Nun sitze ich, viel zu frueh: noch zwei volle Stunden bis zum Abflug, am Ausgang 31 im schicken Flughafen von Incheon. Draussen daemmert es, und die Lichter des Flugbetriebs und der Terminals beginnen, sich auf dem regennassen Boden zu spiegeln. Die vergangenen drei Tage waren mit weitgehend blauem Himmel gesegnet, aber eben auf dem Weg zum Flughafen hat es zu regnen begonnen, obwohl noch irgendwo die Sonne schien. Sicher gab es aus irgendeiner Richtung einen Regenbogen …
Wie auch immer, zwischen den Ausgaengen 31 und 33 befindet sich eine "Traditional Korean Cultural Experience Zone" (klingt so aehnlich wie Selbsterfahrungszone, gell? ;-) ), in der gerade ein Gratiskonzert gegeben wird. Das erste Stueck, das ich hoerte, war ja nun mal extrem schwer "verdaulich" fuer meine Ohren. (Es klang eher nach Selbstzerstoerung, vielleicht eine Extremform der Selbsterfahrung?) Das naechste war schon besser, sanft und melancholisch, insofern sehr passend zur Stimmung der geschilderten Situation. Jetzt ist Pause.
Gestern gab es auch koreanische Kultur zu erfahren, und zwar koreanische Arbeitskultur. Unser Workshop begann um neun Uhr. Mittags wurden Sandwiches in Cellophan und Sushirollen in Alufolie gebracht, die wir fast nebenbei verzehrt haben. Als es dann auf das geplante Ende (17:30 Uhr) zuging und wir auf wundersame Weise bemerken mussten, dass wir noch nicht fertig waren, wurden die vom "Loentsch" uebriggebliebenen Rollen und Brote irgendwie an die Teilnehmer verteilt und nun vollends nebenbei gegessen. Kurz vor zehn Uhr haben wir dann sozusagen aufgegeben. Mit der Planung fuer den Folgetermin, der Diskussion ueber ein kleines Saufgelage zum Tagesabschluss (ohne mich) und dem Auftreiben eines Taxis war schon die naechste halbe Stunde vorbei, und um kurz vor elf Uhr war ich dann "gluecklich" im Hotel Lotte.
Das Zimmer war allerdings recht schoen, geraeumig und modern eingerichtet, mit allerhand Fernbedienungen zum Beispiel fuer die Vorhaenge (bloss nicht versuchen, sie von Hand aufzuziehen!), im 29sten Stock mit Blick ueber Seoul gelegen. Zwei Waschbecken ganz fuer mich allein, aber nur ein Hi-Tech-Klo, ausserdem ein Duschbad mit einer absolut wasserverschwenderischen Whirlpool-Wanne und einer separaten Dusche, diese aber ohne eigene Duschkabine. Was mich dazu bewogen hat, jeden Morgen ein absolut wasserverschwenderisches Wannenbad zu nehmen, denn ohne Kabine ist es mir mit dem Klimaanlagenluftstrom einfach zu ungemuetlich. Und dass die Badewanne mit Aussicht war, hat das Baden nur attraktiver gemacht: am fruehen Morgen im wohlig-warmen, froehlich vor sich hinbrodelnden Wasser zu liegen und dabei die Morgenroete ueber Seoul-City zu beobachten, wie sie langsam einem zartblauen Vormittagshimmel Platz macht, das hat doch was! Das erwaehnte Hi-Tech-Klo war uebrigens mit Waschen und Foenen (ja, wirklich!): Waschen hinten, Waschen soft, Waschen vorn (ob soft also zwischen hinten und vorn liegt, Gruss aus Kalau?), Position verstellbar, Wasserdruck regelbar und wahlweise mit Oszillation und Pulsieren "aufzupeppen", Trocknen. Selbstverstaendlich war es sitzbeheizt, und die Funktionen Spuelen, Aufklappen, Zuklappen konnten alle vom Steuerpult auf Knopfdruck vorgenommen werden. Schade eigentlich, dass es fuer sowas in Europa keinen Markt zu geben scheint, wieso eigentlich nicht??
Am Mittwoch war es mit der Arbeitskultur vernuenftiger gewesen. Ich war laut Agenda zwar so eingetroffen, dass wir gleich mit der Nachmittagssitzung haette starten sollen, aber da waren die Kollegen schon verspaetet, so dass ich gerade recht kam zum Mittagessen. Einem richtigen Mittagessen, wohlgemerkt, in dem wohlbekannten Buffetrestaurant, in dem wir, glaube ich, noch jedes Mal waren, wenn ich in Korea war. Es nennt sich, wohl wegen des Ausblicks, Sky Salad Bar - da haben wir den (Himmels-)Salat. Am Nachmittag mussten wir auch puenktlich schliessen, denn die koreanischen Gastgeber hatten ein Abendprogramm geplant: erst traditionelles koreanisches Grill-Abendessen, dann Nanta Cookin'. Das Abendessen bestand aus Rindfleisch, das auf Tischgrills gegrillt wurde, und allerhand kalten Beilagen, die grossteils als Kimchi im weiteren Sinne kategorisiert werden koennten, jedenfalls von Ahnungslosen wie mir. Aber das ist alles nur die Vorspeise, das Hauptgericht sind Reis oder (kalte) Nudeln. Ich habe letztere genommen, in der Variante "spicy" (scharf gewuerzt). Na ja, sooo scharf war das ja nun nicht, dafuer aber ziemlich suess. Als ob die Shanghaier Kueche mir nicht schon genuegend suesse Gerichte bescheren wuerde! Daraufhin haben die Kollegen mir den Senf empfohlen, der zwar aussieht wie der gute alte Loewensenf, aber keinen Essig enthaelt und auch eher schmeckt wie Wasabi - bloss dass er nicht gruen ist. Die Suesse ging davon zwar nicht weg, aber jetzt schmeckte es doch deutlich peppiger - und gleichzeitig konnte ich noch die Kollegen beeindrucken, wie ich die Senfschaerfe ohne Traenen oder Wimpernzucken geniessen konnte. ;-))
Wir sind vom Restaurant aus zu Fuss zum Nanta-Theater gegangen - die Abendluft war schon fast ein bisschen (zu) kuehl. Es ging fuer mich so gerade noch; auf jeden Fall war es nach den Temperaturen in Hong Kong recht erfrischend. Nanta Cookin' scheint ein in Korea sehr beruehmter Kulturexportschlager zu sein, oder wie soll ich sagen? Es ist eine Art Musical mit 5 Akteuren, weitestgehend ohne Worte, in dem Kuechengeraete unversehens zu Musikinstrumenten werden. Die 5 Akteure: zwei Koeche, einer sexy, einer nicht, eine Koechin, der etwas fiese Manager, sein Neffe. Die Handlung: heute wird geheiratet, und der etwas fiese Manager gibt um fuenf Uhr dem Kochteam bekannt, was alles bis sechs Uhr fertig sein muss. Gleichzeitig bringt er mit seinem Neffen einen Stoerfaktor ins Team der Koeche. Vorher hat das Team in einer Art buddhistischen Zeremonie den Tag ganz ruhig begonnen, mit Wassergiessgeraeusch und Klangschalen. Aber dann wird losgewirbelt, mit viel Percussion und Rhythmus - weil naturgemaess Kuechengeraete wie Schoepfloeffel, Messer, Schneidbretter, Schuesseln, Eimer, Siebe, Besen usw. meist als Melodieinstrument weniger taugen. Zwischendurch kommt es immer mal zu messerwirbelnden Flirtszenen zwischen der Koechin und dem sexy Koch, besenschwingendem Kleinkrieg zwischen dem sexy Koch und dem Neffen des Managers, weil letzterer die Kochmuetze von ersterem bekommen hat und ersterer nun per Kuechenjungenmuetze quasi degradiert ist, und komischen Einlagen vom unsexy Koch. Oder was heisst "zwischendurch"? Das ist der Inhalt! Gar nicht so schlecht, viel Rhythmus und recht originell - und es erfordert keine Koreanischkenntnisse. Diese Show laeuft schon seit ueber 10 Jahren und war auch schon auf allen Kontinenten auf Tournee. Weil das natuerlich ein Team nicht allein bewaeltigen kann, gibt es derer fuenf oder sechs. Im Foyer haengen Fotos von allen, das heute aktive Team in der Mitte. - Angeblich ist das Stueck auf der Liste der Top 10-Sehenswuerdigkeiten von Seoul; dementsprechend ist der Saal auch an diesem gewoehnlichen Mittwoch gut gefuellt. Es sind auch einige Kinder da, denen es offensichtlich auch viel Spass macht. Insgesamt nicht schlecht. Hen bucuo, wuerden die Chinesen (vielleicht) sagen.
P.S.: Nur schade, dass mir kein mit K beginnendes Synonym zu 'Erfahrung' einfallen will!
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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