Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 31. Mai 2008

Freitag, 23. Mai 2008: Das Rueckgrat des Drachens

Das Fruehstuecksbuffet im Intercontinental ist recht unuebersichtlich, aber nicht das beste, das ich je gesehen habe. Trotzdem war wohl fuer jede/n was dabei. Wir sind gegen 10 vor 9 Uhr morgens in der Lobby, unser Fahrer ist auch da - unsere Fuehrerin ist nicht da. Der Fahrer ruft sie an - sie steckt im Stau. Kurz nach neun kommt sie, wir fahren gleich ab. Das sei alles kein Problem, meint sie - nun gut, ist ja ihre Verantwortung, uns puenktlich am Flughafen von Chongqing abzuliefern. Es regnet immer noch, und zumindest in der Stadt ist ganz schoen viel Verkehr. Aber sie behaelt Recht, wir sind am Ende sehr puenktlich da.

Im Auto gibt sie uns noch einmal eine Zusammenfassung unserer "drei" Tage in Chongqing und Dazu. Als sie damit anfaengt, versteht Burkhard gar nichts mehr - guckt mich grimmig-fragend an: Was soll das denn jetzt?! Alles noch einmal Revue passieren lassen, sage ich. Und das samt Anleitung, was das mit uns zu machen hat: "we should enjoy" - "we should like". Derart praepariert muessen wir den Kundenzufriedenheitsfragebogen ausfuellen. Normalerweise halte ich ja nicht hinter dem Berg mit Kritik, hier habe ich aber ein bisschen Sorge, ob die "in den richtigen Hals" geraet. Sie hat ja fleissig auswendig gelernt, was man den Touris erzaehlen muss. Manchmal merkte man das sehr deutlich, wenn sie sich ein bisschen verhedderte und die Nadel wieder neu auf die Rille setzen musste. Aber was das alles bedeutet, was sie da erzaehlt, hat sie wohl nicht selber nachempfunden, und dass sie sich auf uns eingestellt hat, kann man wirklich nicht sagen. Erstmal zuhoeren!! Auch wenn hier deutlicher Verbesserungsbedarf besteht, will ich ihr aber nicht gleich "einen 'reinwuergen".

Ach ja, hatte ich ja ganz vergessen zu berichten: Gestern Abend gegen zehn klingelt unser Telefon. Unsere Fuehrerin ist dran. Wir seien ja ausgegangen. Ob alles in Ordnung sei?! Irgendwie kann ich mir nicht helfen: das klingt nicht wie freundliche Fuersorge, sondern wie Ueberwachung. Davon ganz abgesehen haette sie uns ja ein Abendprogramm organisieren koennen, aber sie hatte ja selbst befunden, dass es sicher am einfachsten waere, wenn wir ein Taxi naehmen. Hat wohl erwartet, dass das Wetter uns schon im Haus halten wuerde … Sehr seltsam hier, das alles.

Auf dem Flughafen kennt sie sich aber besser aus als wir und muss nicht erst nach dem Schalter von Xiamen Airlines suchen, wo wir ohne Warten direkt einchecken koennen. Sie erklaert uns noch, dass wir da drueben durch die Sicherheitskontrolle gehen muessen, als haetten wir noch nie einen Flughafen gesehen, dann ueberlaesst sie uns unserem Schicksal. An der Kontrolle streitet ein Chinese lautstark und an der Handgreiflichkeitengrenze mit den Sicherheitsbeamten - so wuerd' ich's auch machen. Wir beeilen uns, uns aus dem "Krisengebiet" zu entfernen, um an Ausgang 21 zum Flug nach Guilin niemand anderen zu treffen als die amerikanische Reisegruppe von OAT. Kein grosses, aber doch ein kleines Hallooo! Waehrend wir noch gemuetlich einen Caffè Latte trinken, erfahren wir, dass die Amerikaner von Chongqing aus urspruenglich nach Tibet weiterreisen wollten. Fuer die ist Guilin sozusagen auch nur zweite Wahl.

Der Flug ist sehr puenktlich, unser Gepaeck ist diesmal auch sehr schnell da, und Reiseleiter "Tony" Li Hu nimmt uns in Empfang. Vor dem Flughafen warten bunte Blechpalmen und ein silberfarbener Kleinbus samt Fahrer Shi Shifu. Wir verstauen das Gepaeck, steigen ein und sind gespannt: laut Programm haben wir jetzt einen "scenic drive" vor uns und am Ende sogar noch eine Serpentinenstrecke, es scheint also richtig in die Berge zu gehen! Aber zuerst sehen wir mal erste Karstberge, diese ganz unecht aussehenden rundlichen oder spitzen oder schmalen, flachen Berge, die unvermittelt in der ansonsten recht platt wirkenden Landschaft aufragen, teilweise mit senkrechten Waenden. Wenn diese Berge auch nur ein bisschen entfernt liegen, sehen sie gleich aus wie Kulissen, die in unterschiedlichen Grautoenen angestrichen sind, um den Eindruck von Tiefe zu erwecken.

Zuerst bleiben wir in den besagten breiten, flachen Taelern, in denen Reis und Obst und andere Dinge angebaut werden. Meistenteils offenbar in Handarbeit, wir sehen Leute und reichlich Vogelscheuchen auf den Feldern arbeiten. Wir kommen an einer Teeplantage vorbei, die wir auf dem Rueckweg besuchen koennen. Entenzucht ist auch sehr beliebt. Bevor die Strasse in die Berge fuehrt, machen wir noch an einer Tankstelle halt. Ah ja, wir entfernen uns langsam ein bisschen von dem, was ich Zivilisation nennen wuerde - die Toiletten sind hier ohne Tuer.

Ja, und dann wird es bergiger und die Strasse kurviger; wir fahren jetzt wohl auf den Drachen hinauf, dessen Rueckgrat dem Bezirk den Namen gibt: LongJi. Am Strassenrand und an den Berghaengen sieht man recht grosse Holzhaeuser stehen. Hier wohnen die Zhuang – sie bilden mit mehr als 15 Millionen die groesste der ueber 50 ethnischen Minderheiten, die es in China gibt. Insgesamt machen alle Minderheiten zusammen aber gerade mal 5% der Bevoelkerung aus; die Mehrheit der Han-Chinesen ist also ueberwaeltigend.

Schliesslich erreichen wir eine Strassensperre in einem Dorf in einem Flusstal - ai, was ist das? Verkehrskontrolle? Terroristenfahndung? Nein, eher Touristenfahndung: hier muss man eine Eintrittskarte fuer die Landschaft kaufen! Das Dorf liegt, wie gesagt, in einem Gebirgsflusstal. Der Fluss hat ein relativ breites, steiniges Bett und fliesst um diese Jahreszeit relativ rasch, aber seicht dahin. Bestimmt verwandelt er sich auch manchmal in einen reissenden Strom … Nach nicht allzu langer Strecke im Flusstal und einem Stueck mit echten Haarnadelkurven hangaufwaerts erreichen wir den Parkplatz unterhalb des Dorfes PingAn. Das Dorf ist autofrei, aber nicht etwa, um den Touristen etwas Gutes zu tun, sondern weil es keine Strassen hinauf gibt (und weil die Wege im Dorf ohnehin zu eng waeren, wie wir spaeter sehen). Ja dann: Wanderschuhe und -stoecke auspacken und auf Schusters Rappen weiter. Wieso heissen die eigentlich Rappen? Sind doch gar nicht schwarz. 20 Minuten soll es dauern, so ist es auch ungefaehr. Wir duerfen ohne Gepaeck gehen, dafuer gibt es Gepaecktraeger, die mit grossen Strohkiepen die Befoerderung uebernehmen, fuer 20 RMB pro Stueck. Unser Koffer geht zwar nicht hinein, aber mei wenti - kein Problem, der wird dann oben drauf befestigt. Die Gepaecktraeger entpuppen sich aber nicht als kraeftige junge Maenner, sondern als kleine duenne, schon recht alt aussehende Frauen. Als Adjektiv faellt mir zu ihnen eher zaeh als stark ein. Am peinlichsten ist ja, dass wir uns "im Schweisse unseres Angesichts" selbst hinaufschleppen, waehrend die Gepaecktraegerinnen mit ueber 20 kg auf dem Ruecken keine grossen Anzeichen von Anstrengung zeigen. Auf halbem Weg passieren wir die Wind- und Regenbruecke. Im Moment benoetigen wir ihren Schutz vor Wind und Regen nicht, hoechstens ihren Schatten: sie ist ueberdacht. Ich hatte ja erwartet, dass es hier in den Bergen etwas kuehler sei, aber Tony sagt, mehr als 1-2 °C Unterschied gaebe es nicht.

Wir erreichen das Gaestehaus gegen viertel nach drei. Als "basic, but nice" ist es in unserem Programm beschrieben, da bin ich ja gespannt. Wir beziehen Zimmer 307 am Ende des Ganges mit Fenstern auf zwei Seiten, schon mal gut. Boden, Waende, Decken - alles ist aus Holz mit reichlich Astloechern, es wuerde mich nicht wundern, wenn gleich einer einen Aufguss macht, oder bin ich doch nicht in der Sauna? Die "Nasszelle" ist natuerlich nicht soo toll, Toilette und Dusche liegen auf ca. 2 m Wand gleich nebeneinander, ohne Vorhang oder sonstige Trennung. Wenn da erst einer geduscht hat, muss das Toepfchen wohl nass sein – das ist unvermeidlich. Aber sauber isses, dann wollen wir ja nicht maulen. An den Fenstern sind moderne Mueckengitter im Schiebe-Alurahmen - bestimmt gibt's hier reichlich von den blutsaugenden Plagegeistern. Also bewerfe ich mich mit "Antimueck", denn um vier Uhr ist Abmarsch.

Unterwegs haben wir schon die ersten Reisterrassenfelder gesehen, deretwegen die Touristenstroeme die Gegend durchfliessen. Weil die Berge ein bisschen steil sind und Reisfelder nun mal eben sein muessen, damit das Wasser auf ihnen stehen kann, haben die Zhuang hier in und seit Jahrhunderten eine faszinierende Kulturlandschaft geschaffen: Terrassenfelder, bei denen die einzelnen Stufen oft nur wenige Meter breit sind, manchmal nur einen einzigen Meter. An der breitesten Stelle. Mittlerweile wuerden die Zhuang hier nicht mehr unbedingt Reis anpflanzen, aber die Regierung gibt ihnen dafuer Geld, so dass Kulturlandschaft und Touristenattraktion erhalten werden koennen. Die Feldarbeit bleibt muehsam - manuell und "bovinell", will sagen mit Bueffeln. Aber zusaetzlich dazu koennen jetzt alle Familien des Dorfes aus dem Tourismus Geld schlagen. Es gibt so viele Gaestehaeuser und Restaurants und Krambuden … 'tschuldigung, Kunsthandwerkslaeden, meine ich. Wer ueber all dem keine Zeit mehr hat, auf dem Feld zu arbeiten, heuert dafuer eben einen Arbeiter an, sagt Tony.

Unser Wanderweg fuehrt uns in typisch chinesischer Sachlichkeit zu Aussichtspunkt Nr. 1 und Aussichtspunkt Nr. 2. Nix ach was, die heissen wirklich so und werden auf Wegweisern so bezeichnet! Aber wer darueber enttaeuscht ist, kann aufatmen: NATUERLICH haben diese Aussichtspunkte auch Namen voller typisch chinesischer Blumigkeit. Seven Stars Accompanying the Moon, so heisst Nr. 1, also sieben Sterne, die den Mond begleiten. Nicht vergessen: es geht um Reisfelder. Ich bemerke erst spaeter, dass diese sieben Sterne ja genau die sind, auf die wir von unserem Zimmer aus einen schoenen Blick haben. Die sehen aber auch wirklich toll aus!

Um diese Jahreszeit besteht der Reiz der Felder darin, dass das Wasser auf ihnen steht und sie so vielfaeltig den Himmel spiegeln. Spaeter werden es dichte, saftig-gruene Pelze und noch spaeter, zur "Golden Week" Anfang Oktober, goldgelbe Strohmatten werden. Damit das Gold Anfang Oktober noch da ist, wenn der Touristenstrom noch einmal besonders anschwillt, wird hier spaet gepflanzt, erklaert Tony. Ach so, jetzt verstehe ich das. Auf der Fahrt hierher hatten einige der Reisfelder ja schliesslich schon das Gruene-Pelze-Stadium erreicht. Das ist also gar nicht auf klimatische Differenzen zurueckzufuehren, sondern bloss darauf, dass man frueher angefangen hat.

Kurz hinter den 7 Sternen wartet eine Gruppe von Yao-Frauen auf die Touris. Die Yao sind eine weitere ethnische Minderheit hier in der Gegend (insgesamt zweieinhalb Millionen). Die eintrittskartenpflichtige Landschaft umfasst zwei Huegel: den von PingAn, auf dem wir uns befinden, und den von JinKeng. Der erste gehoert den Zhuang, der zweite den Yao. Die Zhuang sehen es nicht gerne, wenn die Yao in ihrem Gebiet Geschaefte machen, ausser vielleicht hier am Wegesrand, sagt Tony. Umgekehrt genauso, versteht sich. Auch ansonsten hat er uns gebrieft: Die Maedels stehen da und wollen sich fuer Geld fotografieren lassen. Sie wuerden mit 10 RMB fuer eine anfangen, aber da muessten wir handeln. Schliesslich werden wir bei "alle fuer 25" handelseinig. Alle - das sind 9 oder 10. Daraufhin stellen sie sich auf und lassen - Rapunzel, Rapunzel! - ihr Haar herunter. Und das ist mindestens knielang. Jede hat drei lange, schwarze "Schwaenze". Davon zwei lose in der Hand; ich wittere schon Betrug, aber nein: wenn die Yao-Frauen 18 Jahre alt sind, werden einmal im Leben die Haare abgeschnitten, danach nie wieder. Den 18-Jahre-Pferdeschwanz (denn sie flechten ihn nicht etwa zu einem Zopf, sondern binden ihn nur oben zusammen) halten sie ihr Leben lang in Ehren. Den zweiten losen Schwanz sammelt frau ihr Leben lang auf, aus dem Kamm und vom Fussboden oder ich weiss nicht woher. Und der dritte ist eben "noch dran". Und was macht man mit diesen Haaren? Etwas zusammendrehen zu einem langen Strang und diesen um den Kopf drapieren wie einen Turban, dabei oben auf der Stirn einen Dutt produzieren. Solange frau unverheiratet ist, traegt frau ein schwarzes Tuch auf dem schwarzen Haar, das den Dutt auch bedeckt, nach der Hochzeit bleibt der Dutt frei. Bescheid, da weiss mann gleich, woran mann ist. Unsere Maedels hier sind natuerlich alle verheiratet und aus dem Maedelalter auch schon laengst heraus. Tony ueberredet sie noch, ein Lied fuer uns zu singen, was sie dann auch tun. Danach gehen wir weiter und haben noch lange Begleitung von zweien, die uns an jeder Ecke neu bunt bestickte Baender und Etuis udglm aus ihren grossen Kiepenkoerben zum Kauf anbieten. Die sind ganz schoen hartnaeckig, aber am Ende kaufen wir trotzdem nichts. Der Wanderweg ist uebrigens schmal (man muss schon im Gaensemarsch gehen), aber prima aufbereitet und meist eben, verlaeuft er doch offenbar auf einer Isohypse, einer Linie gleicher Hoehe.

Zum Aussichtspunkt 2 muss man dann noch einmal ein bisschen nach oben. Dieser heisst Nine Dragons and Five Tigers. Ich lasse mir von Tony erklaeren, wo diese Tiere denn nun sind. Die fuenf Tiger sind fuenf eher kleinere, rundliche terrassierte Berge. Man stelle sich die Berge also vor wie aus duennen, mehr oder weniger rundlichen Scheiben aufgeschichtet, jede Scheibe immer etwas kleiner als die darunterliegende. Das, was nicht von der darueberliegenden Scheibe bedeckt ist, ist das Reisfeld. Die oberste Terrasse ist daher ein mehr oder weniger rundes Feld. Soweit klar? Dann kann ich jetzt auch die neun Drachen erklaeren bzw. erst mal einen: die imaginaeren Scheiben sind jetzt nicht rundlich, sondern ein bisschen "zungenfoermig" und werden nach oben hin zwar schmaler, aber nicht unbedingt kuerzer, denn man muss es sich ja so vorstellen, dass die "Zungenspitze" ins Tal weist und das andere Ende an einem schraeg abfallenden Berghang anliegt. Ich hoffe, dass meine werte Leserschaft es sich jetzt einigermassen vorstellen kann. Und die neun "Zungenstapel" kann man sich jetzt als neun Drachen vorstellen, die die Koepfe im Tal zusammenstecken.

Am Aussichtspunkt will mir wieder eine der Yao-Frauen was verkaufen und packt mich am Arm und laesst mich gar nicht wieder los, was mir ein bisschen unangenehm ist, vor allem, wo sie trotz warmen Wetters eine eiskalte Hand hat, brrr! Nicht dass es sich um ein Gespenst handelt?!

Ich beschaeftige mich alldieweil weiter mit Insektenfotografie. Es gibt hier eine Menge Krabbeltiere, und nachdem Tony mitbekommen hat, dass wir uns auch dafuer interessieren, weist er uns auf besondere Exemplare hin (Pluspunkt!), zum Beispiel auf zwei grosse, bunte Wespen (?) bei der Paarung. Er erklaert uns auch, dass der gebrochene Bambus, den wir zum Teil an den Haengen sehen, im letzten Winter unter den Schneelasten geborsten ist. Bambus! Geborsten! Wo Bambus doch ein Inbegriff von flexibler Staerke ist! Das muss schon sehr heftig gewesen sein. Jaja, wir erinnern uns an das Schneechaos zum chinesischen Neujahr … Aber jetzt sieht alles ganz idyllisch aus, und am Wegesrand wachsen ein paar Walderdbeeren, sogar ganz ohne Wald.

Irgendwann zwischen sechs und sieben erreichen wir wieder das Dorf: Holzhaeuser ohne Naegel gibt es da, viele Baustellen auch - aber da wird auch schon mal getackert, die nagelfreie Bauweise war halt auch frueher wohl nicht auf ein Beduerfnis nach handwerklicher Exzellenz zurueckzufuehren, sondern auf einen Mangel an Metall. Insofern ist man nicht dogmatisch hier, auch wenn immer noch allerhand verzapft wird. Ausserdem gibt es dicke Schweine im Stall (leider kein grosser geraeumiger, und ganz ohne Auslauf, arme Schweine!) sowie dicke Spinnen im Netz. Wer unter Arachnophobie leidet, ist hier schlecht aufgehoben. Es gibt ziemlich viele.

Unterwegs sehen wir, wie jemand Froesche fuers Abendessen vorbereitet: mit einer kleinen spitzen Schere wird ihnen bei lebendigem Leib der Bauch aufgeschlitzt. So kleine Dinger … nicht nett. Dann schon lieber Bambusreis: wir sehen, wie jemand schon ganz verkohlte Bambusrohrstuecke noch weiter im Feuer hin- und herdreht. Tony klaert uns auf: man nehme Reis, ein bisschen Gemuese und Wasser, fuelle alles in ein hohles Bambusstueck, das auf einer Seite durch einen Bambusknoten verschlossen ist, stopfe die andere Seite mit einer Scheibe von einem Maiskolben zu und gare alles im Feuer, bis der Reis fertig ist. Aha! Das muss ich natuerlich probieren!

Wir kommen noch an einem Etablissement vorbei, das fuer "Foot Message" ;-)) wirbt - meine Fuesse geben mir die Nachricht, dass sie gern an der frischen Luft spielen moechten, insofern brauche ich keine fremden Fussbotschaften. Aber wir sind ja nun auch fast da. Wir essen in der Gaststube unseres Gaestehauses; es gibt Haehnchen suess-sauer (ohne Knochen, wird uns schon gleich versichert), frische gebratene Pilze, Auberginen und Bambusreis. Nicht der Wahnsinn, aber auch nicht richtig schlecht. Am schlechtesten ist das Haehnchen. Zum Nachtisch bestellen wir fritierte Banane, sehr lecker. Dazu gibt uns jemand einen Fragebogen vom Tourismus-Buero Guilin. Als Belohnung fuers Ausfuellen bekommen wir eine DVD in die Hand gedrueckt.

Mittwoch, 28. Mai 2008

Donnerstag, 22. Mai 2008: In Grossem Fuss

Die meisten Haeuser hier auf dem Land sind weiss oder jedenfalls hell und haben rote oder rotbraune Kanten, selbst Neubauten mit Plattenbaucharme (nein, nicht Bauch-Arme, sondern Bau-Charme! ;-)) ) oder gefliesten Fassaden folgen diesem Muster. Meine Frage, ob das hier typisch sei, wurde aber gestern verneint. Vielleicht ist das ueberall in China so?

Wir sind jedenfalls in Grossem Fuss unterwegs, oder heisst das nach koelscher Manier ("auf dem Alter Markt") in Grosser Fuss? Oder auf? Auf Chinesisch nennt sich das DaZu, und in der Umgebung dieses Ortes finden sich tausende Felsskulpturen. 50.000, meint der DuMont - wie man die wohl zaehlt? Unsere Fuehrerin will uns zum Baodingshan, Schatzberg, fuehren. Nur dahin. Gut, dass ich noch vom Nordberg (Beishan) gelesen hatte, ohne Extra-Aufforderung waere der glatt an uns vorbei gegangen bzw. wir an ihm vorbeigefahren. Das war keine tolle Leistung.

Der Wettergott ist mit dem Leben auf grossem Fuss irgendwie nicht einverstanden; er scheint uns wegspuelen zu wollen und sendet Bindfadenregen. Buchstaeblich, man kann die Faeden auf den Fotos sehen, so ein Mist!

Die Skulpturen am Baodingshan sind in recht verschiedenen Gruppen angeordnet, die eine Abfolge bilden, deren innerer Zusammenhang sich mir leider nicht erschliesst - sind halt alle buddhistisch. Es beginnt mit einer Steintafel, auf der die UNESCO bestaetigt, dass diese Skulpturen in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden sind. Ein grosser Buddhatorso begruesst die Besucher - mit stoischer Gelassenheit? Wohl kaum. Gleich daneben befindet sich der Eingang zur Hoehle der vollkommenen Erleuchtung, aber die ist seit dem Erdbeben fuer Besucher geschlossen. Uh-oh … unsere Fuehrerin meint, das sei kein Problem - so nach dem Motto "hier sind noch genuegend andere Sachen". Hm. Das ist ja nun kein Argument.

Das Relief von der Bueffelerziehung soll ein Gleichnis fuer den Weg des Buddhismus sein. Danach kommt der Daemon mit dem grossen Rad des Lebens. Der aeussere Kreis zeigt, wie man sich von der Schlange ueber den Fisch und vierbeinige Tiere bis zum Erleuchteten entwickeln kann. An der Nabe des Rades ist - ja, wer eigentlich? Buddha? - von den drei Grunduebeln umgeben: Dummheit, Habgier und Falschheit, verkoerpert durch Taube, Schwein (buuuhh!) und Schlange. Unsere Fuehrerin verwechselt Taube mit Schwein, nochmal buuuhh! Und wer oder was haelt das Rad des Lebens in Bewegung? Lust, Caution, haette der gleichnamige Film geantwortet, in korrekter Weise erklaert heisst das Macht und Lust, personifiziert durch Mann und Frau. Gegenueber wird das Steingelaender von einem naschhaften Rabenvogel gekroent, den der Bildhauer just in dem Moment zeigt, in dem … "nicht uebel, und er taucht schon wieder den Schnabel in die Tiefe nieder". Ganz klar: wie Papier, Schiffahrt, Nudeln und Fussball haben die Chinesen auch Hans Huckebein, den Ungluecksraben, lange vor Wilhelm Busch erfunden!

Als naechstes kommen drei riesenhafte Figuren, die leicht vorgebeugt und geduckt unter einem Ueberhang stehen - das hat den Vorteil, dass man sie ohne die sonst uebliche Verzerrung wuerdigen kann - und der leichte Ueberhang haelt wenigstens teilweise die Bindfaeden ab, wenn auch nicht genug. Da ist die naechste Halle schon besser, weil es eben eine Halle ist. Die Rueckwand wird von Avalokiteshvara mit 1000 Haenden und Augen eingenommen, ein Gott oder Buddha der Barmherzigkeit. So viele Haende nehmen natuerlich ganz schoen Platz weg: 88 Quadratmeter, wenn ich mich recht erinnere. Und meistenteils vergoldet. Dann muessen wir die Halle leider schon wieder verlassen, draussen wartet der ueber 30 m lange liegende Buddha - hier in China nennt man den nicht tot, sondern "ins Nirvana eingehend". Den stoert das Wetter nicht, er hat einen gelassen-entrueckten Gesichtsausdruck. Ich schreite die Galerie der halben Bodhisattvas ab (Damen und Herren ohne Unterleib), die vor seinem Koerper aufgestellt sind. Nur nicht in den kleinen Wasserlauf treten, der sich davor entlangschlaengelt, fein saeuberlich in einem steinernen Bachbett gefasst - die Fuesse werden ja schon von oben nass. Gegenueber steht der bei den Chinesen beliebte Pfauenkoenig, der sein Leben schlecht begonnen, aber gut beendet hat und so doch noch erleuchtet werden konnte. Es ist nie zu spaet …!!

Dann kommen die beiden Hauptwaende, die den Glaeubigen und Unglaeubigen vor Augen fuehren, wie es in Himmel und Hoelle so ist. Kurzzusammenfassung: Himmel gut, Hoelle schlecht, weshalb man versuchen sollte, letztere zu vermeiden. Unsere Fuehrerin erklaert Himmel wie folgt: unbegrenzt Essen, unbegrenzt Geld, unbegrenzt Macht. Ooops! Wenn das mal gut geht … Was die Bildwerke betrifft, erinnere ich mich vor allem an den ungewoehnlichen Engelsbuddha mit Fluegeln, der auf westliche Einfluesse zurueckzufuehren sei - im Buddhismus haben nur Voegel Fluegel.

Dann fahren wir zum Beishan. Unterwegs kommt uns ein Bauer mit einer richtigen Prachtsau entgegen, gross und rosa. Hoffentlich muss sie nicht schon zum Schlachter. Sollen die Leute doch ihre Perlen weiterhin den Huehnern vorwerfen - Perlhuehner seien die lokale Gefluegelspezialitaet, erklaert uns unsere Fuehrerin angesichts der vielen Exemplare, die in kleinen Kaefigen vor jedem Restaurant ganz frisch warten.

Der Beishan hat einen ganz anderen Charakter als der Baodingshan. Es faengt damit an, dass die ganze Anlage seeehr ordentlich hergerichtet ist. Auf dem riesigen Parkplatz steht nur ein Bus. Ganz allein werden wir also auch bei diesem Wetter nicht sein - natuerlich eine deutsche Gruppe, stellt sich dann heraus, wir sind ja ein kulturbeflissenes Voelkchen. Waehrend wir uns etwa 140 Stufen herauf durch den Regen schleppen, ruft uns ein Vogel immer wieder aufmunternd seine abfallende 4-Ton-Sequenz zu. Als wir oben sind, stellen wir erfreulicherweise fest, dass der Raum vor den Skulpturen und Reliefs ueberdacht ist (und auch vergittert). Schon mal gut!

Das Bildprogramm ist weniger abwechslungsreich - hier liegt im Wesentlichen eine Nische neben der anderen, und da ist entweder irgendein Buddha oder ein Bodhisattva oder eine Tie Guan Yin oder so aehnlich drin. Waehrend die Skulpturen am Schatzberg vielfach recht bunt gefasst waren, sind diese hier nicht sehr farbig, vielfach naturbelassen, teilweise mit einem blassroten Erdton hervorgehoben. Das "Mittelstueck", die Gebetsmuehlenhalle, ist leider mit einem Gitter geschlossen, dabei sind an den Seiten ausgezeichnet gearbeitete Reliefs. Schade. Die Halle hat ihren Namen von einer riesenhaften polygonalen Saeule, die den Berg ueber ihr traegt. Riesenhaft bezieht sich auf den Durchmesser - die Hoehlen oder Nischen sind meist nicht viel hoeher als 3 Meter. Um diesem massiven Gebilde ein bisschen Leichtigkeit zu verleihen, ist ein Teil in der oberen Mitte so weit weggearbeitet worden, dass nur 6 Saeulchen auf den Ecken in Form von eleganten Drachen uebrig geblieben sind. Damit wirkt die Saeule wie eine grosse Laterne - oder eben eine grosse Gebetsmuehle.

Es gibt auch einige Kalligraphien in verschiedenen Schriftstilen zu bewundern, aber viel weniger, als ich nach der Lektuere des Reisefuehrers erwartet hatte.

Dann geht's die etwas rutschigen (und natuerlich gelaenderlosen) Treppen wieder hinunter. Das Konzept "Gelaender" scheint hier vielfach unbekannt zu sein; wir kommen trotzdem heil herunter und treten gleich die Rueckfahrt nach Chongqing an, wo wir irgendwann zwischen drei und vier Uhr nachmittags am Hotel Intercontinental ankommen. Hier weist man uns das Zimmer 2018 an. Ich betrete es und denke, das ist die Raeucherkammer - so ein voellig verrauchtes Hotelzimmer hatte ich ja schon ewig nicht mehr! Schlecht fuer einen 5-Sterne-Laden: man hatte uns beim Einchecken nicht gefragt, ob wir gern ein Nichtraucherzimmer haetten. Also frage ich jetzt den Koffertraeger, ob wir eins bekommen koennen, dies hier sei doch gar zu rauchig. Der junge Mann ist nicht etwa nicht zustaendig, sondern regelt das in Nullkommanix per Fernsprech, und es dauert nur die Zeit, dass er mit dem Aufzug hinunterfaehrt, zur Rezeption geht und wieder herauffaehrt, da haben wir die Schluesselkarte fuer das Nichtraucherzimmer 2319 in der Hand. Das war jetzt, wie es sich fuer 5 Sterne gehoert.

Wir sind ein bisschen faul und schlapp nach dem verregneten Vormittag in Dazu und dem einschlaefernden Transfer und koennen uns zu nichts Rechtem entschliessen, zumal es immer noch regnet. Schliesslich lacht mir die Badewanne im Prunkmarmorbad mit Riesenfenster zum Zimmer einladend zu - ja, wenn ich schon so freundlich aufgefordert werde, dann nehme ich doch gern ein heisses Bad. :-))

Um kurz vor sechs machen wir uns dann auf die Suche nach den Guenstigen Winden 123, so der Name des Restaurants, das nicht zu weit entfernt sein und gute Sichuan-Kueche anbieten soll. Irgendwie finden wir es auch, ich moechte fast sagen "trotz" des Stadtplans. Es liegt recht steil oberhalb des Flusses, wie steil, sehen wir erst spaeter wirklich. Das Bronzedenkmal fuer die haengenden Haeuser, auf das wir kurz vorher stossen, ist naemlich weniger uebertrieben, als ich denke. Gluecklicherweise hat der Regen mittlerweile - endlich! - aufgehoert.

Wie auch immer, wir essen reichlich, haben ein bisschen zu viel bestellt. Schmeckt aber gut! Vor allem die Chili-Shrimps, nach denen man erst einmal in einem Meer von Chilischoten fischen muss. Da ziehen wir mit der Schaumkelle viel mehr an Land, als wir gedacht hatten.

Nach dem Abendessen nehmen wir ein Taxi zur grossen Halle des Volkes. Es ist noch fast ganz hell (so hell, wie es heute eben war) - wenn es nicht so grau waere, waere das jetzt die blaue Stunde. Wir haben gerade den Volksplatz betreten, da geht Schlag auf Schlag die Beleuchtung an. Sauber abgepasst! Innerhalb von etwa 20 Minuten bricht die Nacht herein, man kann also schoene Fotos machen. Auf dem hinteren Ende des Platzes ist eine grosse Gruppe mit Taiji zugange; hier tun auch ein paar Gaeste zaghaft am Rande mit. Soviel haette ich jetzt auch schon gekonnt! Den Rhythmus gibt laute Musik vor. Das ist nicht weiter schlimm - bis eine zweite Gruppe mit einer offenbar anderen Taiji-Richtung und anderer Musik dagegen zu halten beginnt. Wir nehmen ein Taxi und entfliehen zu einem unbekannten Ziel - unsere Reisefuehrerin hatte uns einen Ort fuer eine gute Nachtansicht aufgeschrieben. Der Fahrer setzt uns an einer Bruecke unterhalb der haengenden Haeuser ab. Waas??! Da oben ist unser Restaurant?

Burkhard macht ein paar Fotos, wir sehen uns die Illumination weit hinten jenseits des Flusses an. Ob das an einer Bruecke oder am Ufer ist, kann ich nicht entscheiden. Dann versuchen wir, die Treppe nach oben zu finden, um zu Fuss zum Hotel zurueckzugehen. Gar nicht so einfach, aber schliesslich finden wir nicht nur die Treppe, sondern auch so ein typisch chinesisches Laden- und Gassengewirr mit Haeusern, die zumindest hoelzern aussehen. Ich denke aber, dass das Holz meistenteils nur Beton verkleidet, das ist naemlich alles ziemlich neu, und der Aufzug, der uns schliesslich nach ganz oben bringt, ist ganz modern. Vom Sortiment der Laedchen her zu urteilen interessieren sich die Leute in Chongqing und ihre Gaeste uebrigens vor allem fuer eins: Essen. Wir interessieren uns jetzt mehr fuers Schlafen, aber vorher geluestet es mich noch nach einem Espresso oder aehnlichem. Den nehmen wir in der Hotelbar ein, zu Live-Musik. Très chic!

Montag, 26. Mai 2008

Mittwoch, 21. Mai 2008: Quai des Brumes

Am Vorabend haben wir schon in Chongqing angelegt, der Stadt der doppelten Feier. Irgendein Chinese war hier erst zum Prinzen und spaeter zum Koenig befoerdert worden, daher der Name. Aber da wir erst nach zehn Uhr angekommen sind, verbringen alle Gaeste die Nacht auf dem Schiff. Die letzte Taiji-Gelegenheit habe ich (wie die meisten anderen auch) ausgelassen und nur einen Morgentee in der Yangzi-Bar getrunken. Um 7:30 Uhr wird, wie ueblich, das Fruehstuecksbuffet eroeffnet. Die Koffer muessen jetzt schon vor der Kabinentuer stehen, damit hilfreiche Haende sie in die Lobby schleppen koennen. Man darf das Schiff aber erst verlassen, wenn der lokale Fuehrer da ist. Unsere Fuehrerin ist schon um 8:30 Uhr an Bord. Ein Gepaecktraeger schleppt unsere Koffer mit Hilfe eines Jochs ans Ufer - der Weg ist weit, die Victoria Rose liegt fast mitten im Fluss, der auch hier mit grosser Geschwindigkeit an den Pontons vorbeistroemt. Man mag sich nicht ausmalen, was passiert, wenn man hineinfaellt.

Die Sicht in der Bergstadt ist ziemlich schlecht, auch wenn man den Dunst nicht gerade dichten Nebel nennen wuerde. Im Schnitt hat Chongqing 68,3 Nebeltage pro Jahr - eine richtige Suppenkueche ist das! Wenn die Sonne scheint, wird es dagegen gleich heiss, leicht schon mal 43 Grad Celsius, heisst es: wenn es keine Suppe gibt, wird im Glutofen gebraten.

Unsere Fuehrerin fuehrt sich bei mir gleich richtig ein. Sie fragt, wo wir wohnen und was wir da machen. Sie kann es schon nicht fassen, dass ICH da arbeite, wie kann denn sowas … wo doch nur Burkhard Chinesisch spricht und ich nicht. Woher nimmt die denn diese Erkenntnis??! Ich hatte halt noch nicht viel Gelegenheit, etwas zu sagen. - Wie auch immer, auf uns wartet ein weisser PKW Marke Zhonghua samt Fahrer. Wir philosophieren ueber Autos der Marke Schatzpferd (Baoma - bei uns heissen die BMW). Neinnein, das waere nichts fuer uns, die seien ja nur was fuer Playboys, sagt unsere Fuehrerin. Na, dann gibt's in Shanghai ja viele davon - wenig ueberraschend.

Das Gepaeck wird verstaut, wir fahren ein Stueck und kommen gleich an einem alten Staendehaus hoch ueber dem Yangzi an. Der Komplex ist ziemlich gross, hat die typischen ockergelb gestrichenen Waende und ist, ebenfalls typisch, ein bisschen labyrinthisch. Einige Wachsfiguren mit alten Zoepfen ("fuer Aafzeschnigge") illustrieren den Alltag von frueher. Gloria, die lokale Fuehrerin, weiss alles in recht gutem Englisch zu erklaeren und versteht sogar ein wenig von unserem Chinesisch. Dann ist sie gut!

In einem der Raeume steht eine ausgezeichnete Landschaftssteintafel, selbstredend in eine hoelzerne Wand eingefasst. Als Besonderheit (?) gibt es hier eine Buehne, auf der Sichuan Opera aufgefuehrt wird. Eine Besonderheit der Sichuan-Oper ist der rasche "Gesichterwechsel" - das hatte uns schon eine Spezialistin im Varietéprogramm auf der Victoria Rose gezeigt, hatte ich ganz vergessen zu erwaehnen. Ich weiss nicht genau, wie das geht - vermutlich sind das ganz duenne Papiermasken, die gekonnt einzeln vom Gesicht gerissen werden, waehrend der Faecher Bruchteile von Sekunden davor gehalten wird. In unserer Vorfuehrung hatte die Kuenstlerin bestimmt 5 oder 6 verschiedene Gesichter; damit auch jeder den Wechsel bemerkt, sind sie zum Teil intensiv farbig und jeweils mit auffaelligen Dessins versehen. Zuerst schlaegt unsere Fuehrerin vor, wir koennten morgen Abend Sichuan-Oper ansehen, aber dann sagt sie, in dieser Woche gaebe es keine Vorfuehrungen, wegen des Erdbebens. Ich frage extra nach, die Staatstrauer wird ja heute beendet, aber nein. Schade.

Folglich konzentrieren wir uns auf die architektonischen Besonderheiten der Buehne. Die armen Leute durften halb unterhalb der Buehne stehen - na ja, da konnte man ja eher nichts sehen. Fuer die Reichen waren die Plaetze auf gleicher Hoehe vorgesehen, vermutlich waren das nicht sooo viele, denn sonst waeren die hinteren Plaetze auch keine Empfehlung gewesen. Die Buehne selber zeigt den Reichtum ihrer Besitzer deutlich: die Kanten und der First sind reich verziert, zum Teil mit Porzellanmosaik, auf den Dachziegeln sind reichlich "Goldpfirsiche" angebracht, und mitten auf dem Dach sitzen zwei "PiXiu". Ein PiXiu ist das juengste der neun Kinder des Drachen, erklaert mir Gloria, und es frisst Geld. Deshalb haetten chinesische Maenner auch oft Ringe mit dem Abbild dieses "money-eater".

Wir wundern uns schon, dass wir freien Eintritt haben - das sei wegen der Staatstrauer. Wir treffen unsere neuseelaendischen Tischnachbarn im Ausstellungsraum wieder - und als wir wieder ins Freie treten, regnet es richtig. So ein Mist! Da werden die zahlreichen grossen, oft verzierten Steinbecken, die ueberall in den Hoefen herumstehen, gleich wieder aufgefuellt. In den meisten von ihnen fristen wenig beneidenswerte Goldfische ein trauriges Dasein.

Wegen des schlechten Wetters gehen wir erst einmal in das zum Komplex gehoerige Teehaus. "Christina", die ebenfalls hervorragend Englisch spricht, laesst uns eine Teezeremonie angedeihen. Erst gibt es einen koffeinfreien "gelben" Tee, dann einen mit Ginseng versetzten Oolong, der einen etwas "lakritzigen" Geschmack im Mund hinterlaesst, und den sogenannten Ladies' Tea, der frueher Konkubinentee hiess. Er ist mit Litschisaft versetzt und wurde angeblich fuer eine der kaiserlichen Konkubinen kreiert, die Litschis ueber alles liebte. An Utensilien lernen wir das "Maenneken piss" aus Ton kennen, das in kaltem Wasser wartet und dann, wenn man es mit dem Teewasser uebergiesst, in einem feinen Strahl geradeaus pinkelt, wenn das Wasser die richtige Temperatur hat. Passt doch gar nicht zu so einer foermlichen Zeremonie! Ausserdem zeigt Christina uns noch eine kleine Porzellankanne mit einem sehr speziellen Dessin: der Drache, der darauf zu sehen ist, zeigt im kalten Zustand ein dunkelrotbraunes Schuppenkleid, das seine Farbe alsbald in leuchtendes Rot verwandelt, wenn seinem Besitzer durch Fuellen der Kanne mit heissem Wasser eingeheizt wird. Netter Effekt!

Dann fahren wir durch die Stadt zum ELing-Park. Chongqing macht auf mich gar nicht so einen schlechten Eindruck. In Reisefuehrern stehen Woerter wie grau und Moloch, aber trotz des Regens finde ich es gar nicht so grau: viele Strassen sind von Baeumen gesaeumt, und zwischendurch gibt es immer mal ein paar Gruenflaechen. Moloch - naja, es ist halt eine chinesische Grossstadt. Weil es so bergig ist, gibt es natuerlich ein paar Dinge, die in Shanghai nicht vorkommen: viele "Hoehlenlaeden" in ehemaligen Bunkern, die einfach in den Fels gehauen worden waren, Serpentinenstrassen und, vom Auto aus meistenteils unsichtbar, endlose Treppen fuer die Fussgaenger. Radfahrer fehlen entsprechend ganz. Und "haengende Haeuser", die mit einer Kante auf dem Felsen stehen und ansonsten auf Holzpfeilern. Wie gesagt, es sieht etwas fussgaengerunfreundlich aus - dieser Eindruck wird durch die vielen Fussgaenger verstaerkt, die man an den unmoeglichsten und gefaehrlichsten Stellen sogar Schnellstrassen und Autobahnen ueberqueren sieht - oder auch entlanggehen, auf der Fahrbahn, versteht sich.

Als wir am ELing-Park ankommen, hat der Regen leider nicht aufgehoert, sondern eher noch zugenommen, so dass wir doch tatsaechlich unsere Regencapes herauskramen muessen, igitt! Unsere Fuehrerin scheint Regen auch nicht zu moegen, sie fuehrt uns nicht durch den Park, sondern auf dem Fahrweg an seinem Rand nach oben auf den Huegel. Dort wird in einem kleinen Museum ein 100 Meter langes (und 2 m hohes) Drei-Schluchten-Panorama des beruehmten (?) Malers Liu Zuozhong ausgestellt. Kuenstlerisch ist das vielleicht kein Hoehepunkt, aber dafuer sehr interessant im Hinblick auf das Dammbauprojekt. Mit Heftzwecken und rot-weissen Schnueren ist an vielen Stellen markiert, wo die 175-Meter-Linie liegt … Der Rest des Museums ist nicht der Rede wert. Als wir wieder das Licht der Welt erblicken, sozusagen, hat der Regen zumindest nachgelassen. Unsere Fuehrerin scheint ein bisschen uebellaunig zu sein, sie fuehrt uns auch auf Nachfragen an der Aussenwand des Parks entlang, statt dass wir durch den Park gehen. Vorher kommen wir aber noch an einer leicht angewrackten ehemaligen Behausung Chiang Kai-Sheks vorbei.

Dann ist Mittagessenszeit. Wir wollen den beruehmten Chongqinger Feuertopf "studieren". Der zweigeteilte Topf kommt gleich als erstes, mit rot-feurig-scharfer Bruehe in der Mitte (es schwimmen allerlei Chilischoten und Blumenpfefferknubbelchen und ich weiss nicht was noch darin) und milchig-milder Bruehe in einem "Graben" drumherum. Darin schwimmen Tomaten und ich weiss auch nicht was noch. Dann kommen die Zutaten - o je, wer soll das alles essen? Wir??? Schmecken tut's aber gut, von der undefinierbaren Wurst mal abgesehen, und die suesse Dauerwurst ist auch im Hotpot gegart kein Hoehepunkt. Aber Fisch, Fleisch, Nudeln, Tofu und Gemuese sind lecker. Die etwas suessen Dim Sum kommen uns als Nachtisch gerade recht.

Nach dem Essen fahren wir nur ein ganz kurzes Stueck zur grossen Halle des Volkes (DaLiTang). Das ist ein grosser Versammlungsraum fuer offizielle Sitzungen, sagt unsere Fuehrerin, die uns auch nur auf unser Nachfragen, ob wir auch hineingehen koennten, hineinbegleitet. Oh - fuer Sitzungen? Es sieht aus wie ein Theater, mit einer chinesisch dekorierten Buehne samt rotem Vorhang (ja, stimmt, samtrot kann man auch in einem Wort schreiben in diesem Fall), Sitzreihen mit hochklappbaren Sitzen im Parkett und in den Raengen. 4000 Leute gehen da hinein. Das eigentlich Interessante ist die Konstruktion dieses Rundbaus, der von aussen wie der Himmelstempel in Beijing aussieht. Als ich das anmerke, fragt unsere Fuehrerin erstaunt, ob ich da schon gewesen sei. Was waere so erstaunlich daran? Und warum muss man dagewesen sein, um zu wissen, wie der aussieht? Irgendwie finde ich sie ein bisschen komisch. Aber ich berichtete ja gerade von der Konstruktion, die von 1951 bis 1954 errichtet wurde: anders als beim Himmelstempel besteht das Dach aus einer stuetzenfreien Stahlkonstruktion, die einen hoelzernen Dachstuhl traegt. Beeindruckend sind die alten Fotos aus der Zeit.

Der Platz vor der grossen Halle des Volkes ist natuerlich der Volksplatz. Mittendrauf steht ein chinesisches dreiteiliges Tor, am anderen Ende ein recht modernes Museumsgebaeude: noch ein Drei-Schluchten-Museum! An den Seiten stehen schoene Banyan-Baeume. Die Fahne haengt auf Halbmast, und zwei ungewoehnliche Schriftbaender (schwarze Schrift auf weissem Grund) rufen zur Trauer um/Solidaritaet mit den Erdbebenopfern auf.

Weil wir noch viel Zeit haben, empfiehlt unsere Fuehrerin uns eine Massage, die wir auch in Anspruch nehmen. Es ist eine Fussmassage - ich hab's mir ja schon immer gedacht, der ganze Koerper ist ein Fuss! Jedenfalls ist es angenehm und mit 150 RMB pro Paar Fuss und 90 Minuten nicht zu teuer. Wohlgeknetet setzen wir uns ins Auto und fahren nach Dazu. Der Weg fuehrt durch viele Tunnel, der laengste von ihnen erstreckt sich ueber 3.8 km. Den groessten Anteil der Strecke nach Dazu macht Autobahn aus, dann kommen Strassen durch die Provinz. Schliesslich kommen wir nach gut 2 Stunden Fahrt am "Dazu Hotel" an. Das Abendessen ist nicht der Rede wert, der Ort sieht wenig einladend aus - Gelegenheit, frueh schlafen zu gehen! Vorher gucken wir noch ein bisschen fern, Berichterstattung aus dem Erdbebengebiet. Das sieht so schlimm aus - und dann die Vorstellung, dass wir das alles gluecklich knapp verpasst haben …

Donnerstag, 22. Mai 2008

Dienstag, 20. Mai 2008: Ghostbusters

Heute duerfen wir eine halbe Stunde spaeter aufstehen, weil es nicht schon um 7 Uhr frueh eine Schlucht zu sehen gibt. Dr. Ou schreitet mit seinen Erlaeuterungen zum Taijiquan so weit fort, dass er es als Kampfkunst "outet" - och noe, das will ich gar nicht wirklich wissen, moechte lieber die friedlichen Bewegungen weiter ueben. Am Ende artet die Uebung in Diskussion aus. Dr. Ou erlaeutert (auf Chinesisch, und die Studiosus-Reiseleiterin uebersetzt) die unzaehligen positiven Wirkungen von Taiji auf den Koerper. Dann kommt das Beste: wir moechten doch bitte Dr. Ous Alter schaetzen. Zwei der deutschen Teilnehmer lassen sich zu "36" und "33" hinreissen. Die Reiseleiterin kriegt sich gar nicht wieder ein, denn er ist erst 28. Insofern konnte die Behauptung, dass Taiji seine Juenger juenger erscheinen laesst, experimentell nicht bestaetigt werden. Schmunzel.

Heute ist der Landgang wirklich einer. Wir machen da fest, wo frueher die Wohnhaeuser von Fengdu gestanden haben. Wir muessen ueber ein Stueck Brachland gehen - ueber die abgerissenen Haeuser auf dem Teil, der noch nicht ueberflutet ist, ist jetzt schon Gras gewachsen. Die neue Stadt mit demselben Namen liegt jetzt am gegenueberliegenden Ufer. Von der alten sind nur die Gebaeude auf den beiden Anhoehen MingShan und ShuangguiShan sowie der Geisterpalast dazwischen uebrig, und das ist jetzt insgesamt eine Anlage fuer Touristen. Mit einem kleinen Bus werden wir bis fast zum Eingang gefahren - es sieht eigentlich vom Flussufer aus gar nicht weit aus, sind aber doch fast fuenf Minuten mit dem Bus. Wir haben mit zwei Stunden Landaufenthalt nur Zeit fuer den Ming-Berg, wo seit mehr als tausend Jahren Tempel gebaut wurden und werden. Beherrschendes Thema ist hier die Hoelle.

Hoelle, Hoelle, Hoelle, Hoelle - wir hatten ja schon in Malaysia festgestellt, dass sich die mittelalterliche europaeische Hoellenvorstellung von der daoistischen nicht wirklich unterscheidet. Allerdings gibt es hier viele kobaltblau gestrichene Waende, was nach meiner Farblehre nicht gut zur Hoelle passt, aber fuer sehr attraktive Fotomotive sorgt. Von den drei Pruefungen will ich mal doch nicht schweigen: zuerst muss man die Bruecke ueber den "Abgrund" (vermutlich Hoellenschlund) in genau 9 Schritten ueberqueren, dann die Hoellenschwelle (oder so) uebersteigen (und zwar auf der richtigen Seite, sonst wird im naechsten Leben das Geschlecht anders ausfallen als in diesem) - und Vorsicht! Nur ja nicht die Schwelle beruehren!! - und dann 3 Sekunden lang auf einem Bein auf einem Kieselstein stehen. Mir ist aber nicht ganz klar, ob das Bestehen dieser Pruefungen schon gleich zum Eintritt in den Himmel berechtigt oder ob man doch auch noch ein guter Mensch sein muss. Hier wird jedenfalls an diversen Stellen recht drastisch ausgemalt (buchstaeblich, aber auch ausgehauen und ausgeformt), was einen anderenfalls erwartet. Das sieht nicht gerade gemuetlich aus. Ich persoenlich fand vor allem die Geschichte um den Turm des Nach-Hause-Blickens schaurig (nein, nicht -Telefonierens, das gab's nur bei E.T): Luo Fan schrieb in dem beruehmten Klassiker "Eine Reise nach Westen" ueber einen Toten, der in die Hoelle kam, aber dessen Geist noch nicht tot war. Daraufhin erliess der Hoellenkoenig ein Dekret, dass die Toten auf den besagten Turm des Nach-Hause-Blickens steigen, einen Blick auf ihr Heim werfen und sich die Augen ausweinen duerften. Danach waere ihr Geist dann auch tot.

Nach soviel seelischen und physischen Grausamkeiten finden wir, dass wir es verdient haben, fuer den Abstieg statt der vielen Stufen (die Angaben schwanken zwischen fuenf- und siebenhundert) den Sessellift zu benutzen. Den Aufstieg hatten wir ja schliesslich zu Fuss bewaeltigt; die Treppe liegt meistenteils im wohltaetigen Schatten freundlicher Baeume. Gegen halb zwoelf sind wir wieder an Bord, ohne irgendeinen Geist persoenlich getroffen zu haben.

Die amerikanische Reisegruppe hatte ein sozial engagiertes Alternativprogramm gebucht, wie Burkhard mitbekommen hatte: einen Umgesiedelten besuchen. Einerseits waere ich ja auch ein bisschen neugierig gewesen, aber erstens ist das ja nun extrem unangenehm, in einer Reisegruppe jemandes Wohnung zu besuchen, und zweitens erwarte ich keine besonderen Erkenntnisse von einer solchen Exkursion. Leider habe ich hinterher nichts mehr davon gehoert.

Der Nachmittag geht mit "Kreuzfahrerprogramm" vorbei, beginnend mit einer Besichtigung der Bruecke, wo eine Mannschaft von 4 "Wasserhaenden" plus Kapitaen die Victoria Rose durch die Untiefen des langen Flusses steuert. Flussbegleiter Daniel laedt uns gleich zum Fotografieren ein - hier seien keine Staatsgeheimnisse zu enthuellen. In der Tat wird das Schiff immer noch manuell gesteuert, ohne viel Technik. Das Radar wird ernsthaft benutzt, der Kompass ignoriert, und die GPS-Information wird auch nur sporadisch konsultiert, sagt Daniel. Ein Steuerrad gibt es allerdings nicht mehr, die Richtung wird per "Joystick" (wenn noetig mit dem kleinen Finger) eingeschlagen. Nach 10 Minuten ist alles beaeugt, und wir koennen weiter faulenzen. Um 15 Uhr werden Jiaozi gemacht ("bao jiaozi", Dumplings "eintaschen" - Kreuzfahrtdirektor Christof uebersetzt das mit "chinesische Maultaschen herstellen"), im Anschluss zeigt der Drachenbemaler seine Werke. Das bekomme ich aber alles nur so halb mit, ich warte auf die Majiang-Stunde. Hier wird das chinesische Volksspiel, das auch als Mahjong bekannt ist, erklaert - es ist ein bisschen wie Rommé, aber eben nicht mit Karten, sondern mit Majiang-Kloetzchen. Jeder der vier Spieler hat 13 Spielsteine, Ziel des Spiels ist es, vier Dreiergruppen (Folgen oder Gruppen von gleichen Steinen) und ein Paar zu bekommen (mit dem Stein, den man jeweils nimmt). Wir spielen 4 Runden, dann muss ich mich noch mit Hasenanrufen herumaergern. Erst ruft er 'ne halbe Stunde zu spaet an, dann eine ganze zu frueh, und eigentlich waere es aus meiner Sicht wirklich nicht noetig gewesen, dafuer ueberhaupt im Urlaub zu telefonieren.

Am Abend findet das Abschiedsbankett des Kapitaens statt, der aber nach ein paar warmen Worten gleich wieder an die Arbeit muss. Wir sind jetzt aus dem Gebiet des Stausees hinaus, der Yangzi ist hier deutlich "reissender" als vorher. Reissend ist vielleicht uebertrieben, aber hier ist die Stroemung schon recht stark. Und waehrend ich dem Spiel froente, habe ich ganz verpasst, dass wir an einem Engpass (= Einbahnfluss) warten mussten und an einer riesigen, kilometerlangen Halde vorbeigekommen sind, die dort am Fluss aufgeschuettet wird, um darauf eine neue Stadt zu bauen. Ich weiss nicht, ob das noch ein Bestandteil des Drei-Schluchten-Damm-Projekts ist oder ein separates, aber das scheinen ja alles Dinge zu sein, bei denen Geld keine Rolle spielt. Eine Sache, die ich nicht verpasst, sondern vorher schon oft am Ufer gesehen hatte, sind die Kohlebunker, meist offen, manchmal auch abgedeckt, aus denen die Kohlenschiffe direkt ueber Rutschen beladen werden. Braunkohle ist das hier, weiss Christof. Dabei faellt mir auf, dass wir ja selbst im kleinen, idyllischen Deutschland ganze Staedte abreissen und die Bewohner anderswohin umsiedeln. Der Unterschied ist nur, dass die Staedte in Deutschland einfach viel kleiner sind.

Mittwoch, 21. Mai 2008

Montag, 19. Mai 2008: Die flaktale Geometlie del Natul

Der Tag beginnt ebenso frueh wie gestern. Schon vor sieben Uhr fahren wir in die Hexenschlucht (Wu Xia) ein. Die beruehmteste Formation hier ist aber nicht etwa eine Hexe, sondern (je nach Quelle) eine Goettin oder ein Engel oder eine Fee. In jedem Fall bezeichnet der Name eine vermeintliche Frauenstatue, die mildtaetig aufs Tal hinabschaut. Diese kleine Felsformation steht unterhalb des letzten Gipfels, bevor man wieder aus der Schlucht ausfaehrt. Nach dem Taiji habe ich mir in Erwartung dieses Anblicks (und des Fruehstuecks) ganz schoen was zusammengefroestelt in der kuehlen Morgenluft, die - oh Schreck! - auch noch regennass ist! Der Regen hat nur einen Vorteil: er waescht, zumindest vorlaeufig, erst einmal den Dunst aus der Luft.

Um kurz nach acht Uhr legen wir in WuShan (= Hexenberg?) an. Auf dem Schiff bereiten wir uns alldieweil aber nicht auf einen Landgang vor, sondern nur darauf, auf ein kleineres und spaeter auf ein kleines Boot umzusteigen. Die Stadt, die wir nicht besichtigen werden, ist brandneu, das alte WuShan ist schon in den Fluten versunken. Wir besteigen also ein mittelgrosses Motorboot mit Glasdach, um den Daning-Fluss zu befahren. Der Daning ist einer der zahlreichen Nebenfluesse des langen Flusses, und so wie der Yangzi DIE drei Schluchten durchfliesst, so durchfliesst der Daning die KLEINEN drei Schluchten - siehe Titel. Die sind fast ebenso beruehmt und gehoeren daher zum Standardprogramm der Kreuzfahrten, dementsprechend gibt es eine ganze Flotte solcher Ausflugsboote. Mittlerweile haben wir den Morgenregen schon vergessen - jetzt scheint die Sonne, der Himmel ist sogar ein bisschen blau und es wird wahrscheinlich richtig heiss. Wir legen rasch ab und fahren unter der Drachentorbruecke durch, die die Muendung des Daning ueberspannt. Unsere lokale Fuehrerin wird uns spaeter ein Foto zeigen, in welch kuehner Hoehe die Konstruktion Anfang der 1980er Jahre angelegt war - jetzt, seit der Wasserstand schon auf die beruehmten 156 m angestiegen ist, sieht es nicht mehr besonders kuehn aus. Nach der naechsten und letzten Flutungsstufe wird die lichte Hoehe nicht mehr ausreichen, um die Schiffe passieren zu lassen, daher ist die neue Bruecke schon in Arbeit. Aber was heisst "schon"? Im Oktober soll es ja schon so weit sein …

Gleich hinter der Bruecke liegt die Drachentorschlucht, die ein paar Kilometer stromaufwaerts von einer neuen grossen Autobahnbruecke ueberspannt werden soll, die auch im Bau ist. Sie soll die Fahrzeit von Chongqing nach Yichang von 11 auf 5 Stunden verkuerzen, das lohnt sich ja! Im Moment gibt es aber nur ein paar riesige Pfeiler auf beiden Talseiten und dazwischen einige Kabel - und eine Haengebruecke fuer mutige Bauarbeiter. Brr, die moechte ich ja nicht ueberqueren …

Zwischen der Drachentorschlucht und der Nebelschlucht, so der Name der naechsten, oeffnet sich der Daning. Ein idyllisch wirkendes Inselchen liegt da, das von Kleinbauern bewohnt und bestellt wird. Letzte Ernte - es ist nicht hoch genug gelegen und wird ueberflutet werden. Die zahlreichen einfachen Steingraeber darauf kann man jetzt noch verlegen, pro Grab gibt es 1000 RMB Unterstuetzung vom Staat. Insgesamt machen Entschaedigungen und sonstige Zahlungen an Buerger gut die Haelfte des Gesamtbudgets des Drei-Schluchten-Damm-Projekts aus, hiess es gestern …

Die Nebelschlucht ist heute nicht neblig, die steil aufragenden Felswaende sind in ihrer ganzen Hoehe zu sehen. Fuer die dreistufige "Buddha"-Formation fehlt mir die Phantasie - ich sehe halt drei Felsstufen und keinen Buddha. Mir fehlt auch die Phantasie, mir vorzustellen, wie diese grossen Holzsaerge des Ba-Volks vor ca. 2000 Jahren in die Felsspalten der Steilwaende hoch ueber der Schlucht geraten sein sollen. Schon ohne "Gepaeck" ist es nicht trivial, sich in dieser Wand abzuseilen. Wenn man ihn gezeigt bekommt, kann man einen dieser Saerge auch vom Boot aus halbwegs ausmachen. Wieviele Leute haben jetzt wohl ein Foto von einer im Schatten liegenden, graugelben, unscheinbaren Felswand mit zwei ungleich grossen dunklen Flecken darin, wobei im groesseren dunklen Flecken ein etwas hellerer dunkler Flecken (der Sarg) "schwimmt"?

Waehrend sich die Voegel zwar nicht zeigen, aber zwitschern, halten sich die Rhesusaffen, die es hier geben soll, optisch und akustisch bedeckt, sozusagen. Naja - ich hab' in meinem Leben schon so viele Affen gesehen, dass mich das wirklich nicht stoert. Dann ist auch die Nebelschlucht durchfahren, wir kommen zu einem offeneren Stueck samt Inselchen und fahren dann in die Smaragdschlucht ein. Das Wasser ist spaetestens hier smaragdgruen. An einem Anleger steigen wir "fraktalerweise" noch einmal in kleinere Boote um - hoelzerne Sampans sind das jetzt, in denen immerhin noch bis zu 30 Personen Platz finden. Wir muessen die etwas schrottigen Rettungswesten anziehen und schon geht's los. Das Wasser ist jetzt nicht mehr so furchtbar flach wie frueher, aber die Schluchten sind immer noch sehr schmal, so dass groessere Boote nicht angebracht waeren. Das Wasser ist hier zaubergruen, mit den felsigen Ufern und der ueppigen Vegetation sieht das toll aus. Die Wasseroberflaeche spiegelt die Sonnenstrahlen in wabernden Mustern auf die ueberhaengenden Felsen. Diese Schluchten sind jetzt so klein, dass sie auf chinesisch einfach die KLEINEN KLEINEN drei Schluchten heissen, siehe Titel. Leider machen wir schon nach 5 (von 33) Kilometern kehrt, noch bevor sich die KLEINEN KLEINEN KLEINEN drei Schluchten vor uns oeffnen, die es dort - siehe Titel - wohl geben muss. Unterwegs hat ein "Troetenspieler" fuer uns aus einer Hoehle geblasen, eine Gruppe von einheimischen Minderheitenangehoerigen (?) hat uns von einer Anhoehe aus angesungen, die Haelfte der Mitfahrer hat den Ethno-Regenmantel aus braunen Pflanzenfasern mit passendem Hut und Bambusstake anprobiert, die Fuehrerin hat uns ein Liebeslied gesungen (gar nicht so uebel) und der Bootsmann ein Lied mir unbekannter Bedeutung. Es wird nicht mehr gesungen!!

Auf der Rueckfahrt im Glasdachmotorboot macht sich unter den Passagieren eine gewisse Muedigkeit breit, vor allem bei denen, die gern sitzen wollen und deshalb unter dem Glasdach ausgebruetet werden - auf Deck herrscht eine angenehme Brise, aber dafuer scheint die Sonne recht intensiv und man riskiert einen Sonnenbrand. Auch die lokale Fuehrerin hat jetzt nicht mehr viel zu sagen - sie hat schon auf dem Hinweg alles erzaehlt. Sie weist zwar noch einmal auf die Saerge hoch oben in der Wand hin, und auf der Rueckfahrt werden auch noch zwei oder drei Affen gesichtet, aber sonst gibt es - wenig ueberraschend - nichts Neues. Sie hat eine heikle Aufgabe: als Augenzeugin und Betroffene ueber die Folgen des Drei-Schluchten-Projekts erzaehlen. Sie ist eine "Eingeborene" von WuShan, und die Stadt ihrer Kindheit ist schon laengst weg. Nur auf Fotos in den Touristenbuechern ueber die Stadt (von denen sie uns einige zeigt) und in ihrer Erinnerung gibt es die alten Strassen und Plaetze noch. Das ist die weniger schoene Seite. Die angenehme Seite: vorher hatte sie mit ihrer Familie eine Wohnung von 60 Quadratmetern ohne eigenes Bad, jetzt hat sie 120 Quadratmeter mit Bad. Die kosten 50.000 RMB, wovon es 20.000 vom Staat gibt. Auch auf Nachfragen bleibt sie bei der zweifellos korrekten und authentischen Aussage, dass jede Medaille auch in China zwei Seiten hat.

Gegen viertel vor eins sind wir zurueck auf der Victoria Rose. Fuer Chinesen ist es sicher schlimm, dass es um 12 Uhr noch kein Essen gab, aber wir koennen es verschmerzen. Nach dem Mittagessen treten Belegschaft und Passagiere auf dem Achterdeck an. Von heute bis Mittwoch hat die Regierung Staatstrauer angeordnet, und um 14:28 Uhr beginnen drei Schweigeminuten. Die Nebelhoerner des Schiffs schweigen nicht, sie rufen drei Minuten lang zum Gedenken an die Opfer des Erdbebens auf, das vor genau einer Woche fuer zigtausende von Menschen den Tod bedeutet hat.

Dann fahren wir schon bald in die Blasebalg-Schlucht (Qutang Xia) ein, die mit 8 km Laenge die kuerzeste der drei Schluchten ist. Mit dem hoechsten Gipfel von allen und mit einem dreistoeckigen Wachtturm samt Kanonen und einem Rhesusaffengehege daneben. Ausserdem gibt es in der Wand der Schlucht Hoehlen mit weiteren alten Saergen und welche, die im zweiten Weltkrieg in Benutzung waren. Man kann auch noch Stuecke des alten Treidelpfads sehen und Felskalligraphien, die bereits nach oben versetzt worden sind, da sie ansonsten schon jetzt unter dem Wasserspiegel laegen.

Die Ausfahrt der Qutang-Schlucht kennt jeder Chinese, ziert ihr Abbild doch den 10-Yuan-Schein. Aber diese Schlucht ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Sie war einmal besonders schmal und wild und gefaehrlich - und eine Einbahnschlucht, weshalb man gegenueber der 10-Yuan-Schein-Wand noch eine Signalstation sehen kann. Die war immerhin bis 2003 in Benutzung. Ein kleines Stueck weiter flussaufwaerts liegt eine Insel, die aus einem bewaldeten Huegel besteht und offenbar einige "typisch chinesische" Gebaeude traegt. Das sei BaiDiCheng, die Stadt des weissen Kaisers. Ja dann …

Auf dem Oberdeck laesst man Drachen steigen, ich nutze den Rest des Nachmittags zum Faulenzen. Abends gibt es ein Varieté-Programm, das die Belegschaft gestaltet hat: Volkstaenze in bunten Kostuemen, ein Zauberer, ein chinesisches Orchester. Die Gaeste duerfen auch auftreten, ein aelterer Herr aus der amerikanischen Reisegruppe traegt ziemlich gekonnt zwei Lieder zur Gitarre vor, darunter Gershwins "Summertime". Aus Anlass der Staatstrauer singt die Belegschaft uns noch das Lied "Morgen wird alles besser", dazu gibt es Bilder aus dem Erdbebengebiet. Das drueckt auf die Traenendruese, die Bildauswahl ist zum Teil etwas pathetisch - aber es ist wirklich sehr schlimm, was es da zu sehen gibt.

Montag, 19. Mai 2008

Sonntag, 18. Mai 2008: Drei-Schluchten-Damm

Ich hatte bisher immer gedacht, Kreuzfahrt waere Urlaub, aber als ich das Programm gesehen habe, ist diese Gewissheit spontan verflossen. Um 7:30 Uhr gibt's Fruehstueck, und spaeter hingehen geht nicht, denn um 8:30 Uhr beginnt schon der Landgang. Und um 7:00 Uhr fahren wir ja schon in die erste der drei Schluchten ein, die Xiling Xia. In Anbetracht dieser Grausamkeiten hatte ich dann beschlossen, dass ich auch gleich um 5 Uhr aufstehen und um 6:30 Uhr zum Mini-Taijiquan-Kurs gehen koennte. Gesagt, getan. Gar nicht so leicht, obwohl es natuerlich so aussieht, wenn eine/r es kann. Dr. Ou, der Schiffsarzt, ist zugleich der Taiji-Meister. Zur Vorstellung gestern Abend war er standesgemaess im weissen Kittel gekommen, weshalb Burkhard ihn spontan fuer den Koch gehalten hatte, schmunzel. Heute hatte er den Kittel gegen einen weissen chinesischen Flatterseidenanzug mit Knotenknoepfen vertauscht. Leicht absurd wurde das Ganze, als mittendrin ploetzlich Las Ketchup aus den Lautsprechern schallte … aber das wurde dann doch nach kurzer Zeit schamhaft wieder abgestellt.

In Sandouping gehen wir also gegen halb neun Uhr morgens an Land. Direkt gegenueber vom Landesteg liegt der Tempel des gelben Huegels mit einer sehr reizvollen Fassade - aber dahinter zu gucken steht nicht auf dem Programm. Wir muessen durch eine kleine Ladenstrasse zu einem Bus gehen. Noch vorher stuerzt sich geierhaft ein Rudel fliegender Haendler auf uns Ankoemmlinge. Am besten finde ich die, die mir schon als erstes "maybe later" vorschlagen. Da kann ich wenigstens spontan zustimmen. "Later cheaper", geht's weiter - ob bei diesem unaufgeforderten Angebot ueberhaupt irgendeine/r sofort was kauft?!

Mit dem Bus fahren wir ein paar Kilometer, dann muessen wir alle aussteigen und eine Sicherheitskontrolle incl. Gepaeckdurchleuchtung ueber uns ergehen lassen, bevor wir den Bus wieder besteigen duerfen und zum Touristenpark des Drei-Schluchten-Projekts gekarrt werden. Der befindet sich auf einem Huegel zwischen den zwei 5stufigen Schleusen (eine aufwaerts, eine abwaerts) und der grossen Staumauer. Wir sind natuerlich nicht die einzige Busladung, die dort ausgekippt wird und nun den Park, den "Aussichtsvulkan"* und die Halle mit dem 1:850-Modell der Anlage ueberflutet. Man kann ausser dem Modell aber so gut wie nichts sehen - mir bleibt das ganze Projekt buchstaeblich total nebuloes. Das wird auch nicht besser, als wir noch an einem Ende der Staumauer gucken duerfen - auf der Stauseite, nicht auf der Talseite. Da gibt's nicht viel zu sehen - eine Mauer, die alsbald im Nichts verschwindet, und ruhiges Wasser dahinter. Ich kann mich nur damit troesten, dass vermutlich auf der Talseite nur eine Mauer zu sehen gewesen waere, die alsbald im Nichts verschwindet, ohne Wasser. Schade. Dann geht es auch schon zurueck zur Victoria Rose. Das Beste an diesem Ausflug ist ein zweisprachiges Schild im Besucherpark gewesen, das mir bestimmt bei der naechsten Praesentation einen Lacherfolg sichern wird: "Workaround, please stop!" heisst es da.

Um kurz nach elf sind wir schon wieder an Bord und koennen jetzt aufs Mittagessen warten. Oder in der Yangzi-Bar Bloody Mary trinken, darauf gibt's vor dem Mittagessen 30% Rabatt - machen wir aber nicht. Alsbald fahren wir in die erste Schleusenkammer ein. 280 m lang und 40 m breit sind die Kammern, wenn ich mich recht erinnere. Wenn zwei Flusskreuzfahrtschiffe nebeneinander einfahren, sieht das ganz schoen eng aus! Sobald alle Schiffe eingefahren sind, wird das Schleusentor langsam geschlossen, und sobald es zu ist, geht es mit einer beobachteten Geschwindigkeit von 1 Meter in 25 Sekunden aufwaerts - ganz schoen schnell, finde ich. Das Spiel wiederholt sich drei Mal. Die letzte der fuenf Kammern ist jetzt noch nicht in Betrieb, die wird erst benoetigt, wenn bald die letzte Stufe des Projekts fertiggestellt wird, in deren Verlauf der Wasserstand von jetzt 156 m auf 175 m ansteigen wird. Das sind zwei "magische" Zahlen hier; an vielen Stellen auf der Stauseite werden wir grosse, weithin sichtbare Markierungen dieser Wasserhoehen sehen.

Waehrend der "Schleuserei" wird zuerst das Mittagsbuffet serviert. Danach serviert uns Flussfuehrer Daniel Li einen Vortrag unter dem Titel "Ancient Waters - Timeless Yangzi". Er benutzt Powerpoint und zeigt uns Landkarten, ein paar Informationen ueber den Fluss und vor allem Fotos, auch ein paar Filme zum Beispiel ueber den grossen Erdrutsch Mitte der 1980er Jahre. Ich lerne, dass die sieben Abschnitte des Flusses jeweils eigene Namen tragen und dass der Name Yangzi von den Chinesen eigentlich nur fuer den letzten Teil seines Unterlaufs bis zur Muendung bei Shanghai benutzt wird - ansonsten heisst dieser Fluss bei den Einheimischen einfach Langer Fluss: Changjiang. Es ist der laengste Fluss Chinas und nach Nil und Amazonas der drittlaengste der Welt. Unsere Kreuzfahrt zeigt uns einen Abschnitt von ca. 660 km - gerade mal ein Zehntel der Gesamtlaenge.

Den anschliessenden Vortrag von Dr. Ou ueber traditionelle chinesische Medizin, insbesondere Akupunktur und Akupressur "mit Demonstration" spare ich mir und sitze lieber auf dem Aussichtsdeck, Landschaft begucken. Die Luft ist extrem feucht und ziemlich warm, nicht zuletzt, weil die Sonne sich hinter den Nebelschwaden bemerkbar macht. Gegen halb vier fahren wir in den Westteil der Xiling-Schlucht ein. Alles bleibt relativ dunstig, was natuerlich im spaetnachmittaeglichen Gegenlicht seinen ganz besonderen Reiz hat. Ich habe Schwierigkeiten, Flussfuehrer Daniels Kommentaren zu folgen. Es ist so warm, das Schiff vibriert so gleichmaessig vor sich hin und das Wasser des Yangzi rauscht so beruhigend - zu dumm, dass es hier keine Liegestuehle an Bord gibt. So wuerde es sich meiner Meinung nach fuer ein ordentliches Kreuzfahrtschiff gehoeren, aber die gibt es laut Kreuzfahrtdirektor Christof nur fuer diejenigen Passagiere, die die Shangri-La-Suite buchen.

Um 18 Uhr machen wir uns ein bisschen fein, denn um viertel nach sechs laedt Kapitaen Huang zum Willkommensempfang mit einer Sekt genannten Ploerre und leckeren Appetithaeppchen. Der Kaeptn macht allerdings keinen sehr begeisterten Eindruck bei der Begruessung, und nach seinen freundlichen Worten verschwindet er auch bald wieder. ;-))

Nach den Haeppchen geht es nahtlos zur naechsten Essgelegenheit: Abendessenszeit! Es gibt schon wieder Gongbaojiding, aber diesmal auch genuegend andere Gerichte, da ja nach chinesischer Manier am Tisch serviert wird. Das Abendprogramm besteht aus einer etwas albernen Modenschau namens "Chinese Dynasties Show" - danach bin ich einfach nur froh, ins Bett fallen zu koennen. Heute ist es 21:45 Uhr, Hilfe, in siebeneinviertel Stunden muss ich ja schon wieder aufstehen!

* ein kegelfoermiger Betonberg mit eingeebnetem Krater

Sonntag, 18. Mai 2008

Samstag, 17. Mai 2008: Victoria Rose

Wir sind nach einem angenehmen Flug von ca. 1 3/4 Stunden Dauer wohlbehalten auf dem Drei-Schluchten-Flughafen von Yichang gelandet - nur eben 70 Minuten zu spaet. Auf dem kleinen Flughafen geht man zu Fuss vom Rollfeld zum Terminalgebaeude, in dem es nur ein Gepaeckband gibt - so kann man wenigstens nicht am falschen warten. Ein Fuehrer erwartet uns, aber der fuehrt uns bloss zu einem Kleinbus mit stark verdunkelten Scheiben, dessen Fahrer uns zum Anleger faehrt, was etwa eine Stunde dauert. Der Fuehrer schlaegt uns noch vor, wir koennten eine Stickereifabrik oder so aehnlich besuchen - och noe, lass ma'. Auf so'n Kram haben wir keine Lust. Auf was Anderes hat der Fuehrer keine Lust, das steht auch nicht in seiner Stellenbeschreibung. Wir beschliessen, dass wir dann am liebsten gleich aufs Schiff wollen. Da sind wir mit Abstand die ersten. Kreuzfahrtdirektor Christof begruesst uns - der Name sieht deutsch aus, sein Inhaber ist auch deutsch, wohnt seit 13 Jahren in China, davon 5 in Shanghai … und jetzt in Chengdu. Er ist besorgt, denn er hat noch keine Auskunft bekommen koennen, was mit seiner Wohnung geworden ist nach dem grossen Erdbeben. Gleich nach der Ankunft in Chongqing wird er hinfahren und nachsehen … ich kann gut verstehen, dass er im Moment keine besondere Begeisterung ausstrahlt. Er eroeffnet uns, dass er nicht sehr viele deutsche Gruppen habe und schon ein bisschen Schwierigkeiten, Deutsch zu sprechen, was man ihm aber nicht anmerkt. Aber diesmal sei ausser uns noch eine ganze deutsche Gruppe dabei.
"Studiosus?"
"Ja-a … ?!"
"Hamwer uns schon am Flughafen gedacht." ;-))
Nun, fortan werden wir pragmatisch als Anhaengsel der Gruppe behandelt, ausser bei Tisch - den teilen wir mit einer angeblich australischen Familie, die sich aber als neuseelaendisch entpuppen wird. Na ja, bei uns werden die Aussies ja auch immer mit den Kiwis zusammen in einen mit ANZ beschrifteten Topf geworfen …

Beim Einchecken bekommen wir das freundliche Angebot, wir koennten ein Upgrade buchen und statt der Standardkabine eine Shangri-La-Suite beziehen. Die ist ein bisschen geraeumig, hat eine eigene Sitzecke, eine Badewanne und statt zwei schmaler Betten ein breites - mit einer gemeinsamen Decke. Das betrachte ich als Wermutstropfen, aber als wir den Preis hoeren: zusaetzlich 1200 US-Dollar, gibt es schon keinen Weinkelch mehr, in den der besagte Tropfen fallen koennte.

Waehrend in unserem Programm steht, man koenne in der Naehe des Anlegers zum Essen gehen, ist da in Wirklichkeit gar nichts. Also bleiben wir an Bord und ordern das beruehmte Gericht Gongbaojiding, Huhn mit Gemuese, als Bestandteil eines kleinen Menus. Andere Optionen umfassen ein Hamburgermenu oder ein Spaghetti-Bolognese-Menu … Vor dem Essen erkunden wir noch das Schiff. Auf dem zweiten und dritten Deck sind Hotelzimmer, auf dem vierten ein "Multifunktionsraum", ein Mini-Fitnessraum und der zentrale Ort, an dem sich fast alles abspielt: die Yangzi-Bar. Das fuenfte Deck ist das Dach, welches natuerlich als Aussichtsplattform dient. Jetzt, wo wir das Schiff noch ganz fuer uns allein haben, herrscht eine ganz besondere Stimmung - Yangzi-Melancholie im "trueb-tauben Dunst am Musenginst" vielleicht? Es ist naemlich dunstig und wird gerade dunkel, und auch am Pier ist nicht viel los. Dafuer fahren einige Schiffe vorbei, darunter eins mit mindestens einem Dutzend vollbepackten Ell-Ke'i-Dabbeljuhs - wuerde mich nicht wundern, wenn das Hilfslieferungen fuer Sichuan waeren.

Laut Programm findet die Einfuehrung um 21 Uhr statt. Sooo lange noch warten, wo ich doch sooo muede bin? Aber nein, dank Studiosus gibt es heute zwei Einfuehrungen, eine um halb neun auf Deutsch, eine spaeter auf Englisch. Wir bekommen die Einrichtungen des Schiffes und die jeweils zustaendigen Mitglieder der Crew vorgestellt. Danach beabsichtige ich direkt ins Bett zu fallen, falle aber leider schon vorzeitig die letzten Treppenstufen hinunter. Aïe! Der rechte Fuss tut leider recht weh. Hoffen wir mal, dass sich das bald bessert.

Jeden Abend um 22 Uhr wird uebrigens auf Kanal 9 der Film Still Life (San Xia Hao Ren, die guten Menschen von den drei Schluchten) gespielt. Die DVD habe ich ja zu Hause, aber leider habe ich es noch nicht geschafft, sie zu Ende anzusehen. Ich liege um 21:30 Uhr im Bett und schaffe es gerade so, bis zehn wach zu bleiben - aber jetzt noch fernsehen? No way.

Samstag, 17. Mai 2008

Samstag, 17. Mai 2008: Auf dem Weg nach Yichang

Oijoijoi, die Nacht war wieder kurz … aber jetzt sitzen wir am Ausgang A4 des Flughafens Hongqiao und warten auf den Flug FM9365 (Shanghai Airlines, prima, kann ich nebenbei noch ein paar "deutsche" Meilen sammeln). Soeben wurde angekuendigt, dass er eine halbe Stunde verspaetet ist. Wie doof! Wir sind doch sowieso viel zu frueh dran.

Im Uebrigen haben "die Behoerden" beschlossen, dass man jetzt nur noch 5 kg Handgepaeck mitnehmen darf statt wie bisher 8. "Aus Sicherheitsgruenden", heisst es - allerdings ist mir nicht klar, was das Gewicht mit der Sicherheit zu tun hat. Daraufhin hat Burkhard Teile der Fotoausruestung in den Koffer gepackt mit dem Ergebnis, dass das eingecheckte Gepaeck Uebergewicht hat. Weniger als 10%, und selbst dafuer wurden wir angepflaumt. Auch doof!

Insofern habe ich Burkhard schon gleich geraten, sich den Mineralieneinkauf in Guilin abzuschminken - bestimmt haben die da nur Schwermetalle und selten schwere Erden, oder wie heisst das noch? ;-)). Und viele Verbrauchsgueter haben wir nicht dabei - die 250 g Reisegebaeck* reissen es ja nicht 'raus.

So, jetzt ist es schon 14:24 h, so dass wir am Ende wohl eine Stunde verspaetet abfliegen werden (Plan: 13:40 Uhr). Aber wir sind jetzt "ongeboardet" mit einer Riesenreisegruppe von Studiosus … die sehen wir womoeglich an Bord von Victoria Rose wieder - das wuerde mich nicht wundern. Bis die Tage!

* Bahlsens gute Vollkornbutterkekse

Donnerstag, 15. Mai 2008

Unser Reiseplan NEU

So, zu Huelfe, uebermorgen geht es ja dann schon los. Mich packt spontan das blanke Entsetzen. Wie soll ich alles fertigbekommen, was noch fertigwerden muss, und dann auch noch packen??? Aber wenn ich die aufkommende Panik beiseite schiebe, kann ich die Aussicht auf das folgende Programm geniessen:
  • Samstag. Flug nach YiChang am Fuss des Drei-Schluchten-Damms und Einschiffen auf "Victoria Rose".
  • Sonntag. Besuch des Drei-Schluchten-Damms und Fahrt durch die XiLing-Schlucht.
  • Montag. Ausflug zu den unteren Schluchten und Fahrt durch die Wu- und QuTang-Schlucht.
  • Dienstag. Landgang in die Geisterstadt Fengdu. Ob man dafuer ein weisses Nachthemd und klirrende Ketten einpacken soll?
  • Mittwoch. Ankunft in und Besichtigung von Chongqing (sprich: TschongTsching, mit nasalem ng), spaeter Fahrt nach Dazu (sprich: DaDsu, was soll man dazu sagen?)
  • Donnerstag. Besichtigung der Hoehlen von Dazu.
  • Freitag. Flug nach Guilin. Fahrt nach Longsheng, Longji und PingAn. (Auf den Standard-ADAC-Karten wuerden die Strassen als "landschaftlich schoene Strecke" markiert sein - hier vielleicht sogar zu Recht, in Deutschland genuegt meist ein handtuchbreiter Streifen Waldes laengs der Strasse, um dem Abschnitt dieses Praedikat zu sichern.) Wandern in den Reisterrassen oberhalb von PingAn.
  • Samstag. Mehr Reisterrassen, jetzt im Morgen- statt im Abendlicht. Mittags 1A-Pfannkuchen im Hotel, nachmittags Teeplantage auf dem Weg nach Guilin.
  • Sonntag. In und um Guilin: Hoehlen, Palaeste, Graeber - klingt einfach besser als Hoehlen, Palast, Graeber, aber es ist nur ein Palast, naemlich der der JinJiang-Prinzen.
  • Montag. Die Fahrt auf dem Li-Fluss nach Yangshuo. Das ist es, wofuer man nach Guilin faehrt. Nachmittags Streunen in Yangshuo.
  • Dienstag. Fuer Nimmersatte: als ob es nicht genug waere, auf dem Li-Fluss Boot zu fahren, jetzt muessen wir auch noch an ihm entlangradeln! Falls wir nicht schon vor Erschoepfung vom Sattel fallen, koennen wir auch noch zum Mondsichelberg fahren.
  • Mittwoch. Noch mehr "Spocht", o je! Bambus-Rafting auf dem Jadedrachenfluss. Nachmittags Abhaengen in Yangshuo, abends Rueckflug nach Shanghai.

Klingt doch gar nicht so schlecht, oder?!

Mittwoch, 14. Mai 2008

Unser Reiseplan erfaehrt kurzfristig eine Aenderung

Die Nachrichten kann jede/r selbst verfolgen, die werden immer trauriger. Die Wahrscheinlichkeit, dass nun auch der einzige gute Mensch nicht mehr lebt, wird immer groesser. Insofern machen wir mit unserer Reise jetzt einen grossen Bogen um Sichuan - wir beginnen mit der Yangzi-Kreuzfahrt wie geplant und fliegen dann von Chongqing nach Guilin. Guilin (oder eigentlich Yangshuo) ist der Ort, an den man faehrt, wenn man sich die beruehmte Karstberglandschaft ansehen will (Beispielbild hier, oder selber Bilder googeln ...). Ja, genau, das ist diejenige, welche auf ungefaehr jedem chinesischen Landschaftsbild gemalt ist. Das Programm hat jetzt zwar keinen guten Mix von Kul- und Na-tur mehr (Na- ist uebermaechtig geworden), aber etwas Anderes bietet sich auch nicht so richtig an. Ausserdem wird der Urlaub ein bisschen kuerzer, was mir allerdings "arbeitsmaessig" ganz gut in den Kram passt. Wir muessen jetzt noch ein bisschen an der Reiseplanung herumfeilen, aber das wird wohl recht problemlos klappen. Zu meinem grossen Bedauern koennen wir aber die beruehmten Thermalquellen von Longsheng, in der Naehe von Guilin gelegen, nicht besuchen - weil die Strasse dahin unpassierbar ist! Und das hat nun gar nichts mit Erdbeben oder Zerstoerung zu tun, sondern mit - Bauarbeiten. Nicht zu fassen!

Dienstag, 13. Mai 2008

Der Tag danach

Ui, es gibt wie immer viele Nachbeben, wie man hoeren und lesen kann. Zum Beispiel hier, recht interessante Seite. Heute Nachmittag gab es, wie dort zu sehen, auch noch eins der Staerke 5,9. Heftig. Vielleicht anders als sonst ist die Nachrichtenlage nicht von "Geheimhaltung" gepraegt, schonmal gut. Was man dafuer sehen und erfahren kann, ist leider meist eher traurig. Unser Reiseplan erfaehrt also definitiv eine Aenderung. Die letzten fuenf Tage haetten wir mitten im Katastrophengebiet verbracht, der Teil muss jetzt entweder "umgearbeitet" oder storniert werden - Extraarbeit fuer unseren Reiseveranstalter. Die Yangzi-Kreuzfahrt am Anfang hingegen kann nach derzeitigem Stand wie geplant stattfinden.

Ansonsten spuere ich heute Nachbeben in meinen Muskeln ... es fuehlt sich so an, als ob die 25 Etagen treppab einen Muskelkater generiert haben. Wenn's nichts Schlimmeres ist - will ich nicht meckern.

Montag, 12. Mai 2008

Das kommt davon!

... wenn man sich beschwert, dass hier nichts gebloggt wird, wenn nichts passiert ist und es auch sonst weder etwas zu berichten noch etwas zu philosophieren gibt! Daraufhin ist gleich etwas passiert, und zwar nicht gerade Erleuchtung durch den heiligen pfingstlichen Geist, sondern das schlimme Erdbeben in Sichuan, das bis hierher nach Shanghai spuerbar war. Hier meine Berichterstattung:

Ab viertel nach zwei bin ich heute in einer kleinen Telefonkonferenz. Waehrend ich mit den Kollegen in Indien spreche, wird mir ploetzlich ganz schwindlig auf meinem Stuhl. Ich rutsche unruhig darauf herum und bin besorgt: ob das was Ernstes ist? Ich ueberlege, was ich am besten tun sollte. Waehrend ich noch nachdenke, sehe ich vor meinem "Aquarium" alle Leute aufstehen und diskutieren, dann verschwinden. Meine Mitarbeiterin fragt zur Tuer herein, ob ich nicht spueren wuerde, dass das Gebaeude zittert - ich antworte spontan mit "Nein!" Aber als ich dann schon fast niemanden mehr sehe, wuerge ich das Telefonat ab und sage den Kollegen, dass wir das Gebaeude verlassen, ich wuerde mich melden, wenn ich zurueck sei. Rums, aufgelegt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich (jetzt kommt das Positive!) gemerkt, dass mir gar nicht schwindlig gewesen ist - das Haus hat geschwankt! Das war das also! Nun, ich greife meine Handtasche, schliesse das Buero ab und mache mich auf den Weg. Uebrigens: Nicht dass eine/r glaubt, es haette einen Alarm im Haus oder doch wenigstens eine Anweisung der Etagen-Sicherheitsbeauftragten gegeben ...

Vor dem Aufzug steht eine ganze Traube von Leuten, dabei sollte man in solchen Faellen doch nun definitiv nicht mit dem Aufzug fahren ...!! Das Treppenhaus hat den Nachteil, dass es relativ eng ist. Zwei Personen koennen nebeneinander gehen, das ist es. Vom 25sten Stock herunter dauert es eine ganze Weile, nun wird mir fast wirklich schwindlig - nicht, dass es sich um eine Wendeltreppe handelt, aber es geht doch immer alle paar Schritte links herum ... Schliesslich sind wir unten, so ganz klar ist nicht, wo der Sammelplatz ist - wir bleiben auf dem Platz vor dem Haus stehen, was natuerlich der denkbar unguenstigste Platz ist fuer den Fall, dass mit dem Gebaeude wirklich etwas passiert. Dann sitzt man vermutlich besser und sicherer unter seinem Schreibtisch, der vielleicht noch ein paar Teile von einem fernhalten kann. Aber zum Glueck passiert mit dem Gebaeude nichts. Es gibt weiterhin keine Anweisungen von der Hausverwaltung oder wem auch immer - mir scheint, hier kann man aus dem heutigen Ereignis allerhand Lehren ziehen. Ich sage zu einem Kollegen, dass man jetzt sicher viele Ansatzpunkte hat, was man verbessern koenne - er guckt mich fragend an. Verbessern? Was man ueberhaupt machen kann, meint er. Leider hat er recht.

Waehrend wir draussen stehen, murmelt jemand schon etwas von einem schweren Erdbeben in Chengdu (der Hauptstadt der Provinz Sichuan) - aha, das waren dann wohl die beruehmten "gewoehnlich gut informierten Kreise"?! Ich rufe Burkhard an, der zu berichten weiss, dass unsere "tubular bells", das Windspiel mit den Roehrenglocken, ploetzlich zu laeuten angefangen haben. Und die Kristallkugeln unserer Wohnzimmerlampe seien in die verblueffendste Schwingung geraten: relativ heftig sei die gewesen, so dass eine Kugel jeweils in das "Einzugsgebiet" einer anderen geschwungen sei, aber nicht synchron, sondern wild durcheinander - und trotzdem sind sie nicht zusammengestossen!

In jedem Fall bedeutet diese Nachricht des Tages aber, dass unser Urlaub keinesfalls stattfinden kann wie geplant. Denn da standen ja Namen wie Chengdu, das Panda-Schutzgebiet Wolong und Dujiangyan auf dem Plan. :-(( Dann muessen wir mal hoeren, was der Reiseveranstalter zu sagen hat. Und jetzt noch was Positives: Gut, dass das nicht passiert ist, als wir gerade da waren.

Freitag, 9. Mai 2008

Vor dem Abflug

Ich sehe hier gerade Rechner mit kostenlosem Internetzugang herumstehen und habe noch fast eine ganze Stunde Zeit, bis "mein Flug geht". Gute Gelegenheit, um ueber Abfluege und Abwicklung am Flughafen etc. zu philosophieren. Im Moment kuendigt sich - toi, toi, toi! - noch keine Verspaetung an, so dass ich hoffe, gegen Mitternacht zu Hause zu sein.

Hoffe auch, dass Ding Shifu am richtigen Terminal wartet ... da ich am Sonntag erstmals vom neu eroeffneten Terminal B geflogen bin, erwarte ich, dass ich auch in B ankomme. Da war (vielleicht ist) natuerlich alles noch neu und schoen und funktionierte auch alles richtig. Insbesondere auch die Laufbaender vom Maglev-Bahnhof zum Terminalgebaeude - die sind in Terminal A leider meistens ausser Betrieb. Hier in Asien werden wohl gerade ueberall neue Terminals eroeffnet (ausser Shanghai gibt es jetzt auch in Beijing und Singapur welche). Die Region boomt ... Und soweit ich das mitbekomme, funktioniert der Betrieb recht reibungslos.

Was in Hong Kong immer wieder gut ist, ist der City Check-in. In 5 Minuten ist man vom Buero zu Fuss am Airport Express, wird schon gleich sein Gepaeck los und kann dann unbeschwert in den Zug steigen und im Flughafen gleich bis zum Ausgang durchgehen. Anders als bei der Ankunft hat diesmal auch wieder die HKIA Frequent Visitor-Karte geholfen: null Schlange. Zwar war es insgesamt nicht sehr voll, aber trotzdem. Bei der Ankunft waere es hingegen wohl schlauer gewesen, sich in die relativ lange "normale" Schlange zu stellen - irgendwie waren die haeufigen Besucher erstens zu zahlreich und zweitens zu diskussionsfreudig, so dass ich am Ende ohnehin an einen der normalen Schalter verwiesen wurde. :-((

Dienstag, 6. Mai 2008

Sashimimania

Gestern Abend wollte ich eigentlich Sushi essen, habe aber den Wald vor lauter Baeumen nicht gefunden. Will sagen, hier gibt es "1000" Sushilaeden, aber ich bin bei einem Japaner gelandet, der sich auf Paniertes spezialisiert hatte. Wer will schon "breaded oysters", also in Brotkrumen gewaelzte und fritierte Austern?! Bei Austern bin ich (nach Probe) dogmatisch: die gehen nur roh aus der Schale. Alles andere ist schnulli-bulli. Und davon ganz abgesehen waren die Dim Sum, die es zu Mittag gab, doch relativ fettig gewesen - wer will dann noch mehr Fritiertes? Zum Glueck gab es auch Sashimi auf der Karte, Rohes aus dem Meer also: div. Sorten Fisch, dazu Tintenfisch, Shrimps, Jakobsmuscheln in diesem konkreten Fall. Als Vorspeise blanchierten Spinat mit Bonitoflocken und leichter Sojasauce - das nenn' ich Kontrastprogramm zu den auch leckeren, aber sicher mindestens 20mal ungesuenderen Dim Sum. Das hiesse woertlich "to touch the heart", das Herz beruehren, habe ich gelesen - vielleicht ist das ganz biologisch zu verstehen: das Herz mit erhoehten Blutfettwerten und folgender Arteriosklerose an-greifen, oder wie?! Egal - ich habe jedenfalls in Sashimi geschwelgt, bisher das einzige Mal, dass ich mich daran sattgegessen habe. Koestlich! Zum Teil auch nicht mager (z.B. Lachs), aber das ist dann ja das gute Fischfett …

Nach dem Essen gestern habe ich doch noch ein paar Sushietablissements gefunden - gerade recht fuer heute, dachte ich. Im ersten: Warteschlange im Eingangsbereich. Am zweiten: Warteschlange vor dem Haus. Und das um halb zehn Uhr abends! Aber im dritten Laden ("HIP Sushi", total hip also) gab's gleich einen Platz und Sushi nur à la carte. Wieder geschwelgt - leider gab's viel mehr interessante Sorten, als ich tatsaechlich bestellen konnte. Schade!

Schach! und andere Begebenheiten

Heute Abend komme ich um kurz vor neun aus dem Buero, igitt! Da regnet es! Es stehen zwar drei Taxis am Taxistand vor dem Gebaeude, aber auch eine Schlange von Wartenden. Bevor ich nassforsch (in diesem Fall vielleicht eher feuchtforsch?! ;-)) ) ein Taxi entere, erkundige ich mich doch lieber, ob dies die Taxischlange sei. Leider lautet die Antwort: ja. Kurz darauf trifft ein Herr im Hemd ein. Solange es nur ein bisschen regnet, soll er ruhig nass werden, aber als der Guss heftiger wird, biete ich ihm doch ein Stueck Schirm an. Nicht ganz uneigennuetzig, zugegeben, sind doch Schirm, Laptoptasche und Survival Kit alias Handtasche fuer meine wenigen Haende zuviel. Da mir zur Behebung dieses Problems die Option "Verwandlung in eine indische Gottheit" nicht zur Verfuegung steht, habe ich auf diese Weise einen gefunden, der mir den Schirm traegt unter Beachtung des n-ten Paragraphs des Koelschen Jrundjesetzes: do hatt dae ooch jet vun! Aber kaum erwaehne ich hier nur im Nachhinein im Blog das Wort Paragraph, haelt dieser Brite (wie man an der Aussprache unschwer erkennen kann) mich doch gleich fuer eine Anwaeltin. Das mir! Jedenfalls scheint es in Hong Kong aehnlich zu sein wie in Shanghai: wenn es regnet und man folglich ein Taxi am dringendsten braucht, gibt es keins. Jedenfalls nicht sehr rasch - ich warte etwa 25 Minuten, bevor ich an der Reihe bin. ***

Immer noch "managed" ein Mensch mit Sikh-Turban am Hotel Excelsior Ankunft und Abfahrt. Heute Morgen war die Taxischlange wieder einmal erschreckend lang, so dass ich bestimmt auch 20 Minuten gewartet habe - da hilft kein Turban und keine schicke rote Uniform mit kurzen Aermeln. ***

Gestern Abend auf der Fahrt vom Bahnhof zum Hotel Excelsior sah ich zwei Leute auf einer Beeteinfassungsmauer inmitten des Hongkonger Hochhausdschungels sitzen und etwas spielen, das im Vorbeifahren sehr nach Schach aussah. Einer war weiss gekleidet, einer schwarz.

Montag, 5. Mai 2008

Sonntag, 20. April 2008: Night Safari

Der Zoo schliesst um sechs, Night Safari oeffnet um 19:30 Uhr, beides liegt zwar nicht am Ende der Welt, aber doch nicht gerade mitten in der Stadt - super Geschaeftsmodell fuer das Ulu Ulu Safari-Restaurant ... da ist Selbstbedienung von verschiedenen Staenden mit verschiedenen Kuechen angesagt. Ich esse irgend so ein indisches Gemuesecurry. Das ist natuerlich kein Highlight, dafuer aber relativ teuer, kein Wunder bei dem Geschaeftsmodell. Egal. Schlecht ist es nicht, ich bin erst einmal gesaettigt, ohne mich voll zu fuehlen, und so ist die Wartezeit gut genutzt. Als es gegen sieben dunkel wird, stelle ich fest, dass man es mit der Oeffnungszeit nicht ganz genau nimmt - ab kurz nach sieben wird man schon eingelassen. Gut!

Ich will mir erst einmal alles in Ruhe zu Fuss ansehen. Dazu gibt es drei Entdeckerpfade, den Fishing Cat Trail, den Leopard Trail und Forest Giants Trail. Ehe man sich's versieht, geraet man auch schon gleich auf den Fishing Cat Trail, auf dem man zuerst Kleinkantschile beobachten kann. Irgendwie kann ich mir den englischen Namen dieser katzengrossen Minihirsche einfach besser merken: mousedeer heissen die. (Interessanterweise nicht catdeer, wo sie doch nun wirklich deutlich groesser sind als eine Maus ...) Ach ja, die waren auch im Zoo gleich zu Anfang zu sehen, in der Naehe der Gaviale ... hatte schon ueberlegt, ob die das Gavialfutter darstellen ... haps!

Dann kommen die namengebenden fischenden Katzen. Das eigentlich Beeindruckende sind die Pfade durch den vorsichtig erleuchteten naechtlichen Regenwald. Die Schilder sind sprechend - man kann sich auf Knopfdruck ein paar Kurzinformationen zu den Tieren in einer von vier Sprachen anhoeren. Wo man den Weg der Zoobahn ("Tram") kreuzt, stehen Aufpasser, die verhindern, dass man auf diesen Strassen entlanggeht. Die sind naemlich offenbar fuer Fussgaenger verboten. Nach einem Stueck Wegs an Wolf und Hyaene vorbei geraet man auf den Leopardenpfad. Da gibt's (ausser den namengebenden Katzen) drei Sorten Stachelschweine und einen Schweinsdachs, der sich genau so benimmt, wie der Name es erwarten laesst. Im ersten Moment habe ich mich wirklich gefragt, was das da wohl fuer ein kleines Schwein waere, das den Boden umgraebt ... wohl wie immer auf der Suche nach Leckerli. Den Koboldmaki finde ich nicht in seinem duesteren Gehege, aber dass eins seiner Augen mehr wiegt als sein Gehirn, hat mich ja doch beeindruckt. Damit kann er dann wohl besser sehen als denken?! Zumal er ja zwei Augen hat und nur ein Gehirn.

Ganz in der Naehe ist das meiner Meinung nach Beste der Night Safari: der Mangrove Walk, eine Voliere fuer freifliegende Fledermaeuse. Es stand extra an der Tuer, dass man besser nicht hineingeht, wenn man sich vor Fledermaeusen fuerchtet. Mein Hauptproblem war natuerlich, dass ich keine Muetze dabei hatte - pflegte doch meine Omi zu sagen, dass man eine Fledermaus nie wieder aus den Haaren bekommt, wenn sie einmal drin ist. Die koenne man dann nur noch herausschneiden, und ich habe doch keine Schere dabei ...!! Nun sind Fledermaeuse ja nicht selbstmoerderisch veranlagt und pflegen nicht mit Menschen zu kollidieren, also habe ich mich - wow! das nenn' ich mutig! - mit offenen Haaren hineingetraut! Hier gibt es die kleinen Fruchtfledermaeuse und vor allem die grossen, malaysischen Flugfuechse, die ebenfalls Fruchtfresser sind. Und natuerlich jede Menge leckeres Obst fuer die Flattertiere. Sie fliegen mir nicht in die Haare, aber doch so dicht an mir vorbei, dass ich die Luftbewegung spueren kann, die ihr Fluegelschlag verursacht.

Danach komme ich noch durch die Voliere des Riesenflughoernchens. Ich habe irgendwo etwas gesehen, was vielleicht ein kleines Pelztier mit Flughaeuten war, aber das hat sich sowas von nicht geruehrt ... Auf Giraffen und Zebras verzichte ich und mache mich auf den Rueckweg. Da soll man noch einmal an Babirusas und Bartschweinen vorbeikommen. Die Babirusas finde ich, sie sind allerdings nicht sehr aktiv. Aber wo sind die Bartschweine? Im schon erwaehnten Pig-ture this! steht ja, dass es eine richtige Rotte geben soll. Ich frage sogar extra einen der Aufpasser, um zu erfahren, dass sie in den West Loop umgezogen seien. Der sei aber nur per Tram zugaenglich. Was ist das denn fuer ein Mist! Dann muss ich wohl Tram fahren. Der Rueckweg fuehrt mich erst noch ueber den Forest Giants Trail. Dieser Baumriesenpfad samt sehr solider Haengebruecke ist tierlos - hm. Die Baumriesen kann man sich wohl besser am Tag ansehen, das finde ich nicht so gelungen.

Am Eingang kaufe ich eine Fahrkarte fuer die Tram und steige ein. Zwei Reihen hinter mir sitzen zwei Inder, die sich entweder miteinander oder per Mobtel mit Dritten lautstark unterhalten. Das nervt doch ziemlich ... Ansonsten ist es ja ganz nett, noch einmal die 3,2 km lange Rundfahrt in einer guten halben Stunde zu machen, aber auch hier gehe ich mit leichtem Frust. Man kann nie genug sehen! Fuer manche Tiere wird sogar angehalten, aber den 11 Exemplaren von Sus barbatus, die sich zumindest nicht versteckt halten, wird diese Ehre leider nicht zuteil. Buuuuhh! Und dabei habe ich, wenn ich mich recht erinnere, noch nie ein leibhaftiges Bartschwein gesehen. Zu gemein, wenn man dann nur einen Blick im Vorbeifahren darauf werfen kann.

Damit habe ich dann Rundgang und -fahrt beendet. Mit dem Taxi lasse ich mich zurueckfahren ins Hotel, wo ich gegen halb zwoelf etwas muede ins Bett falle. Ganz schoen viel gesehen an zwei Tagen - so viel, dass dafuer (nicht nur 3+2 wie angekuendigt, sondern sogar) sieben Blogartikel noetig sind! Und die hatte ich trotz grosser Tapferkeit nicht auf einen Streich fertig ...

Sonntag, 4. Mai 2008

Sonntag, 20. April 2008: Singapore Zoo

Der Taxifahrer hatte zwar behauptet, es waere ja sooo weit zum Zoo, aber richtig lange brauchen wir nicht. Unterwegs regnet es ein paar Tropfen, die zum Glueck gar nicht der Rede wert sind. Ich bin froh, dass es nicht regnet wie am Donnerstagmorgen: das war eher wie eine Sintflut. Ich hatte schon gedacht, das Taxi muesse sich jetzt gleich in ein Amphibienfahrzeug verwandeln. [Ich war da noch im Nachhinein mit meiner Entscheidung sehr zufrieden, einen Raum in einem Hotel zu buchen. In unseren Firmenraeumlichkeiten war naemlich alles belegt, und man hatte mir angeboten, ich koennte den rooftop genannten Dachgarten fuer meinen Workshop benutzen ...]

An der Zookasse kaufe ich mir ein Kombiticket (30 S$) fuer den Tag- und Nachtzoo ("Night Safari") und mache mich auf den Weg. Alles ist ueppig gruen - der Zoo liegt in einem Stueck Regenwald am Ufer des Seletar-Stausees. Waehrend das fuer Asien wohl nicht normal ist, finde ich es nicht so ungewoehnlich, dass die Tiere nicht hinter dicken Gittern inhaftiert sind, sondern in Gehegen, die durch weniger sichtbare Einrichtungen wie Graeben dafuer sorgen, dass Mensch und Tier sich nicht allzu nahe kommen. Als erstes entdecke ich einen Gavial und einen weissgesichtigen Saki-Affen, dann kommen die ueberall beliebten Kurzkrallenotter mit dem doch recht strengen Geruch. Alles na ja.

Im naechsten Gehege haben sich zwei schwarz-weisse malaiische Tapire in ein schattiges Eckchen gesuhlt und machen erst mal gar nichts. Die sind ja auch nachtaktiv. Gleich nebenan sind die angeblich ebenfalls nachtaktiven Hirscheber oder Babirusas (indonesisch babi - Schwein, rusa - Hirsch) tagaktiv: ein Eber waelzt sich mit offensichtlichem Vergnuegen auf dem Ruecken in seiner eher feucht-sandigen denn schlammigen Suhle. An den Baeumen am Rand des Geheges schwirren Kolibris (glaube ich jedenfalls). Die weissen Tiger ein paar Meter weiter sind eine grosse Attraktion fuer viele, ich gehe lieber rasch weiter zum Zwergflusspferd. Als "westafrikanische Unterwasserballerina" werden die Mini-Flussschlammschweine hier angepriesen. Und damit die Besucher auch genau dieses Bild mitnehmen koennen, ist das Becken so angelegt, dass direkt an der Scheibe ein schoener Gang ist, wo die Hippos entlanglaufen koennen. Und das tun sie auch: zum Schwimmen sind sie zu schwer, sie stossen sich ein bisschen mit den Hufen am Fluss- oder Beckengrund ab und schweben dann quasi leichtfuessig durchs Wasser. Ich fuehle mich an mich selbst im Schwimmbad erinnert, wenn ich nicht schwimme. ;-)) Bei den Ballerinas (der Begriff gilt hier gleichermassen fuer Maennchen und Weibchen) halte ich mich ziemlich lange auf, bevor ich entdecke, dass gleich nebenan ein Paar Wuestenwarzenschweine - sich faul in den Schatten gesuhlt hat, was sonst. Eins steht aber doch auf und geht ein paar Blaetter naschen.

Dann mache ich mich auf den Weg zu den grossen Ruesseltieren, den asiatischen Elefanten. Unterwegs komme ich am Outback vorbei, wo sich die giftigste Schlange der Welt (alle mal raten, welche das sein koennte - Loesung hier) in ihrem Terrarium vor sich hin langweilt. Und wenn sie sich nicht selbst langweilt, so doch wenigstens die Besucher. Die Kaengurus huepfen (ohne boing! zu rufen) ebenso lustlos vor sich hin. - Bei den Elefanten ist gerade showtime, sie fuehren Waldarbeiten und kleine Kunststueckchen vor und demonstrieren ihre Staerke und Geschicklichkeit. Als die Vorfuehrung zu Ende ist, faengt es an zu regnen, igitt! Ich muss wohl doch meinen Schirm auspacken. Bei den Orang Utans laeuft ein Grashaufen im Gehege herum: darunter befindet sich natuerlich ein offenbar wasserscheuer Affe. Er hat, wohl in Ermangelung eines Schirms, einen kreativen workaround gefunden. Als der Regen nachlaesst, wird der Haufen abgeworfen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass immer noch Wasser vom Himmel faellt, versucht er es jetzt mit einem Stueck Sack (ohne Asche).

Danach will ich die Komodo-Warane besuchen, tu' mich aber erst ein bisschen schwer, das Gehege zu finden. Als ich es endlich gefunden habe, ist die Enttaeuschung gross: ich kann nur eine Schwanzspitze hinter einem Busch in einer entfernten Gehegeecke ausmachen. Schaaade! Nun gut, ich sehe mir kurz den Reptiliengarten in der Naehe an und die Stachelschweine und will wenigstens noch rasch zu den Seekuehen, den Manatis. Ich irre schon wieder ein bisschen herum - es ist nicht alles ganz so einfach zu finden. Leider wohnen die Manatis bei den Seeloewen, und die hatten gerade showtime. Da herrscht entsprechend grosses Gedraenge, insbesondere, weil man sich nachher von einem Seeloewen kuessen und sich dabei fotografieren lassen kann. Und auf den Beckenpfosten sind malerisch Pelikane postiert, die mit einer boese aussehenden "Kralle" an der Schnabelspitze nach allem hacken, was zu nah kommt - so seh' ich die Seekuh nur ein- oder zweimal entfernt vorbeischweb-schwimmen. Das war also auch keine richtig gute Idee, und jetzt habe ich fuer das "Fragile Forest" genannte Regenwaldhaus und, viel schlimmer, fuer die Nasenaffen keine Zeit mehr, denn der Zoo wird gleich schliessen! [Weiss eigentlich irgendwer, warum ich bei Nasenaffen immer an pneumatische Plastologie denken muss??!] Insofern gehe ich mit leichtem Frust. Im Zooladen gibt es nicht mal ein Plueschbabirusa oder sonst eine gute Schweinerei als Mitbringsel, das lindert den Frust auch nicht gerade. Immerhin steht vor dem Zoo ein Bronzewildschwein. Und auf der Website gibt's Pig-ture this!

Samstag, 3. Mai 2008

Sonntag, 20. April 2008: China in Little India

Heute ist das Aufstehen ein bisschen schwieriger, aber ich schaffe es trotzdem, immer noch halbwegs puenktlich am Fruehstuecksbuffet zu erscheinen. Diesmal entscheide ich mich, draussen zu sitzen - aber das ist ein wenig tueckisch. Als ich meinem Tischchen gerade den Ruecken kehre, um mir noch etwas zu holen, sind diese schwarzen Starenvoegel schon gleich da. Ich habe zwar keine Lebensmittel mehr auf dem Tisch, und die Teetasse habe ich schon vorsichtshalber mit dem Reisefuehrer zugedeckt, aber trotzdem ... Ich gehe zurueck und schlage erst einmal mein Besteck in die Serviette ein, daraufhin finden sie es nicht mehr attraktiv. Als ich wieder zurueck bin, sehe ich an einem anderen Tisch eine freche Dohle. Am Ende fliegt sie mit einer gestohlenen Waffel davon. Die Tischbenutzerin ist leicht entsetzt, als sie bemerkt, was los ist, und beschliesst, die Sachen zu verwerfen, die noch auf ihrem Teller liegen, und doch lieber drinnen zu essen. Der Service raeumt gleich leicht betreten ab. - Schliesslich komme ich erst um 11:30 Uhr los, weil ich vorher noch ein wenig auf dem Bett weggeschlummert bin ...

Ich entscheide mich doch fuers Taxi statt fuer die U-Bahn und lasse mich wieder nach Little India bringen, zum Sakyamuni Buddha Gaya-Tempel. Das sagt dem Taxifahrer erst einmal nichts, aber ich habe ja einen Stadtplan. Der Tempel steht einfach so in einer ganz normalen Haeuserzeile. Es ist auch im Prinzip nur ein grosser Raum. Keine verschiedenen Hallen, Hoefe, Gaenge wie sonst oft. Ich bin wieder ratlos - welche Richtung des Buddhismus ist jetzt das? Die Halle wird von einem riesenhaften, im Lotussitz sitzenden Buddha dominiert. Riesenhaft heisst in diesem Fall 15 Meter hoch und 300 Tonnen schwer. (300 Tonnen - das kann ich gar nicht glauben. Ob's nicht doch eher 30 sind?) Seine "Haut" ist weiss, er ist in ein gelbes "Tuch" gehuellt, das ganz ordentliche Falten wirft, das Haar ist schwarz, die Lippen sind sehr rot, die Finger der rechten Hand bis zum zweiten Fingergelenk hinauf vergoldet. Der rechte Ellbogen ruht auf einem bunten "Kissen". Ihn umgibt eine Art von spitzbogigem Heiligenschein, der im Licht von 1000 (genau gesagt 989, habe ich irgendwo gelesen) Gluehlampen erstrahlt, wenn ein Glaeubiger dafuer bezahlt. Daher wird dieser Tempel auch "Tempel der 1000 Lichter" genannt.

In einer Ecke sitzt ein Ganesha. Das ist ja nun einer von den Hindu-Goettern, aber er sei extra auf Wunsch von chinesischen Glaeubigen (und auf deren Kosten) hier aufgestellt worden. Ja dann. Ausserdem umfasst die Ausstattung ein Stueck Bodhi-Baum (wir erinnern uns: Ficus religiosa), angeblich von just dem Exemplar, unter dem Buddha erleuchtet wurde, sowie eine mit reichlich Perlmutt eingelegte Replik des heiligen Fussabdrucks von Buddha auf einem Berg auf Sri Lanka. Die kleinen schwarzen Buddhafiguren gegenueber sind mit sieben Zetteln beschriftet, die jeweils einen Wochentag bezeichnen und eine von Buddhas Haltungen erlaeutern. Waehrend ich versuche, die Zettel den Figuren zuzuordnen, stelle ich fest, dass es kurioserweise acht Buddhafiguren sind. Ob da jemand den Schalk im Nacken hatte?!

Unter dem grossen Buddha (also unter 300 Tonnen Beton? bedrueckender Gedanke!) befindet sich eine Art Krypta, ein Allerheiligstes, in dem daher auch Fotografieren sowie das Beruehren der Figueren mit den Pfoten verboten sind. Die Hauptfigur ist ein toter Buddha, wie ich an den fein saeuberlich aufeinander gelegten Fuessen erkenne. - Um in die Krypta einzutreten, muss man sich ganz klein machen: der Eingang ist extrem niedrig. Beim Herauskommen entdecke ich gegenueber von diesem niedrigen Durchgang ein Paar betende Haende "auf asiatisch" und zwei Fliesenfelder mit Fotofliesen von irgendwelchen vermutlich chinesischen Landschaften (die alte Heimat?), eingerahmt von Kuechenfliesen, die Pilze und Gemuese zeigen - sehr seltsam. Den Sockel, auf dem der grosse Buddha sitzt, ziert ein Diorama mit den einschlaegigen Szenen aus Buddhas Leben. Die Figuren sehen aus wie auf Hindutempeln (tatsaechlich steht "indischer Stil" in den Erlaeuterungen fuer die Touris) und werden durch von Staub und Schmutz schon ganz stumpf gewordene Glasscheiben vor dem Verstauben und Verschmutzen geschuetzt.

Neben dem Tempel gibt es einen schmalen Streifen "Hof", bevor das Nachbargrundstueck beginnt. Dort stehen Wasserbecken mit Seerosen, neben der Strassenfront ueberdimensionale (Beton-)Tiger im Sprung und, das Wichtigste, ein Ofen, in dem man Papierdinge fuer die Toten verbrennen kann. Nebenan steht nicht direkt ein "normales" Wohnhaus, sondern vermutlich ein "Geisterwohnhaus" oder jedenfalls ein chinesischer Ahnentempel.

Auf der anderen Strassenseite schraeg gegenueber befindet sich der fein ziselierte chinesische Drachenbergtempel. Hier heisst der nicht Long Shan Si (so spraeche es sich in Mandarin), sondern Leong San Si. Tempelimpressionen: Reichlich geschmueckte Daecher aussen, innen allerlei, darunter eine barmherzige Tie Guan Yin, ein dicker goldener lachender Buddha, ein grosses messingnes (?) Raeucherstaebchenbecken mit Loewenkoepfen samt gefaehrlich aussehenden Glasmurmelaugen, eine Art Paillettendrache in Halbrelief und ein weisser Papagei mit gelbem Kamm. Im hinteren Teil sind auch grosse Ahnenverehrungsaltaere in Betrieb, davor stehen Kantinentische fuer die Toten und fuer die Lebenden.

Als ich alles inspiziert und mich sattgesehen habe, gehe ich durch eine Querstrasse und bin wieder auf der belebten Serangoon Road, wo ich binnen einer Minute ein Taxi geangelt habe. Es ist jetzt kurz vor ein Uhr mittags. Please take me to the zoo!