Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Mittwoch, 14. Oktober 2009: Nach Pingyao

Um 12:50 Uhr geht unser Flug von Hongqiao nach Taiyuan, der Haupstadt von Shanxi, dieser Provinz "westlich der Berge", so die Bedeutung des Namens. Sie liegt gewissermassen im Nordwesten des chinesischen Ostens. Am Flughafen, der noch fast brandneu ist, erwartet uns Sue. Sie spricht recht gut Englisch und ist auch gar nicht mehr so ganz jung, wirkt entsprechend erfahren und aufgeschlossen und vielseitig interessiert. Ja, den Flughafen haetten die olympischen Spiele letztes Jahr der Stadt beschert. Und ueberhaupt habe sich Shanxi in den letzten zehn Jahren sehr stark entwickelt. Frueher sei es wirklich hinter den sieben Bergen gelegen, abgeschieden und abgeschnitten vom Fortschritt. Dann habe der Provinzgouverneur den Slogan ausgegeben, dass, wer den Reichtum ins Land holen wolle, erst einmal Strassen bauen muesse, weshalb es jetzt eine hervorragend ausgebaute Strasseninfrastruktur gebe. Stimmt, die Strassen sind hier recht gut. Ansonsten sei Shanxi eine Provinz mit Schwerindustrie, ein Tummelplatz fuer Hubertus Schmoldt: Bergbau, Chemie, Energie. Die Felder werden auch bestellt, ueberwiegend mit Mais, aber auch mit Weizen. Der Mais ist gerade geerntet worden, und im Spaetnachmittagslicht leuchtet uns sein sattes Gelb vielfach an. Entweder als Maiskornschicht auf dem Standstreifen, wo die Koerner zum Trocknen ausliegen (nicht sehr appetitlich), oder in Form von geschuetteten oder saeuberlich geschichteten Kolben vor den Haeusern.

Nach etwa einer Stunde erreichen wir den Wohnkomplex "Qiao Jia Da Yuan" der Familie Qiao, der aus dem 18. Jahrhundert stammt. Seit 1991 hat er grosse Beruehmtheit erlangt und ist ein wahrer Touristenmagnet geworden. Da hatte naemlich Zhang Yimou diesen Ort als Drehort fuer seinen Rote-Laterne-Film ausgemacht, in dem Gong Li als Si Taitai, Ehefrau No. 4, ein wenig schoenes Schicksal ereilt. Jetzt fuehrt eine von Verkaufsstaenden gesaeumte laaaaange Strasse hin. Es gibt viele Nuesse und Sonnenblumenkerne und Suessigkeiten, die daraus gemacht werden. Einige Suessigkeiten werden mit dem Vorschlaghammer auf Baumstuempfen zurechtgearbeitet! Ein anderes Kuriosum sind die "Kieselkuchen", shitoubing. Das sind flache Fladen in den Geschmacksrichtungen natur, schwarzer Sesam und Fruehlingszwiebel, die aussehen wie … ja, wie was? Wie unregelmaessiges Waffelpikee? Oder wie gehaemmertes Metall, nur groeber? Dazu werden erst eingeoelte Kiesel tuechtig gebraten, bis sie recht heiss sind. Dann kommt der Teigfladen dazu, der zwischen den heissen Kieseln gebacken wird. Daher die unregelmaessigen Vertiefungen!

Schliesslich erreichen wir den Eingang des riesigen Komplexes. Gegenueber liegt eine "Geisterschutzwand" mit den hundert Formen des Wortes shou, Langlebigkeit. Innerhalb der Mauern befinden sich 5 Wohnhoefe mit insgesamt 313 Zimmern sowie ein Gartenhof. Der Ahnherr der Familie stammte aus armen Verhaeltnissen und hat sich als frueher "Selfmademan" zu einem reichen Geschaeftsmann und Wohltaeter hochgearbeitet. Vorwiegend mit Tofuhandel. - In den meisten Raeumen werden irgendwelche mehr oder weniger folkloristischen Exponate gezeigt. Ausserdem gibt es die drei Schaetze des Hauses zu sehen: einen grossen runden Spiegel in einer kunstvollen (Ebenholz?-)Fassung namens "Rhinozeros, den Mond betrachtend" (dabei sieht das Tier sehr wenig wie ein Nashorn aus - ich halte es fuer ein normales Rindvieh), eine Zehntausend-Leute-Betrachtungskugel, die angeblich das Spiegelbild von so vielen Leuten fein saeuberlich und ohne grosse Verzerrung zurueckwerfen kann, und die Neun-Drachen-Lampe, ein Geschenk der Kaiserinwitwe Cixi, die hier nach ihrer Flucht aus der Verbotenen Stadt ein paar Tage Station machte und ob ihrer freundlichen Aufnahme so erfreut war, dass sie der Familie einige Geschenke machte.

Ueberhaupt ist alles recht reich verziert. Es gibt Holzschnitzereien und auch feinteilige Ziegel- und Steinmetzarbeiten, und ueberall haengen die typisch chinesischen roten Laternen. Im schwaecher werdenden Licht der Nachmittagssonne hat sich der Ort trotz der vielen Touris eine schoene Atmosphaere bewahrt.

Gegen sechs Uhr wird es dunkel, und wir brechen auf nach Pingyao, das wir nach einer knappen weiteren Stunde erreichen. Die Stadt darf tagsueber nicht mit Autos befahren werden, und auch abends haben nur die Anwohner eine Einfahrgenehmigung. Wir beschliessen, zu Fuss zu gehen, und kommen durch einige ganz schoen finstere Gassen, bevor wir unser HongShanYi-Hotel erreichen, dass mit seinen Hoefen und roten Laternen so aehnlich aussieht wie der Qiao Jia Da Yuan. Bloss, dass hinter den Holzfenstern und -tueren klimatisierte Gastraeume mit fliessend warmem und kaltem Wasser liegen. So weit, so gut!

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