Hm, ist ja doch irgendwie schoener, wenn es ein grosses Fruehstuecksbuffet gibt statt bloss Baguette und Marmelade! Das versuesst das zeitige Aufstehen, hat Mony doch heute Abfahrt um 8:30 Uhr angeordnet. Zu arbeiten beginne ich ja immer erst um 9 Uhr, das ist eben der Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit!
Als erstes fahren wir zum Koenigspalast. Den kennen wir ja schon vom Modell im cultural village … aber in Lebensgroesse ist es doch beeindruckender. Wir beginnen am Fluss bzw. am Chaktomuk ("vier Gesichter"), der Stelle, an der sich vier Fluesse treffen: der Sap-Fluss, vom Tonlé Sap kommend, der Bassac sowie der Mekong. Nein, ich bin NICHT zu dumm, bis drei oder eben vier zu zaehlen. Der Mekong zaehlt doppelt, sein Ober- und Unterlauf werden als zwei Fluesse betrachtet. An dieser Stelle findet ein Phaenomen statt, das es nur hier gibt: In der Regenzeit fuehrt der Oberlauf des Mekong sehr viel Wasser. So viel, dass die Fluten in den Sap-Fluss mit solcher Macht hineindruecken, dass sich dessen Fliessrichtung umkehrt: nicht mehr Richtung Meer, sondern landeinwaerts Richtung Tonlé Sap fliesst er dann. (Wie heisst es noch in dem alten neuen Lied "Wenn das rote Meer gruene Welle hat"? Ich meine, mich an die Zeile "Wenn die Fluesse rueckwaerts fliessen, dann bleiben wir hier …" zu erinnern. Man muss vorsichtig sein mit seinen Konditionalsaetzen …) Auf dem Palastgelaende steht auf dieser Hoehe ein wand- und fensterloses Gebaeude, der Mondlichtpavillon. Es heisst, der hiesse so, weil das Mondlicht ungehindert hineinfallen kann. Direkt am Fluss steht ein weiterer kleinerer Pavillon, in dem der Koenig die traditionelle Regatta auf dem Sap oder das Feuerwerk anlaesslich des Bon Om Tuk (Wasserfest) beobachten kann.
Mony hat den Koenigspalast als ersten Punkt aufs Programm gesetzt, weil die Morgensonne ihn am schoensten in Szene setzt, sagt sie. Das Problem ist nur, dass es heute gar keine Morgensonne gibt: eine geschlossene hellgraue Wolkendecke sorgt fuer schattenfreie Ausleuchtung, aber das koenigliche Gelb kann so natuerlich nicht strahlen. Uebrigens gibt es am Touristen-Eingang eine Broschuere mit Erlaeuterungen zum Palastgelaende und einem separaten Uebersichtsplan im Kleinposterformat, auf dessen Rueckseite die wichtigsten Vorschriften fuer die Besucher im Bild dargestellt sind, damit keiner mit der Ausrede kommen kann, er habe die Regeln nicht lesen koennen. Keine Shorts, keine aermellosen Oberteile, keine grossen Rucksaecke (oha! Burkhards Fotorucksack IST gross … aber Fotorucksaecke waren nicht gemeint, was Mony dem Wachpersonal in Erinnerung ruft) und noch einiges mehr, was man nicht darf. Aha, jetzt verstehe ich, warum Mony, bisher in engen Jeans und mit bunten Pullovern unterwegs, heute eine ganz brave cremefarbene Rueschenbluse und dazu einen knoechellangen dunkelblauen Rock traegt: Uniform fuer Tourifuehrer. Und im Koenigspalast gibt es sicher keine Entschuldigung.
Gleich als erstes stoesst man auf eine Galerie mit Staatsgeschenken. Anders als Mitterrands Staatsgeschenke-Museum, das uns hierzu sofort einfaellt, ist die Galerie aber fuer die Oeffentlichkeit nicht zugaenglich. Schade, ich haette ja gern mal wieder so eine schoene Auswahl groesstenteils grauenhaft kitschiger, aber sicher teurer nutzloser Herumsteh-und-Verstaubobjekte gesehen. ;-))
Links liegt dann die offene Festivitaetenhalle, in der der Koenig seine Geburtstagsparties stattfinden laesst. Es war wohl auch hier, wo der alte Koenig Sihanouk, der sich gern mal als Regisseur versuchte (oder war's als Schauspieler??), vor erlesenem Publikum seine Werke zur Auffuehrung brachte.
Weitere Gebaeude sind der farblich herausfallende, da hellgraue Napoleon-Pavillon mit lauter Ns auf den aetzdekorierten Scheiben, der urspruenglich bei den Festlichkeiten anlaesslich der Eroeffnung des Suezkanals als Behausung fuer seine Kaiserin Eugénie diente und spaeter als Geschenk fuer den Vasallen nach Kambodscha "entsorgt" wurde, das Arbeitsgebaeude (fuer einen Koenig reicht halt ein Arbeitszimmer nicht), das Haus zur Aufbewahrung der koeniglichen Insignien, in dessen Untergeschoss der gemeine Besucher eine Sammlung gemischter Objekte betrachten kann, der Thronsaal, das "Jagdhaus" mit Elefantenterminal und ein bisschen abseits die koenigliche Residenz mit den Privatraeumen und noch ein separates Gebaeude fuer irgendeine Koenigin, die nach dem Tod ihres Mannes als Nonne lebte - in ebendiesem Gebaeude. Mir faellt vor allem ein Baum vor dem "Jagdhaus" auf. Der hat ueberall Blueten, aber nur auf einer Seite Blaetter - Burkhard behauptet, das seien drei Baeume, von denen nur einer gruene. Wie prosaisch.
Den Thronsaal darf man nur barfuss oder in Socken betreten. Waehrend ich solche Etablissements in Malaysia immer als relativ sauber in Erinnerung habe, kann man hier feststellen, dass der koenigliche Saal voller Prunk und Pracht eine ruehmliche Ausnahme macht. So was richtig Erwaehnenswertes gibt es darin nicht, ausser vielleicht der Tatsache, dass der eigentliche Thron je Koenig nur ein einziges Mal "besessen" werden darf, naemlich bei seiner Kroenung. Fuer alle spaeteren Gelegenheiten gibt es daher noch einen koeniglichen Sessel. Genau betrachtet zwei, die Koenigin darf auch sitzen. Das Problem mit dem derzeitigen Koenig ist nur, dass er keine Frau und folglich auch keine Erben hat, tststs … und weder das eine noch das andere ist auch nur entfernt in Sicht.
Danach wechseln wir in den suedlichen "religioesen" Bereich, der von einer Galerie umgeben ist, die Anfang des 20. Jahrhunderts in buchstaeblich epischer Breite mit Szenen aus dem Ramayana-Mythos geschmueckt wurde. Dieser erzaehlt die Geschichten, die Vishnu in seiner Inkarnation als Prinz Rama erlebte. (Rama war also Vishnus Avatar in dem Leben, das wir fuer das erste halten - ich habe in diesem Zusammenhang gelernt, dass das Wort Avatar nicht erst im Zusammenhang mit der virtuellen Welt Second Life kreiert wurde.) Damit es nicht zu einfach wird, heisst Ramayana in der Sprache der Khmer Reamker - und nicht genug mit einer eigenen Bezeichnung, es gibt auch lokale Besonderheiten der Khmer-Version. (Und aller lokalen Versionen, weiss Mony.) Ein grosser Unterschied besteht darin, dass die Liebesgeschichte im Ramayana gluecklich, im Reamker aber ungluecklich ausgeht, was Mony uns ausfuehrlich darlegt. Sie scheint von diesem Unglueck persoenlich mitgenommen zu sein …
Das wichtigste Gebaeude auf dem Palastgelaende ist die Silberpagode. Nun stellt man sich ja vermutlich als durchschnittlicher Europaeer unter Silberpagode ein silbernes, turmfoermiges Gebilde mit geschwungenen Daechern vor - oder? Aber so ist es nicht - es handelt sich um eine rechteckige, einstoeckige, ockergelbe Halle, deren Name daher ruehrt, dass der Fussboden mit Silberfliesen ausgelegt ist. Jede wiegt eineinachtel Kilogramm, heisst es. Macht bei 5329 Platten zusammen 5995,125 kg, also knapp 6 t aus. Die Sache hat Gewicht! Bis auf einige kleine "Belegstellen" ist der Raum aber komplett mit Teppichen ausgelegt, so dass man die Wirkung des edlen Bodens gar nicht einschaetzen kann. Der Raum beherbergt eine grosse Buddhasammlung. Die zwei Glanzstuecke sind ein sogenannter Smaragdbuddha aus gruenem Glas und ein goldener, fast lebensgrosser, mit einem Gewicht von 90 kg (bei sehr schlanker Statur) und besetzt mit Tausenden von Edelsteinen, incl. einem 25-karaetigen Brillanten auf der Stirn. Zu seinem Schutz steht er in einem glaesernen Schrank, der mit einem winzigen Vorhaengeschloss verschlossen ist. Na, dann kann ja nichts passieren!! Auf und vor den Statuen und Vitrinen liegen duftende "Armbaender" aus Jasminknospen.
Die restlichen Dinge im Palastareal lassen sich mit "Sammelsurium" hinreichend beschreiben. Ein Modell von Angkor Wat, Plattformen, auf denen kambodschanisch musiziert wird, ein Tempelchen mit einem grossen goldenen Buddhafussabdruck, ein Webstuhl, an dem mit Hilfe speziell zweifarbig gefaerbter Schussfaeden traditionelle geometrische Muster gewebt werden, und eine Fotoausstellung ueber die 7 oder 8 Tage waehrende Zeremonie der Koenigskroenung - aber am Ende haben wir das alles geschafft und koennen uns neuen Programmpunkten zuwenden. Wir verlassen das Palastareal, ohne zu suendigen - die speziell hier lockende Versuchung bestuende darin, eine Bluete vom Kanonenkugelbaum zu pfluecken. Auf einem Schild am Baum heisst es daher extra: "Picking flower is sinful" - Achtung, falscher Freund: sinful heisst eben nicht sinnvoll! ;-)) Es sind aber auch in Pflueckreichweite gar keine Blueten zu sehen.
Wir haben es nicht sehr weit zum Nationalmuseum, das praktisch direkt nebenan liegt, wir muessen nur ganz um den Palast herum. Die typischen Daecher sehen genauso aus wie die der Palastgebaeude, der dunkelrote Anstrich ganz anders. Durchs Museum fuehrt ein lokaler Fuehrer, der brav sein Programm abspult - aber irgendwie ist das nicht sehr befriedigend. Und fotografieren darf man auch nicht. Wir gehen nach dem Ende der nicht sehr langen Fuehrung noch einmal herum und halten uns dann noch ein wenig im Innenhof auf - schoene Atmosphaere. Den "Leprakoenig", also die Statue, nach der die Terrasse in Angkor Thom benannt ist, finden wir aber nicht, obwohl er da sein sollte. Vielleicht ruht er sich noch in seiner Kiste aus - eine Auswahl von Stuecken ist gerade von einer Europareise zurueckgekehrt. Wie wir auf den Transportkisten lesen konnten, waren sie in der Bundeskunsthalle zu Gast und noch anderswo. Stark! So ein Pech aber auch, dass ich nicht da war!
Nach einer Weile reissen wir uns im Hinblick auf das volle Tagesprogramm los. Als naechstes geht es zum Wat Phnom, neben dem unser "Sonnenweg"-Hotel liegt. (Ich kann ja auch nichts dafuer, dass es so heisst.) Hier werden die Auslaender auch mal wieder diskriminiert: "Foreigners pay $1 here". Auf dem Huegel gibt es einen chinesischen Tempel mit vielen streunenden Hunden, Leute, die mit Kaefigen voller Voegel herumlaufen, welche man "als gute Tat" freikaufen kann (vermutlich damit sie sich auf der naechsten Mauerkante niederlassen und wieder eingesammelt werden koennen), einen Vihear mit einer weiteren Buddhasammlung und einen kleinen Schrein zur Verehrung von Frau Penh. Es war mal eine Witwe. Und wie hiess die? Penh. Und es war nicht irgendwer, sondern Witwe Penh, die in einem angeschwemmten Baumstamm fuenf Buddhafiguren gefunden hatte (ein Wunder! ein Wunder!). Und daraufhin begonnen hatte, Geld zu sammeln. Und nicht eher geruht hatte, als bis sie genug zusammen hatte, um das besagte Heiligtum, eben den Wat Phnom, zu erbauen, um den 5 Kumpels eine angemessene Heimstatt bieten zu koennen. Und so kam die ganze Stadt zu ihrem Namen: der Berg der Frau Penh. Die Figur sieht recht naiv aus, scheint sich aber, der Vielzahl der Opfergaben nach zu urteilen, grosser Beliebtheit zu erfreuen.
Beim Abstieg vom Huegel kommen wir am Denkmal fuer die Rueckgabe dreier Provinzen von Thailand an Kambodscha Anfang des 20. Jahrhunderts vorbei. Darunter war auch Siem Reap - da das heute wegen des Tourismus wohl eine der "profitabelsten" Provinzen ist, war die Rueckgabe fuer Kambodscha sicher noch viel besser, als man damals vermutlich glaubte … - Die grosse "Blumenbeetuhr" gleich unterhalb des Denkmals ist weniger interessant als die Tatsache, dass die Baeume gegenueber voller Flughunde haengen - und das mitten in der Stadt!
Dann ist es aber schon Zeit fuers Mittagessen. Mony liefert uns in einem Restaurant namens Bopha mit Terrasse ueber dem Fluss ab. Ganz aussen wollen wir aber nicht sitzen, denn es ist ziemlich windig. Das Restaurant ist zum Fluss hin sowieso wandlos, so dass fuer genuegend frische Luft gesorgt ist. Auf der Karte steht hier unter anderem Bueffelfleisch, das wir dann auch gleich probieren. Im Vergleich zu Rindfleisch soll es ja noch weniger Kalorien haben und ganz fettarm (obwohl doch die Bueffel hier im Schnitt deutlich wohler genaehrt aussehen als die Kuehe) und voellig cholesterinfrei sein (ja dann!). Und gut schmecken soll es auch noch! Und es ist wirklich ganz lecker zubereitet, was wahrscheinlich bei diesem Fleisch besonders wichtig ist, denn wegen der grossen Fettarmut ist es natuerlich ein bisschen trocken und auch nicht superzart. Aber der Koch oder die Koechin hier weiss damit umzugehen - und mit den uebrigen Lebensmitteln auch. Ausser gutem Essen gibt es hier auch noch tolle Brunnen. Es handelt sich dabei um viergesichtige Koepfe à la Bayon. Der besondere Reiz ruehrt daher, dass sie bewachsen und vor allem bemoost sind. Das Wasser laeuft tropfenweise ueber die moosigen Gesichter, und die Tropfen glitzern im Licht.
Gestaerkt koennen wir uns jetzt an das Nachmittagsprogramm wagen.
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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