Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Freitag, 29. Februar 2008

Dresscode: Pink

Heute war es wieder so weit: Zeit fuer die jaehrliche Firmenparty. Letztes Jahr war Gold angesagt, dieses Jahr eben nicht das, was Deutsche Pink nennen, sondern Rosa. Dieses Mal wurde im Schan-ge-li-la gefeiert - so spricht sich das Shangri-La auf Chinesisch aus.

Waehrend letztens mehrere laengliche Ansprachen abgewartet werden mussten, bevor endlich gefuttert werden durfte, gab es heute nur eine recht kurze. Und dann gleich die Auszeichnungen fuer langjaehrige Mitarbeit, die hier schon fuer 5 Jahre Firmenzugehoerigkeit vergeben werden … was das betrifft, habe ich heute den naechsten Schlag abbekommen: leider kann ich fuer den meiner beiden Mitarbeiter, der nicht gekuendigt hat, den Vertrag nicht ueber die Probezeit hinaus verlaengern, und der Mensch, der am Montag kommen sollte, hat heute angerufen: er moechte lieber bei seiner schwangeren Frau zu Hause bleiben und koenne daher die Stelle nicht antreten. Na super. Und was fuer 'ne tolle Begruendung ist denn das?! Insofern waere ich im Moment geneigt, schon bei Vollendung des 3. Jahres einen long service award zu vergeben.

Das Essen war nicht so richtig toll - da habe ich schon Schoeneres gehabt. Aber dann kamen die Mitarbeiter-Darbietungen, die unvermeidliche Lostrommel und die Wahl von Mr und Ms Company. Die Abstimmung ging per SMS in Echtzeit: huebscher Einfall, erinnerte an die TED-Abstimmung in der Hitparade mit Dieter Thomas Heck. ;-))

Dann durfte die Mitarbeiterin auf die Buehne kommen, die heute zum 7. Mal in ihrem Leben Geburtstag feiern konnte, und nach fettigen Worten den Hauptpreis aus der Lostrommel ziehen: einen Reisegutschein im Wert von 16.666 RMB. Und wer hat gewonnen? Eine nagelneue Kollegin, die erst seit vier Tagen bei uns arbeitet. Na so was! Aber immer noch besser, als wenn es die schon fast Weggegangenen getroffen haette - ich muss sagen, denen haette ich es nicht gegoennt. Hab' wohl 'n fiesen Charakter - aber so ist es. Um 5 nach 9 war der ganze Spuk schon vorbei - aufgegessen, Hauptpreis vergeben: auf die Plaetze, fertig, los!

Donnerstag, 28. Februar 2008

Tapfere Analphabeten

Aber jetzt mit Zertifikat! Na ja, Analphabeten stimmt ja gar nicht ganz. Wir koennen ja jetzt wirklich ein bisschen lesen und reden, sogar ein ganz kleines bisschen schreiben. Theoretisch und sogar praktisch koennen wir schon eine ganze Menge reden, aber wenn's dann ans Verstandenwerden geht, wird es schon schwieriger - und wenn es gar ans Verstehen von Antworten geht ... zumal Chinesen sich mit ihren Ausdruecken nie an das halten, was wir schon gelernt haben. Immer reden die irgendwie, was ihnen gerade einfaellt, Frechheit! ;-))

Yang XiaoLi hat uns jedenfalls heute freudig die besagten Zertifikate ausgehaendigt. Die werden extra auf geripptem Papier gedruckt. Das in fast einem Jahr erreichte Niveau nennt sich uebrigens "Elementary III", was auch immer das heissen soll. Andererseits duerfen wir, glaube ich, auf unser tapferes Durchhalten (oder vor allem Burkhard auf sein noch tapfereres Durchhalten) auch ein bisschen stolz sein. Kuerzlich habe ich noch mit einem Kollegen gesprochen, der Anfang des Jahres berichtet hatte, er habe "wieder angefangen". Nach den Fortschritten befragt, winkte er ab: "schon lange" wieder aufgehoert. Insofern hat Yang XiaoLi ja recht, wenn sie sich fuer uns wegen unserer Fortschritte freut. Heute gab es noch mehr Anlass zur Begeisterung: Wir haben wieder einmal anhand der Bildergeschichten von fuzi (sprich: fu-dse, mit unbetontem e) den muendlichen Ausdruck geuebt. Fuzi - das heisst nichts anderes als "Vater und Sohn", und unter dieser Bezeichnung sind folglich E. O. Plauens Helden auch hierzulande bekannt. Diesmal war eine Episode mit Kasperle-Theater dabei (leider schlechte Bildqualitaet hinter diesem Link, der Verlag will ja seine Buecher verkaufen). Die haben wir zum Anlass genommen, Yang XiaoLi "interkulturelles Wissen zu vermitteln". Sie war ganz beeindruckt ob unserer Schilderungen von Prinzessinnen, Krokodilen, Teufeln, Polizisten, dummen Seppeln, schlauen Kaspern und gebannt mitwirkenden Kindern.

Mittwoch, 27. Februar 2008

Kalligraphielehrervermittlungsdankessen

Ein solches gab es heute, nach einer Anzahl von Monaten seit der Vermittlung, in der andere fast schon Kinder bekommen koennen, oder wann hab' ich noch gleich angefangen, mit dem Pinsel chinesische Zeichen aufs Papier zu bringen? Die Vermittlerin hat das Schreiben schon lange wieder an den Nagel gehaengt, und zwar nicht in Form von duilian - wahrscheinlich hatte sie nur aus Neugierde angefangen, denke ich mir ... aber egal, ich schreibe halt froehlich weiter, und sie hat sich gefreut, so erfolgreich vermittelt zu haben.

Nach vielen vergeblichen Terminabstimmungsversuchen haben wir es nun heute endlich hinbekommen und sind nach Puxi gefahren, ins Da Marco. Man ahnt schon, dass das kein chinesisches Restaurant ist. Dass das Ambiente ueberhaupt von irgendwem gelobt wird, kann ich nicht besonders gut nachvollziehen - das Licht ungemuetlich und nicht mal so richtig chinesisch hell, dass das Essen besonders appetitlich aussaehe - der Raum furchtbar eng mit Tischen zugestellt - der Geraeuschpegel entsprechend (chinesisch) hoch. Dazu haben wir dann natuerlich auch selber beigetragen, denn man muss ja schon dagegen anbruellen, wenn man sich nicht bloss schweigend gegenseitig etwas voressen will. Aber geschmeckt hat's recht gut, und die Preise sind sehr akzeptabel. Und die Portionen recht gross, ich bin ganz schoen satt jetzt ...

Ansonsten war die Neuigkeit des Tages, dass das Nummernschild meines Autos gestohlen wurde. Ich weiss ja nicht, wo Ding Shifu jetzt immer das Auto laesst ... die Gegend scheint zunehmend (yuelaiyue, wie die Chinesen sagen) mieser zu werden. Die tiefen Lackkratzer hatte ich schon mal erwaehnt, die seit einiger Zeit auf der rechten Seite sind, oder? Ts, ts, ts. Wenn das so weitergeht, muessen wir vielleicht doch noch mal ueberlegen, ob es lieber hier in der sicheren Garage stehen soll, das Auto. Auch wenn Ding Shifu das sicher nicht gefallen wuerde.

Dienstag, 26. Februar 2008

Scharfer Entenhals

Ouf! Jetzt haben wir irgendeine neue Stufe des Chinesischunterrichts erklommen. Die ersten drei Buecher sind durchgearbeitet, der dritte Test ist bestanden (aber jetzt wird das Bestehen schon etwas schwieriger), wir lernen jetzt auch ein paar Zeichen zu schreiben, und das neue Buch hat ganz neue Herausforderungen. Es ist aus einer anderen Lehrbuchserie und beginnt schon gleich mit Lektion 31, nochmal ouf! Da stehen die Lektionstexte jetzt nicht mehr in der Lautschrift Pinyin mit den Zeichen darueber, sondern einfach in chinesischen Zeichen. Das macht schon einen grossen Unterschied - in der ersten Variante habe ich meist geflissentlich ueber die Zeichen hinweggesehen und bloss mal hin und wieder eins naeher betrachtet. Insofern wird es spannend. (Damit der Frust nicht allzu gross wird, steht die Pinyin-"Uebersetzung" aber irgendwo darunter - manchmal aber auf der naechsten Seite, so dass man nicht einfach hinschielen kann.)

Und als spezielles Leckerli hatte Yang XiaoLi uns heute etwas Besonderes mitgebracht: yazi de houlong, wie sich dann herausstellte. Aber erst fragte sie vorsichtig, ob wir Scharfes essen koennen. Keyi, koennen wir, lautete die Antwort. Ja dann moechten wir bitte zugreifen, forderte sie uns auf und legte einen Beutel mit roten Fleischstuecken auf den Tisch, deren Form ein wenig an Schillerlockenstuecke erinnerte.

Im Nachhinein denke ich, dass wir sehr unhoeflich waren, haben wir doch unseren Anteil ganz leise vertilgt. Sie hingegen hat tuechtig geschmatzt - aber wenn einem das einmal gruendlich abgewoehnt wurde, tut man sich auch ziemlich schwer damit. So ist jedenfalls mein Eindruck ... Burkhard war es wohl ein wenig zu scharf, und auch Yang XiaoLis Augen blieben nicht ganz trocken. Ich hatte wohl heute meinen harten Tag und habe ungeruehrt Burkhards Anteil mit gegessen. Gar nicht uebel! (Obwohl man natuerlich das Fleisch von den Knochen nagen musste, wie sollte es anders sein.)

Damit sich nun auch alle das Wort houlong gut merken koennen, will ich kurz meine Eselsbruecke (oder heisst das bei mir Schweinesteg?) schildern: Von Gary Larson gibt es einen Cartoon, der eine Frau mit einem sehr langen Hals zeigt und einen autofahrenden Vampir. Dessen Blick ist von diesem Hals total gefangen, so dass er buchstaeblich keine Augen mehr fuer den Strassenverkehr hatte und folglich seinem Vordermann schon aufgefahren ist. Kein Grund fuer ihn, die Augen von diesem Hals abzuwenden. Die Bildunterschrift lautet "Unfallursache bei Vampiren". Und houlong klingt ja so aehnlich wie how long!! Und schon kann man diese Vokabel einfach nicht mehr vergessen. So funktioniert Mnemotechnik. (Wer mal ein MegaMemory-Seminar gemacht hat, der weiss ja: Aektschn, Aektschn, Aektschn! ;-)) )

Montag, 25. Februar 2008

Gruene Zweige

Mit dem Tannebaum ist es jetzt ja schon lange vorbei. (Mit dem Laternenbaum seit gestern uebrigens auch.) Mit der Rueckkehr zum normalen Alltag habe ich wieder einen Bewerber gefunden, dem ich ein Angebot machen kann. Hiermit x ist der Tag rot im Kalender angestrichen (jedenfalls, wenn der Browser die Farbe richtig darstellt ;-)) ). Und wie ich von der Personalabteilung hoerte, ist der Kandidat sogar willens, das Angebot anzunehmen. Das auch noch! Wow. Der Wermutstropfen ist nur, dass ich dafuer auch einen sicheren und einen wahrscheinlichen Abgang habe. So komme ich leider auf keinen gruenen Zweig. Dabei habe ich meine Anforderungen schon deutlich reduziert ... aber beliebig reduzieren kann man sie ja schliesslich nicht.

Heute Morgen hatte ich auch wieder so ein Bewerber-Telefoninterview der dritten Art. Am Telefon ist es natuerlich noch schlimmer als im persoenlichen Gespraech, wenn es mit der Verstaendigung auf Englisch nicht funktioniert. Der hat mir wirklich sein Resume vorgelesen. Auf die Bitte, er moege mir nicht vorlesen, was ich ohnehin schon gelesen habe, sondern mir dazu ein paar Details verraten, hat er erstens behauptet, er laese nicht vor, und zweitens einfach weitergelesen. Der einzige Vorteil von Telefoninterviews ist, dass man sie schneller abbrechen kann, ohne allzu unhoeflich zu wirken - hab's mir sowieso viel zu lange angehoert. Das kann ja alles noch heiter werden ...

Ich glaube, ich bekomme noch nachtraeglich einen Kulturschock wegen dieser Personalgeschichten. Der "sichere Abgang" kuendigt mit der Begruendung "I don't like the project" - mir gefaellt das Projekt nicht. Es sieht so aus, als waere es ihm zu stressig. Ja, es ist stressig, aber falls irgendjemand aus meiner werten Leserschaft Projekte kennt, die man gemaechlich plant, nebenbei gemuetlich abarbeitet und dann in allgemeiner Harmonie beendet, moege er/sie mir ein paar Hinweise dazu geben, damit ich endlich ganz anders arbeiten kann! Und schliesslich hatte er sich nicht auf eine Stelle mit geruhsamem Tagesablauf beworben, sondern als Projektleiter. Ob da wohl Anspruch und Wirklichkeit ein ganz kleines bisschen auseinanderklaffen?

Samstag, 23. Februar 2008

Donnerstag, 3. Januar 2008: Im Norden von Phnom Penh

Am Morgen fuehle ich mich nicht sehr gut ... hm. Aber ich hoffe, dass sich das im Lauf des Tages gibt, und da wir zunaechst ein gutes Stueck zu fahren haben, kann ich ja im Auto erst noch weiter ausruhen. Unser Ziel ist Udong, eine der zahlreichen ehemaligen Hauptstaedte Kambodschas. Diese hier war bis 1866 in Benutzung. Natuerlich liegt sie wieder an/auf einem Huegel, wo sonst. Man kann schon von weitem Stupaspitzen (ein echter Zungenbrecher, gell?) sehen und ein paar typische Daecher, die aus den Baeumen ragen. Als wir am Fuss des Huegels ankommen, stellen wir fest, dass das ein wichtiges Ausflugsziel sein muss. Es gibt lange Reihen von Parkplaetzen und Marktstaenden, von denen die meisten aber heute, an einem Wochentag, leer sind. Ausserdem gibt es viele offene Huetten, die man "fuer (relativ) kleines Geld" mieten kann, um dort mit der Familie den Tag zu verbringen.

Wir beginnen den Aufstieg und kommen zunaechst an einem riesigen goldenen Buddha vorbei, der offensichtlich gerade wieder aufgebaut wird. Auch einer von denen, die von den Roten Khmer zerstoert worden waren. Zu diesem Tempel erzaehlt Mony uns wieder eine von diesen Legenden, deren Pointe ich nicht verstehe … Diese beinhaltete ungefaehr, dass die Chinesen in Kambodscha irgendein offenbar seltenes Tier gefunden hatten, das sie nicht kannten und fuer einen (glueckbringenden und Macht verheissenden) Drachen hielten. Aber wie ihn den Kambodschanern vorenthalten, wo sie doch darauf bedacht waren, die Macht fuer sich zu behalten? Ihn irgendwo unterbringen, wo die Kambodschaner nie nachsehen wuerden! Und wo wuerden sie nie nachsehen? Unter einer grossen, heiligen Buddhafigur. Gesagt, getan - so kam es zu dem grossen Buddha. Ob das Tier da aber leben konnte, wage ich zu bezweifeln, aber solche Nebensaechlichkeiten sind fuer Legenden natuerlich nicht von Bedeutung. Dass Chinesen den Buddha errichtet haben, kann man auch daraus ableiten, dass er nach Norden - Richtung China - und nicht, wie sonst ueblich, nach Osten blickt. Jedenfalls ist das jetzt eine dicke, goldene Statue, die schon sitzend etwa 9 m hoch ist und zur Zeit noch auf ein Dach ueber dem Kopf wartet. Es ist in Arbeit.

Mit dem Buddha im Ruecken steigen wir auf dem Grat eines angrenzenden Bergrueckens hoch, auf dem noch mehrere Tempelchen liegen und vor allem grosse Stupas. Den groessten hat sich Koenig Sihanouk fuer seine ganz alten Tage (also die nach dem Tod) schon mal bauen lassen. Die ist jetzt schon so koeniglich-ehrwuerdig, dass man sich seiner Schuhe und etwaiger Kopfbedeckungen entledigen muss, bevor man die Plattform betritt. Von dieser Plattform aus hat man dafuer einen schoenen Blick auf das weite Land und auf die Dachspitzen einiger Gebaeude, die von "Udong-City" uebriggeblieben sind und jetzt durch den lichten Wald am Fusse des Berges schimmern. Die obligatorische Buddhasammlung, die zum Stupa gehoert, ist in einem Betonraum mit dem Charme eines Abstellkellers untergebracht, damit es nicht allzu schoen wird. Da mag keine Andacht aufkommen - bei mir jedenfalls nicht.

Fuer den Abstieg vom Berg gibt es wieder eine bequeme Treppe, auf der man aber wieder durch die Reihen zahlreicher Bettler "spiessrutenlaufen" muss. Mony verurteilt wieder einmal scharf diese schlechte Angewohnheit ihrer Landsleute. Sie erzaehlt, wie ihre eigene Mutter ihr Leben lang geschuftet hat, damit sie, Mony, zur Schule und zur Universitaet gehen konnte - sie brauchte die Ausbildung nicht abzubrechen, um Geld fuer die Familie mitzuverdienen, sagt sie. Waehrend das in Deutschland ja eher normal ist, ist das hier, besonders wenn die Kinder Toechter sind, doch eher immer noch etwas Besonderes.

Unten angekommen erwerben wir an einem der wenigen heute doch besetzten Verkaufsstaende eine Palmfrucht. Da ich mich ja immer noch nicht so richtig gut fuehle, ueberlasse ich das Probieren Burkhard. „Suess und saftig“ lautet der Befund. Bevor wir wieder abfahren, gibt es noch eine kleine Aufregung. Eine gruene, angeblich giftige Schlange hat sich an eine Haengematte in einer der offenen Huetten geschlaengelt. Dafuer muss sie gleich mit dem Leben bezahlen. Wahrscheinlich wollen die Benutzer vermeiden, dass sie sich von einer Schadschlange zu einer Problemschlange verwandelt, oder wie war das noch? ;-))

Auf dem Rueckweg machen wir in einem Cham-Dorf Halt. Die Cham sind eine ethnische Minderheit, die ueberwiegend dem Islam anhaengt. Deshalb hatten wir auch am Wegesrand schon mehr als eine Moschee gesehen. Traditionell arbeiten die Cham (unter anderem, denke ich) als Silberschmiede. In dem Dorf sieht es recht leer aus. Eine Huette ist mit einem Schild ausgestattet, auf dem etwas von Silberhandwerk und einer Kooperation der Handels- und Handwerkskammer von Koblenz steht – aber sie ist geschlossen. Mony laesst den Fahrer an einer anderen, offenen Huette halten. Kaum dass wir aussteigen, kommen eine ganze Reihe von Leuten herbeigeeilt, und eine Frau mit gelb-flitterig lackierten Fingernaegeln beginnt, einige der Stuecke weiterzubearbeiten, die an diesem Arbeitsplatz herumliegen. Eine Form wird mit einer teeraehnlichen Masse auf einen Stock geklebt und dann in liebe- oder muehevoller Feinarbeit bearbeitet. Heraus kommen vor allem Doeschen in Tier- oder anderen Formen oder Armreifen. Burkhard meint, wir muessten unbedingt so ein kleines Silberschweinchen erstehen, was wir dann auch machen. O je …

Dann kehren wir nach Phnom Penh zurueck. Es ist erst etwa ein Uhr nachmittags, wir sind auch nicht sehr hungrig, aber wollen doch eine Kleinigkeit essen und probieren eins dieser Lokale am Sisowath Quai aus. Eins, das Backwaren (nicht Bhagwan) anbietet. Ich bestelle ein Stueck Schokoladenkuchen, weil ich das fuer vertraeglich halte. Vertraeglich ist es auch, aber woher es die Bezeichnung hat, bleibt raetselhaft: Es handelt sich um schokoladenfarbenen Teig, der mit schokoladenfarbener „Schmiere“ gefuellt ist. Die Schmiere hat die Konsistenz von „verzaehter“ Spruehsahne, und der Geschmack erinnert entfernt an Kokos. Sowas passiert wahrscheinlich, wenn lokale Koeche oder Baecker die westlichen Spezialitaeten nicht nach einem Rezept, sondern nach einem Foto nachkochen bzw. –backen. [In Shanghai allerdings sind die Baecker noch kreativer. Wozu sich sklavisch an ein Foto halten? Neulich habe ich mit eigenen Augen eine Schwarzwaelder Kirschtorte gesehen, die mit frischen Erdbeeren verziert war! Kritische Geister moegen anmerken, dass es vermutlich keine Schwarzwaelder Kirsch war. Aber es stand Black Forest dran, und so heisst die beruehmte deutsche Kuchenspezialitaet nun mal auf Englisch. Aber was will man auch – Erdbeeren sind doch auch rot!]

Nach dem Essen „muessen“ wir laut dem heutigen Programm nur noch zum Central Market. Der heisst eigentlich Psar Thmei, „Neuer Markt“, und wurde 1935 seinem Namen gerecht. Das Frische daran war und ist der Jugendstil. Das Gebaeude besteht aus einem zentralen Kuppelbau und vier Fluegeln. Jetzt ist aber mindestens der Anstrich ein wenig in die Jahre gekommen. Die hellgelbe Farbe broeckelt mittlerweile ueberall. Unter der Kuppel gibt es Schmuck und Edelsteine, in den Fluegeln auch Elektro(klein)geraete, Textilien und allerhand anderen Kram. Fuer uns ist das nicht wirklich richtig interessant.

Weil ich ja immer so gern Boetchen fahre, ueberrede ich Burkhard anschliessend zu einer Chatomuk-Bootstour. Mony setzt uns am Ufer unweit des Koenigspalastes ab. Da liegen Ausflugsboote, die fuer mindestens 20 Personen ausgelegt sind, aber offenbar auch mit 2 Passagieren losfahren. Da niemand da ist, um uns die bequemsten Plaetze streitig zu machen, lassen wir uns auf Ledersofa und –sessel nieder. Wir fahren ueber die breite Flaeche des Sap- und/oder Bassacflusses, um irgendwo die unsichtbare Grenze zum Mekong zu ueberqueren. Dort sind allerhand Fischer zugange – sie werfen Netze aus, was wir aber erst nach und nach verstehen. Zuerst wundern wir uns ueber den Muell, der in recht regelmaessigen Abstaenden auf dem Fluss schwimmt: Leere Plastikflaschen werden hier einer Zweitverwendung als Schwimmer zugefuehrt.

Als wir wieder festen Boden unter den Fuessen haben, machen wir uns auf zum Nationalmuseum. Als wir dort ankommen, hat es leider schon so gut wie geschlossen: um fuenf Uhr nachmittags machen die schon Feierabend, schade! Es ist ungefaehr viertel vor, als wir ankommen – ich hatte eigentlich gehofft, dass wir noch ein bisschen im Hof herumsitzen und –gucken koennten, aber fuer 10 Minuten lohnt es sich wohl doch nicht, das Eintrittsgeld zu bezahlen. Wirklich schade.

Wir haben noch ein bisschen Zeit zu verbringen: Fuer den Abend haben wir im ueberaus renommierten FCC einen Tisch reserviert, dem Foreign Correspondents Club of Cambodia (alternativ daher auch manchmal als FCCC abgekuerzt). Nachdem wir die Filiale in Siem Reap nicht betreten haben, wollen wir die hiesige aber doch einmal besuchen. Die Zielgruppe der Auslandskorrespondenten ist wohl zu klein, so dass heute jedermann hingehen kann. Wir suchen also ein Café in der Naehe aus, das mit der unvermeidlichen „Haeppi Hauer“ lockt, wie mein Vater zu sagen pflegte. Aber Service und Getraenkeauswahl lassen sehr zu wuenschen uebrig, so dass wir noch kurzfristig beschliessen, uns eine Massage zu goennen. Gegenueber ist so ein Etablissement, in dem angeblich Blinde massieren. Sie sind auch wirklich mindestens stark sehbehindert, die Masseure, und muessen erst einmal hergeholt werden. Burkhard entscheidet sich fuer eine Hals- und Nackenmassage, ich fuer eine Fussmassage. Die Stunde kostet 6 oder 7 Dollar, aber ich muss leider sagen, dass die Massage nicht besonders gut war. Mir wurden vor allem die Waden massiert, dafuer reichte Burkhards Hals bis zu den Fuessen. Aber so wurde die Zeit bis zum Abendessen nicht lang.

Unser Reisefuehrer mag vielleicht Recht haben mit der Aussage, dass das FCC in Phnom Penh das Restaurant mit dem besten Ambiente sei. Die Kueche ist – na ja, ganz in Ordnung, es schmeckt schon, aber Hoehenfluege sind das nicht. Und der Service macht eher Tieffluege. Waehrend wir noch die Vorspeise verzehren (und nicht schon den letzten Bissen im Mund haben), wird schon das Hauptgericht serviert. Ich weise darauf hin, dass es zu frueh sei – egal. Da steht es auf unserem Tisch und kann nun in Ruhe abkuehlen. Zum Ausgleich laesst dafuer das Dessert auf sich warten. So lange, dass wir uns zwischendurch doch genoetigt sehen, uns vorsichtig nach seinem Verbleib zu erkundigen … Nein, den Vorschusslorbeeren und dem Preisniveau entspricht die Leistung nicht.

Mit dem Tuk-Tuk lassen wir uns zum Hotel zurueckfahren. Das gibt erst noch Streit unter den Fahrern, da hat sich wohl einer vorgedraengelt – das geht gar nicht. Uns kann es egal sein. Wir werden wohlbehalten am Sunway-Hotel abgesetzt.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Lateeerne, Lateeerne!

Sonne, Mond und Steeerne! Nun, ich bin also zurueck in Shanghai, wo ich die Sonne heute nicht gesehen habe (es war zu truebe), wohl aber den Vollmond und kuenstliche Sterne (fuer die echten war es auch nicht klar genug).

Denn heute ist der 15. Tag des ersten Mondes (also Vollmond) und somit Laternenfest. (Weitere englischsprachige Infos darueber gibt's z.B. auch hier oder da.) Nicht nur, dass natuerlich immer noch die roten Laternen den umgestalteten Weihnachtsbaum im Foyer des Citigroup Tower schmuecken, nein, auch anderswo haengen reichlich Laternen. Aber meist nur viele von derselben Art. Dass hier in der naeheren Umgebung irgendwo eine Ausstellung individueller Laternen waere, ist mir nicht bekannt. Glaub' ich auch nicht, das wuerde ja Arbeit machen. ;-)) Der Hof hinter dem Clubhaus im Yanlord Garden war mit roten Laternen reichlich geschmueckt. Heute hatten wir erstmals wieder Chinesischunterricht nach laengerer, krank- und abwesenheitsbedingter Pause. So kamen wir in den Genuss des Anblicks. Und ich hatte den Fotoapparat nicht dabei, wie schade!

Laternen hin oder her - vor allem war heute noch einmal heftiges Feuerwerk angesagt. Draussen boellert es jetzt, um fast Mitternacht, immer noch tuechtig. Damit sollten die Ratten dann endgueltig angekommen sein.

Montag, 18. Februar 2008

Grillhaehnchen

So ein Pech aber auch, dass ich im passenden Moment nicht daran gedacht habe, den Fotoapparat hervorzukramen ... ich hatte ihn ja dabei. Nachdem ich in der deutschen Dienstleistungsgesellschaft um 16:17 Uhr an '"meiner" Sparkassenfiliale vor verschlossenen Tueren stand, musste ich eine andere Filiale aufsuchen - immerhin gibt es ausgewaehlte, die bis 18 Uhr geoeffnet sind. Nicht weit entfernt von der, die ich mir ausgesucht hatte, gibt es ein Abrissgrundstueck (so sieht es jedenfalls aus), auf dem Platz zum Parken frei war. Aber auch ein Hinweisschild, dass dieser Parkplatz kostenpflichtig sei. Aber wo ist der Automat? Weit und breit keiner zu sehen. Wer geduldig das Hinweisschild bis zum Ende durchliest, wird mit folgendem schoenen Satz belohnt: "Bitte beim Grillhaehnchen melden" - und in der Tat steht an einer Seite des Platzes so eine mobile Grillbude. Waehrend ich noch ueberlege, welches der Haehnchen zustaendig ist ... 

Freitag, 15. Februar 2008

Mexiko - Mongolei - Heimatabend - Japan

Das ist die Kurzfassung meines Abendprogramms diese Woche: Am Dienstag war ich mexikanisch essen im Café Especial. Haette ich vorher ein bisschen herumgesurft, waere ich vorbereitet gewesen, dass das Essen nicht so richtig toll war ... egal. Essen war ja nicht der Zweck des Besuches dort, sondern bloss Beiwerk. Ich hatte die Degustacion del Pacifico (s. Speisekarte) und bin immerhin nicht hungrig nach Hause gegangen, obwohl ich ziemlich viel auf dem Teller gelassen hatte. Waere ich laesterlich, wuerde ich also das Urteil 'Schweinefraß' faellen: nicht toll, aber viel!  ;o))  Leider ist das Café Especial so coooool, dass dort niemand mault, wenn das Nichtrauchgebot schamlos missachtet wird ...

... da lob' ich mir das Mongo'S gleich gegenueber, in dem am Mittwoch das Konferenzdinner stattfand. Das ist jetzt brav rauchlos, wie sich das gehoert. Ich habe da mal Kaenguru probiert. Ha jo. Die sind essbar. (Das aendert alles, sagte der Biber in Anbetracht eines Holzbeins, so festgehalten in einem Cartoon von Gary Larson.) Es haette auch Impala gegeben ... was man nicht alles essen kann ... Aber nachdem ich jetzt gerade gelesen habe, dass die auf der Roten Liste stehen (s. Link), finde ich das nachgerade skandaloes. Wie kann denn sowas ueberhaupt moeglich sein, empoer, empoer??!?!!! Und bloss weil die Impalas sich vermutlich so aehnlich wie die Springboecke im boing-boing-Modus fortbewegen, braucht man sie ja nicht fuers Bueffet zu schlachten - der besagte Modus ist doch durch die australischen Beuteltiere schon abgedeckt! (Die, ebenfalls laut Gary Larson, schon mal von Artgenossen mit den genervten Worten "Du brauchst nicht jedesmal boing! zu rufen!" zurechtgewiesen werden.)

Aber es soll keiner sagen, dass ich hier zuviel mit Essen beschaeftigt sei. Gestern Abend gab's was fuer die grauen Zellen und das Zwerchfell: Couch. Ein Heimatabend. Das ist das aktuelle Stueck des Kommoedchen-Ensembles. Sehr zu empfehlen! "Háaach! Náeeeeh! Was hab' ich wieder fuer'n Tschettlaaeeeg!" Leider hatte ich den dann wohl auch immer noch und war gegen Ende furchtbar muede, aber trotz der Muedigkeit musste ich lachen. "Echte Maenner essen keinen Honig, die kauen Bienen!" Nicht mal Heldenhonig. Aber man kann das ja gar nicht alles beschreiben ... selber hingehen! Oder noch ein bisschen auf der Kommoedchen-Website surfen, die ist recht nett.

Der fuer heute vorgesehene Sushiabend wurde leider kurzfristig abgesagt, aber vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht ... bin furchtbar muede.

Sonntag, 10. Februar 2008

"Teflonfladen"

... koennte man leicht tippen, wenn man Telefonladen schreiben will. Nachdem ich bisher mein Lebtag lang vermieden habe, solche ominoesen Etablissements zu betreten, habe ich mich gestern doch in die Hoehle der Mobilfernsprechloewen getraut. Irgendwie ist das ja nicht so praktisch, hier in Deutschland nicht bzw. nur per Blackberry erreichbar zu sein, dafuer aber die ganze Zeit nutzlos mein chinesisches Nokia (!!) in der Handtasche herum- oder auch umherzuschleppen. Die chinesische SIM-Karte unterstuetzt naemlich weder das Telefonieren ins noch im Ausland. Vielleicht sollte ich mal nach Bochum fahren? Ich habe gehoert, dort stuende im Foyer des staedtischen Theaters eine grosse Tonne, in die man/frau aus Empoerung ueber die illoyale, hochgradig unmoralische Firma sein/ihr Mobiltelefon der besagten Teufelswerker werfen koenne, wenn man/frau das Teufelszeug nicht laenger um sich zu haben wuenscht. Aber in der Oeko-Gesamtbilanz erscheint es mir nachgerade nachhaltiger, das Geraet nicht zu verschrotten, sondern es auch in Deutschland nutzbar zu machen. Gesagt, getan - einmal tief Luft geholt und den erstbesten Telefonladen in Koeln in der Ehrenstrasse betreten. Die sehen ja sowieso alle gleich aus ...

Ein cooles Duo, schwarz mit neutralem Kurzhaarschnitt und blond mit gegelter (sprich: ge-geeel-ter) Moritz-Frisur (ansatzweise wie bei Moritz von Max & Moritz) hoert sich meine Kurzgeschichte an und ist sehr beeindruckt. "Da haben Sie jetzt also Ihren Wohnsitz so richtig nach China verlegt?? Sowas hoert man ja jetzt immer oefter ... Haben Sie auch Kulturschock, wenn Sie nach Deutschland zurueckkommen? Ein mir bekannter Arzt, der nach zwei Jahren aus Australien zurueckgekommen ist, war voellig frustiert - 'die miesepetrigen Gesichter in der S-Bahn ...'" Dann erzaehlen sie mir was ueber moegliche Vertraege und spaetestens, als ein Satz mit "wenn Sie dann nach Hause kommen" eingeleitet wird, verstehe ich wirklich nicht mehr, was gemeint ist. ;-)) Aber mit einer kleinen Nachfrage laesst sich das beheben. Ein kurzer Test ergibt, dass mein Geraet auch mit der SIM-Karte funktionieren wird. Ich finde dann also eine (wie ich denke) sehr gute Option fuer meinen Anwendungsfall, muss nur ein bisschen warten bzw. kurz ein paar Einkaeufe erledigen, und dann ist die neue Nummer aktiviert. Jetzt habe ich also auch eine deutsche Mobilfunknummer. Und fuehlte mich nett und freundlich beraten. Gut gemacht, Jungs!

Freitag, 8. Februar 2008

Gelandet

So, diesen LH-Flug muss ich ja mal ausdruecklich loben. Vorzeitiges Einsteigen, Flieger nicht sehr voll, puenktlicher Abflug und vor allem - das kenn' ich ja sonst gar nicht! - zuegiges Servieren der Mahlzeiten, puenktliche Landung, freundliche Behandlung (die haben sogar den Adapter fuer den Laptop-Strom verschenkt!) - keine Ahnung, was heute verkehrt war! ;-)) In Frankfurt ging es auch relativ schnell, was ich unter anderem darauf zurueckfuehre, dass ich ja diesmal den Anschlusszug nach Koeln statt eines Anschlussfluges nach Duesseldorf nehme. Das spart schon mal auf jeden Fall die Extra-Sicherheitskontrolle, an der sich ja immer reichlich Schlange befindet. Ja, und jetzt sitze ich also schon ein Weilchen in der Naehe von Gleis 6 und warte, dass die ganze Stunde Wartezeit umgeht. Jetzt ist es ja schon nur noch eine halbe.

In Pudong ging auch alles recht schnell heute, es war auch erwartungsgemaess nicht sehr voll. Vor allem scheint man aber eine Geschaeftsprozessanalyse gemacht zu haben, an deren Ende die Abschaffung der Zolldeklaration fuer Ausreisende stand. (So was Dummes, hatte ich das Formular doch schon in vorauseilendem Gehorsam im Maglev ausgefuellt … vergeblich gearbeitet!) Ich stelle mir das jedenfalls ungefaehr folgendermassen vor - ein Berater/Prozessanalyst stellt die Fragen, Flughafenangestellte antworten:
- Sie lassen also alle Passagiere eine Zolldeklaration ausfuellen?
- Ja, natuerlich.
- Wieviel Prozent der Ausreisenden haben etwas zu deklarieren?
- Weiss nicht so genau, bestimmt weniger als 30%.
- Sie sammeln also von 70% der Reisenden ein ausgefuelltes Formular ein, auf dem mit vielen Haken erklaert wird, dass sie nichts zu erklaeren haben?
- Ja, natuerlich. Das sind im Monat etwa (nennt eine haarstraeubend grosse Zahl).
- Gut. Was machen Sie denn mit diesen vielen Formularen? Da kommt ja ein ganz schoenes Volumen zusammen, wo bewahren Sie die denn auf?
- Och, so viel ist das gar nicht. Wir lagern die hier in dem Kabueffchen.
- Wie, soviel ist das gar nicht? Sie haben mir doch eben die Zahl pro Monat genannt, lassen Sie mich mal rechnen. 500 Blatt sind 6 cm hoch … (rechnet murmelnd vor sich hin) …
- Jaja, aber damit die Stapel nicht zu hoch werden, werfen wir die der letzten Woche doch immer freitags weg!
- (sprachlos)

Und den Rest kann sich jede/r denken. Das neue Verfahren hat scheinbar nur Vorzuege: die Passagiere sparen Zeit, die Zollbehoerde spart Papier und schont damit den Baumbestand, wer auch immer spart einen oder eineinhalb Arbeitsplaetze von den Formulareinsammlern … und weil's in China genug zu tun gibt, werden diese eineinhalb auch sicher nicht arbeitslos. Genialer Coup!

Neujahrsspaziergang

Wie es sich fuer einen richtigen Neujahrstag gehoert, hat heute (also gestern, meine ich) sogar die Sonne ein bisschen geschienen. Also sind wir auf bekannten Wegen Richtung Stadtgotttempel gegangen. Meine Guete, war die Stadt heute voll! Das fing schon auf der Faehre an - und offenbar alles (chinesische) Touristen, oder jedenfalls viele. Sonst machen ja Zweiradfahrer einen grossen Anteil der Passagiere aus, aber heute waren fast nur Fussgaenger drauf, und die Faehre war trotzdem voll! Dafuer hat der Kapitaen ziemlich "herumgehampelt" - vermutlich ein unerfahrener Kollege, weil die erfahrenen ja bestimmt alle Neujahrsurlaub haben.

Je naeher man Richtung Yu Yuan und Stadtgotttempel kam, umso groesser wurde das Gedraenge. So ein Gerempel und Geschiebe hatte ich schon lange nicht mehr ... muss ich eigentlich auch nicht haben, aber so ist es nun einmal an Neujahr. Auf dem Platz mit der Steinbruecke an der offenbar jetzt fertiggestellten Dragon Gate Mall, einem nagelneuen Gebaeudekomplex, in den aber bisher noch kaum jemand mit seinem Laden eingezogen ist (wahrscheinlich Wahnsinnsmieten da ...), wurden zu Trommelschlaegen Drachentaenze dargeboten. Der See mit dem Teehaus im Herzen war wieder reichlich mit bunten Figuren dekoriert, und ueber die Zickzackbruecke durfte man sich heute nur in einer Richtung schieben lassen, wovon wir dann lieber abgesehen haben. Wir sind statt dessen in den Stadtgotttempel gegangen - Burkhard war ja noch gar nicht dort gewesen! Meine Guete, war das da voll. Lodernde Feuer allenthalben, unzaehlige Raeucherstaebchenopfer, ohnehin alles voellig verraeuchert. Anlaesslich der Feiertage haben die taoistischen Moenche (oder was sind das fuer Leute?) in den blauen Anzuegen mit den schwarzen "Kaffeewaermermuetzen" (ja, die sehen aus wie so Kaffeekannen- oder etwas gross geratene Eierwaermer) verschiedene Papierwaren zu Geld gemacht - sicher eine gute Einnahmequelle fuer den Tempel. Am besten hat mir ja dieser Stempel gefallen, etwa 10x10 cm gross, mit einem Tiergriff. Damit wurden Stadtgottplakate und so eine Art von Servietten gestempelt, alternativ noch Schriftrollen mit Worten in Siegelschrift (??) - aber wenn man immer noch weitgehend Analphabet ist, weiss man leider nicht, was das alles bedeutet. Bringt aber sicher sehr viel Glueck! (Der Stempel war natuerlich nicht zum Verkauf, nur die Stempelabdruecke.)

Anschliessend haben wir noch eine kleine "Futtertour" gemacht und verschiedene Dinge von "Mampfbuden" probiert, keine Ahnung, was das alles war ... Fleischspiesse und ziemlich fettige, ansonsten aber leckere "Fluehlingslollen" waren jedenfalls auch dabei. Zum Abschluss haben wir uns noch diese kleinen Kuchen mit Rote-Bohnen-Fuellung und karamelisierter Oberflaeche gekauft, die im Dauerbetrieb in einer Pfanne mit sieben Mulden gebacken werden, das Stueck zu 3 RMB. Faszinierende Vorstellung, dass diese Pfanne zusammen mit dem kleinen passenden Ofen fuer jemanden die Existenzgrundlage sein kann.

Donnerstag, 7. Februar 2008

Das Jahr der Winselstute

So, nun ist es unwiderruflich vorbei, das Jahr des Schweins. Wie schade. Den ganzen Tag ueber wurde Feuerwerk abgebrannt. Als es noch hell war eher zaghaft, dann wurde es mehr, und um Mitternacht war natuerlich die Boellerhoelle los. In unserem Panoramawohnzimmer fuehlte man sich, als saesse man mittendrin im Feuerwerk. (Wahrscheinlich, weil es so war!) Raketen auf allen Seiten, das ist schon irgendwie klasse! Der Laerm war wieder absolut ohrenbetaeubend, falls sich noch irgendwelche boesen Geister in irgendwelchen Ecken versteckt hatten, sind die dadurch sicher vertrieben worden. Falls es aber irgendwo gute Schweine (? - der natuerliche Gegenpol zu boesen Geistern!) gegeben haben sollte, haben die sich sicher zu Tode gefuerchtet bei den ganzen Kanonenschuessen. Huelfe! Huelfe!, wie neulich Gerburg Jahnke in der WDR-Kabarett-Hoerkolumne arme Schweine mit ihren suessen "Steckdosenschnaeuzchen" zitierte.

Jetzt ist also das Jahr der Ratte angebrochen, und es ist auch rattenkalt. Aber immerhin trocken - die Schmutzschneehaufen, die immer noch allenthalben herumliegen, koennen jetzt ganz in Ruhe langsam vor sich hinsublimieren. Leider muss ich berichten, dass es zuletzt immer oefter vorkommt, dass das, was hier aus den Wasserhaehnen fliesst, wie geschmolzener Schmutzschnee aussieht. Das ist wieder einmal was, worauf ich mich besonders freue: hervorragendes Trinkwasser in Deutschland einfach aus der Leitung! Das ist Luxus.

Und weil ich ja nun am Freitag nach Deutschland fliege, habe ich heute noch "mal rasch" die Fotoerinnnerungen an ein Treffen am Altenberger Dom im letzten September fertiggestellt. Wie ueblich - mit Bildbearbeitungsprogrammen und Co. kann man wirklich beliebig viel Zeit ver(sch)wenden. Da gehoert eigentlich ein Warnhinweis drauf ... mindestens sowas wie "Das Benutzen dieser Software gefaehrdet Ihre Nachtruhe." oder so aehnlich ...

Montag, 4. Februar 2008

Schnueff, ist das traurig!

Nun neigt sich das goldene Jahr des Schweins definitiv dem Ende entgegen - ab Donnerstag beginnt das neue Jahr der Ratte (oder Maus), da machen die Chinesen keine kleinlichen Unterschiede. Das einzige goldene Jahr des Schweins meines Lebens, immerhin - schliesslich ist nur jedes zwoelfte Jahr ein Schweinejahr und jedes fuenfte Schweinejahr ein goldenes. Schnueff, ist das traurig! Waehrend im letzten Jahr hier wie zu meiner Begruessung alles voller Schweine war, in allen Groessen, Formen, Farben und Ausfuehrungen, so dass ganz klar war: hier bin ich richtig!, sind jetzt ueberall mehr oder wenige bloede Maeuse zu sehen, meist Mickymausverschnitte - oder halt dicke Ratten.

Einen guten Anfang nimmt das neue Jahr ja nicht wirklich, mit der ganzen Schneekatastrophe hier in diversen Landesteilen, von denen man in Shanghai zum Glueck nur in der Zeitung zu lesen braucht. Vor allem tut es mir fuer die vielen Reisenden leid - fuer viele ist das ja der einzige richtige Urlaub des Jahres, und dann auf irgendwelchen Bahnhoefen oder Flughaefen oder Strassen gestrandet sein, das ist wirklich schrecklich. Schnueff, ist das traurig!

Und mit meinem Husten fuehlt und hoert es sich mittlerweile so an, als muesse ich ein ganzes Jahr Tag fuer Tag einzeln abhusten ... Schrecklich.

P.S. Der Blog wird nicht umbenannt - bei mir persoenlich ist ja jedes Jahr ein Jahr des Schweins. Oink.

Sonntag, 3. Februar 2008

Mittwoch, 2. Januar 2008: das duestere Kapitel

Nach lauter Hochkultur am Vormittag ist der Nachmittag den tiefen Abgruenden gewidmet: Auf dem Programm stehen die Voelkermord-Gedenkstaette Tuol Sleng sowie die Killing Fields von Chœung Ek. Wir fahren also erstmal in den Sueden der Stadt, zur ehemaligen Schule Tuol Sleng. Nachdem die Roten Khmer ohnehin Schulbildung fuer unnoetig bis verdaechtig erklaert hatten, war das Gebaeude ja leer und konnte einer anderen Verwendung zugefuehrt werden (davon abgesehen, dass alle Staedter ja sowieso vertrieben waren, s.u.). Also hatte das sogenannte "Sicherheitskomitee" S21 hier Quartier bezogen und die Raeume zu Zellen umgebaut. Die Schule besteht aus vier Bloecken, jeweils dreistoeckig, die wie ein breites U um den Schulhof herum angeordnet sind. In Block A, links, kann man die Zellen fuer die prominenten Inhaftierten sehen. Grosse Raeume, gelb getuencht, mit je einem eisernen Bettgestell in der Mitte und einem Foto, wie der Raum bei der Befreiung aussah. Schon makaber genug. Vor diesem Block befinden sich die Graeber der 14 Personen, deren Leichen hier bei der Befreiung noch aufgefunden wurden. An den Waenden haengen fuer die jetzigen Besucher "Lachen verboten"-Schilder. Nun, ich wuesste auch nicht, was es hier zu lachen gaebe. Aber vielleicht ist das fuer Schulklassen, Kegelclubs oder andere Gruppen, die so mit sich selbst beschaeftigt sind, dass sie um sich herum gar nichts sehen?? Aber ob sie dann das Schild bemerken?

Die beiden Bloecke an der Basis des U waren zu Zellen fuer die "normalen" Inhaftierten umgebaut worden. Im Erdgeschoss mit schlampig hingemauerten Waenden und ohne Tueren (die Inhaftierten waren angekettet), in den oberen Geschossen mit hoelzernen Kabinen. Bevor man das aber zu sehen bekommt, gibt es Raeume mit Hunderten von Fotos - Opfer und Taeter. Letztere alle sehr jung, was natuerlich Prinzip hatte - ein Prinzip, das ja leider heute auch noch in all den Laendern angewendet wird, die immer noch Kindersoldaten rekrutieren. Die Fotos sind schon bedrueckend. Sehr unterschiedlich auch die Gesichtsausdruecke der Opfer: von neutral ueber muede, bedrueckt, gequaelt bis resigniert, aber auch trotzig oder gar laechelnd. Man kann an den Fotos auch die fortschreitende Professionalisierung der Abwicklung sehen: Anfangs waren das nur einfach Bilder der Opfer, spaeter wurden zunehmend detailliertere Schilder mit Nummern und Daten mitfotografiert. Zynischerweise ist es hier wie ueberall: mit der Zeit kristallisieren sich "best practices" heraus. Noch schlimmer sind dann die Dokumentationsfotos derjenigen, die unter der Folter gestorben sind. Das musste naemlich alles genauestens dokumentiert werden, damit die Anfuehrer sicher sein konnten, dass auch wirklich niemand entkommen waere. Was ich nicht verstanden habe: Es hiess, die Leute seien ziemlich lange hier im Tuol Sleng-Gefaengnis gewesen, bevor sie am Ende unweigerlich zu den Killing Fields transportiert und dort umgebracht wurden. Warum nur? Ich will ja nicht zynisch sein, aber aus Sicht der Roten Khmer ist eine lange Inhaftierung vor der Ermordung nicht zweckmaessig gewesen. Oder ob sie ihre Landsleute wirklich erst umbringen wollten, nachdem sie hinreichend lange versucht hatten, sie zu ihrer Meinung nach "guten Menschen" umzuformen, was aber in keinem einzigen Fall geglueckt ist? Die Verhoerregeln, die auf einer grossen Tafel dokumentiert sind, besagen ohnehin, dass der Haeftling stets im Unrecht ist, spaetestens wenn er irgendetwas anderes sagt als (sinngemaess) Yes Sir!! … Ein perfides System. Ueberhaupt war Sprechen zur Zeit der Roten Khmer etwas, was man offenbar am besten unterliess - die Gefahr war zu gross, dass irgendjemand irgendwas irgendwie verdaechtig finden koennte, und dann war man bei dem offensichtlichen Verfolgungswahn der Regierenden gleich ein Kandidat fuers Untersuchungsgefaengnis - mit eigentlich immer toedlichem Ausgang.

Es gibt noch ein paar weitere Raeume mit schauerlichen Exponaten. Die Ausstellung der Folterwerkzeuge zeigt, dass sie sich wenig von den mittelalterlichen Geraetschaften unterscheiden, die man in Europa in den Museen finden kann. Zusaetzlich wurden allerdings auch neuzeitliche Elektroschocks verwendet - sonst haette man wirklich denken koennen, es sei just wie zu den Zeiten der Hexenverbrennungen gewesen. Neben den Geraeten haengen naiv gemalte Bilder an den Waenden, die ihre Anwendung zeigen. Im Stil von Kinderlexikon-Illustrationen, ich weiss nicht so recht, was ich davon halten soll.

Ich bin auch von den drei Landkarten beeindruckt, die an einer Wand haengen. Die ersten beiden zeigen die erste und zweite Umsiedlungswelle. Es scheint wirklich so gewesen zu sein, dass niemand bleiben durfte, wo er/sie war. Die Staedter mussten aufs Land, das ist ja sowieso klar, aber die Bevoelkerung je eines Landstrichs musste auch in einen anderen umsiedeln. Warum nur? Ich kann es mir nur als Bestandteil einer allgemeinen Entwurzelungs- und somit Verunsicherungstaktik denken. Damit man nirgendwo die ganz besonderen gens d'ici (also die Leute von hier) vorfand, die in diesem (gleichnamigen??*) Lied von Julien Clerc besungen werden. Und zum Thema Staedter aufs Land: das wurde ja wohl nie und nirgends so radikal ausgefuehrt wie hier. So wie ich es verstanden habe, mussten binnen weniger Tage alle - alle! - Leute weg aus Phnom Penh, danach stand die Stadt leer! - Auf der dritten Karte sind die verschiedenen Staetten des Grauens verzeichnet. Es gab ja nicht nur bei Phnom Penh Killing Fields - um so viele Landsleute zu ermorden, brauchte man sie dezentral. In der Legende steht, dass es 343 Stueck gab - ueber das ganze Land verteilt. In den 3 Jahren, 8 Monaten, 20 Tagen ihrer Herrschaft hatten die Roten Khmer schon ein Viertel der Kambodschaner umgebracht, unvorstellbar - haette ihr Reich so lange gedauert wie unser drittes, waere wohl niemand mehr uebrig gewesen??!!

Im dritten Obergeschoss gibt es noch Fotoausstellungen. Nummer eins: Die Folterknechte von damals heute befragt. Die meisten sind jetzt erst um die 50, ueberwiegend sagen sie "ich hatte keine Wahl". Da ist sicher noch einiges an Aufarbeitung zu leisten. Aber das ist bekanntlich ein langer und schwieriger und schmerzhafter Prozess, wie z.B. wir Deutschen ja wissen. - Nummer zwei zeigt Bilder von Schaedeln mit Einschuessen. In der Ausstellung steht, dass man die Schaedel eigentlich habe ausstellen wollen, aber dass der Koenig sich dagegen ausgesprochen habe, weshalb man davon abgesehen habe. Das Komische ist nur, dass sie eben doch in einem der Raeume unten zu sehen sind. Es steht auch geschrieben, wie sie unter Plexihauben praesentiert werden sollten, die sie sowohl schuetzen als auch den Geistern (spirits, nicht ghosts) freies "Hin- und Herumfliessen" erlauben.

Danach gibt es erst einmal Kontrastprogramm: einen Abstecher zum so genannten Russenmarkt: Eine von diesen relativ finsteren Markthallen, in denen es - nein, keine Russen, aber fast alles andere Kaeufliche zu erwerben gibt. Hm - einer wie der andere. Irgendwie sind die alle gleich, die Maerkte. War es in diesem, wo uns die Auto- bzw. Motorradersatzteile so besonders aufgefallen waren? Es gibt auch Gongs, aber wir koennen uns nicht durchringen, einen zu kaufen … Der Markt hat seinen inoffiziellen Namen (offiziell heisst er naemlich Psar Tuol Tom Pong) uebrigens daher, dass die besagten Landsleute zur Zeit der vietnamesischen Besatzung bevorzugt hier einkauften.

Nach dieser Erholungspause steigen wir wieder ins Auto. Die Killing Fields von Chœung Ek liegen etwa 15 km ausserhalb, was, wie wir ja mittlerweile wissen, eine zumindest ernstzunehmende Strecke ist. Wir kommen an, als sich schon fast eine Abendstimmung breit macht. Das grosse oder besser hohe Mausoleum, aus dem etwa 9000 Schaedel den Besucher ansehen, dominiert das Gelaende heute. Dort faellt ansonsten erst einmal nichts besonders ins Auge. Die "Betriebsgebaeude" sind wohl nicht sehr lang nach dem Ende des Schreckensregimes abgerissen worden. Heute erklaeren Tafeln, wie der Ermordungsbetrieb (anders kann man es ja wohl nicht nennen) funktionierte. Die Opfer wurden per LKW antransportiert und nach Moeglichkeit noch am selben Tag umgebracht; wenn das nicht klappte, gab es ein fensterloses Gebaeude, in dem sie bis zum naechsten Tag eingesperrt wurden. Die Geraete zum Umbringen waren in einem Schuppen gelagert - keine Schusswaffen, die Roten Khmer fanden, die Opfer seien keinen Schuss Munition wert. Sie wurden einfach am Rand der Grube zusammengeknueppelt. Kleinere Kinder wurden hingegen gegen einen dicken Baum geschmettert, es ist unfassbar. Kleinere (und auch groessere) Kinder waren natuerlich nicht wegen ihrer eigenen vermeintlichen "Untaten" hier, sondern wegen der ihrer Eltern. Wenn irgendeine/r verdaechtig war, wurde automatisch die ganze Familie mit verhaftet. In Tuol Sleng hatte die S21 fuer die Angehoerigen lange Eisenstangen vorgesehen, an die sie gekettet wurden. Die Idee in den perversen Gehirnen war natuerlich, die "schlechte Saat mit der Wurzel auszurotten". Ich habe ja zusaetzlich den Eindruck, dass man moegliche "Nachfrager" gleich von vornherein ausschalten wollte …

Aber zurueck zum Moerderhandwerk: Um sicherzustellen, dass auch jede/r wirklich tot sei, ging einer in der Grube herum und schnitt den Toten noch die Halsschlagadern auf. Die Leichen in den Gruben wurden gegen ueblen Geruch mit DDT (oder war es irgendein anderes Gift?) bestreut, das im Chemikalienhaeuschen lagerte. Und damit nicht etwa irgendwelche Schreie zu hoeren waeren, hatte man an einem Baum grosse Lautsprecher angebracht, die das Gelaende mit Parteihymnen bedroehnten. Infam. Die Massengrab-Gruben, jede fuer gut 100 Menschen, sind so ganz anders, als ich von Bildern deutscher Massengraeber aus dem zweiten Weltkrieg in Erinnerung habe. Das sind, so jedenfalls meine Erinnerung, grosse tiefe Ausschachtungen, rechteckig mit geraden Kanten und Waenden - hier sind es etwas unregelmaessig geformte Gruben, die ueberraschend klein wirken. Aber wenn ich mir vorstelle, dass man 100 ausgemergelte Leiber neben- und aufeinander schichtet, nehmen die auch wirklich nicht sehr viel Platz ein. Sicher traegt zur Milderung der Eindruecke auch bei, dass buchstaeblich Gras ueber die Sache gewachsen ist. Heute sind die Killing Fields ein relativ kleines, friedlich wirkendes Stueck Land mit Gras, Baeumen und einem kleinen See am Rand …

Man hat 1980, also bereits kurz nach dem Ende der Herrschaft der Roten Khmer, die vom 17. April 1975 bis zum 7. Januar 1979 gedauert hatte, zwei Drittel der 129 Massengraeber geoeffnet und darin die besagten fast 9000, genau 8985 Toten gefunden. Deren Schaedel hatten wohl zunaechst lange in Holzschuppen gelagert, bis die Gedenk-Stupa errichtet worden war. 43 Massengraeber sind hier in Chœung Ek also noch ungeoeffnet. Mony erzaehlt, man wisse ueber alles hier so genau Bescheid, weil man die Henker von damals ja genauestens befragen konnte.

Wir diskutieren dann noch eine Weile auch ueber die deutsche Geschichte, bevor wir die Rueckfahrt nach Phnom Penh antreten. Bis wir in der Stadt sind, ist es schon dunkel. Ueber den voellig verstopften Monivong-Boulevard brauchen wir noch eine halbe Ewigkeit bis zum Hotel. Unterwegs halten wir noch an einem Fotoladen - ich habe schon wieder meine Speicherchips voll, o je …

Als wir spaeter schon im Bett liegen, klingelt das Telefon - die Rezeption teilt mit, dass wir in einem Zimmer untergebracht seien, das nicht der gebuchten Preiskategorie entspreche (aha?! schlimm genug!) - wir koennten aber in ein "richtiges" mit Balkon umziehen. Wann? Jetzt, schlaegt der Herr am anderen Ende der Leitung vor. Bloedmann, um kurz vor 10 Uhr abends! Ich lehne dankend ab und verschiebe den Umzug auf den naechsten Morgen.

* Nein - einmal googeln zeigt sofort, dass das besagte Stueck "This melody" heisst.