Es ist noch nicht einmal halb sechs Uhr abends - Zeit genug, weitere Erkundungen in Singapur anzustellen. Und allemal ist es noch viel zu frueh, um schon ins Hotel zurueckzukehren! Chinatown ist vielleicht nicht sooo interessant, wenn man in Shanghai wohnt - also habe ich mir Little India vorgenommen, zumal einer der Tempel dort sowieso nur vormittags und abends ab 18 Uhr geoeffnet haben soll. Ich lasse mich mit dem Taxi zur Little India Arcade fahren, vorbei am DHL-Fesselballon, mit dem man aufsteigen kann, um sich Singapur von oben anzusehen. Vermutlich ist das sogar besser als mit dem Singapore Flyer, dem brandneuen HiTech-Riesenrad, bei dem die Besucherkapseln immer ausserhalb des Rades bleiben. Es wurde gerade am 15. April offiziell eroeffnet, ist aber schon seit Februar in Betrieb. Das "Ding" war unser Konferenzbegleitprogramm am letzten Sonntag - uns war ein bisschen mulmig. Alles IT-Leute und dann Pilotanwender sein??!? Es ist staendig in Bewegung, man muss waehrend der Fahrt ein- und auch wieder aussteigen. Aber es faehrt natuerlich ganz langsam, fuer eine Umdrehung braucht es 30 Minuten. Die Besucherkapseln sind tonnenfoermig und sehr geraeumig - 28 Personen haben darin Platz, und es werden Cocktails serviert. Die Tonnen drehen sich quasi wie ein Zahnrad am Riesenrad entlang, so dass wir die Koepfe immer oben behalten haben und nicht auf dem buchstaeblichen Hoehepunkt der Fahrt kopfueber am Kapselboden kleben mussten. (Wer genau wissen will, was der Unterschied zwischen einem Riesenrad und einem Riesenbeobachtungsrad [?] ist, klicke hier [englischsprachiger Link].) Der Blick ist allerdings nicht sooo spektakulaer - dafuer steht das Gebilde einfach zu sehr am Stadtrand. Und ein Gefuehl von Fliegen vermittelt es definitiv nicht, auch wenn die Website das glauben machen will!
Aber das war ja alles letzten Sonntag - jetzt ist Samstagabend und ich kann und will nicht fliegen, sondern mir Little India ansehen. Allerdings muss ich erst einmal was gegen den kleinen Hunger tun. Einen glibberigen Fertigmilchreis habe ich nicht dabei, statt dessen kaufe ich mir drei undefinierbare Teile in einem indischen Suessigkeitenladen. Gar nicht so uebel - und bestimmt jedes fast 0 Kalorien.
Dann mache ich mich auf den Weg. Serangoon Road ist sehr lang und sehr gerade und die Schlagader von Little India. Ich erkunde sie und ihre Seitenstrassen - alle voll von Indern, ich sehe auch kaum Touris (jedenfalls kaum langnasige, genau gesagt - hier soll es immer ganz viele indische Touristen geben). In einer Hausecke finde ich ein ganz besonderes Verbotsschild: in die Ecke pinkeln steht hier unter Strafe, der Tarif ist 500 S$. Teures Vergnuegen ... Die Haeuser hier sind alt, sehen ein bisschen nach Jugendstil aus und sind gut gepflegt und bunt gestrichen. Es handelt sich um schmale zweigeschossige Bauten, die im Erdgeschoss einen vom Obergeschoss ueberdachten Wandelgang aufweisen, in der Annahme, dass so ein bisschen Kuehle dort gehalten werden kann.
Die Geschaefte brummen, es gibt Laeden aller Art. Besonders fallen mir die zahlreichen Juweliere auf. Goldschmiede- und Vergoldearbeiten in Huelle und Fuelle. Ob das alles echt ist? Dann stosse ich auf den Sri Veeramakaliamman-Tempel. Ein hinduistischer Tempel zu Ehren der Goettin Kali. (Die hier zu einem Kali-Kalau-er anregt: wie heisst noch gleich ihr Gefaehrte? Salz, oder?) Vor dem Tempel stehen Hunderte von Schuhen, weil man sie ja ausziehen muss. Ich bin ein wenig besorgt, ob meine auch noch da sein werden, wenn ich wieder herauskomme - aber die Sorge ist unbegruendet. An der schweren Holztuer Typ Kassettendecke haengen lauter Glocken, die man wohl laeuten kann/soll, wenn man den Tempel betritt. Es herrscht geschaeftiges Treiben auch im Tempel.
Mitten in Little India findet sich ein paar hundert Meter weiter die Angullia-Moschee, die angeblich mehr als 100 Jahre alt ist, aber kein bisschen danach aussieht. Ich gehe natuerlich nicht hinein und versuche gar nicht erst, ob die Leute hier etwas dagegen haben oder nicht.
In einer der naechsten Seitenstrassen liegt das vierstoeckige Kaufhaus Mustafa Center. Da gibt's definitiv alles. Stoffmarkt, Souvenirs, Lebensmittel (frisch und abgepackt), Schreibwaren, Buecher, Haushaltswaren, Bettzeug, Kleinmoebel und ich weiss nicht was. Die Regale stehen sehr eng und sind vollgepackt - sieht nicht so aus, als waeren westliche Besucher die Zielgruppe. Aber man sollte wirklich mal hingehen, so etwas hat man noch nicht gesehen. Zum Beispiel die Suesswarenabteilung: Schokolade aller Sorten aus allen Laendern der Welt, die irgendwie "in Schokolade machen", Kekse und sonstiges Gebaeck, tuerkische Suessigkeiten und all die asiatischen Dinge, die ich nicht kenne. Auch die uebrigen Lebensmittel sind international, und deutsche Marken gar nicht schlecht vertreten. Zum Beispiel mit PERENCAH UDANG BERCILI der Firma Maggi: Fertigsaucenmix fuer Chili Prawns. Habe ich in Deutschland noch nie gesehen ... Neben Honig der Marke Langnese gibt es auch ein Paket Nudeln mit Sauce der Marke Honig (ja wirklich!). :-) Und in der Frischfischabteilung liegen ein paar ganze kleine Haie auf Eis. Ich moechte zu gern wissen, was dieser Laden fuer einen Umsatz macht - er hat rund um die Uhr geoeffnet.
Nach soviel Konsumterror ist es gut, dass noch ein Tempel zu finden ist. Sri Srinivasa Perumal heisst der. Jetzt ist die blaue Stunde, zu der der Himmel nicht mehr hell, aber noch nicht schwarz ist. Die Aussenwand des Tempels ist mit rot-weissen Laengsstreifen gestrichen, davor sind seltsame Metallvoegel mit rotgluehenden Perlenaugen angebracht. Was die wohl zu bedeuten haben? Hier bewachen kleine, chinesisch anmutende Loewen die Schuhflut, so dass ich viel entspannter hineingehen kann. In einem nach vorn offenen Zelt sitzt ein Guru (oder so aehnlich) im Schneidersitz und haelt eine Predigt. Wer zuhoeren will, sitzt zwangslos irgendwo auf dem Boden herum, wer Betgeschaefte zu verrichten hat, geht ihnen ungeruehrt nach. Ein Wort wie "Andacht" ist in Hindu-Tempeln irgendwie fehl am Platz, wobei ich natuerlich nicht sagen will, dass die Leute nicht konzentriert ihre Religion ausueben. Es ist einfach das Wort, das nicht passt.
Dann mache ich mich langsam auf den Rueckweg entlang der jetzt bunt erleuchteten Serangoon Road. Das Tandoori-Restaurant mit besonders grossen, bunten und vielen Leuchtreklamen war mir schon auf dem Hinweg aufgefallen. Inder sind wohl auch langnasig, scheint mir, denn da gibt es eine Reklame, auf der ein Mann mit Kochmuetze den leckeren Tandoori-Geruch mit einer extrem langen Nase einsaugt. Schade, dass sich das blinkende Objekt nicht fotografieren laesst! (Jedenfalls nicht mit der mir zur Verfuegung stehenden Technik.)
Dann trete ich die Rueckfahrt per MRT (Mass Rapid Transport, eine U-Bahn) an. Man muss 2,10 S$ bezahlen, aber 1 S$ davon ist Pfand, das man sich am Ausgang vom Automaten zurueckholen muss. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Benutzer die Tickets zurueckgeben. Ob das nun so eine geschickte Methode ist ... hier in Shanghai werden die Tickets auch rezykliert, und selbst ohne Pfand fliegen die nicht ueberall herum.
Wie auch immer, um kurz nach 9 Uhr bin ich zurueck im Hotel, jetzt doch langsam etwas muede (vor allem die Fuesse), aber nicht recht hungrig. Also beschliesse ich, das Abendessen ausfallen zu lassen (ist ja auch schon ein bisschen spaet) und statt dessen nur noch einen Milchkaffee, einen Limettensaft und ein Wasser in der Hotelbar zu trinken und dann schlafen zu gehen - natuerlich nicht ohne vorher die Notizen fuer diese Blogartikel zu machen.
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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