Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 27. September 2008

Der Pinsel singt, die Tinte tanzt

Selten genug: es ist Wochenende und der Himmel ist nicht nur am Morgen blau, sondern bleibt es sogar tagsueber! Man muss also nicht unbedingt ins Museum gehen - aber eben doch, denn wir sind mit meinem Kalligraphielehrer Zheng Hong verabredet, der uns in ein neues Pinselmuseum (genau betrachtet ein Pinsel-und-Tinte-Museum) fuehren will, das jetzt auf der Fuzhou Lu eroeffnet hat.

Wir sind 2 Minuten zu spaet gegenueber vom Foreign Language Bookstore - ich dachte, da seien wir verabredet. Aber Zheng Hong steht vor dem Buchgeschaeft, also auf der anderen Strassenseite, und macht keine Anstalten herueberzuschauen. Gleich darauf enteilt er - wir enteilen mit auf der anderen Strassenseite, ich krame mein "Mobtel" hervor und lasse es bei ihm klingeln. Bis er seins ausgegraben hat, haben wir es am naechsten Zebrastreifen ueber die Strasse geschafft und ihn fast erreicht. Waehrend ich den Anruf gerade abgebrochen habe, ist er stehengeblieben und ruft "Hallo?!" ins Telefon - ich rufe ihm ueber 5 m Strasse "Hallo!" zu, hihi! Doch noch gefunden. Jetzt heisst es das ganze Stueck und noch ein bisschen mehr zurueckeilen. Unter einem tuerkisblauen Glastuerschild befindet sich der Eingang. Unten sind nur zwei, drei Vitrinen mit Pinseln, einigen wenigen Reibsteinen und Tintenstangen, die zum Verkauf stehen. Hui, da sind auch schon Sachen in Preisklassen von mehreren tausend Euro dabei ... aber die Pinsel fangen bei ca. 1,50 Euro an.

Im Obergeschoss befindet sich ein nicht allzu grosser, langgestreckter Raum, mit Mondfenster-Raumteilern in der Mitte und Vitrinen dazwischen und an den Seiten. Am Ende wird auf den Boden projiziert, wie eine Kalligraphenhand chinesische Zeichen auf Papier praktiziert.

So ganz hundertprozentig habe ich nicht verstanden, wie aus den Tierhaaren (Kaninchen, Marder und Ziege) diese kleinen spitzen Haarberge hergestellt werden - die werden dann jedenfalls einfach zusammengebunden und in den Pinselschaft gesteckt, fertig. So einfach ist das! Das mit der Tinte ist schon etwas komplizierter, und da kommen exotische Zutaten rein - der Hauptbestandteil ist aber Russ, sieh an. Tierhautkleber ist die zweite Hauptkomponente, alles andere ist nice to have, zum Beispiel Moschus oder Perle oder Gold oder andere chinesische Medizin. Der schwarze zaehe Matsch wird tuechtig geknetet (mit Haemmern und Haenden) und dann in dekorative Modeln gedrueckt und anschliessend bemalt. Heutzutage scheinen Tuschesteine auch eher Sammlergegenstaende zu sein als Gebrauchsartikel, vor allem natuerlich die antiken. Neben Reibstein und Papier sind Pinsel und Tusche schliesslich zwei der Vier Schaetze des Gelehrtenzimmers. Recht informativ war ein Film ueber Herstellung von Pinseln und Tusche, sogar wenn man nichts verstehen konnte. Zu den Vitrinen gibt es englische Erklaerungen aus dem Lautsprecher, aber recht leise (ein Leisesprecher?!) und insofern schlecht zu verstehen, wenn es nicht ganz still war, und ausserdem ziemlich langwierig. Ein Teil der Beschriftung war auch in englischer Sprache.

Ich habe mir dann noch drei Pinsel gekauft - nachdem Zheng Hong langwierig mit der Verkaeuferin diskutiert hat und alle Pinsel genauestens in Augenschein genommen hat. Leider kann er nicht richtig erklaeren, worauf man denn nun achten muss. Eine Empfehlung: Bei gleichem Preis lieber den Pinsel mit dem billigen Bambusschaft nehmen statt den mit schoenem Schaft, dann ist die Qualitaet der Haare vergleichsweise besser. Trivial, aber irgendwie hatte ich ueber diese Trivialitaet noch nicht nachgedacht.

Anschliessend hat er uns noch einen Buchladen gezeigt, wo es billige Buecher gibt - Kalligraphievorlagen gibt's im Centbereich in grosser Auswahl, und natuerlich auch "Kunsthefte" mit Bildern, die man ebenfalls als Vorlage verwenden kann. Das Einkaufen war da ja wieder mal ein Erlebnis. Burkhard hat ein zweibaendiges Werk ueber "Seltsame Steine" gekauft. Die beiden Bildbaende kamen dann nicht in einen Schuber, sondern in eine mit gelbem Plastiksamt ausgekleidete repraesentative Schachtel. Nach Zheng Hongs Fuersprache haben wir mehrere Buecher und dieses "Gesamtkunstwerk" fuer 190 RMB bekommen. Dafuer musste er es aber fuer uns verpacken, bei dem Preis war der Service nicht mehr inbegriffen. Er bekam ein pinkfarbenes Bastband in die Hand gedrueckt und hat die Kiste damit fuer uns verschnuert.

Danach haben wir uns nach Hause bringen lassen und sind auf der Flusspromenade auf unserer Seite promenieren gegangen - es gab mal wieder einen schoenen Sonnenuntergang ueber dem Bund, das ist jedesmal sehenswert. Am Ende waren wir aber ziemlich durchgefroren. Gegessen haben wir im Sushiladen im Citigroup Tower. Die haben neben japanischem "Standardfutter" auch "Kreativrollen". Die Wasabi Challenge waren ganz schoen heftig, aber man hatte uns beim Bestellen gewarnt. Und lecker war's trotzdem, und das Preis-Leistungsverhaeltnis ist da richtig gut.

P.S. Eine Inschrift auf einem grossen senkrechten Schriftzeichenschild im Pinselmuseum dient hier als Artikeltitel.

Keine Kommentare: