Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 16. September 2007

Sonntag, 9. September 2007: Taman Negara

Heute haben wir noch einen ganzen Tag im Nationalpark. Ich hatte gestern gar nicht die Vorteile des Regens hervorgehoben: es war im Urwald so nass, dass die Egel alle schoen zu Hause geblieben sind. Keine Attacken, keine Bisse - prima! Mal sehen, wie es heute vormittag wird, denn da steht der Jungle Walk bei Tag auf dem Programm. Vorher gehen wir aber erstmal fruehstuecken. Unterwegs faellt uns ein riesiges Spinnenradnetz auf. Es ist etwas schlampig gewebt, aber hat dafuer einen Durchmesser von bestimmt einem Meter. Und die Besitzerin sitzt mittendrin: eine ganz seltsame Spinne, die ein bisschen sechseckig wirkt und so aussieht, als haette sie einen leicht angeschimmelten Panzer - so eine in dieser Richtung habe ich noch nie gesehen. Und sie ist immerhin fuenfmarkstueckgross, oder heisst das heute zweieurostueckgross? Auf dem Rueckweg vom Fruehstueck sind Netz und Spinne weg.

Um halb zehn steht Ismail vor der Tuer, es geht los. Nach den wilden Schweinen befragt berichtet er, dass mal ein Schwein einer Touristin zwei Finger abgebissen habe. Boese Sache das, aber ich denke, dass man dem Schwein keinen Vorwurf machen kann. Wie man weiss, sind die Borstentiere ja etwas gierig, wenn's ums Essen geht, und Wildtiere fressen eben nicht fein saeuberlich aus der Hand ... Wenn man sie schon fuettern will, muss man ihnen die Happen halt hinwerfen.

Dann geht es in den Wald hinein - bei Tag sieht alles ganz anders aus. Zu meiner grossen Ueberraschung ist nichts mehr uebrig von der naechtlichen Seenplatte auf dem recht ausgetretenen Pfad. (Hier sind halt wirklich richtig viele Leute unterwegs, und ich bin noch unentschieden, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Natuerlich daempft es das Naturerlebnis ein bisschen, wenn einem dauernd wer begegnet, und natuerlich sind die Pfade dann arg ausgetreten - andererseits sind sie gewartet und, wo noetig, ein wenig befestigt, damit nicht drumherum auch noch alles ausgetreten wird, so dass die Menschenstroeme kanalisiert sind. Und schliesslich sollten viele Leute in den Regenwald gehen und sich von dieser ueberbordenden Natur anruehren lassen und erkennen, dass es hier einen Schatz zu hueten gilt. [Jawohl, Frau Oberlehrerin!])

Ismail zeigt uns als erstes eine Sandpapier-Pflanze. Die heisst natuerlich so, weil sie sich so anfuehlt und auch zu denselben Zwecken von den Orang Asli verwendet wird: Holzoberflaechen polieren, Fingernaegel feilen etc. - wenn ich jetzt so davon schreibe, faellt mir auf, dass er uns allerdings nicht erzaehlt hat, was die Pflanze selbst damit bezweckt. Ausserdem weist er uns auch auf die wichtigsten Baumarten und ihre jeweilige Nutzung hin. Natuerlich sind nur ausgewaehlte Arten zum Bau von Haeusern und Booten geeignet - die meisten werden im dauernden Wechsel von Feuchtigkeit und Trockenheit zu schnell rissig.

Ein anderer Fuehrer hat irgendwo in einem Baum eine gruene Schlange entdeckt - praktisch unmoeglich, wenn sie sich nicht gerade bewegt. Und waehrend wir sie bewundern und fotografieren, haelt sie wunderbar still.

Wir steuern als erstes den canopy walkway an - ich weiss immer noch nicht, was eine treffende Uebersetzung waere. Baumkronenspazierweg? Na ja ... Jedenfalls herrscht hier ein ziemlicher Andrang, und wir muessen erst einmal Schlange sitzen. Vielleicht ganz gut, denn es ging natuerlich schon mal ziemlich bergauf, um zum Eingang zu gelangen - es liegt in der Natur der Sache, dass die Baumkronen sich halt ganz oben befinden, teilweise geht es von der Bretterbruecke 40 Meter in die Tiefe. So koennen wir jedenfalls im Halbschatten sitzen und uns abkuehlen. Und sooo lange muessen wir ja auch wieder nicht warten, hatte Ismail uns doch Schauergeschichten von Tagen erzaehlt, an denen man dreieinhalb (!) Stunden ausharren musste, ehe man dran war. Dann heisst es zwei oder drei Etagen im Eingangsturm hochsteigen und darauf warten, dass man die Anweisung bekommt, jetzt loszugehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich ploetzlich etwas auf meiner Hand - oha! ein Egel! So haben wir nicht gewettet, und er lernt rasch das Fliegen, bevor er noch sein Mahl beginnen kann. Wo kam der denn jetzt her?? Aber egal, ich bin jetzt dran. Immer schoen 5 m Abstand zum Vorhergehenden halten. Gut, dass jetzt keine Angsthasen dabei sind, die sich nur zentimeterweise vorwaertsbewegen - dann wuerde hier das totale Chaos ausbrechen. Man hat etwa 230 m Weg vor sich mit 4 oder 5 Plattformen, glaube ich - und es sieht nicht viel anders aus als im FRIM oder am Penang Hill, nur dass es da "privater" war und man etwas mehr Zeit hatte, sich umzusehen. Insgesamt gibt es etwa 500 m, aber davon ist wohl immer ein nennenswerter Teil zur Ueberholung geschlossen.

Danach muessen wir wieder zum Eingang des canopy walkway gehen, wo Ismail auf uns wartet. Das heisst relativ steil bergab - wie gemein, ist unser naechstes Ziel doch der Bukit Teresek, der Teresek-Huegel. Das heisst relativ steil bergauf, aechz! Fuer den Hinweg waehlen wir den Waldweg. Die flachwurzelnden Baumriesen schaffen mit ihrem Wurzelwerk fast so etwas wie Treppen, es ist also kein wirklich schwieriger Weg, zumal er ja, wie schon erwaehnt, relativ ausgetreten ist. Aber die "Stufen" sind teilweise doch recht hoch, und nicht ueberall kann man seinen Fuss gut setzen, so dass es im feucht-heissen Wald fuer so Durchtrainierte wie uns anstrengend ist. Auf jeden Fall sehen aber die "Wurzeltreppen" beeindruckend aus.

Es gibt zwei Aussichtspunkte, von denen man ueber scheinbar endlose bewaldete Huegel und Berge gucken kann. Nachdem wir hinter dem ersten Aussichtspunkt die Huegelkuppe (wahnsinnige 370 Meter, wow!) ueberwunden haben, geht es zum zweiten schon wieder 30 Meter herunter. In der Ferne liegt der Gunung Tahan, der Tahan-Berg also. Da kann man auch hinwandern - man, nicht ich. Es sind 55 km, fuer die man eine Sieben-Tage-Tour veranschlagen muss, bei der es natuerlich nicht von Hotel zu Hotel geht. Man ist also schlechter dran als eine Schnecke: die muss nur ihr Haus tragen, hier muss man sich aber zusaetzlich noch seine gesamten Lebensmittel auf den Ruecken laden. Heute koennen wir den Berg aber kaum sehen, denn es ist nicht klar - die ganze Feuchtigkeit, die der gestrige Regen gebracht hat, steigt wieder in die Wolken. So sehen wir kaum etwas ausser den naeher gelegenen Huegeln und den gelben Fluessen unten, auf denen ein paar Langboote zu sehen sind. Ausserdem gibt es hier oben kleine schwarze Bienen und ein paar einzelne Riesenameisen, gut 1 cm lang. Die findet man immer nur einzeln, obwohl sie wohl auch Staaten bilden. Wieviele Ameisenarten es wohl hier gibt? Schon als Laie sieht man ja von den ganz winzigen, die auch gern in den Hotelzimmern herumkrabbeln und weniger als 1 mm lang sind, bis hin zu den erwaehnten Riesenexemplaren ganz verschiedene, was moegen da erst die Biologen herausfinden!

Und ob die Vielfalt der Grashuepfer (sind eigentlich Grashuepfer und Heuschrecken dasselbe?) wohl groesser oder kleiner ist als die der Ameisen? Heute finde ich ein schwarz-gelb geflecktes Exemplar. Ansonsten sind weniger Insekten zu sehen. Das ist auch so eine Sache: der ganze Urwald ist voll mit Abertausenden von Tieren, und man hat Glueck, wenn man ueberhaupt eins sieht. Burkhard hat insofern noch ein bisschen mehr Glueck, als er einen Waran ausmachen kann. Die heissen auf Englisch monitor lizard, also Waechter- oder Warnechse. Keine Ahnung, wen die vor wem oder was warnen.

Aber zurueck zu unserer Huegelbesteigung. Fuer den Weg hinunter nehmen wir nicht die Baumwurzeltreppe, sondern eine von Menschen gebaute. Aus Plastikplanken, die ein bisschen wabern und bei denen Ismail (kein Waran) uns hin und wieder warnen muss, auf welche Ecken wir besser nicht treten - wer hat denn dieses Material ausgewaehlt?? Und sooo bequem ist diese Treppe auch nicht, denn viele der Stufen sind fast kniehoch - jetzt verstehe ich auch, warum er fuer den Aufstieg davon abgeraten hat. Selbst hinunter ist es nicht besonders angenehm, und gelenkschonend fuehlt es sich auf Dauer auch nicht an.

Nach etwa 3 oder 4 Stunden sind wir wieder zurueck an Nr. 88 und halten erst einmal eine kleine Siesta, bevor wir uns auf eigene Faust noch einmal aufmachen. Hier kann man das, weil die Wege gut markiert sind - ansonsten ist davon abzuraten. Gleich hinter unserer Huette geht es zum swamp loop. Unterwegs sehen wir eine neue Art "bewaffneter Ranken". Es handelt sich wohl um eine weitere Rattanart, die alle paar Zentimeter eine Zackenreihe ausklappt. Das erinnert an abstehende Bastroeckchen und sieht sehr dekorativ aus. An irgendeiner Stelle finden wir dann, dass der Weg nicht gut genug markiert ist, und gehen lieber zurueck, ohne den Rundweg zu vollenden - zumal der Grad an Feuchtigkeit jetzt den Egeln angenehm ist. Da gehen wir doch lieber noch zum Tahan Hide, einer Versteckhuette mit Blick auf den Tahan-Berg, in der die ganz Unentwegten sich fuer die Nacht einrichten koennen, um vielleicht groessere Tiere zu beobachten, die sich eventuell auf der Lichtung davor ein Stelldichein geben. Im Morgengrauen soll da mal ein schwarz-weisser malaysischer Tapir gesichtet worden sein, sagt Ismail, der schon gar nicht mehr blutjung aussieht und nach eigenen Angaben im letzten Monat zum ersten Mal in seinem Leben einen zu Gesicht bekommen hat. Och noe, da gehe ich doch lieber schlafen. Aber vorher gibt's noch einen five o'clock tea im Restaurant, um den Fluessigkeitsspiegel auf angenehme Weise zu erhoehen. Aber nur Tee und Getraenke, nix da Kuchen oder Scones oder sonstige Esswaren!

Am Himmel zeigt sich jetzt ein knatschblauer Streifen zwischen dicken weissen und grauen Wolken, der sich ziemlich lange haelt. Wir lungern ein bisschen auf dem Resortgelaende herum und finden am dicken Baum am Restauranteingang noch einen Waran, der da im wahrsten Sinne des Wortes abhaengt. Er scheint sich in die Rinde gekrallt zu haben und haengt nun wirklich wie ein nasser Sack an den vier Pfoten (oder wie heissen diese Koerperteile bei Echsen?). Es gibt eine Tafel, die zeigt, welche Tiere man ueblicherweise wann und wo auf dem Gelaende beobachten kann, und da steht "Monitor lizard - Restaurant - 7:30 am to 7:30 pm". Ach so, er hat noch nicht Feierabend, aber schon keine Lust mehr ... geht mir auch manchmal so. :-)) Wir gehen noch einmal zu unserem Chalet, ich mit der leisen Hoffnung, nochmal den Schweinen zu begegnen. Leider wird diese Hoffnung nur teilerfuellt. Unter einem Baum sitzt eine Horde Affen - und mittendrin ein einzelnes Schweinchen, so ein kleines, gestreiftes. Wie suess! Waehrend die Affen etwas nervoes sind und zwischendurch immer mal im Baum verschwinden oder lautstark ueber das Dach des angrenzenden Gebaeudes toben, wuehlt das Schweinlein in Ruhe alles durch und laesst sich durch die Scharen gutwilliger Beobachter dabei nicht im geringsten stoeren. Ein bisschen Sorgen mache ich mir aber doch: so ein einzelnes Schwein ohne die Rotte? Da ist doch was nicht ganz in Ordnung, Schweine haben doch ein ausgepraegtes Sozialleben ...

Danach gehen wir wieder ins Restaurant und goennen uns ein ausfuehrliches Drei-Gaenge-Abendessen und noch einen Cocktail. Anschliessend suchen wir den Videoraum, und das Reisefuehrerbuch hatte ganz recht: abends um viertel vor neun gibt es noch eine Vorfuehrung, die wir also besuchen, nicht ohne die 10 Minuten Wartezeit vorher mit einer Sichtung der kleinen Sammlung von Informationstafeln ueber Tiere, Pflanzen, Geschichte etc. des Nationalparks zu fuellen. Auf dem Weg dahin gibt es noch naechtliche Insekten zu bestaunen: Burkhard hat fast auf eine Zikade getreten, die offenbar leichtfertig mitten auf dem unbeleuchteten Weg sass und den vermeintlichen Angriff mit einem wuetenden Zirpen quittiert, das Burkhard schon alarmiert beiseite springen laesst. Es klapperten die Klapperschlangen ...?! Der Foto-Jagdinstinkt ist geweckt. Ich fange dann noch einen Nachtfalter, eine kleine Echse und einen dicken Kaefer (mit der Kamera ein, versteht sich), alles auf dem Weg zum Videoraum. Die Vorfuehrung ist nett und zeigt einem natuerlich auch das, was man ohne weiteres nicht zu Gesicht bekommt. Insofern eine gute Ergaenzung. Anschliessend erwerben wir in der Souvenirabteilung des Minimarkts eine Video-CD, man darf gespannt sein.

Auf dem Weg zurueck zu unserem Chalet finden wir dann noch mehr Insekten. Der grosse Nachtfalter laesst Burkhard keine Ruhe mehr: den muss er ja wohl selbst fotografieren, also rasch vorgelaufen und den Apparat geholt! Alldieweil fange ich das braun-weisse Insekt mit den 2 je handgrossen Fluegeln mit meinen Mitteln schon mal ein, bevor die grosse naechtliche Fotosafari beginnt. Hach, ist das aufregend! Wir trauen uns bis an den Rand des Dschungels, wo ich per Taschenlampe einen anderen Nachtfalter finde, weil sein grosses Auge roetlich reflektiert, und eine biolumineszente Raupe. Wirklich aufregend. Zwischendurch faengt es noch an zu regnen, wie laestig, Burkhard meint, wir brauchen einen Schirm, der uns dann hinterher die ganze Zeit im Weg ist - aber egal. Wir koennen uns kaum losreissen und kommen erst relativ spaet ins Bett.

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