Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Donnerstag, 13. September 2007

Donnerstag, 6. September 2007: Rafflesia!

Heute haben wir eigentlich ein ganz langweil- und -wier-iges Programm: von Penang zum Tasik Kenyir (=Kenyir-See) reisen. Das sind etwa 500 km, weil man von der Insel herunter muss und dann ganz oben im Norden dicht (weniger als 10 km) an der thailaendischen Grenze entlang bis zur Ostkueste fahren, der man ein Stueck nach Sueden folgt, bevor man wieder nach Westen ins Landesinnere einbiegt. Es beginnt mit etwas frueherer Abfahrt (normalerweise starten wir um 9 Uhr, heute geht es um 8:30 Uhr los). Nachdem uns Mr Badrul gestern gefragt hatte, ob wir vielleicht eine Rafflesia sehen wollten, hatten wir das natuerlich heftig bejaht. Wie ueberall kennt er hier bzw. da unterwegs jemanden, der weiss, ob und wo eine blueht … und der hatte gruenes Licht gegeben. Gegen 11 Uhr, also nach 2,5 Stunden, hatten wir sage und schreibe schon 140 km geschafft - der Verkehr von der Insel aufs Festland macht einfach keinen Spass. Und der sogenannte Highway ist auch nicht etwa eine Autobahn, sondern eine Ueberlandstrasse. In Reisefuehrern kann man lesen, dass diese Strasse total grossartige Ausblicke biete. Ja, da sind Berge und Wald, das ist schoen - aber Hunderte von Kilometern lang auch nicht besonders abwechslungsreich. Aber egal - jetzt koennen wir erstmal aussteigen und der groessten Blume der Welt auf die wachsigen Blaetter ruecken. Bluetenblaetter, wohlgemerkt - diese Blume lebt parasitisch und hat weder Blaetter noch Staengel, sondern bildet ihre Knospen auf einer speziellen holzigen Rankpflanze, die sie dann mit versorgt. Es gibt eine Reihe verschiedener Arten, die uebrigens alle selten sind, wobei auf der malaysischen Halbinsel nicht die allergroessten zu finden sind. Dafuer muss man nach Borneo uebersetzen, wo ja die malaysischen Provinzen Sabah und Sarawak liegen. Die groesste gefundene Rafflesia soll einen Durchmesser von 97 cm gehabt haben.

Ich bin also auf Urwald eingerichtet - lange Aermel, feste Jeans - und nicht darauf, dass wir erst auf einem sonnenbeschienenen halben Hohlweg fast eine Stunde lang meist bergab gehen muessen. Mir graut schon jetzt vor dem Rueckweg … Meinen Sonnenhut habe ich ja auf, sonst waere ich vermutlich gleich gestorben. Keine Ahnung, wie das unsere beiden Fuehrer ohne Kopfbedeckung aushalten! Auf dem Weg begegnet uns zuerst ein Wildschweinschaedel - ganz schlank, mit ordentlichen Hauern. Das arme Schwein - ist jetzt bestimmt im Schweinehimmel. Es hatte gute Zaehne, die immer noch fest halten. Muslims duerfen sowas gar nicht anfassen: alles unrein.

Dann sehen wir reichlich Elefantendung. Die Produzenten kommen hier etwa einmal im Monat vorbei - dann ist es wieder Zeit, die leckeren frischen Bambustriebe zu vertilgen. Wahre Fruchtbarkeitsbomben, diese Haufen: wo schon genug Zeit ins Land gegangen ist, wachsen neue Pflanzen aus der Sch…, und noch vorher spriessen Pilze. Ausserdem gibt es Spuren zu sehen, wenn man sich auskennt: Schweine, Hirsche verschiedener Groessen und auch Tiger.

Irgendwann sind wir dann an einer Stelle angekommen, wo es in den Wald abbiegen heisst. Mein nicht vorhandener Waermehaushalt macht mir schon zu schaffen, und ich bin daher fuer die Nachricht ausserordentlich dankbar. Es gibt ja Leute, die behaupten, ich sei wechselwarm und passe meine Temperatur der Umgebung an. Die Umgebungstemperatur geht hier leider schon in einen dem menschlichen Organismus wenig zutraeglichen Bereich, fuerchte ich … Der Wald ist zwar feucht-heiss und nicht wirklich erfrischend, zumal es nach Durchquerung einiger Baeche tendenziell jetzt bergauf geht, aber wenigstens brennt einem die Sonne nicht auf den Kopf. Dafuer wartet das andere Uebel des Waldes schon gierig auf uns: hungrige Egel. Obwohl die ja unangenehm, aber nicht wirklich schlimm sind, weist Burkhard Symptome von akuter Egelpanik auf. Waehrend die Herren mit Abschuetteln beschaeftigt sind, kontrolliere ich dauernd: nichts zu sehen. Vielleicht bin ich schon zu heiss? Ich habe mal irgendwo gelesen, dass man als Mueckenopfer eine Koerpertemperatur in einem eng begrenzten Bereich haben muss (natuerlich leider im Normalbereich), damit die Plagegeister einen ueberhaupt wahrnehmen koennen. Wer weiss, vielleicht ist das ja bei Egeln genauso? Wie auch immer - irgendwann kommen wir dann irgendwo an, wo es heisst: bad news! Die Rafflesia ist nicht mehr intakt! Ein Wildschwein habe wohl ueber Nacht die Bluete zerstoert, mutmasst der Fuehrer. Ich beschliesse, dass ich (gemaess doppeltem Tempelorakel und ueberhaupt) kein bad luck habe, und siehe da: die Bluete ist ja auch gar nicht komplett zerstoert, sondern zu 60% erhalten. Drei der fuenf Bluetenblaetter sind unversehrt, und in ihren "Schlund" kann man auch noch schauen. Und einem Schwein kann man halt das Wuehlen nicht veruebeln. Wir fotografieren fleissig. Den aasigen Geruch, den die Blueten zwecks Anziehung von Fliegen (sie haben ja auch einige optische Gemeinsamkeiten mit einem Fliegenpilz) ausstrahlen sollen, vermag ich allerdings nicht wahrzunehmen. - Auf die Frage, ob wir noch durch den Wald hechten und Knospen sehen oder lieber zurueckgehen wollen, ist die Antwort klar. Wir sehen also ausserdem noch eine Reihe von Knospen in verschiedenen Stadien: von einem ganz kleinen holzigen "Knubbel" ueber braun-weissliche, etwas abgeflachte Kugeln (ein bisschen wie Pfingstrosenknospen, wobei die Blattraender dunkelbraun sind und nach innen/unten hin heller werden) von Zwetschgen- bis Kokosnussgroesse, bis zu einer, bei der sich die flache Kugel nach oben hin "aufbeult" und die Aussenblaetter schon die fleischrote Farbe zu zeigen beginnen - in etwa einer Woche wuerde sie wohl anfangen, sich zu oeffnen, heisst es. An den Knospen "wachsen" ueberall kleine gelbe Schilder mit Nuemmerchen - Biologen bei der Arbeit. In dem ganzen grossen Gebiet gedeiht die Rafflesia nur auf einem kleinen Fleck von wenigen hundert Quadratmetern Ausmass.

Aber dann muessen wir uns doch auf den Rueckweg machen. Mir graut. Hier in der Wildnis, wegen eines Erdrutsches ist das Gelaende auch fuer einen nach ihm benannten Wagen nicht befahrbar, weit ab von jeder Zivilisation, und ich fuehle mich wie mit mindestens einem halbem Sonnenstich, o je! Vorher ist aber nochmal Egelkontrolle. Ich kontrolliere kurz, nichts zu sehen. Burkhard schuettelt noch mehrere ab, waehrend ich ein bisschen im Schatten herumgehe und versuche, etwas kuehler zu werden. Als wir schon fast gehen wollen, gucke ich nochmal: huch! Alles voll damit! An einer Stelle knubbeln sich gar drei! Nun schuettele ich. Vielleicht war in der Zwischenzeit meine Koerpertemperatur durch die relative Abkuehlung in den fuer Egel "sichtbaren" Bereich gefallen? Oder waren das die Frustierten von Burkhard?

Ja, irgendwann hilft dann nichts mehr: ich muss wieder in die Sonne. Das letzte Stueck ist echt schlimm, ich denke, ich kann nicht mehr. Ich eile von einem Minischatten (die Sonne steht jetzt ziemlich senkrecht am Himmel) zum naechsten. Der Fuehrer schneidet mir ein grosses Blatt als Sonnenschirm ab, aber richtig viel hilft das auch nicht. Dafuer sieht es wohl lustig aus, zumal ich ja mittlerweile auch meine "mobile Klimaanlage" ausgepackt habe und also mit einem eleganten chinesischen Faecher faechelnd durch die Tropenhitze stapfe. Zwischendurch ziehen kleine Wolken durch, die ein wenig Erleichterung bringen. Ich bitte um mehr davon, aber leider werden die Bitten nicht erhoert.

Gegen zwei Uhr (oder kurz danach) haben wir's geschafft: uff! Ich sinke erschoepft in den Bus. Das einzige, was mich ein bisschen troestet, ist die Tatsache, dass unseren Fuehrer das Klima auch ziemlich mitnimmt, und der sollte ja schliesslich daran gewoehnt sein. Der war wohl auch ganz froh ueber die Pausen, die meinetwegen eingelegt wurden.

Nun kann ich auch die festen Schuhe ausziehen. Jetzt ist Maerchenstunde. Erst Aschenputtel: Ruckedigu, ruckedigu! Blut ist im Schuh! Meine letzte Kontrolle kam halt leider zu spaet - jetzt das tapfere Schneiderlein: sieben auf einen Streich! Also 7 Egelbisse, die mehr oder weniger bluten. Da ja drei Egel gemeinsam getafelt hatten und ein Biss praktisch nicht mehr blutet, komme ich mit 4 Pflastern aus. Burkhard nennt mich fortan "Egelfutter". Am Abend entdecke ich noch tote Egel im Socken. Meine angenehmen Baumwoll-Leinen-Socken sind offenbar zu grobmaschig: der kleine Egel, den ich aussen sitzen sehe, ist nur das hintere Ende von einem dicken, dessen Kopfstueck sich auf der Innenseite zusammenkruemmt. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Ende der Maerchenstunde.

Dass wir auch noch ein Poloshirt geschenkt bekommen, weiss mit gelben Aermeln und Kragen und einem garantiert nicht waschbaren Rafflesia-Foto auf dem Ruecken, bekomme ich kaum mit. Wie man hoert, versucht unser Fuehrer, das Land der Regierung abzukaufen, aber das gestaltet sich wohl nicht so einfach. Mir wird nicht ganz klar, ob er daraus einen Rafflesia-Park machen will oder was genau sein Projekt ist.

Damit liegt nun immer noch der groesste Teil der langen Fahrt vor uns. Immerhin kann ich mich dabei von der Strapaze ausruhen und im klimatisierten Bus meine Temperatur normalisieren. Die Ausblicke sind immer noch schoen, aber wenig abwechslungsreich. Die groesste Abwechslung bieten die "Achtung !"-Schilder, Element von {Schaf/Ziege, Elefant, Kuh}.

Weshalb halb Malaysia das Leben am Strassenrand anderen Plaetzen vorzuziehen scheint, erschliesst sich mir auch nicht - aber dieser Eindruck entsteht. Man kann dann natuerlich unweit von zu Hause eine kleine Bretterbude aufstellen und passierenden Automobilisten Fruechte zum Kauf anbieten, aber nach Geschaeft des Lebens sieht das auch nicht gerade aus. Wir kommen auch durch Jeli - das Dorf ist in ganz Malaysia bekannt fuer die Tiger-Attacken, die zwei bis drei Menschen im Jahr das Leben kosten. Leider schaffe ich es im Vorbeifahren nicht, das grosse, kunstvolle Bevoelkerungsaufklaerungs- und -erziehungsschild zu fotografieren, das links - durchgestrichen - eine unaufgeraeumte Oelpalmenplantage mit reichlich Unterholz zeigt, in dem ein Tiger heranschleicht, und rechts - so soll es sein! - eine wohl geordnete und aufgeraeumte, die dem Tiger keine Deckung bietet. Spezialanfertigung in limitierter, vermutlich unsignierter Auflage …

Gegen 19 Uhr, also nach etwa weiteren 5 Stunden Fahrt, naehern wir uns dem Kenyir Lakeview Resort. Kurz davor passieren wir noch eine Palmoelfabrik, die einen halben Landstrich raeuchert - da moechte ich aber nicht wohnen. Dann erhaschen wir ueber eine kleine Ausbuchtung des Sees hinweg einen Blick auf kleine "aufgestelzte" Holzhaeuschen im Wald am Ufer - ach, das sind die Chalets unseres Hotels? Entzueckend! Aber im Ernst: das sieht wirklich schoen aus.

Privater Autoverkehr ist auf dem Resort-Gelaende nicht zugelassen - geparkt wird auf dem Parkplatz, alles andere wird mit dem Hotel-Buggy erledigt. Leider sind das keine Elektrofahrzeuge, sondern laute, alte, stinkende (da benzinbetriebene) offene Kleinstbusse.

Die Hauptlobby ist ein ganz beeindruckendes, grosses offenes Gebaeude, das einen tollen Seeblick bietet. Hier checken wir ein und bekommen mitgeteilt, dass wegen eines vorgestrigen Blitzschlags das Fernsehen nicht funktioniert (verschmerzbar - vermutlich haetten wir das nicht einmal bemerkt) und das Telefon auch nicht - schon unangenehmer bei dem Buggy-System, da muessen wir uns also sofort ueberlegen, wann wir zum Abendessen abgeholt werden wollen. Unser Chalet ist jedenfalls schoen, mit einem grossen, modernen Duschbad samt Boudoir auf dem unteren Niveau. Das Waschbecken hat einen massiven Sprung in der Schuessel, ist aber trotzdem ganz dicht - Waschbecken sind also anders als Menschen. ;-)) Auf dem oberen Niveau, zwei Stufen hoeher, gibt es eine Sitzecke mit Sofa und Couchtisch, den ausser Gefecht gesetzten Fernseher, einen Schreibtisch und den Schlafbereich. Zusaetzlich verfuegen wir ueber eine moeblierte Terrasse (Tisch und Stuehle) mit Seeblick, echt schoen.

Das Restaurant, auch im Hauptgebaeude, ist vermutlich das Schwaechste an diesem Resort - nicht direkt schlecht, aber auch nicht toll. Wir essen draussen, auf der Terrasse ueber dem Pool, mit Seeblick, von dem man allerdings um diese Uhrzeit (wir kommen um kurz vor acht) nichts hat. Der See ist absolut unbeleuchtet, und wir blicken ins Schwarze. Ausser reichlich Geckos haben wir kaum Gesellschaft, das fuehlt sich ein bisschen oede an. Bevor wir uns in unser Chalet fahren lassen, um in die Betten zu fallen, melden wir noch unsere Ausfluege fuer morgen an. Das Schoene hier ist die relative Ruhe - relativ, weil es gar nicht sooo ruhig ist. Wir sind vielmehr von Geraeuschen wie im naechtlichen Dschungel umgeben. Dabei liegt das Lakeview Resort inmitten von Oelplantagen, denen der urspruengliche Urwald (ob das Gegenteil davon spruenglicher Wald ist? - Gruss aus Kalau) laengst gewichen ist.

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