Ping auf blass-himbeerrosa Ballen von Schneckenlaich aufmerksam gemacht, die man an den Flussufern finden kann. Sogar am Teich bei unserem Hotel mitten in der Stadt uebrigens, wo wir am Abend zuvor auch eine Schnecke bei der Laichablage beobachtet hatten. Wenn man das einmal weiss, sieht die man Laichballen ueberall. Zu hunderten, zu tausenden, an Steinen und Pflanzen, ueberall! Wir sind umgeben von Abermillionen Schneckeneiern! Ein einzelner Ballen sieht eigentlich huebsch aus, wie gesagt, himbeerfarbig und –foermig, aber in dieser Menge ist es fast schon widerlich. Diese Schnecken scheinen einigermassen ungeniessbar zu sein, wo doch den Chinesen nachgesagt wird, dass sie alles essen. Diese aber wohl nicht, obwohl die Schnecken richtig ordentliche Happen abgeben wuerden, in der Groesse eines kleinen Huehnereis, wuerde ich sagen.

Nach einer guten Stunde sind wir am Ziel. Die Bruecke sieht heute von unten im Regen ganz anders aus als gestern von oben in der Abendsonne – aber kein Zweifel, das ist wohl die Stelle. Ping erwartet uns schon mit dem "Elektroauto". Auf der Regenseite sind die Fensteroeffnungen immer noch mit Planen zugehaengt: gucken nur auf einer Seite. Warum heissen die Dinger wohl Elektroautos, wenn's doch keine sind? Das ist doch Quatsch … Wir fahren auf demselben Weg zurueck in die Stadt wie gestern mit dem Rad. Ping liefert uns am Hotel ab, und wir verabschieden uns hier von ihr. Es hat schon Spass gemacht mit ihr, eine sehr nette und gute Fuehrerin ist das!

Wir muessen uns ein bisschen ranhalten, denn man muss um 12 Uhr auschecken und wir haben nur eine halbe Stunde Karenz bekommen, da unser Zimmer am selben Tag wieder belegt wird. Raus aus den nassen Klamotten, rein in die bereitliegenden trockenen Sachen – und dann haben wir die nassen Stuecke noch ein bisschen gefoent. Wir sind naemlich in Sorge, dass die Koffer zu schwer werden, wenn wir diese Sachen allzu feucht einpacken. Nicht dass wir wegen ein bisschen Flusswasser in der Kleidung extra zahlen muessen, wo doch die Preise fuer Uebergewicht meist fantastisch hoch sind!

Am Ende sind wir ein kleines bisschen vor der Zeit fertig und gehen auschecken und unsere Koffer an der Rezeption abstellen. Schon um 16:20 Uhr muessten wir losfahren, hatte uns schon Tony beim Abschied ans Herz gelegt. Zwar ist unser Flug erst um halb neun, aber die Fahrt wuerde ja dauern, und wegen "Olympiasicherheit" muesse man ja jetzt auch bei Inlandsfluegen schon zwei Stunden vorher da sein. Herrje! Bevor wir aber an Abflug denken, lenken wir unsere Schritte noch einmal durch die Weststrasse zur Schiffsankunft und gehen Touristen begruessen. Wir begruessen sie natuerlich nicht buchstaeblich, sondern gucken nur von oben zu, wie die Schiffe eins nach dem anderen ihre Ladung am Ufer "auskippen". Unglaublich, was das fuer Touristenstroeme sind!

Als sich die Stroeme zu einem Rinnsal verlaufen haben, suchen wir erst einmal ein geeignetes Etablissement zum Mittagessen. Wir finden eine crêperie bretonne – wer weiss, vielleicht klappt nordfranzoesisch in suedchinesisch besser als sueditalienisch in suedchinesisch? Wir sind die einzigen Gaeste, was ja normalerweise kein gutes Zeichen ist, aber hier irrt die Mehrheit: wie es sich gehoert, gibt es die salzigen Versionen als galettes aus Buchweizenmehl und die suessen als crêpes. Und alles schmeckt gut, ich bekomme tatsaechlich einen der Klassiker, mit caramel au beurre salé, also diesem – mjam! - leckeren Karamel mit gesalzener Butter. Dazu gibt's bretonischen Cidre zu trinken, alles stilecht. Gleich nebenan liegt ein franzoesisches Restaurant, das gehoert wohl demselben; vielleicht haetten wir gestern lieber dort dinieren sollen?!

Jetzt haben wir natuerlich noch ein bisschen, aber nicht allzu viel Zeit, der Regen hat nachgelassen, aber es sieht immer noch so aus, als koenne es jederzeit wieder loslegen mit dem Wasser von oben. Und zugegebenermassen sind wir jetzt auch ein bisschen faul, so dass wir beschliessen, noch einmal gemuetlich im Ming Yuan Café zu sitzen, in dem es uns schon am Montag so gut gefallen hat. Gesagt, getan. Wir geniessen die Kaffeespezialitaeten dort, auf dem Buechertisch im Innenraum entdecke ich die chinesische Ausgabe eines Klassikers von Antoine de Saint-Exupéry: Xiao Wangzi. (Bei diesem Link kann man ein paar Zeilen hoeren.)

Um kurz vor vier Uhr nachmittags machen wir uns auf den Weg zurueck zum Hotel. Wir kommen ein bisschen vor der vereinbarten Zeit an und Shi Shifu, derselbe, der uns auch in Guilin und nach Longji gefahren hat, ist sichtlich erleichtert, dass wir nicht verlorengegangen sind und er deshalb keine Suchaktion starten muss. Seine Frau und einige Tueten mit Obst- und Gemueseeinkaeufen sind auch dabei. Dann kann's also losgehen zum Flughafen. Fast eindreiviertel Stunden dauert die Fahrt, es geht ueber Schleichwege. So richtig leise kann man da aber auch nicht fahren, sie sind ziemlich holperig. Schleichen bezieht sich somit nur aufs Tempo. Unterwegs haben wir auf fast leerer Strasse noch einen Beinah-Unfall, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer meint, er muesse unvermittelt Fahrkapriolen schlagen. Nicht zu fassen … aber es ist ja nichts passiert, und ganz ploetzlich sind wir aus dem Nichts am Flughafen angekommen, das war definitiv nicht der offizielle Zubringer. Wir verabschieden uns jetzt auch vom Fahrer, und nun heisst es nur noch einchecken, warten, fliegen, heimkommen.

Das Einchecken geht schnell, die Sicherheitskontrolle auch – somit duerfen wir besonders lange warten. Nachschlag gibt's noch, weil das Flugzeug, das uns nach Shanghai bringen soll, etwas verspaetet eintrifft und daher auch verspaetet abfliegt. Am Ende kommen wir ein bisschen verspaetet in Hongqiao an, von wo uns Ding Shifu in weniger als einer halben Stunde sicher nach Hause befoerdert. Gegen Mitternacht sind wir da. Morgen geh' ich dann einfach ein bisschen spaeter ins Buero.

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