Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Dienstag, 25. November 2008

Sonntag, 9. November 2008: Mumbai am Meer

Am Sonntagmorgen erscheine ich frisch und voller Schwung um 10 Uhr in der Lobby - um festzustellen, dass keiner da ist, weder der Fahrer, den man fuer mich organisiert hat, noch der Kollege oder die Kollegin, von denen ich nicht genau weiss, wie freiwillig sie mich begleiten sollen. Nach 10 oder 15 Minuten kommt Kedar. Nutan sei noch nicht aufgetaucht, sagt er, und schlaegt vor, wir sollten erst noch einmal zum Buero fahren. Nun denn ... gesagt, getan. Aber auch da keine Nutan, und telefonisch zu erreichen ist sie auch nicht. Dann muessen wir wohl ohne sie los.

Als erstes fahren wir zum Hauptsitz der Firma. Der befindet sich im angeblich schicksten Viertel der Stadt. Am Haus im Kolonialstil steht eine Tafel, auf der zu meiner Verwunderung zu lesen ist, dass es 1995 eingeweiht worden sei. Als Firmensitz? Denn 1995 ist das Gebaeude sicher nicht so gebaut worden. Die Sicherheitsleute lassen uns sogar die Bueros besichtigen, nett! Ein wahrer Palast ist das im Vergleich zu dem ganzen Dreck und den vielen schrecklichen Slums.

Danach irren wir mit dem Auto fuer mein Gefuehl "stundenlang" durch die Strassen von Mumbai. Irgendwann habe ich das Gefuehl, dass wir voellig ziellos mal geradeaus fahren, dann wieder rechts oder links abbiegen ... Ich versuche mich im truckspotting auf der Suche nach der allerkunstvollsten HORN OK PLEASE-Malerei. Nebeninteresse gilt dem lanternspotting, an vielen Stellen haengen Divali-Laternen. Zwar sei die Form nicht spezifisch fuer Divali-Laternen (Hauptsache Licht/Laterne, Form ist egal), so habe ich mir sagen lassen, aber ich finde sie irgendwie besonders. Ich versuche mich mal an einer Beschreibung: Es handelt sich um ein aufrecht stehendes "Rohr" mit quadratischem Grundriss, auf dessen Kanten Quadrate mit ihrer Diagonale aufgesetzt sind (sie stehen also auf Eck), und den oberen bzw. unteren Rand verbindet auf jeder Seite des "Rohrs" je eine dreieckige Flaeche mit den Kanten der Quadrate. Alternativ kann man sagen, dass zwischen oberem und unterem Rand des quadratischen Rohres anstelle einer quadratischen Flaeche eine Pyramide mit quadratischem Grundriss steht. Na, alles klar?! Aber auch hier gilt: ein Bild (oder doch besser zwei? oder doch lieber 'ne Zeichnung?) sagt mehr als 1000 Worte.

Das alles verhindert nicht, dass ich mir am Ende vorkomme wie die Heldin eines postmodernen Grossstadtromans, die verloren in fremden Strassen herumfaehrt und nicht mehr weiss, ob sie in ihrem Leben je irgendwo ankommen wird ... Aber ploetzlich laesst Kedar den Fahrer anhalten, und wir koennen an den Strand treten. Ueber den Strand hatten mir deutsche Kollegen schon erzaehlt, dass er ganz furchtbar sei, sooooo dreckig. Mit diesen Erwartungen war ich so gut vorbereitet, dass es fast als angenehme Ueberraschung durchging - ja, es war ein bisschen dreckig, aber sooooo schlimm nun auch wieder nicht. Insgesamt ist der Strand trotzdem nicht gerade schoen, sondern oede und bloede. Aber lang. Und durchaus halbwegs belebt, wobei man sich Strandleben in Indien oder doch wenigstens in Mumbai City anders vorstellen muss als auf "Ma-loa-ka". Hier hat keiner Handtuecher ausgebreitet oder einen Sonnenschirm aufgepflanzt, sondern alle sind unterwegs. Entweder auf dem Sand oder im Wasser, aber von Badekleidung keine Spur: Wer ins Wasser gehen will, geht halt. Ich beschliesse spontan, dass ich nicht gehe. Wir halten uns nicht lange auf, de facto gibt's auch nichts zu sehen. Die Strasse an der Bucht heisst "Halskette der Koenigin", wobei ich nicht weiss, ob das fuer diesen Abschnitt zutrifft - abends kann man die Strassenlaternen als Perlen leuchten sehen.

Wir fahren weiter am Meer entlang und halten schliesslich wieder. Es ist ja auch schon halb eins ... vor der Kueste liegt eine Art Fata Morgana. Es sieht aus wie ein entrueckter weisser Palast, aber es ist eine Moschee namens Haji Ali. Wir pilgern durch die heisse Mittagssonne und ein grosses Gedraenge ueber den Zementsteg, der bei Ebbe (ja, es ist Ebbe) begehbar ist. Es wird verkauft und gebettelt, was das Zeug haelt. Je naeher man dem Traumbild kommt, um so realer - und schaebiger - wird es. Eimerweise weisse Farbe wuerde schon richtig gut helfen: der Komplex auf einer kleinen Insel hat vor allem weiss getuenchte Mauern und Waende, die vor dem blauen Himmel und Meer dann neu erstrahlen koennten. Sobald man die aeussere Mauer hinter sich gelassen hat, ist das Gedraenge noch groesser. Die eigentliche Moschee - oder heisst das jetzt Schrein, weil Sufisten ihre Moscheen so nennen? - ist nicht sehr gross und mit bunten Tuechern behaengt. Beim Schuhaufbewahrer trennen sich unsere Wege - Kedar nimmt den "richtigen" Weg in die Haupthalle, in der eine Art Sarg verehrt wird oder vielmehr der (echte oder vermeintliche) Insasse (oder heisst das Einlieger?), Haji Ali eben. Ich darf mich, wie alle Frauen, auf einem Nebenweg von der Seite heranschleichen. Vom heiligen Sarg trennen uns grosse Spendenbuechsen, waehrend die Herren sogar die Tuecher anfassen und mit der Stirn beruehren duerfen, die den Sarg bedecken.

Anschliessend gehen wir noch in den Aussenbereichen herum - zum Teil sind da halb zusammengebrochene Gebaeudeteile zu sehen. Die muessen aber dringend mal wieder hergerichtet werden! Als ob man dieses Projekt nicht mit einer Spendendose fuer die Renovierung (mit gleichzeitiger Pflege des Seelenheils, versteht sich) oder mit einem kleinen Eintrittsgeld finanziert bekaeme! Irgendwie verstehe ich die Inder da nicht. Das scheint keinen so recht zu stoeren. Wenn man an Land ist, ist alles so weit weg, dass man die ruinoesen Zustaende problemlos uebersehen kann. Und wenn man auf dem Inselchen ist, kann man ja einfach weggucken - naemlich von den Ruinen weg an Land, wo mit einem postmodernen Stadion samt geschwungenem Dach und mit dem zylinderfoermigen Turm des Nehru Science Center markante Strukturen den Blick fangen.

Danach gehen wir ueber den immer noch vollen Steg zurueck zum Auto. Jetzt ist Zeit zum Essen - Kedar fuehrt mich in ein Restaurant mit Buffet-Lunch. Nicht schlecht, aber auch nichts Besonderes.

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