Heute Morgen lassen wir uns Zeit. Sam hat uns gesagt, dass unser neues Fuehrer/Fahrer-Duo uns um 12 Uhr mittags abholt. Wir wundern uns - wie sollen wir da das Programm schaffen? Das ist viel zu spaet! Aber da die beiden angeblich erst aus Phnom Penh kommen muessen, waere es eben nicht frueher. Als wir uns gerade um halb neun anschicken, zum Fruehstueck gehen zu wollen, klingelt das Telefon. Unser Fuehrer, der diesmal eine Fuehrerin namens Mony ist, meldet sich am anderen Ende. Man sei schon da, die Firma haette sie fuer 8 Uhr morgens bestellt. Na, das nenne ich doch eine gute Koordination ... Mit etwas Gehuddel schaffen wir es also, um kurz nach 10 Uhr loszufahren. Wir verlassen Siem Reap in suedlicher Richtung auf der Nationalstrasse 6 mit dem Ziel Kompong Thom. Dabei kommen wir am Ortsausgang an dieser wunderbaren Stelle auf der Strasse vorbei, an der links in der Reihe der "Garagenlaeden" ein Verkaeufer traditioneller Geisterhaeuser (spirit houses) seine hauptsaechlich in Rot, Gelb und Gold gehaltene Ware feilbietet, die sich gegenueber in den Schaufenstern eines modernen mehrstoeckigen Zweckbaus mit einer Huelle aus gruenem Glas und graeulich-beigefarbenem Kunststein spiegelt: MODERN HOMEMART CENTER prangt in roten Lettern ueber dem Eingang. Moebel fuer moderne Geister? ;-))
Oha, bei Reisefuehrerin Mony weht ein ganz anderer Wind! Das ist eine ernsthafte junge Frau, nett und freundlich, vielleicht ein bisschen zu ernsthaft. Waehrend uns Sam brav das in der Ausbildung gelernte Wissen weitererzaehlt hat und er sonst der liebe Junge von nebenan war, stehen jetzt soziale Themen auf der Tagesordnung. Auf den fast drei Stunden Fahrt erfahren wir ueber verschiedene soziale Probleme, die fuer Mony bad habits, also schlechte Angewohnheiten ihrer Landsleute sind. Dazu gehoeren die Korruption, haeusliche Gewalt, schlechte Ausbildung der Kinder, besonders der Frauen, aber auch so (vergleichsweise) harmlose Themen wie der Umgang mit Muell, der hier meistens einfach in der Landschaft landet.
Ja, fast drei Stunden - so lange braucht man fuer die 140 km. Das, was hier Nationalstrasse heisst und von "Geberlaendern", in diesem Fall Japan, gebaut wurde, waere in Deutschland eine bessere Landstrasse. Darauf kann man meist nicht sehr schnell fahren. Zum Beispiel, weil Kuehe oder Huehner oder Hunde (oder, viel seltener, Leute) darauf herumlaufen, die man nicht ueberfahren will, oder weil zu viele Zweiraeder, motorisierte oder (wenn eine der beiden "Schulschichten" aufhoert oder anfaengt) unmotorisierte, sich darauf breitmachen. Dann gibt es noch dahinschleichende "Ell-Ke-i-Dabbleju:s" (also LKWs) oder die noch langsameren Ochsenkarren, die immer noch in betraechtlicher Anzahl existieren.
"Gefuehlt kurz vor" Kompong Thom machen wir halt am buddhistischen Kloster Wat Andri. Hier lebt irgendein "Obermoench" aus der Hierarchie der buddhistischen Organisation, man frage mich nicht nach Details, ich muss mich jetzt sowieso als voellig ahnungslos in Sachen Buddhismus bekennen. Die Gebaeude sind zum Teil grellbunt ausgemalt, hier hoere ich zuerst die Sache mit den fuenf Buddhas, von denen vier schon da waren, so dass wir jetzt alle auf den fuenften warten, der aber erst im (buddhistischen) Jahr 5000 kommen wird. Das ist noch so ungefaehr 2500 Jahre hin. Insofern finde ich eigentlich, dass es sich fuer mich persoenlich nicht besonders lohnt zu warten ... Aber im Ernst: hier sehen wir erstmalig so einen Vihear (allgemein eine Versammlungsstaette, in diesem Kontext eine Bethalle zur Verehrung einer Buddhafigur) in der typischen traditionellen Architektur mit "mehrfachen" Daechern und den geschwungenen Dachspitzen darauf. Mit dem hellen (weiss/ockerfarbenen) Anstrich vor dem blauen Himmel sieht das so ganz anders aus als die Tempel von Angkor - auch schoen!
Dann checken wir erst einmal im Stung Sen Royal Garden Hotel ein. Das hatte auch schon mal bessere Tage gesehen, scheint mir - es begnuegt sich mit altem Luxus, der mittlerweile nur noch fuer einen Stern reicht. Hm. Da ist der Kontrast zum renovierten Luxus in Siem Reap unangenehm scharf. Aber unser Zimmer ist gross und einigermassen sauber. Das wird also schon gehen fuer eine Nacht. Den meisten Spass habe ich an der Hausordnung. Da ist es wie bei der Janosch'schen Brieftraegertruppe von Hasen mit schnellen Schuhen. Bei denen lautet die Dienstanweisung zum Briefgeheimnis bekanntlich "Ihr duerft die Briefe nicht lesen und niemandem sagen, was darin steht." Hier im Hotel heisst das "Wir sind nicht verantwortlich fuer Diebstaehle, die durch Prostituierte veruebt werden, und gewaehren Prostituierten keinen Zugang zum Hotel." (Englische Fassung: We are not responsible for any thing stolen by prostitutes (asid not allow prostitutes in).) Auch schoen: Please be careful all cash valuables ETC, Hotel will not be responsible for any thing missing or stolen in room this service is provide free of charge. (sic) Aeh, Moment, was genau war jetzt der Service??
Aber genug gelaestert. Nachdem wir Ananas und Mango aus dem zweiten Obstkorb, den wir im Grand Hotel d'Angkor als freundliche Ueberraschung vorgefunden hatten, verzehrt haben, geht es auf zur grossen Fahrt nach Sambor Prei Kuk. Das ist ein recht altes Tempelareal in etwa 20 km Entfernung. Mony eroeffnet uns als erstes, dass die Fahrt dorthin eine Stunde in Anspruch nehmen wird. Ups! Ich kann mir das gar nicht vorstellen ... die ersten paar hundert Meter sind dann noch asphaltiert, die naechsten schon nicht mehr. Die Fahrt hier ist jetzt eine staubige Angelegenheit, aber man kann immer noch ein bisschen fahren. Dann beginnen die Schlagloecher groesser zu werden - macht bestimmt keinen Spass, hier Fahrer zu sein und sich muehsam und zum Teil zentimeterweise durch die Kraterlandschaft zu schlaengeln. Zumal ein Camry bekanntlich kein Gelaendewagen ist. Das Gerumpel ist stark genug, in den hinteren Reihen leichte Seekrankheit hervorzurufen - zum Bloggen kann ich die Zeit jedenfalls nicht nutzen. Statt dessen gibt es auch hier immer wieder lang an der Strasse entlang gezogene Doerfer, so dass sich eine andere Beschaeftigung anbietet: Pigspotting. Von to spot, etwas ausfindig machen, also das gezielte Ausschauhalten nach Schweinen. Und es gibt sie: die gluecklichen Schweine, die in relativer Freiheit wuehlen und suhlen koennen. Gefleckte oder rosafarbene, schwarze habe ich nicht gesehen. Und hier sieht man auch mal wieder, dass Schweine einfach schlauer sind: Waehrend die viel zahlreicheren Rinder meist mit Kuhhaut behaengte Knochengestelle sind, sind die Schweine immer recht wohlgenaehrt. Nicht uebermaessig fett, aber schoen tonnenfoermig, wie es sich gehoert. Und schliesslich ist das hier ein Land, in dem auch in der Trockenzeit keineswegs grosse Duerre herrscht, sondern, von abgeernteten Reisfeldern mal abgesehen, ueppige Vegetation zu bewundern ist.
Damit das Pigspotting nicht zu leicht wird, stehen an allen Haeusern grosse bauchige Keramikkuebel, die zur Aufbewahrung von Trinkwasser dienen. Wenn man die so aus dem Augenwinkel sieht, sind die meist auch undefinierbar graubraun und irgendwie rundlich und insofern leicht mit Schweinen zu verwechseln ... :-)) Und wo ich gerade ueber die Huetten schreibe: die stehen hier, wie auch in Malaysia, auf Stelzen, wobei es die unterschiedlichsten Stelzenhoehen gibt. Die Stelzen sind meist noch aus Holz, vor allem natuerlich bei den recht aermlichen Flechthuetten, bei neueren und groesseren Holzhaeusern aber eher aus Beton, der mittlerweile wohl auch billiger ist als zur Herstellung starker Pfeiler geeignetes Holz. Ab einer Stelzenhoehe von vielleicht 1,40 m - 1,50 m wird der Raum darunter fleissig mitbenutzt. Vermutlich ist er in der Mittagshitze vergleichsweise kuehl, weshalb sehr oft Haengematten dort zu sehen sind - wie eigentlich ueberall auf unserer Reise. Und die werden auch benutzt, versteht sich.
Speziell hier auf der Fahrt nach Sambor Prei Kuk fallen uns die Dachfirste auf, auf denen oft in der Mitte die Jahreszahl (der Fertigstellung des Daches) befestigt ist, die manchmal von einem Tierpaar bewacht wird (vielleicht das chinesische Tierkreiszeichen des Besitzers?). Am Wegesrand kann man sehr sporadisch auch Graeber sehen, wie uns Mony erklaert. Ein Gedenkstein mit einem kleinen Holzdach ist das dann zum Beispiel - hier stehen keine richtigen Stupas. Zwar sind die Graeber meist in kleinen Gruppen von 2-4 zu finden, aber von einem speziellen Friedhof kann nicht die Rede sein.
Nach langem Gerumpel und der Fahrt vorbei an einer Schule, die die Eltern eines japanischen Soldaten gestiftet haben, der hier in einem Minenfeld umgekommen ist, kommen wir endlich in Sambor Prei Kuk an (hier gibt's einen begeisterten englischsprachigen Reisetipp). Wir werden von einem lokalen Fuehrer durch den Wald begleitet, der allerdings kein Englisch spricht. Vermutlich auch ein Minenopfer, ihm fehlt ein Arm ... das sieht man hier traurigerweise, wenn auch wenig ueberraschend, recht haeufig. Wir erfahren, dass dieses etwas "undurchsichtige" Waldgelaende eins der Rueckzugsgebiete der Roten Khmer gewesen ist, was den Erhaltungszustand der ziemlich alten Ruinen, die aus der Zeit vor dem Angkor-Reich stammen (die aeltesten aus dem 7. Jahrhundert), auch nicht verbessert hat. Es sind alles Backstein-Bauten, zig einzelne Tempeltuerme, die in mehreren Gruppen jeweils mit eigener Umfassungsmauer heute ganz friedlich im Wald liegen. Den Frieden der Besucher stoeren nur die Muecken (ab 5 Uhr nachmittags, sagt Mony) und reichlich Schlangen (nur in der feuchten Jahreszeit, sagt Mony) - unseren Frieden stoert also nichts. Eine der Besonderheiten, die man hier bewundern koennen soll, sind die sogenannten "Fliegenden Palaeste", Reliefs an den Waenden der Tempel. Aber so richtig sehen konnte ich die gar nicht - die offenbar am besten erhaltenen lagen ein bisschen abseits des Weges, so dass ich sie nur aus der Ferne bemerkte, ausserdem hat uns weder der Fuehrer noch Mony irgendwas dazu erzaehlt, so dass ich zu Beginn immer dachte, die guten Exemplare kaemen noch ... Der Begriff stand naemlich (ohne weitere Erklaerung, so was Bloedes) in unserem Reisefuehrer und regt irgendwie meine Phantasie an. Erst im Nachhinein habe ich herausgefunden, dass diese Darstellungen so genannt werden, weil sie Gebaeudefassaden zeigen, die von gefluegelten Wesen getragen werden. In den Fassadenoeffnungen sind Menschen abgebildet. Das geht natuerlich auch wieder auf eine Legende zurueck, in diesem Fall auf eine, die besagt, dass die Goetter einem Menschen, der aus ihrem Reich wieder ins Reich der Menschen zurueckgeschickt wurde, als Abschiedsgeschenk seinen himmlischen Palast mitgegeben haben. Und der wurde eben von Fluegelwesen getragen, Goetter brauchen sowas nicht Stein fuer Stein abtragen und wieder neu zusammensetzen zu lassen.
Ausser den fliegenden Palaesten gibt es noch zum Teil recht gut erhaltene reliefierte Tuerstuerze. Wenn man das Alter bedenkt ... Weitere Erinnerungsfetzen: die Loewen vor dem nach ihnen benannten Loewentempel sehen aus, als haetten sie Verdauungsprobleme - ein namenloses Mini-Tempelchen ist besonders eindrucksvoll von einem Baum umklammert (siehe auch das Bild von Prasat N18 auf dieser Seite, auf der es uebrigens gute Fotos nicht nur von Sambor Prei Kuk gibt, sondern von den meisten Orten, die wir besucht haben) - der kleine Tempel Asram Isey (N17 fuer die Archaeologen) ist, anders als alle anderen, kein Backsteinbau, sondern besteht aus grossen Steinplatten und wirkt nicht sehr asiatisch, sondern ueberraschenderweise etwas roemisch; an seiner Wand erinnern Beschaedigungen an Beschuss zu Zeiten der Roten Khmer.
Mony draengt mit Hinweis auf die Muecken ein bisschen zur Eile, im Nachhinein weiss ich gar nicht warum - wir haben uns gehetzt gefuehlt und fahren dann doch schon gegen 16:20 Uhr wieder ab. Na ja. Die Rueckfahrt ist natuerlich genau so holprig wie die Hinfahrt. Im Spaetnachmittagslicht bekommt die flache Landschaft mit ihren Tuempeln und den Palmen im Gegenlicht einen etwas melancholischen Anstrich.
In Kompong Thom gehen wir in der Daemmerung noch kurz in den kleinen "Stadtpark" am Stung Sen-Fluss. Hier gibt es verschiedene Denkmaeler, vielleicht soll das in Wirklichkeit ein Skulpturenpark sein? Jedenfalls kann man hier eine Skulptur sehen, die Wale zeigt, welche eine Weltkugel auf der Schnauze balancieren - und die ist wieder aus dem vermutlich am einfachsten verfuegbaren Metall hergestellt: Gewehrschrott. Erwaehnenswert - erschreckend! - ist, was man auf der Erlaeuterungstafel lesen kann: "The Monument was created with weapons collected from the residents in Kompong Thom Province under the 'Peace Building and Comprehensive Small Arms Management Programme in Cambodia' from Sep 2005 to Sep 2007, funded by the Government of Japan. The weapons were destroyed in public destruction ceremonies held in this Province." Zu deutsch: Das Monument wurde aus Waffen geschaffen, die in der Zeit von September 2005 bis September 2007 von den Bewohnern der Provinz Kompong Thom im Rahmen des von der japanischen Regierung finanzierten Programms 'Frieden Schaffen und umfassendes Management von Kleinwaffen' eingesammelt wurden. Die Waffen wurden in oeffentlichen Zerstoerungszeremonien, die in dieser Provinz abgehalten wurden, zerstoert." Das ist ja noch ganz frisch! Deshalb wohl auch Neider dryings (sic) nor weapons are allowed in hotel.
Das Abendessen nehmen wir auf Monys Empfehlung hin im Restaurant des Arunras-Gaestehauses ein. Irgendwie haben die Restaurants hier meist Kantinenatmosphaere ... aber das Essen ist ganz in Ordnung. Danach wissen wir hier nicht sehr viel anzufangen - gute Gelegenheit zum Ausschlafen!
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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