Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 14. Februar 2009

Von Kreuzen und Coffeeshop-Lyrik

Meine Kurzzusammenfassung ueber Japan lautet, ich weiss nicht, ob ich es schon erwaehnte, (mit verschraenkten Armen zurueckgelehnt zu sprechen) "Wir sprechen hier alle Japanisch." Nun ueberlege ich, welche Formel ich fuer Korea finde. Waehrend ich noch ueberlege, will ich meine treue Leserschaft schon einmal an der wunderbaren koreanisch-englischen Coffeeshop-Lyrik teilhaben lassen, die mir hier auf Euterpes Fluegeln (oder welche war die Muse der Poesie?) einen schnoeden Caffè Latte aus dem Pappbecher in den Dichter-Aether emportraegt, oder so. Und nein, ich kann nicht auf gut Deutsch Kaffeehaus-Poesie sagen: diese oede Ecke im Flughafen Gimpo mit ein paar Holztischchen in der Ecke einer grossen, sachlichen Halle, mit Selbstbedienungstheke und Einmalbechern, abgepackten Sandwiches und Nudelsuppen aus der Plastikschuessel im Lack-Look geht aber auch so was von gar nicht als Kaffeehaus durch! Soweit ich das ueberblicke, ist auch weit und breit kein Wiener (und, Gruss aus Kalau, nicht mal ein Wiener Wuerstchen) zu sehen ...

Nun aber zu den Perlen der Dichtkunst, die neben einer stilisierten schwarzen Zeichnung einer Tasse duftenden Kaffees auf dem besagten Pappbecher (rotgrundig) aufgedruckt sind:

fire & ice

SOME say the world will end in fire
SOME say in ice
From what those
who favor fire
But if had to perish twice
I think I know enough of hate
To know that for destruction ice

gout de ciel

Here's an example from a butterfly an example
that it can lie happy on a hard rock
An example that it can lie on this unsweetened
stone friendlessly and all alone now let my bed
I do not care
Bei diesen zarten Versen ist es ja nicht so schlimm, wenn man nicht so genau versteht, was eigentlich gemeint ist - das Problem ist nur, dass die Kolleg(inn)en meistenteils genauso reden. Schwierig! Sowieso ist es hier ein Kreuz mit der Kommunikation. Immer nur schoen entlang der Hierarchie, von oben nach unten, versteht sich, und Leute, die aelter sind als man selber, haben auch immer Recht, schon aus Gruenden der Achtung, die man ihnen zu zollen hat ... nicht gerade ideale Voraussetzungen fuer Projektarbeit. Nicht einmal fuer die normale Arbeit in der Linienorganisation, denn naturgemaess kommt man irgendwann in ein Alter, in dem Chefs meistenteils juenger sind als man selbst. O je, was dann?! Und sowie funktioniert nichts, weil es einen schoenen Prozess dafuer gibt, sondern alles, wenn die Beziehung stimmt. Glauben jedenfalls viele, weshalb auch niemand Vertrauen in irgendwelche Prozesse hat - und es deshalb unendlich schwierig ist, welche zu etablieren. Das bedarf noch steten Tropfens, um den Stein zu hoehlen - andererseits ist es ja in anderen Laendern auch nicht supereinfach.

Sollte also vielleicht meine Korea-Kurzformel lauten "Wir kennen uns hier alle"? Oder ist es wie mit dem Zitat aus dem alten Groelemeyer-Song "... wir feiern hier 'ne Party, und du bist nicht dabei ..."? Natuerlich gibt es in Korea auch Expats, an denen man vermutlich interessante Studien durchfuehren koennte. Sie gehoeren ja nicht dazu und kennen hier erstmal keinen, jedenfalls, wenn sie ankommen - aber andererseits stehen sie meist in Hierarchien relativ weit oben, was die "Einheimischen" bestimmt in Gewissenskonflikte stuerzt: welcher Faktor ueberwiegt?

Aber genug vor mich hin philosophiert - neulich hoerte ich das Wort "Drauflosphilosoph", so komm' ich mir heute auch vor, aber richtig positiv klingt das nicht. Deshalb will ich mal lieber noch ein paar handfeste Reiseeindruecke schildern. Vor dem Abflug hatte mich ein Kollege gefragt, wie Seoul so ist, und ich habe mit den Schultern gezuckt. Noch nie dagewesen? Doch, schon mehrmals, aber immer im Modus Flughafen - Hotel - Buero - Flughafen, wobei der Teil Hotel - Buero mehrfach auftreten kann. In diesem Modus sind die Eindruecke von fremden Laendern doch arg beschraenkt. Das Wetter war meist grau und heute richtig regnerisch, ein Wetter also, bei dem eigentlich jede Stadt ziemlich oede aussieht. So auch Seoul, wo sich an den Verkehrsadern ein Geschaeft ans andere reiht, in meist nicht mehr als zehnstoeckigen Gebaeuden (oft auch nur zwei- oder dreigeschossigen). Viele Kaffeelaeden sind dabei, auch Pizzabuden und sonstige Symptome westlicher Sitten und Gebraeuche. Noch auffaelliger sind aber die vielen Kirchen. Das habe ich bestimmt bei frueheren Berichten von meinen Besuchen in Korea schon angemerkt, aber diesmal fiel es mir noch staerker auf. In dem Viertel kurz vor dem Flughafen Gimpo war unuebertrieben jedes dritte Gebaeude mit einem Kreuz versehen, und viele von ihnen auch mit einem schmalen, schlanken Kirchturm. Und noch besser war das, als ich eben ueber den "moving walkway" (wie heisst so eine platte Rolltreppe eigentlich auf Deutsch? Laufband ja wohl nicht, das steht im Fitnessstudio und die Idee ist, dass man darauf nicht von der Stelle kommt - also das Gegenteil vom moving walkway) zum Ausgang ging. Natuerlich zum allerletzten Ausgang, damit der Weg recht weit ist. Da leuchteten naemlich im schon fast ganz dunklen Himmel ueber Seoul mindestens ein Dutzend rote Neon-Kreuzkonturen ueber der Silhouette der Stadt. Wuesste gern, wie das Christenleben hier ist ... bestimmt ganz anders als in Deutschland.

P.S. Der Orangensaft aus einem allerdings poesielosen Plastikbecher hatte eine Sellerienote ... komische Orangen haben die hier.

P.P.S. Hier gibt es Kimchi-Schokolade zu kaufen. Waehrend ich sonst schon mal gern experimentiere, habe ich diesmal doch darauf verzichtet. Der sauer-scharf eingelegte Kohl in Schokolade? Och noe ... lass' ma'. Die (nicht-koreanischen) Kollegen hatten mir auch von fermentiertem Fisch vorgeschwaermt, der wie Sushi aussehen, aber ganz anders riechen soll, und weiterhin fermentierten Tofu und fermentierten Kimchi empfohlen. Aber leider hatte ich gar keine Gelegenheit, das alles zu probieren. So ein Pech aber auch.

P.P.P.S. Deutsch scheint hier bei den Offiziellen, die die Ein- und Ausreiseformalitaeten abwickeln, besonders beliebt zu sein: sowohl am Mittwoch wie auch eben verabschiedeten sie mich mit sowas wie "Guten Abend" oder "Auf Wiedersehen". Sieh an.

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