Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Freitag, 2. Oktober 2009: Zwischen Berg (Peak) und tiefem tiefem Tal (Ballsaal)

Nach unserer Abfahrt vom Victoria Peak lassen wir uns in den westlichen Teil von Hong Kong City bringen, zur Des Voeux Road (W). Sheung Wan heissen das Viertel und die westliche Endstation der Island Line, die im Norden der Insel Hong Kong, also unter den zentralen Stadtbezirken, eine MTR-Verbindung zwischen Westen und Osten herstellt. Das Viertel scheint sich um den "Western Market" zu gruppieren, ein Gebaeude aus der Kolonialzeit, das ein wenig an ein Kastell erinnert und mit hellen und dunklen Ziegeln vielleicht auch ein bisschen maurisch aussieht. Bevor wir den erreichen, kommen wir zuerst durch eine Strasse mit einem TCM-Geschaeft neben dem anderen, wobei der Schwerpunkt des Sortiments hier auf getrockneter Meeresmedizin liegt. Das meiste hat diese typische gelbbraeunliche "Un-Farbe": diese Meerestiere sind buchstaeblich verblichen. Reichlich vorhanden sind auch getrocknete Seegurken, die zum Teil auch schon wieder eingeweicht angeboten werden. Die sehen wirklich nicht appetitlich aus - irgendwie muss ich immer an …haufen mit Noppen denken. Es gibt auch Seepferdchen und Seenadeln und diese paarweise gekreuzigten und am Kreuz getrockneten Echsen. Sie werden meist mit netten roten Schleifen daran befestigt. Hier hat man auch schon die ersten dieser luftig-leicht aussehenden "Schaelchen", die wir jetzt noch nicht zu deuten wissen. Auch die dicken schwarzen Platten, deren Struktur ein wenig an Luffah erinnert, bleiben uns ein Geheimnis.

Bevor wir den westlichen Markt erreichen, kommen wir noch an ein paar Schaufenstern vorbei, die man heutzutage fuer nicht mehr moeglich gehalten haette. Das eine scheint eine Art Drogerie- oder Apothekenfenster mit suedostasiatischen Mittelchen zu sein, die in einem kleinen Fenster in mehreren Reihen uebereinander ausgestellt sind. Das Design der Verpackungen sieht zum Teil doch sehr nostalgisch aus, so dass ich mich frage, ob dies nicht vielleicht eher ein kleines privates Museum ist?! - Das andere Schaufenster enthaelt Pyramiden von verblichenen Konservendosen, die schon selbst aussehen wie Ueberbleibsel aus den 1950er Jahren. Und nichts weiter! Wer soll das denn auch nur entfernt attraktiv finden?? - Im Western Market gibt es eine deutsche Baeckerei namens "Das Gute", die auch eine Café-Ecke hat. Schade eigentlich, dass wir noch vom Saftladen auf dem Victoria Peak "bedient" sind! Ansonsten gibt es da diverse Futtergeschaefte und Kramlaeden, und im ersten Obergeschoss befindet sich ein Stoffmarkt. Das zweite OG, unterm Dach juchhe, ist gesperrt: hier sind schon die Tische fuer ein Hochzeitsbankett aufgebaut.

Die Strasse namens Bonham Strand unweit von hier ist das Zentrum des Handels mit Ginseng - und mit Vogelnestern. Ach so! Die erwaehnten luftig-leicht aussehenden "Schaelchen" sind Vogelnester. Klar; wenn man das einmal weiss … ist das sehr plausibel, und man fragt sich, wieso man nicht direkt selbst darauf gekommen ist.

Wir folgen weiter der Route, die uns die Lonely-Planet-Autoren vorgeschlagen haben, und kommen bald darauf in die Hollywood Road, die nicht direkt in das beruehmte Stadtviertel von Los Angeles gleichen Namens fuehrt. Vielmehr haben hier wohl frueher zahlreiche  "Holderbuesche" (in Wirklichkeit aber Stechpalmenbuesche) gestanden. Auch wenn heute nichts mehr sticht, biegen wir schnell wieder von ihr ab zur Taipingshan-Strasse, deren Strassenecke von einem grossen rosafarbenen "Toilettenpalast" dominiert wird. (Waehrend ich das so schreibe, beginne ich mich zu fragen, ob das wohl die sanitaeren Anlagen fuer die Bewohner der umliegenden Haeuserblocks sind?) Aber natuerlich ist nicht das die Sehenswuerdigkeit, sondern vielmehr die kleinen Tempelchen, die sich hier ganz unpraetentioes in die Mietskasernen eingereiht haben, ohne schnoerkelige Daecher oder Torbalken. Einer hat eine Art Drahtverhau-Loggia, in der zahlreiche Raeucherspiralen haengen, so dass der Rauch sich ungehindert verziehen kann. Wenn man bis ganz nach hinten durchgeht, entdeckt man, dass es sich um einen Ahnentempel handelt, in dem zahlreiche Verstorbenen-Andenkentaefelchen aufbewahrt werden, die die Erinnerungen wach halten sollen. Der andere Tempel oeffnet sich einfach garagentorweit zur Strasse hin und ist Kwun Yam gewidmet, wer auch immer das sein mag. Ein paar Meter weiter findet sich noch ein Tempel mit einem schoen geschnitzten, vergoldeten Holzdekor ueber dem Eingang.

Nun geht es zurueck zur Hollywood Road. Dies ist die Strasse der Antiquitaetenhaendler; hier reiht sich ein Geschaeft mit Tang San Cai (der dreifarbig glasierten Keramik aus der Tang-Dynastie) und allerhand anderen altertuemlichen Chinoiserien, wie zum Beispiel vergoldetem Schnitzwerk, ans naechste. Auf Hoehe der Ladder Street ("Leiter-Strasse", keine Ahnung, warum die so heisst  ;-)  ... die besteht aus einer breiten Treppe) liegt der Man Mo-Tempel, der einem Kriegsgott und einem zivilen Gott gewidmet ist. Letzteren erkennt man am Schreibpinsel, ja, das ist Kultur! Leider wird der Tempel aussen wie innen renoviert, weshalb die Atmosphaere weniger von duftendem Rauch und mehr von beissendem Lackgeruch getraenkt ist. Unter anderem werden naemlich die dicken Saeulen neu rot lackiert. Ich kaufe ein "Tempelpamphlet" fuer 10 HKD, also etwa einen Euro, das sich (gemaess der Bedeutung des Wortes Pamphlet im Englischen) keineswegs als laesterliche Schmaehschrift, sondern ganz harmlos als kleine Infobroschuere fuer die Touris entpuppt.

Damit ist der Rundgang schon so gut wie beendet - wir gehen nur noch einmal den Cat Street Market auf und ab, einen Strassenmarkt fuer Antik-Kitsch à la Dongtai Lu - aber wenn man die Dongtai Lu hat, ist das laengst nicht so spannend, wie wenn man aus der Ferne kommt und sich zum ersten Mal mit solchem Asia-Troedel konfrontiert sieht. Da brauchen wir jetzt nur noch die Metro-Station Sheung Wan zu finden und zum Hotel zu fahren - der naechste Programmpunkt heisst, wie schon berichtet: sich aufdonnern. Denn gleich geht es ja Hochzeit feiern!

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