Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 21. Februar 2009

Art unifies us

So der Name einer kleinen Ausstellung von 4 chinesischen und 3 deutschen Kunstschaffenden, die an diesem verlaengerten Wochenende an einem wenig esoterischen Ort stattfindet (siehe Einladung), naemlich im Shanghaier Hofbraeuhaus. Letzten Sonntag hatte Zheng Hong mir den Handzettel in die Hand gedrueckt, und ich hatte angenommen, dass er einer der vier sei, was er auch - klassisches Beispiel interkulturellen Nichtverstehens - auf meine Frage hin bejaht hatte. Bloederweise stehen ja nicht einmal die "Kuenstlernamen" auf der Einladung.

Zur Vernissage am Donnerstag konnte ich nicht gehen - man muss schliesslich Prioritaeten setzen, und meine Prioritaet ist der Chinesischunterricht -, also hatte ich das fuer heute vorgesehen. Als wir den winterlich-oeden Biergarten vor einer klimaanlagenuebersaeten Hauswand hinter uns gelassen hatten und das Hofbraeuhaus in der Taojiang Lu betraten, sassen da zu unserer Ueberraschung ein Kollege von mir und seine Frau, und gleich stellte sich heraus, dass letztere eine der Ausstellenden sei. Na sowas! Von ihr waren dann (nur) vier Bilder dabei, Acryl auf Leinwand: die vier Jahreszeiten. In der Mitte jeweils das entsprechende chinesische Zeichen (aber nicht geschrieben, sondern gemalt), wahrscheinlich ein Ueberbleibsel davon, dass sie mal ein paar Stunden Unterricht bei Zheng Hong genommen hatte. Aber wer hatte die Bilder aufgehaengt? In der Reihenfolge Dong Qiu Chun Xia, also Winter Herbst Fruehling Sommer, hingen sie da - vielleicht wegen der Farben? Blau Rot Gruen Gelb dominierten jeweils.

Weitere Acryl- und Oelbilder gab es, das meiste nicht so "mein Ding", und Zeichnungen einer Chinesin mit dem englischen Namen Iris, die mir ganz gut gefallen haben. Ausserdem kleinformatige Leinwaende "ohne Titel", so der saubloede Name, die mit Textilien teilueberspannt und dann teil-angestrichen waren. In der Schule hatte ich frueher mal Unterricht in "Textilgestaltung" - so sah das auch aus. Die Videokunst (3 Filme, einer ca. 20, einer ca. 2 Minuten, der dritte 54 Sekunden) war nicht so sehr Video, sondern eigentlich Fotoshow, jedenfalls die 20+2 Minuten. Viel Weiss mit blasser, sehr sparsamer ziemlich klassischer Tuschemalerei: Bambus, Voegelchen, Fische und wenig mehr. Dazu sehr leise Geraeusche. Die 54 Sekunden waren Kontrastprogramm, naemlich "richtiger" Film: ein nicht sehr sauberes Klo in Benutzung, der Anfang eines Quickies durchs Schluesselloch gesehen, ein paar nackte Fuesse, die hinter einer geoeffneten Tuer hervorschauen und den Eindruck vermitteln, dass sie zu einer Leiche gehoeren. Leben, Sex und Tod? Na, ob uns diese Kunst "unifiziert" oder eher entzweit, sei dahingestellt. - Neben all diesem waren die Fotos sicher das, was mich am ehesten angesprochen hat. Eine Serie mit Shanghaier Alltagsszenen in Schwarz/Weiss mit rot akzentuierten Bereichen, die andere mit Mao-Bildern an Shanghaier Hauswaenden.

Weil es nicht sehr voll war, hatten wir auch die Moeglichkeit zu ausfuehrlichem Meet the artist. Wir haben natuerlich auch ueber Chinesisch Sprechen und Schreiben gesprochen, und die Organisatorin und Kuenstlerin berichtete, dass sie in Frankreich, wo sie die schoenen Kuenste studiert hat, begonnen hatte, Kalligraphie zu erlernen. Interessanterweise handelte es sich dabei um chinesische, nicht etwa um westliche Kalligraphie. Letztere schien nicht in ihrem Bewusstsein vorzukommen ... Ihre Lehrerin sei Taiwanesin gewesen, und deshalb habe sie die traditionellen Zeichen, nicht die vereinfachten geschrieben. Na ja, obwohl Zheng Hong ein waschechter Volksrepublikaner ist, schreibe ich da natuerlich auch die traditionellen Zeichen. Das ist ein weiteres Dogma, scheint mir - die Schreibtechnik kann man natuerlich sehr wohl auch auf vereinfachte Zeichen anwenden.

Zum Abschluss wollte ich mich noch ins Gaestebuch eintragen und fragte also locker-flockig nach Pinsel und Tusche, worauf die Fotografin in ihrer Handtasche kramte und mir einen normalen Schreiber reichte. Dabei hatte ich das ganz woertlich gemeint ... So musste ich dann meinen chinesischen Namen mit dem Kugelschreiber schreiben, schaaade.

Nach soviel geistiger Nahrung war es Zeit, an das leibliche Wohl zu denken. Zum Glueck gibt es in der Taojiang Lu nicht bloss das Hofbraeuhaus und, gleich gegenueber, den Irish Pub Shanghai, sondern auch das schicke Pin Chuan (siehe auch mein frueherer Kurzbericht). Tintenfischtuben in saurer Suppe kann ich definitiv nicht empfehlen, die anderen Sachen waren aber lecker. So zum Beispiel das kou shui ji (Mundwasserhaehnchen), das auf English mouth watering chicken heisst. Oder der all time favourite ma po doufu, der hier auch sehr gut schmeckt. Die eigentlich Attraktion haben wir aber versaeumt zu bestellen, die kam an zwei Nebentischen. Irgendwann trug ein Kellner dort eine Glasschuessel auf, die halb mit einer klaren, hellgelben Fluessigkeit gefuellt war, welche in mir schon ganz komische Assoziationen weckte. Aber oha! kaum stand die Schuessel auf dem Tisch, warf der Kellner allerhand Zeugs von einem grossen Teller in die Schuessel, in der es daraufhin heiss aufschaeumte. Das war also nicht etwa das, was es sowieso nicht sein konnte, sondern richtig heisses Oel! Stimmt, das ist eine typische Sichuan-Zubereitungsweise (woran man wieder mal sieht, dass chinesische Kueche schon ziemlich fett sein kann).

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