Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Montag, 26. Januar 2009: Schneemaenner fuer Angeber

Als erstes fahren wir heute Morgen zur Sonneninsel taiyangdao. Das ist tatsaechlich eine Insel im Norden des Songhua-Flusses, da dieses Stueck Land zu den drei anderen Seiten von weiteren Fluesschen umgeben ist. Von Westen her fuehrt eine breite Fussgaengerbruecke in den Park auf der Insel; in diesem Park findet die Schneeskulpturenausstellung statt. Das Thema heisst dieses Jahr Finnland. Man kommt zunaechst auf einen finnischen Dorfplatz, sozusagen: Schneefassaden von Bank, Hotel, Café und "normalen" Haeusern und natuerlich einer Sauna (mit "nackten Weibern" vor der Tuer, wie Burkhard sich auszudruecken beliebt: dabei handelt es sich um huebsche, wohlproportionierte, zugegebenermassen unbekleidete Schneefrolleins) stehen an beiden Seiten des etwas verbreiterten Weges. Das Hotel, dessen Fassade mit ueberdimensionierten Lippen, Ohren und einer passend grossen Nase etwas befremdlich gestaltet ist, kann man auch durch die hohlen Wangen betreten. Statt an der Rezeption zu landen, steht man gleich mitten im Gastzimmer mit einem Bett und einer Schminkkommode. Das ist aber kein schoener Empfang!

Nach diesem "Dorfplatz" kann man ueber baumbestandene Spazierwege den Park erkunden. Die Wege sind jetzt von allerhand Schneemaennern fuer Angeber, sprich: kuenstlerisch wertvollen Schneeskulpturen, gesaeumt. An der ersten Kreuzung stehen riesige Mumins, "nilpferdartige Trolle", schreibt ein Wikipedia-Autor, haha! (Zur Erinnerung, falls man es vergessen hat: so sehen die aus.) Und dann kommt allerhand mehr oder weniger Kuenstlerisches mit mehr oder weniger esoterischen Namen. Und dann gibt es auch den Garten mit preisgekroenten Schneeskulpturen aus vergangenen Jahren. Stutz?! Ach so, weiss gestrichener Beton! Faellt auf den ersten Blick gar nicht auf. Ist aber wartungsintensiv, denn der Anstrich muss immer halbwegs perfekt sein.

Dann kommen wir an die "Indoor Ice and Snow Sculpture Hall" - ich fragte mich schon, warum man bei diesen Temperaturen sowas braucht. Die Halle ist aber geschlossen, und ich vermute jetzt mal, dass sie nur im Sommer geoeffnet hat, damit die Touristen trotz warmen Wetters das sehen koennen, wofuer Harbin so beruehmt ist. Davor steht eine Eisskulptur, die in der Sonne glaenzt und uebrigens keineswegs vor sich hin schmilzt. Eis ist schon irgendwie toll, und die Eisquader finde ich total faszinierend. Oft sind sie ganz klar, manchmal auch eingetruebt, zum Teil mit irgendwelchen eingeschlossenen Blasen in den seltsamsten Formen, auch deutlich erkennbare Trennflaechen (was trennen die?) - aber vermutlich ist es sowas Banales wie die schiere Groesse, die fuer die Faszination sorgt. Fuer mich, die ich Eis eigentlich bloss als laestige Schicht auf der Windschutzscheibe oder als Minizapfen an der Dachrinne oder als Eiswuerfel im dann zu kalten Getraenk kenne, ist so ein halbkubikmetergrosser Quader einfach riesig!

Von hier aus gehen wir ueber den obligatorischen See (kein chinesischer Park ohne See!), der natuerlich zugefroren ist. Selbst ich Feigling gehe angstfrei, denn erstens ist sogar der riesige Fluss so massiv zugefroren, dass man mit Autos, Kutschen etc. darauf fahren kann, und zweitens sind auch auf diesem See (koennte ja von einer warmen Quelle gespeist sein oder durch kosmische Strahlung oder von gaengebauenden Eistermiten am soliden Zufrieren gehindert werden ...) Reifenspuren auf der Oberflaeche zu sehen. Ja dann! Im Hintergrund prangt eine riesige Schneelandschaft: Santa Claus Village soll das sein. Hier kann man wieder rodeln (fuer Geld, Frechheit, der Inseleintritt kostete doch auch schon 120 RMB pro Nase!) und sich auch im Pferde- oder Hundeschlitten fahren lassen oder selbst mit einem Schneemobil herumkurven. Diesmal verzichten wir darauf.

Nach einigem Suchen finden wir auch noch die Ausstellungshalle, in der mit Fotos dokumentiert wird, dass die Leute von Harbin schon immer mit Eis und Schnee leben und sich damit bestens arrangiert haben. Je eine Fotosequenz zeigt, wie das Rohmaterial fuer Eis- und Schneeskulpturen gewonnen wird. Die Eisquader werden tatsaechlich einfach aus dem Fluss geschnitten, der Schnee kommt allerdings aus der Kanone. Vermutlich bekommt man nur so die richtige Konsistenz hin. - Ein altes Foto von 1963 zeigt das erste Eislaternenfestival. Da waren die Skulpturen noch wirkliche Laternen in normaler Lampiongroesse, die an einer Art Waescheleine aufgehaengt waren! Die Schneeskulpturen gibt es seit den 1980er Jahren.

Auf den Suedausgang des Parks zu faehrt die Nikolaus-Eisenbahn aus Schnee. Genau betrachtet steht sie, und zwar zwischen plastisch ausgearbeiteten finnischen Muenzen und Geldscheinen, ebenfalls aus Schnee. Seit wann hat denn der Nikolaus eine Eisenbahn? Ich dachte immer, der faehrt mit dem Rentierschlitten?!

Vor dem Parkeingang liegt das russische Dorf. Ein paar kleine Holzhaeuschen, weit voneinander entfernt, wie ich mir einbilde, dass es fuer russische Doerfer typisch sei. Warum eigentlich? Damit man das wodkageschwaengerte Gegroele der Nachbarn nicht immer gleicht hoeren muss? Hier gibt's in der Tat auch Wodka zu kaufen, ausserdem Matrjoschkas und die wie-schon-gesagt-beruehmte russische Schokolade. Darunter auch Milka (Fake? oder echt?) in typisch lilafarbener, aber russisch beschrifteter Verpackung. Ausserdem Oelbilder, na prima! Ich bin natuerlich total stolz, dass ich auch hier was lesen und verstehen kann. Wremja raboti, zum Beispiel, natuerlich auf kyrillisch: Времяа работу. Die Leute arbeiten hier angeblich alle von 9 bis 16 Uhr, zumindest sei das die Arbeitszeit. Lesen kann ich noch mehr, aber verstehen ... da kriegt der Stolz schon gleich wieder einen Daempfer. Sowohl auf Chinesisch als auch auf Russisch was entziffern und nix verstehen: so ein Frust. Als Eintrittskarte bekommt man ein Heftchen, das aussieht wie ein russischer Pass. Ob die Hauskatzen im Zwinger (warum???) und der ebenfalls eingekerkerte Geier auch einen haben?

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