Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Mittwoch, 8. April 2009

Samstag, 3. Januar 2009: Ueber Baoshan zurueck nach Dali

Wir muessen recht frueh aufstehen, denn die Abfahrt ist fuer 8:30 Uhr geplant - angeblich haben wir acht Stunden Fahrt vor uns. Das Fruehstueck hier besteht zwar aus einem relativ grossen Buffet, ist aber trotzdem etwas "truebsinnig". Congee und gebratene Nudeln und Pickles und solche Sachen, zwar essbar, aber nicht gerade das, was ich mir unter einem schoenen Fruehstueck vorstelle. Am besten sind die Bananen, die sehr aromatisch sind, obwohl sie noch gruenlich aussehen, und (ueberraschenderweise) der Milchkaffee.

Nach dem Fruehstueck machen wir uns abfahrbereit, und als wir in die Lobby kommen, ist unser Nicht-Fuehrer wider Erwarten doch da, um uns beim Auschecken zu helfen. Eigentlich hatte er sich am Vortag bereits verabschiedet und gemeint, dass wir mit Mu Shifu schon allein klarkommen koennten. Und da war ich auch ganz seiner Meinung.

Kleine Anekdote am Rande: Seine erste Frage, ueberhaupt seine erste Aeusserung nach einem Guten-Morgen-Gruss war das unvermeidliche "Did you have breakfast?" Mittlerweile wuerde ich mindestens 50 RMB darauf verwetten, dass jeder Reisefuehrer als erstes pruefen muss, ob man wohl gefruehstueckt habe, schmunzel. - Und dann ist der kleine Kettenraucher mit der langen Buerstenfrisur verschwunden (so einer war das naemlich), unser Gepaeck ist verstaut und es geht los. Keine leichte Aufgabe fuer Mu Shifu, denn der beruehmte "Dichter-Nebel" (Gruss aus Kalau) hat sich auf dem Land ausgebreitet; die Sicht betraegt zum Teil nur ca. 50 Meter, und das bei dem ohnehin chaotischen Verkehr, wo alle ueberholen, wann es ihnen in den Sinn kommt. Egal, wenn Gegenverkehr kommt, kann man sich ja irgendwie gegenseitig Platz machen ... Mu Shifu faehrt mit Warnblinklicht, das scheinen hier manche als Ersatz fuer Nebelscheinwerfer zu benutzen - die die Autos womoeglich gar nicht haben.

So arbeiten wir uns wieder nach Norden, Richtung Dali, und koennen ab dem spaeten Vormittag feststellen, dass das wahrscheinlich nur der ganz gewoehnliche Morgendunst war, die Feuchtigkeit eben, die dafuer sorgt, dass hier Regenwald gedeihen kann. Die Sonne hat ein Weilchen gebraucht, um dieses sichtbare Wasser in unsichtbares zu verwandeln: jetzt ist jedenfalls schoenstes, sonnig-warmes Wetter. Um die Mittagszeit erreichen wir Baoshan. Mu Shifu sucht ein Restaurant mit Garagenflair aus - das kommt vor allem von den grossen Rolltoren an der Strassenfront, die jetzt alle einladend offen stehen. Die gar nicht so warme Luft wird so zwar gleich mit eingeladen, aber wir sind ja schon daran gewoehnt, dass man zu den Mahlzeiten die Daunenjacke oft besser anbehaelt. Und sooo kalt ist es hier auch gar nicht.

Garagenflair hin oder her, immerhin sind die Waende ordentlich weiss gestrichen und wirken so ein bisschen einladender als das "Restaurant" gestern in Wanding. Damit es nicht zu foermlich wird, hat man aber die Zusammenfassung der Speisekarte an die schoene weisse Wand gesprueht (jawohl! als Graffiti!): Es gibt Ah Bo's Burmese Cuisine. Im Detail sind das fuer uns gebratene Haehnchenkeulen und angebratene Dumplings mit lecker angerichtetem Essig mit Ingwer, Chili und Fruehlingszwiebel, gar nicht uebel. Und das Huehn- oder Haehnchen hat sogar Fleisch, nicht bloss Knochen "zum Geniessen"!

Solcherart gestaerkt schicken wir uns an, den Taibaoshan-Park oben auf dem Berg zu besuchen. Mu Shifu muss erstmal den Weg finden, aber mit Nachfragen und nur ganz wenig Versuch und Irrtum klappt das bald. Wir fahren dabei an einem kleinen Teich mit Mini-Park drumherum vorbei und an einer Pagode, aber das sei alles nicht das, was wir suchen. Schliesslich halten wir vor einem alten daoistischen Tempel, der jetzt offenbar gar nicht mehr benutzt wird, sondern das Reich eines "Gruendaeumlings" geworden ist. Die Innenhoefe der Tempelanlage stehen voll mit Toepfen und Kuebeln, und die Spezialitaet des Gaertners scheinen bizarr gebogene Pflanzenstaemmchen zu sein. Auch spektakulaer: die Bonsai-Magnolie. Das ist ein knorriger Ast in einem Blumentopf normaler Groesse, der eine ebenfalls normal grosse Magnolienbluete traegt (und mehrere Knospen). Die wirkt in diesem kleinen Topf richtig riesig!

Hinter der (geschlossenen) Tempelhalle warten reihenweise weitere Topfpflanzen auf den Fruehling, umringt von diesen stelentragenden "Schildkroeten", die keine sind. Vielmehr handelt es sich um bixi, eins der neun Kinder des Drachen. Das war in mythischer Vorzeit so stark, dass es Berge versetzen konnte, so dass ein Held es gezaehmt hat und ihm sozusagen als "Klotz am Bein" eine riesige "Stele auf dem Ruecken" verpasst hat, damit es ja keinen Unsinn machen sollte.

Dann spazieren wir weiter oben auf dem Berg herum. Hier befindet sich so eine Art Ausflugspark, mit Pavillons, ein paar Spielgeraeten, einem alten russischen Flugzeugwrack - irgendwie hat es keine besondere Atmosphaere. Dann entdecken wir den Wegweiser zum Jadebuddhatempel. Der zeigt bergab, so dass wir erst einige zig Stufen heruntersteigen, dann noch zig und noch zig - am Ende sind es 610! Wir hadern mit der Reiseplanung, wahrscheinlich waere es viel einfacher gewesen, diesen Tempel von unten anzustreben.

Der Tempel selber ist nicht sehr gross, dafuer ist da ein aelterer Herr, der uns eindringlich empfiehlt, noch die Minipagode gleich oberhalb des Tempels aufzusuchen, was wir auch tun. In den Nischen der Pagode sitzen Buddhas (was auch sonst?), und von hier aus hat man einen Blick ueber die Daecher der Stadt Baoshan (von der Terrasse des Tempels aus aber auch, dafuer haette man nicht extra zu der Pagode gehen muessen).

Direkt oberhalb des kleinen Jadebuddhatempels befindet sich ein grosser daoistischer Tempel, der Jadekaiserpavillon. Der hat eine recht grosse und sehr praechtig ausgestattete Haupthalle, vor der allerhand Leute herumlungern. Ich mache ein paar Fotos, unter anderem von kontrastreich und hochglaenzend rot und schwarz lackierten Acht Trigrammen, und hoere, wie aeltere Frauen und Kinder ueberlegen, was fuer Landsleute wir wohl waeren. Im Vorbeigehen raune ich ihnen ein "wo shi deguoren", ich bin Deutsche, zu - oha! aufgefallen! Da sind sie ueberrascht, was mir natuerlich grossen Spass macht.

Dann ist es schon Zeit, wieder zum Auto zurueckzukehren, weil wir mit Mu Shifu etwa eine Stunde Besichtigung ausgemacht hatten. Aber da muessen wir jetzt erst die 610 Stufen wieder hinauf, aechz! Aber dann koennen wir ja erstmal wieder ausruhen. Das Stueck von Baoshan nach Dali besteht aus recht brauchbarer Autobahn, so dass wir auch gut vorankommen. Aber die Rechtsfahrdisziplin ...! Hae? Was?? wuerden die Chinesen wohl fragen.

Als wir wieder in Dali ankommen, ist es tatsaechlich schon fast 18 Uhr, aber dafuer geht diesmal wenigstens der Check-in schneller als beim ersten Mal. Mr Peng ist auch schon wieder da, um uns in Empfang zu nehmen, und weiss zu berichten, dass es die letzten zwei Tage ueber geregnet habe. Und morgen bekaeme er wieder eine deutsche Reisegruppe. Vor allem freut er sich aber ueber das ElVital-Shampoo. Das ist also des Raetsels Loesung: er hatte Mu Shifu beauftragt, ihm aus dem China Duty Free einige Flaschen fuer seine Frau mitzubringen. Die braucht naemlich jedes Jahr drei, und in Dali bekommt man die nicht. Sie meint naemlich, dass das fuer ihr Haar besser sei als das gewoehnliche chinesische Shampoo. (Da sieht man mal, was fuer ein privilegiertes Leben wir in Shanghai haben: da kann man in vielen Geschaeften reihenweise ElVital- und andere "westliche" Kosmetikprodukte kaufen.)

Nach dem Einchecken machen wir uns noch einmal auf den Weg in die Altstadt. Wir entdecken jetzt noch mehr Langnasengeschaefte und Cafés, eins neben dem anderen! Koennten die nicht ein oder zwei Etablissements nach Ruili abgeben? Ich bin ziemlich ueberrascht, wie sehr Dali auf westliche Touristen eingerichtet ist. Die ganze Machart laesst die Zielgruppe deutlich erkennen, so macht man das nicht fuer Chinesen. Ob denn hier sooo viele hinkommen? Schliesslich ist das mit weniger als einer Million Einwohnern bloss ein Dorf in einer abgelegenen Ecke von Chinas Suedwesten ...

Wir essen heute noch einmal im Tibetan Café, zu unserem Bedauern ist aber der Kamin heute nicht an. Dafuer streichen ein paar alte Bai-Frauen durchs Lokal und bieten uns was zu rauchen an - das duerfte wohl kein gewoehnlicher Tabak gewesen sein. Wir verzichten doch lieber und fahren bald darauf mit dem Shuttle-Bus des Hotels zurueck und gehen beizeiten zu Bett - morgen frueh fliegen wir zu frueher Stunde ab.

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