Heute Morgen haben wir eine noch etwas laengere Fahrt vor uns als nach Kbal Spean gestern. Es soll zum Lotosteichtempel Beng Mealea gehen. Ich bin schon gespannt, steht doch in unserem Reisefuehrer "Wer einen Eindruck bekommen moechte, wie Henri Mouhot die Tempel von Angkor vorfand, der sollte Beng Mealea besuchen. Bereits die Anfahrt ist beschwerlich, nur in der Trockenzeit ist der Ort ueber Banteay Srei oder Siem Reap (von beiden etwa 60 km oestlich) aus zu erreichen. Da der Tempel voellig in Ruinen liegt, ist eine Besichtigung nur Klettergeuebten angeraten. Erst 1999 wurde er von Minen gesaeubert, da auch dieses Gebiet unter der Kontrolle der Khmer Rouge stand." Ja dann! Die Strasse war nicht schlechter als die anderen, scheint mir, ausserdem muss man auf einem Stueck Maut bezahlen. Sam erklaert, hier habe eine private Gesellschaft ein Stueck der Strasse uebernommen und ausgebaut. Wir kommen vor einem langen Weg mit Naga-Balustraden an und werden von grossen Tafeln rechts und links beruhigt, dass das entsprechende Minenfeld in der Zeit von Juni bis September 2007 (!) mit deutscher Hilfe geraeumt worden sei. Das war wohl die direkte Umgebung des Tempels. Die Tempelstrukturen sehen dann auch wirklich ziemlich ruiniert aus, obwohl auch noch viele Waende stehen. Die meisten ehemals freien Plaetze sind aber mit Truemmerhaufen gefuellt. Bretterstege (ohne Gelaender, versteht sich) fuehren durch den Tempel. Mir faellt ein Stein vom Herzen - schliesslich bin ich keine Bergziege und zaehle mich auch nicht zu den Klettergeuebten. Allerdings habe ich den Stein etwas voreilig fallen lassen. Es faengt mit dieser Art von Leiter an. Solide ist sie ja wohl, aber sie hat nur wenige, weit auseinanderstehende Sprossen (einfache Kanthoelzer, nicht sehr gut zum Drauftreten und Halt Finden), und man sieht durch sie etwa 2-3 m nach unten, auf einen Truemmerhaufen mit spitzen Quaderecken und -kanten … brrr! Interessanterweise ist das der offizielle Weg, wobei die Leiter den Beginn einer doch etwas unwegsamen Strecke markiert. Wir haben mittlerweile noch einen ortskundigen Waerter der Apsara Authority (in der khakifarbenen Uniform mit den stilisierten Apsaras auf dem Aermel) an der Seite. Zur Uniform traegt der auch nicht gerade ganz junge Herr Flip-Flops, in denen er leichtfuessig ueber die Truemmer klettert. Eine Bergziege, ganz offensichtlich! (Heisst eigentlich eine maennliche Bergziege Bergbock?) Und mir kann er dann immer noch eine hilfreiche Hand hinstrecken, ueber Stock und Stein. Die Stoecke = Baeume benehmen sich hier auch ganz ungewoehnlich. Zum Teil umschnueren sie Quader mit ihren Wurzeln wie Paketband, inklusive verwachsener Kreuzungen. Einer ist ganz verrueckt: steht oben auf einer Mauer, hat in weitem Bogen einen "Strebepfeiler in Leichtbauweise" (ein durchbrochenes Gewusel aus Wurzeln) zum Abstuetzen auf den Boden gesetzt und balanciert mit zwei meterlang parallel zur Mauerkrone in ca. 1 m Hoehe waagerecht ausgestreckten Aesten. Die Mauern sind vielleicht gar nicht immer Mauern, sondern schmale Galerien. Wir kommen durch zwei oder drei, und obwohl sie aus Steinquadern aufgeschichtet sind (manchmal kann man sogar durch ganz schmale Spalten nach draussen schauen), wirken die Waende wie Beton, glatt und grau. Sehr ungewoehnlich. Es gibt auch so etwas wie Bruecken oder Plattformen, die auf halbhohen Pfeilern stehen - sieht aus wie die Heizung in roemischen Thermen (Hypocaustum, oder wie heisst das noch gleich?), aber ich glaube nicht, dass hier irgendwann geheizt wurde. Am Ende sehen wir noch gut erhaltene Nagas, darunter eine im Thai-Stil, bevor wir uns auf den Rueckweg machen. Auf dem Weg liegen jetzt ein paar harmlose "Tretminen" - ein paar Meter weiter grasen die braunen und weissen Minenleger vor sich hin. Raeumkommandos sind nicht in Sicht, nur die Sonne kuemmert sich ums Austrocknen.
Gegenueber dem Eingang essen wir in einem dieser "Restaurants" zu Mittag - dies ist aber wirklich nicht gerade sauber. Hunde und Huehner rennen darin herum, allerhand "Klopapierservietten" liegen auf dem Boden. Aber wir haben es offensichtlich unbeschadet ueberlebt.
Fuer den Nachmittag steht die sogenannte Roluos-Gruppe auf dem Programm. Wir beginnen mit Lolei: vier Ziegeltuerme in mehr oder weniger schlechtem Zustand mit einigen (Waechter-)Figuren in den Waenden rechts und links der Ecken sowie gut erhaltenen Inschriften in den Tuerfuellungen. In Sanskrit. Drumherum liegt ein "modernes" buddhistisches Kloster. Dessen Toiletten, zu denen uns geraten wurde, weil die anderen "vielleicht nicht ganz gut" waeren, waren allerdings auch nicht soooo modern. Vor den drei Tueren steht ein Eimer mit Wasser und einer Schoepfkelle - das ist die Wasserspuelung, die man sich dann mitnehmen muss …
Das Besondere hier in Lolei ist fuer mich die spezielle Stimmung, die aufkommt, weil ein paar graue Wolken aufgezogen sind. Dazu ein pinkfarbenes (Un-)Kraut, das sich auf dem Ziegeltruemmerhaufen vom Wind zausen laesst, und der weite leere Platz zwischen den alten Tuermen und den neuen Stelzengebaeuden des Klosters - und eine leichte Melancholie ist perfekt in Szene gesetzt. Von Inselstimmung ist aber nichts zu spueren, dabei liegt Lolei inmitten eines jetzt meist trockenen Baray. (So heissen die grossen Wasserreservoirs, die die Herrscher des Angkor-Reichs zur Wasserversorgung ihrer Staedte haben anlegen lassen - uebrigens "oberirdisch" mit Daemmen, statt sie auszuheben: so gab es ein wenig Wasserdruck fuer die Leitungen ohne spezielle Wassertuerme.)
Der naechste Tempel der Roluos-Gruppe, die um 900 errichtet wurde (also deutlich vor Angkor Wat und Angkor Thom, die groesstenteils aus dem 11./12. Jahrhundert stammen) wird jetzt Preah Ko genannt, Ko wie Kuh (Bulle wohl eigentlich, aber das ist mnemotechnisch unguenstiger) nach den drei Nandis, die vor den Backsteintuermen Wache halten. Nandi ist der Bulle, auf dem Shiva zu reiten pflegt. Es sind auch tatsaechlich nicht drei, sondern sechs Tuerme: in der vorderen Reihe drei fuer drei maennliche Vorfahren des Tempelstifters, dahinter die Tuerme fuer die zugehoerigen Damen. An einigen Stellen kann man noch nennenswerte Stuecke der urspruenglichen Stuckhuelle sehen - das Dekor wuerde ich einfach barock nennen. Nur dass statt der Putten asiatisch aussehendes Personal die ueppigen Dekore bevoelkert. Ein anderes erhaltenes Gebaeude ist das Krematorium - die Khmer aeschern ihre Toten damals wie heute ein und bestatten die Asche.
Als letzter Tempel der Gruppe bleibt noch der Bakhong. Das ist ein echter Pyramidentempel mit 5 Terrassen und einem zentralen Tuermchen in der Mitte. An den Terrassenecken wachen mittlerweile abgewrackte Elefanten, ohne Ruessel und Ohren. Ich pflege mein spirituelles Wohlbefinden und steige in Spiralen wieder hinunter, im Gegenuhrzeigersinn jeweils eineinviertel "Umdrehungen" auf jeder Terrasse. So kann ich die Umgebung des Tempels aus allen moeglichen Perspektiven sehen. In Bakhong gibt es auch ein modernes Kloster, was vermutlich der Grund dafuer ist, dass auf dem Hauptzugangsweg Bougainvilleas wachsen und natuerlich schoene Farbtupfer setzen. Ebenso schoene, nur fluechtigere Farbtupfer setzen die Moenche in ihren safrangelben Gewaendern. Ich vermute mittlerweile, dass das gar keine richtigen Gewaender sind, sondern eher einfach riesengrosse Tuecher, die offenbar in einer bestimmten Weise um den Koerper geschlungen werden. Wie oft habe ich hier schon gesehen, wie die Traeger dieser Tuecher von innen "herumzuppeln", um offensichtlich irgendwelche Partien wieder straff zu ziehen!
Danach fahren wir zurueck zum Hotel. Das Abendessen nehmen wir auf Sams Empfehlung im Chao Praya-Restaurant ein. Ein pompoeser Eingangsbereich, ein sehr bemuehter Service, der vor allem sehr bemueht wirkt, ein sehr grosser, sehr leerer Speisesaal und ein kambodschanisches Probieressen (Degustationsmenu klaenge irgendwie zu hochtrabend). Das Essen war nicht schlecht, aber kein bisschen hochtrabend. Mit 12 US$ nicht gerade eine Investition, aber fuer hiesige Verhaeltnisse auch nicht gerade billig. Die Vorspeise war Salat von gruener Mango mit getrocknetem Fisch, so dass wir beschlossen, nachher noch aus medizinischen Gruenden in der Hotelbar etwas Hochprozentiges zu uns zu nehmen. Ich habe hierfuer eine Ausnahme von meiner Regel gemacht. Jedenfalls ist uns so alles gut bekommen.
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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