Heute ist das Aufstehen ein bisschen schwieriger, aber ich schaffe es trotzdem, immer noch halbwegs puenktlich am Fruehstuecksbuffet zu erscheinen. Diesmal entscheide ich mich, draussen zu sitzen - aber das ist ein wenig tueckisch. Als ich meinem Tischchen gerade den Ruecken kehre, um mir noch etwas zu holen, sind diese schwarzen Starenvoegel schon gleich da. Ich habe zwar keine Lebensmittel mehr auf dem Tisch, und die Teetasse habe ich schon vorsichtshalber mit dem Reisefuehrer zugedeckt, aber trotzdem ... Ich gehe zurueck und schlage erst einmal mein Besteck in die Serviette ein, daraufhin finden sie es nicht mehr attraktiv. Als ich wieder zurueck bin, sehe ich an einem anderen Tisch eine freche Dohle. Am Ende fliegt sie mit einer gestohlenen Waffel davon. Die Tischbenutzerin ist leicht entsetzt, als sie bemerkt, was los ist, und beschliesst, die Sachen zu verwerfen, die noch auf ihrem Teller liegen, und doch lieber drinnen zu essen. Der Service raeumt gleich leicht betreten ab. - Schliesslich komme ich erst um 11:30 Uhr los, weil ich vorher noch ein wenig auf dem Bett weggeschlummert bin ...
Ich entscheide mich doch fuers Taxi statt fuer die U-Bahn und lasse mich wieder nach Little India bringen, zum Sakyamuni Buddha Gaya-Tempel. Das sagt dem Taxifahrer erst einmal nichts, aber ich habe ja einen Stadtplan. Der Tempel steht einfach so in einer ganz normalen Haeuserzeile. Es ist auch im Prinzip nur ein grosser Raum. Keine verschiedenen Hallen, Hoefe, Gaenge wie sonst oft. Ich bin wieder ratlos - welche Richtung des Buddhismus ist jetzt das? Die Halle wird von einem riesenhaften, im Lotussitz sitzenden Buddha dominiert. Riesenhaft heisst in diesem Fall 15 Meter hoch und 300 Tonnen schwer. (300 Tonnen - das kann ich gar nicht glauben. Ob's nicht doch eher 30 sind?) Seine "Haut" ist weiss, er ist in ein gelbes "Tuch" gehuellt, das ganz ordentliche Falten wirft, das Haar ist schwarz, die Lippen sind sehr rot, die Finger der rechten Hand bis zum zweiten Fingergelenk hinauf vergoldet. Der rechte Ellbogen ruht auf einem bunten "Kissen". Ihn umgibt eine Art von spitzbogigem Heiligenschein, der im Licht von 1000 (genau gesagt 989, habe ich irgendwo gelesen) Gluehlampen erstrahlt, wenn ein Glaeubiger dafuer bezahlt. Daher wird dieser Tempel auch "Tempel der 1000 Lichter" genannt.
In einer Ecke sitzt ein Ganesha. Das ist ja nun einer von den Hindu-Goettern, aber er sei extra auf Wunsch von chinesischen Glaeubigen (und auf deren Kosten) hier aufgestellt worden. Ja dann. Ausserdem umfasst die Ausstattung ein Stueck Bodhi-Baum (wir erinnern uns: Ficus religiosa), angeblich von just dem Exemplar, unter dem Buddha erleuchtet wurde, sowie eine mit reichlich Perlmutt eingelegte Replik des heiligen Fussabdrucks von Buddha auf einem Berg auf Sri Lanka. Die kleinen schwarzen Buddhafiguren gegenueber sind mit sieben Zetteln beschriftet, die jeweils einen Wochentag bezeichnen und eine von Buddhas Haltungen erlaeutern. Waehrend ich versuche, die Zettel den Figuren zuzuordnen, stelle ich fest, dass es kurioserweise acht Buddhafiguren sind. Ob da jemand den Schalk im Nacken hatte?!
Unter dem grossen Buddha (also unter 300 Tonnen Beton? bedrueckender Gedanke!) befindet sich eine Art Krypta, ein Allerheiligstes, in dem daher auch Fotografieren sowie das Beruehren der Figueren mit den Pfoten verboten sind. Die Hauptfigur ist ein toter Buddha, wie ich an den fein saeuberlich aufeinander gelegten Fuessen erkenne. - Um in die Krypta einzutreten, muss man sich ganz klein machen: der Eingang ist extrem niedrig. Beim Herauskommen entdecke ich gegenueber von diesem niedrigen Durchgang ein Paar betende Haende "auf asiatisch" und zwei Fliesenfelder mit Fotofliesen von irgendwelchen vermutlich chinesischen Landschaften (die alte Heimat?), eingerahmt von Kuechenfliesen, die Pilze und Gemuese zeigen - sehr seltsam. Den Sockel, auf dem der grosse Buddha sitzt, ziert ein Diorama mit den einschlaegigen Szenen aus Buddhas Leben. Die Figuren sehen aus wie auf Hindutempeln (tatsaechlich steht "indischer Stil" in den Erlaeuterungen fuer die Touris) und werden durch von Staub und Schmutz schon ganz stumpf gewordene Glasscheiben vor dem Verstauben und Verschmutzen geschuetzt.
Neben dem Tempel gibt es einen schmalen Streifen "Hof", bevor das Nachbargrundstueck beginnt. Dort stehen Wasserbecken mit Seerosen, neben der Strassenfront ueberdimensionale (Beton-)Tiger im Sprung und, das Wichtigste, ein Ofen, in dem man Papierdinge fuer die Toten verbrennen kann. Nebenan steht nicht direkt ein "normales" Wohnhaus, sondern vermutlich ein "Geisterwohnhaus" oder jedenfalls ein chinesischer Ahnentempel.
Auf der anderen Strassenseite schraeg gegenueber befindet sich der fein ziselierte chinesische Drachenbergtempel. Hier heisst der nicht Long Shan Si (so spraeche es sich in Mandarin), sondern Leong San Si. Tempelimpressionen: Reichlich geschmueckte Daecher aussen, innen allerlei, darunter eine barmherzige Tie Guan Yin, ein dicker goldener lachender Buddha, ein grosses messingnes (?) Raeucherstaebchenbecken mit Loewenkoepfen samt gefaehrlich aussehenden Glasmurmelaugen, eine Art Paillettendrache in Halbrelief und ein weisser Papagei mit gelbem Kamm. Im hinteren Teil sind auch grosse Ahnenverehrungsaltaere in Betrieb, davor stehen Kantinentische fuer die Toten und fuer die Lebenden.
Als ich alles inspiziert und mich sattgesehen habe, gehe ich durch eine Querstrasse und bin wieder auf der belebten Serangoon Road, wo ich binnen einer Minute ein Taxi geangelt habe. Es ist jetzt kurz vor ein Uhr mittags. Please take me to the zoo!
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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