Der Tag beginnt heute mit komischen Geschichten. Sam erklaert Burkhard zuerst, dass wir unser Programm ja schon vollstaendig absolviert haetten und dass ihn deshalb seine Firma (Indochina Services heisst der Laden uebrigens) schon anderweitig eingeplant haette. Was ist los?? Wo gibt's denn sowas! Den Fahrer haetten wir aber trotzdem. Na ja, o.k. - einerseits kriegt die Firma TUI da eine Beschwerde, da offenbar unsere Anforderung nach flexibler Programmgestaltung zusammen mit dem lokalen Fuehrer gar nicht korrekt weitergegeben wurde und dauernd bloss auf das Programm gepocht wird. Andererseits koennen wir uns dank der Reisefuehrerbuecher wohl auch allein was ansehen, ohne voellig rat- und ahnungslos in der Gegend herumzustehen. Ich habe ja gestern Abend schon ueberlegt, was wir heute machen wollen, und ein kleines Programm zusammengestellt. Hm. Als wir ca. 20 min spaeter durch die Lobby des Hotels kommen, steht Sam immer noch da und erzaehlt uns jetzt eine ganz andere Geschichte, dass er naemlich zu seiner Familie muesse, sein Vater habe ihm heute Morgen schon mehrere SMS geschickt. Und wenn wir uns beim Veranstalter beschweren wuerden, wuerde er seine Stelle verlieren. Hm. Eine family emergency - nun schon die zweite in diesem Dezember, war doch auch einer meiner Mitarbeiter ploetzlich mit diesem Argument fuer voellig unplanbare Zeit (im Nachhinein drei Wochen) verschwunden. Ich glaube, ich werde allergisch ... Ich bin hin- und hergerissen. Man will ja kein Unmensch sein und koennte auch mal in solche Situationen kommen, aber trotzdem ... in diesem Fall hinterlaesst es bei mir einen schalen Beigeschmack vor allem deshalb, weil Sam uns gestern Abend auf der Rueckfahrt zum Hotel freudestrahlend verkuendet hatte, dass wir unser Programm schon "abgearbeitet" haetten und wir uns deshalb morgen den ganzen Tag im Hotel entspannen koennten. Man spuerte die allgemeine Missstimmung im Hohlraum des Autos, als wir ihm sagten, dass wir uns das nicht so vorstellen. Nun hatte er sich die ganze Woche beeilt, uns ueberall hin zu fuehren, um einen freien Samstag zu erhaschen, und da kommen wir mit sowas ... Egal. Wir wollen jetzt los.
Mein eigenes Programm fuer heute beginnt mit einem Elefantenritt. Jetzt aber! Nachdem es nicht geklappt hatte, uns per Elefant auf den Phnom Bakheng oder vom Suedtor von Angkor Thom zum Bayon im Mittelpunkt der alten Koenigsstadt bringen zu lassen, machen wir heute einen Ritt rund um den besagten Bayon. Wir muessen auch komischerweise gar nicht warten. Von einem hoelzernen "Elefantenterminal" gegenueber dem Osteingang aus klettert man auf den Sitz. Dazu muss man dem Elefanten auf den Ruecken treten, das finden wir schwierig - man will doch so ein Tier nicht einfach mit Fuessen treten! Der Sitz ist eine breite Bank mit einem flachen Kissen und einem flachen "Gelaender" hinten und an den Seiten, vorn wird eine Metallstange ueber den Beinen geschlossen, damit man beim ganz schoen holprigen Ritt auch oben bleibt. Die Mahuts haben gruene Anzuege (mit einer kleinen Tasche zwischen den Schulterblaettern - damit auch jeder den Sinn und Zweck dieser Tasche versteht, ist sie mit dem Wort "Tips", engl. fuer Trinkgeld, bestickt) und sitzen den Elefanten im Nacken. Keine schoene Vorstellung, den ganzen Tag jemanden im Nacken sitzen zu haben ... wenn's nicht gerade der Schalk ist. ;-)) Dann geht es los. Ich habe ueberhaupt kein Zeitgefuehl und weiss nicht, wie lange es gedauert hat. Jedenfalls schwankt und rumpelt es ganz schoen, aber man hat doch eine deutlich erhoehte Position (wir haben einen der besonders grossen Elefanten erwischt), von der sich der Bayon gewissermassen in einer neuen Perspektive zeigt. Der Mahut bleibt auch manchmal kurz stehen, so dass man fotografieren kann - unterwegs geht es wirklich nicht. Der Elefant bekommt sein "Trinkgeld", das in Naturalien ausgezahlt wird, schon haeppchenweise unterwegs. Dazu kauft man vorher ein Buendel Bananen von "fliegenden Haendlern". Die werden mit dem Greiffinger am Ruessel dem Mahut aus der Hand genommen und dann mit Schale verspeist. Die Bananen, die am Ende noch uebrig sind, verfuettere ich hinterher an unseren und zwei andere wartende Elefanten. Manche haben ganz viele von diesen fuer indische Elefanten typischen "Sommersprossen", speziell einer ist richtig schwarz ...
Als naechstes sehen wir uns noch einmal kurz die Terrasse des Leprakoenigs von unten bzw. vorn an - um diese Uhrzeit ist die Vorderseite noch in voller Sonne, beim letzten Mal waren wir hier zu einer Zeit angekommen, als die Sonne schon ein kleines bisschen zu weit gegangen war. Aber das war nur ein relativ kurzer Foto-Halt, bevor wir zum Hauptpunkt des heutigen Programms kommen: dem Preah Khan-Tempel. Der liegt noerdlich von Angkor Thom, das wir dementsprechend durch das Nordtor verlassen. Dann fahren wir erst, der Strasse folgend, 5/8 um den Tempel herum, um zum Ost-(=Haupt-)eingang zu gelangen. Den Fahrer bitten wir, uns am Westeingang oder besser -ausgang zu erwarten. Ueber eine Naga-Balustrade erreichen wir das Haupttor in der Aussenmauer, an der grosse Garuda-Reliefs Wache halten. Links davor liegt ein Steinblock, der von fleissigen Spinnen wie mit einer Seidenhuelle bespannt ist - sowas habe ich echt noch nicht gesehen.
Preah Khan ist einer von den Waldtempeln. Waehrend ich noch auf der Eingangsterrasse damit beschaeftigt bin, mich mit "Anti-Mueck" einzureiben (insgesamt ist es mit den Muecken hier nicht sehr schlimm, obwohl auch in der jetzigen Trockenzeit ueberall Tuempel und Teiche sind), beginnt Burkhard schon die Fotosafari. Als ich fertig bin und mich umsehe, sehe ich in einer Entfernung von bestimmt 20 m wiederholte Bewegungen - irgendein Tier, offenbar. Burkhard sieht nach: Aha, eine handtellergrosse, roetliche, ziemlich ungeruehrte Kroete. Ich gehe dann auch hin. Die laesst sich wirklich durch nichts aus der Ruhe bringen. Man kann sie anblitzen, mit dem Fotoapparat ganz nah herangehen, die Blaetter um sie herum aus dem Weg raeumen - sie bleibt sitzen. Wahrscheinlich ist das eine Inkarnation eines meditierenden Buddha, die sich mit den paar Huepfern vorher (die, die ich gesehen hatte) in die richtige Meditationspose gebracht hatte und nun die naechsten Stunden so bleiben will. Lustig zu beobachten ist auch, dass das intensive Betrachten dieser Ecke genuegend Leute anlockt, die dann auch alle mal gucken wollen, hihi! Hinterher haben wir einen "Auflauf" von vier oder fuenf Personen! Da kann ich mich schon neuen Herausforderungen zuwenden - ich habe eine kleine Spinne entdeckt, die nur etwa 1 cm gross ist, aber total beborstet mit hellen Borsten und vielen dunklen Augen. Die ist schon schwieriger zu fotografieren, da etwas "wiggelig". Am Ende springt sie mir auf die Kamera und will das Objektiv einspinnen! Na gut, so kann ich sie im Gegenzug mit der Kamera an eine sonnige Stelle tragen, da wird das Bild besser ...
Der Tempel selber ist ziemlich labyrinthisch. Zum Glueck gibt es ja diese Ost-West-Achse, die entweder erhalten blieb oder restauriert wurde (da kann man jedenfalls ueberall durch- bzw. entlanggehen) - ansonsten wuerde man sich in diesem Gewirr aus Hoefen, Galerien, Kammern und Truemmerhaufen vermutlich schnell verlaufen. Rechts hinter dem Eingang gibt es hier ein ganz ungewoehnliches zweistoeckiges Gebaeude, das ein bisschen griechisch-roemisch wirkt. Unten dicke Saeulen, oben etwas duennere Pfeiler (oder war's umgekehrt?). Die Funktion ist unklar. Wir irren ein bisschen rechts und links der Achse herum, finden schoene Hoefe mit reliefierten Tuerstuerzen, einen "Stupa im singhalesischen Stil" aus dem 16. Jahrhundert (sagt der Reisefuehrer) im Hauptheiligtum, weitere malerische Exemplare von Baumriesen auf Tempelgemaeuern - eine Wurzel sieht wirklich aus wie ein Elefantenruessel - und geniessen die Atmosphaere dieses Urwaldtempels.
Danach sieht mein Programm eigentlich vor, dass wir noch einmal zum Phnom Krom zurueckfahren, in der Naehe vom Tonlé Sap. Aber da geht die Diskussion mit dem Fahrer los ... das waere ja nicht auf dem Programm, und so weit zu fahren, und Benzin waere so teuer, hmm, nae, da muesse er erst mit der Firma sprechen, nein, "I feel I don't want to go to Phnom Krom", und warum wir denn nicht gestern hingegangen waeren, wo wir doch da waren - wir haben schon die Nase voll, fuer 25 Kilometer zu diskutieren, und schmieden rasch einen Alternativplan. Als wir am Hotel ankommen, will er uns doch noch fahren, aber das ist mir ja nun auch zu bloed. Am Ende soll man dann wohl noch besonders dankbar sein und ein besonders ueppiges Trinkgeld geben, oder wie??
Der Alternativplan sieht vor, erst einmal den afternoon tea im Hotel auszuprobieren. Den gibt's ab halb drei, und so spaet ist es jetzt. Man bekommt suesse und salzige Leckerli auf einer Etagere serviert, alles kleine Koestlichkeiten. Burkhard probiert die westliche Ausgabe mit Scones und Foccacia und koestlichen Kuchen-Happen, ich nehme die Khmer-Version mit Fruehlingsrollen und Fleischspiesschen, Gelee- und Klebreishappen und Obst - dazu gibt's halt Tee. Gar nicht uebel und mit 14 bzw. 12 US$ keineswegs zu teuer.
Danach inspizieren wir noch die Gaerten des Hotels und muessen dann unsere Faulheit ueberwinden, was aber zum Glueck gelingt. Wir machen einen Spaziergang in Siem Reap. Der beginnt mit dem oeffentlichen Garten vor dem Hotel oder genauer gesagt zwischen dem Hotel und der koeniglichen Residenz (fuer den Fall, dass er in Siem Reap zu Gast ist - im Moment ist er das aber nicht). Wir gehen am Fluss entlang und stossen gleich darauf auf die Fotogalerie von John McDermott. (Tolle Bilder, die gibt's auch online - unbedingt hier gucken, unter Images ... Angkor portfolio.) Sehr sehenswert! Davor stehen eher kunsthandwerkliche als kuenstlerische Skulpturen. Was sie bemerkenswert macht, ist das Material: sie bestehen aus Gewehrteilen, das ist vermutlich die einzige Form von Metall, die den Kunsthandwerkern in hinreichender Menge zur Verfuegung stand. Man sieht uebrigens oft in "Hausordnungen", dass Waffen verboten sind - diese Regel habe ich bisher in anderen Laendern noch nicht so explizit gesehen, vermutlich war es nirgends so noetig wie hier ... insofern gut, wenn alte Gewehre durch Verarbeiten in Skulpturen definitiv aus dem Verkehr gezogen werden.
Weiter unten am Fluss liegt ein grosses buddhistisches Kloster, und bald darauf kommt man schon in der Gegend des alten Markts an. Wir streifen noch ein bisschen im Viertel herum, in dem es noch Gebaeude aus der franzoesischen Kolonialzeit gibt, und goennen uns einen Fruchtcocktail in einem Strassencafé an einer belebten Kreuzung. Die Langnasendichte ist hoch - es herrscht aber auch eine schoene Stimmung hier im Abendlicht. Dann machen wir uns auf den Rueckweg, es wird ja jetzt rasch dunkel. Auf dem Platz vor dem Hotel entdecken wir, dass die Baeume hier voller Flughunde haengen, die jetzt langsam aktiv werden - ganz schoen grosse Tiere! Dann stammten die Geraeusche, die ich hier am Nachmittag gehoert hatte, gar nicht von Voegeln, jetzt faellt es mir "wie Bohnen aus den Ohren" - das waren die kleinen Pfiffe der Flughunde!
Ich gehe mich umziehen, denn heute abend wollen wir uns noch das Konzert von Beatocello ansehen bzw. -hoeren. Burkhard zieht mit Taschenlampe und Fotoapparat noch einmal auf Fotosafari, um die Flughunde zu erwischen, aber leider scheitert die Expedition weitgehend, weil natuerlich im passenden Moment die Batterien der Taschenlampe leer sind und die Kameraautomatik nicht mehr scharfzustellen weiss ... Nae, nae - und mehr Zeit fuer Experimente haben wir halt wegen des Konzerts nicht.
Mit dem Tuk-Tuk lassen wir uns zum Kinderhospital Jayavarman VII fahren, das auf dem Weg von unserem Hotel nach Angkor liegt. Das ist eins der Kinderkrankenhaeuser, die der Schweizer Arzt Dr. Beat Richner (Webseite mit Texten in englischer, deutscher und franzoesischer Sprache, etwas chaotisch - das waere mal ein kleines wohltaetiges Projekt, die Seite zu ueberarbeiten, ist ja schliesslich fuer einen guten Zweck) in Kambodscha aufgebaut hat. Zum Sammeln von Spenden (Geld und Blut) gibt er Konzerte auf seinem Cello, Stuecke von Bach und einige eher ein bisschen witzige Lieder von ihm selbst. Unter dem Namen "Beatocello" ist er wohl schon in seiner Jugendzeit als Musikclown aufgetreten. Zwischen den Stuecken erzaehlt er ueber seine Arbeit und zeigt auch Filmausschnitte. Einige Zahlen (die man zum Teil auch in Wikipedia nachlesen kann) und Fakten ruetteln wirklich auf. Die WHO und andere Organisationen finden, sein Tun sei nicht nachhaltig, da auf recht viel Geld angewiesen, das seine Stiftung allein noch nicht hergibt. Das Gesundheitswesen muesse zum allgemeinen Entwicklungsstand eines Landes passen, heisst es, vereinfacht. Richner meint, wenn man das Gesundheitswesen in Kambodscha dem Stand des Landes anpasst, muessen Zigtausende von Kindern sterben - und dass er schon sehr viele gerettet und geheilt habe, sei ja wohl nachhaltig genug. Stoff zum Nachdenken, in gut eineinviertel Stunden abwechslungsreich und einpraegsam serviert.
Trotz Nachdenkens lassen wir uns danach, wieder per Tuk-Tuk, zum Hotel zurueck bringen. Heute haben wir fuers Dinner im Le Grand reserviert, denn ab diesem Wochenende war das Hotel nur noch mit Halbpension zu buchen - der Jahreswechsel wirft seine Schatten voraus. Ich nehme als Vorspeise einen leckeren, limonig-frischen Rindfleischsalat, dann ein mildes Huehnercurry. Burkhard hat Fisch bestellt, aber kein Amok - ja wirklich, so heisst hier eine typische Zubereitungsart. Haben wir auch schon probiert, das schmeckt gut und hat keine vom Namen suggerierten Nebenwirkungen! Zum Nachtisch nehmen wir beide "Trio de coco", drei Kokosleckereien, eine leckerer als die andere. Ein schoener und abwechslungsreicher Tag war das!
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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