Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Dienstag, 7. April 2009

Freitag, 2. Januar 2009: Viele Baeume, ein Baum, kein Baum

Unser Programm heute beginnt mit dem Stueck tropischen Regenwalds, das in Moli, unweit von Ruili, fuer Besucher hergerichtet ist. Natuerlich nicht allzu naturbelassen, wir sind in China! Aber immerhin, China hat sogar tropischen Regenwald, wuerde man ja gar nicht denken - und es ist auch nur besonderen geographischen und klimatischen Bedingungen zu verdanken, denn eigentlich ist selbst der Sueden von China zu weit noerdlich gelegen fuer Regenwald. Ein echtes Wunder der Natur!

Der Weg fuehrt in ein ansteigendes Tal hinein, oder sollte ich "in einer Falte des Berges bergauf" sagen? Wie sich das gehoert, fliesst auf dem Talgrund ein Fluesschen. Jetzt am Morgen sind die Berge dunstverhangen - auch wie sich das gehoert, schliesslich ist hier Regenwald, da braucht es reichlich Feuchtigkeit.

In den vorderen Bereichen des Regenwaldparks ist die Anlage definitiv mehr Garten als Wald, es gibt ein paar Tempelgebaeude und Wasserbecken und Rasenflaechen und Blumenbeete. Einer der Tempel beherbergt einen von Buddhas zahlreichen Fussabdruecken. In den Beeten faellt uns besonders eine Orchidee (?) mit fast schwarzen Blueten auf, die ausser den "normalen" Bluetenblaettern sehr lange fadenfoermige hat. Unser Nicht-Fuehrer behauptet, die hiesse schwarzer Schmetterling. Ob man das glauben kann? Jedenfalls fuehrt ein befestigter Weg immer weiter tal- bzw. bergaufwaerts, wobei wir ueber sieben Bruecken gehen muessen. Oder so. Je weiter man in den Wald kommt, desto mehr ist es Wald und nicht Garten. Wir finden ueberall ca. 280.000 Dinge zu gucken, und unser Fuehrer kriegt schon so langsam die Krise mit uns, glaube ich, so nach dem Motto "Was gibt's da denn jetzt wieder zu sehen??! Da ist doch nun wirklich nichts!!?" Er geht dann schon mal vor ...

Am Ende des Tals und am Ziel des Spaziergangs gibt es zwei Wasserfaelle. Der erste ist relativ klein und duenn, wenn auch hoch, und sehr "chinisiert": im Becken unterhalb spielen zwei Drachen, und gegenueber sitzt einer von den dicken lachenden Buddhas. Das Beste ist aber ein leibhaftiges Stabinsekt, das auf einem Blatt sitzt. Na sowas, in freier Wildbahn entdeckt! Wusst' ich's doch, dass es hier was zu sehen gibt! - Der andere Wasserfall ist gross, breit, laut und vor allem ein starker Spruehwasserverbreiter: hier ist es extrem nass, und dementsprechend waechst hier alles, was reichlich Wasser vertragen kann. Da ich nicht dazu gehoere, halte ich mich nicht allzu lange auf und stapfe mit zugeschnuerter Kapuze vorbei.

Selbst auf dem Rueckweg sind wir immer auf der Ausschau nach neuen Wundern. Es gibt kleine Zwitschervoegelchen und am Ende ein Tier, das vermutlich die deutsche Nationalwanze ist: sie ist wirklich schwarz-rot-gelb. Als ich die auf dem Weg entdecke, sind wir schon fast wieder im Gartenbereich, und o Wunder! der Dunst ist weg, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Urlaubswetter, wie es im Buche steht. Der Bambus, vermutlich Phyllostachus aureosulcata, mit den gelb-gruen gestreiften Halmen, den ich Barcode-Bambus getauft habe (so sehen die Streifen naemlich aus, finde ich, auch wenn dieses Bild das nicht sooo gut zeigt), leuchtet richtig!

Damit ist dann dieser Programmpunkt "abgehakt"; allerdings suche ich vorher noch die keramische Abteilung auf, die hier auch sehr sehenswert ist. Eine lange Reihe halbhoher gefliester Zwischenwaende, so lang wie die Toilettenschuessel selbst, muss reichen. Mehr Privatsphaere gibt es nicht. Gut, dass gerade keine Busladung von Besucherinnen angekommen ist, so habe ich die ganze Reihe fuer mich allein.

Dann fahren wir nach Wanding, da soll es die "Freundschaftsbruecke" geben. Gibt es auch, die fuehrt ueber einen Grenzfluss und ist nun wirklich ueberhaupt nicht sehenswert. Im Moment ist es zu allem Ueberfluss auch noch eine Baustelle, jedenfalls die alte Bruecke - gleich daneben ist eine neue, die jetzt einen weiteren Grenzuebergang nach Myanmar bildet. Irgendwann im zweiten Weltkrieg sind irgendwelche Amerikaner ueber diese Bruecke gefahren. Selbst unser Nicht-Fuehrer weiss keine tollen Geschichten darueber zu erzaehlen. Am aufregendsten ist wohl, dass man hier auch nicht einfach hingehen kann, sondern erst wieder von irgendeinem Grenzschutzbeamten einen Ausweis umgehaengt bekommt. Mu Shifu besucht auch hier den Laden fuer Zollfreies, um weitere Flaschen ElVital-Shampoo zu kaufen - sehr mysterioes.

Danach ist es Zeit fuers Mittagessen, man macht ein "Restaurant" ausfindig, in dem wir Bambussprossen, Rindfleisch und so ein farnartiges Gruenzeug essen, das wir zuvor nach altbewaehrter Methode in der Kueche ausgesucht haben. Eine Speisekarte gibt es naemlich nicht. Frueher haette ich auch nie gedacht, dass das Vorhandensein einer Speisekarte ein besonderes Servicemerkmal sein koennte. Manchmal vermisse ich die kulinarischen Hoehepunkte unserer frueheren Frankreich-Reisen dann doch - nicht, dass es mir schlecht schmeckt, aber es ist einfach nichts Besonderes. Wir haben von Wanding immer noch nicht genug gesehen, unser Programm weist "Wanding Market" aus. Es faengt schon damit an, dass keiner weiss, worauf der Markt von Wanding spezialisiert bzw. wofuer er beruehmt ist. Wahrscheinlich ist er gar nicht beruehmt - an einer Ecke der Strasse, an der auch das sogenannte Restaurant liegt, laesst unser Fuehrer Mu Shifu anhalten: das hier sei der Markt von Wanding. Wie? Was?! Das ist ja noch weniger sehenswert als die olle Bruecke, das ist gar nichts! Ganz normale chinesische Geschaefte, nicht mal viele, einige geschlossen. Wenige Jadelaeden, einige Geschaefte, in denen chinesische Arzneizutaten angeboten werden: das sind noch die interessantesten, aber es ist ja nun nicht so, als haetten wir sowas noch nie gesehen. In 10 Minuten sind wir pflichtgemaess einmal die Strasse rauf und wieder runter gegangen (nicht dass wir etwa das Allerbeste am anderen Ende verpassen), und dann war's gut. Eigentlich ist es entweder eine Frechheit, den Markt ueberhaupt aufs Programm zu schreiben, oder eine Frechheit, diese Strasse als den Markt auszugeben - aber ich bekomme nicht heraus, wer nun beschimpft werden muesste. Insofern beschimpfe ich niemanden. ;-)

Wir fahren nun zurueck nach Ruili in die Stadt, bitten aber, unterwegs noch am Ein-Baum-Wald-Park anzuhalten. Man ahnt es schon: in diesem Park steht ein Banyan-Baum. Ein bisschen gemogelt haben sie aber doch, wir sehen zwei oder drei Baeume, die aber doch so viele Staemme haben, dass man es als kleinen Wald durchgehen lassen kann. Drumherum liegt ein kleiner Park mit den obligatorischen Zutaten: See, Pavillon (hier im Thai-Stil), beschriftete Steine. Bluehende Weihnachtssternbaeume und ein mir unbekannter Strauch, dessen Blueten wie Kugeln aus Faeden aussehen, sorgen fuer rote Farbtupfer, und ein paar goldene "Familienbenutzer" (in Form von Stupas) setzen Glanzlichter auf. Das ist alles gerade richtig fuer den kleinen Spaziergang nach dem Essen.

Am Nachmittag haben wir "freie Zeit" - ich glaube, unser Herr Nicht-Fuehrer ist sehr froh, dass er uns los ist. Er will uns irgendwo absetzen: hier sei die Strasse mit den Jade- und Mineraliengeschaeften. Gut, aber halt - und wie kommen wir zum Hotel zurueck? Das sei doch kein Problem, hier geradeaus, dann rechts, dann links, dann ... und schon seien wir da. Ach nee, das ist uns jetzt zu riskant, also lassen wir uns lieber am Hotel absetzen, da koennen wir auch gleich noch das Schuhwerk wechseln, von regenwaldgeeignet zu asphaltpassend. Es ist dann auch wirklich nicht so schwierig, diese Geschaeftsstrasse wieder zu finden. Mineraliengeschaefte sind aber nicht so leicht auszumachen, die ueberwaeltigende Mehrheit der Laeden fuehrt bearbeitete Jade, nicht mal Rohjade. Vor allem diejenigen in der huebsch hergerichteten Ladenzeile haben fuer Burkhard gar nichts. Dann kommen wir in die abgewrackteren Ecken. Aha, da wird es schon interessanter! Zu einem Stueck Rohjade kann sich Burkhard dann trotzdem nicht durchringen. Zu vielfaeltig sind die Formen, Farben, Qualitaeten, und zu windig die zwielichtigen Gestalten, die das feilbieten.

Am Ende finden wir eine Art "Edelsteinsupermarkt" à la chinoise: ein grosses Gebaeude mit Hunderten von kleinen Staenden. Hier gibt es nicht nur Jade und geschliffene Edelsteine, sondern auch ein paar Mineralien; nicht gerade viel, aber wenig. An zwei Staenden kommen wir ins Geschaeft - Burkhard ist einfach nicht hart genug beim Verhandeln. Na ja. Am Ende gibt es einen roten Spinell und einen recht gruenen Aquamarin in trauter Zweisamkeit auf weisser Matrix (sieht ziemlich unnatuerlich aus) sowie drei rote bzw. rot-schwarze Turmaline. Es ist schon frustrierend - einer von denen sieht in Burkhards Augen aus wie ein Pilz, in den Augen der Chinesen aber wie eine Eidechse, die einen grossen, regelmaessig geformten Brocken verschlingt. Das Frustrierende ist, dass diese Phantasie jetzt wohl niemals ausgelebt werden kann. Dabei koennen sie das gut, die Chinesen: aus einem aehnlichen Turmalin, innen schwarz, aussen rot, hat ein kunsthandwerklich begabter Mensch einen schwarzen Krebs auf einer Art roten Seerose geschnitzt. Irgendwie gut, und der Farbkontrast ist bestens ausgenutzt und in Szene gesetzt! Ich haette gern gewusst, wie die schlingende Echse am Ende ausgesehen haette.

Nach diesen anstrengenden Verhandlungen wuerde ich ja gern in einem Café oder Teehaus verweilen, aber mei you - jibbet nit. Wir gehen noch durch diese oder jene Quer- oder Laengsstrasse (hier sind die Haeuserbloecke naemlich uebersichtlich wie die Felder eines Schachbrettes angeordnet), ich inspiziere ein Buch- und Buerobedarfsgeschaeft. Buecher ueber Shufa = Kalligraphie? Gibt's hier nicht. Statt dessen liegen bergeweise Schulbuecher aus. Und in der Gesundheitsbuecherabteilung stolpere ich quasi im Vorbeigehen ueber ein Buch von Marianne Koch. Na sowas! Frau Dr. Koch gibt am Ende der chinesischen Welt Tipps fuer die Gesundheit, nicht zu fassen! Hier spricht bzw. schreibt sie allerdings auf Chinesisch.

Jetzt ist es schon fast Zeit zum Abendessen, aber nicht nur, dass wir kein Café gefunden haben, ein fuer uns attraktiv aussehendes Restaurant finden wir auch nicht! Wir wollen daraufhin eigentlich eins der Restaurants im Hotel aufsuchen, aber irgendwie scheinen die alle geschlossen zu sein, so dass wir am Ende wieder in der Lobby Lounge landen. Schwamm drueber ... Hinterher entdecke ich im Zimmer noch das Merkblatt "How to avoid an earthquake" - nicht schlecht! Bei genauerem Studium stellt sich aber heraus, dass es doch nur Empfehlungen fuer den Fall gibt, dass ein Erdbeben eben nicht vermieden wurde.

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