Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 6. Januar 2008

Freitag, 28. Dezember 2007: Tonlé Sap und krauses Allerlei

Ha, heute gibt es mal was anderes als Tempel von morgens bis abends: Wir fahren zum Tonlé Sap, diesem grossen See, der jetzt eher klein ist: in der Regenzeit ist er siebenmal so gross wie in der Trockenzeit. (Und jawohl, das heisst Sap in einer Silbe und nicht esS-Ah-Peh, sonst waere ich da nicht hingefahren!!) Wir steigen auf einen Kahn mit bestimmt mindestens einem Dutzend Rattanstuehlen, aber den haben wir fuer uns allein. Dann geht es los - erstmal eine Art Kanal entlang, man sieht das ja nicht so richtig … Hier sind alle moeglichen Gebaeude auf schwimmender Unterlage: Schule, Bibliothek, Kirche - mich persoenlich hat ja am meisten die Basketballhalle beeindruckt. Irgendwann sind dann die Gebaeude "zu Ende" und die Landschaft besteht aus graubraungelbem Wasser unten, einem schmalen gruenen Streifen aus Bueschen und ueppigen Wasserhyazinthen in der Mitte und reichlich blassblauem Himmel oben. Dann liegen wieder vermehrt Boote herum: das ist dann wohl schon das schwimmende Dorf. Das sind Hausboote, vielleicht um die 6 m lang und gut 1,5 m breit. In der Mitte spendet ein halbtonnenfoermiges Flechtdach Schutz und Schatten. Nicht viel Platz, um da mit der ganzen Familie zu leben und zu arbeiten. Es gibt auch etwas groessere Haeuser - die haben dann auf jeden Fall eine Antenne, und auf mindestens einem habe ich einen Fernsehapparat in Betrieb gesehen. Arbeiten mag allerlei heissen - wir sehen auf unserer Fahrt vor allem Leute, die ziemlich kleine silbrige Fische aus feinen Netzen in ein Sammelnetz klopfen. Daraus wird wohl eine Art Fischpaste zubereitet. Ich mag mir gar nicht so recht ausmalen, wie die Leute auf diesen Booten leben. Wasserver- und -entsorgung hat man wahrscheinlich direkt rund ums Boot herum … hmmm …

Irgendwann kommen wir dann am Ende dieses Kanalsystems an und sehen auf die freie Wasserflaeche bis zum Horizont. An den gruenen Raendern liegen die meisten Boote, hier auch groessere mit richtigen "hausfoermigen" Haeusern drauf, samt Kuebelpflanzen: die gehoeren wohl den reicheren Seebewohnern. Interessant sind auch die schwimmenden Frischfischcontainer aus Netzen an Rahmen und die Brennholzfloesse - jedenfalls nehme ich an, dass es sich um Brennholz handelt, denn wie Baumaterial sieht das Zeug darauf nicht aus. Auch eine abenteuerliche Vorstellung, auf diesen Booten offenes Feuer zu machen. Loeschwasser gibt es ja genug, aber trotzdem … Die Touristenboote werden mehrfach von Kindern und Erwachsenen geentert, die Getraenke oder Bananen verkaufen wollen, es ist irgendwie schrecklich. Einige Kinder paddeln in runden Blechwannen herum und wollen Geld fuers Fotografiertwerden, ein Maedchen praesentiert zwei Schlangen.

Dann legen wir an einer schwimmenden Fisch- und Krokodilfarm mit Souvenirverkauf und "Café" an. Frueher gab es hier im See wilde Krokodile, heute nur noch gefangene. Die sind schon relativ gross, finde ich, bestimmt 2-3 m lang, und liegen in so einem schwimmenden Container in der Sonne oder im Schatten oder nehmen darin ein Bad. Die sehen alle ziemlich satt aus - zwar hatte Burkhard in einer Reportage gehoert, dass sie mit Schlangen gefuettert werden, aber diese sind wohl auf Fischdiaet: das Futter schwimmt nebenan. Es sind gierige Welse, die das Wasser aufbrodeln lassen, wenn ihre eigene Fischdiaet aus kleinen silbrigen Fischchen handvollweise serviert wird. Die Farm hat auch eine Aussichtsplattform in der zweiten Etage, von wo aus man den aufgeschnittenen, zum Trocknen ausgelegten Fisch auf dem Dach der ersten Etage sehen kann, das schwimmende Dorf auf der einen Seite und den offenen See auf der anderen Seite. Im spaetvormittaeglichen Gegenlicht sieht das Wasser hart und stahlgrau aus, mit den Reflexen einer bleichen Sonne rund um die graubraunen Holzboote unter dem blassblaugrauen Himmel. Ein Moewenschwarm zieht hier seine Kreise und setzt so silbrig-weisse Akzente. (Jaja, habe meinen lyrischen Tag heute.)

Bevor wir die Rueckfahrt antreten, konsumieren wir gemaess einer freundlichen Aufforderung noch ein Getraenk, gewissermassen statt Eintrittsgeld fuer die Fischfarm und statt Toilettenbenutzungsgebuehr. Ja, die haben hier Toiletten …

Um die Mittagszeit kommen wir wieder am Anleger an bzw. an der Stelle, an der wir abgelegt haben. Richtige Anleger gibt es hier gar nicht. Man legt ein Brett vom Boot ans Ufer - fertig! Unweit von hier befindet sich der Phnom Krom, ein Huegel mit Aussicht. Eine Treppe fuehrt hinauf, aber im Moment ist mir der Gedanke, sie in praller Mittagssonne zu erklimmen, sehr zuwider, zumal ich nicht mal ueberzeugt bin, dass es eine tolle Aussicht gibt. Und der Tempel da oben (hier gibt es wohl auf jedem Huegel einen Tempel) wird auch nirgendwo als besondere Sehenswuerdigkeit erwaehnt. Insofern lassen wir ihn einfach buchstaeblich links liegen und fahren zurueck nach Siem Reap. Dass jeder Huegel hier so etwas Besonderes ist, dass man einen Tempel daraufsetzen muss, wird wohl daran liegen, dass das ganze Land unglaublich flach ist. Erwaehnte ich das schon? Es wirkt eigentlich ueberall wie Schwemmland, obwohl es das definitiv nicht ist - weite Ebenen mit Feldern und einzelnen Baeumen und Bueschen. Dagegen erscheint das Muensterland fast schon huegelig. Insofern ist ein Huegel hier immer gleich eine Landmarke mit strategischer Bedeutung.

In Siem Reap steht ein Besuch der Ateliers der "Artisans d'Angkor" (recht schoene Website in englischer Sprache) auf dem Programm. Das ist ein Projekt aus den 1990er Jahren, das knapp 10 Jahre lang mit Foerdergeldern aus Frankreich (?) und spaeter der EU betrieben wurde und jetzt schon seit einigen Jahren autark besteht. In diesen Werkstaetten erhalten begabte Jugendliche aus dem Umland eine Ausbildung in traditionellem kambodschanischem Kunsthandwerk, vor allem als Bildhauer oder Holzschnitzer. Dazu gibt es ein paar andere Richtungen, wie Seidenmalerei oder Oberflaechenveredelung der Bildhauerarbeiten und aehnliches. Die Jugendlichen bekommen die Ausbildung umsonst, dazu ein kleines Entgelt, und die Arbeiten (vornehmlich Kopien von Kunstgegenstaenden aus den Tempeln von Angkor) werden im eigenen Laden und anderswo verkauft. Nach Abschluss der Ausbildung hilft "Artisans d'Angkor", den Jugendlichen eine Arbeit zu vermitteln. Zur Zeit sind das etwa 1000 pro Jahr, das laesst sich doch sehen. Mittlerweile gibt es noch Sonderprojekte, so wird jetzt eine Gruppe von Taubstummen in Seidenmalerei ausgebildet. Als Tourist wird man durch die Werkstaetten gefuehrt und kann den jungen Leuten bei der Arbeit ueber die Schulter sehen und bei der Gelegenheit auch erfahren, wie das Kopieren der Kunstwerke vor sich geht. Und dass die schoenen schwarzen, innen vergoldeten Schuesseln nicht ganz so traditionell sind, wie man denken mag: nur die Oberflaeche ist Handarbeit, die Schuesselrohlinge werden maschinell aus so "uncoolem" Material wie MDF erstellt.

Danach ist Zeit fuers Mittagessen. Sam fuehrt uns in ein neu eroeffnetes Restaurant, das mit Khmer-Familienessen (vermutlich das hiesige Wort fuer Hausmannskost) wirbt. Man sitzt recht nett im Obergeschoss eines Holzhauses auf einer offenen Veranda, es gibt einen nett gedeckten Tisch und Stoffservietten - also mal ein richtiges Restaurant. Leider gibt es entgegen der Ankuendigung auf der Speisekarte unten am Haus nur ein Menu, dabei sind wir wirklich nicht hungrig. Wir "belabern" den Besitzer, dass er uns ein Menu fuer zwei serviert, wozu er sich auch breitschlagen laesst (und was sich als reichhaltig entpuppt und mehr als ausreichend fuer zwei!). Was leider nicht so gut ist: er serviert uns das, was er hat, nicht das, was wir bestellt haben. Die Vorspeisen sind lecker, aber das Schweine-Hauptgericht (von dem ich wirklich genau weiss, dass ich es nicht bestellt habe - habe ja extra was mit Fisch und Rind ausgesucht) ist nun wirklich nicht unser Fall, irgendwie komisch suess-sauer - brrr! Davon muss leider das meiste zurueckgehen. 'tschuldigung, Schwein, das tut mir wirklich sehr leid! Der Nachtisch, irgendwas auf Kokosnussbasis, was ich immer sehr gern mag, ist auch nicht verfuegbar, statt dessen wird uns eine Platte mit frischem Obst angeboten. Eins von den Dingen also, die man eigentlich nicht essen soll. Wir essen es trotzdem und kommen immerhin unbeschadet davon - es wird also wenigstens hygienisch gearbeitet. Na ja. Wir stehen insofern mit gemischtem Eindruck von der Tafel auf.

Fuer den Nachmittag steht das "cultural village" auf dem Programm. Eine Anlage fuer die Touris: verschiedene Gebaeude und Gebaeudemodelle in einer Parklandschaft, allenthalben mit Imbissbuden und Lautsprechern, aus denen es ganz schoen droehnt. Aber da greife ich schon vor. Es beginnt mit einem Wachsfigurenkabinett, in dem Szenen aus der Geschichte Kambodschas sowie beruehmte Persoenlichkeiten dargestellt werden. Da darunter natuerlich auch koenigliche Figuren waren, musste man sage und schreibe seinen Hut abnehmen. Na ja - da hoert mein Verstaendnis aber auf. Fuer 'ne Wachsfigur den Hut abnehmen! - Die zweite Ausstellungshalle darf man "behuetet" betreten, hier sind die Figuren nicht mehr als 20 cm gross und zeigen Leben und Arbeiten zur Hochzeit des Angkor-Reichs. Hier sind auch die Kampfschweine zu sehen, wie sie auf dem Relief im Bayon abgebildet waren.

Dann gehen wir also im Park spazieren. Es gibt immer irgendwo irgendwelche folkloristischen Vorfuehrungen, meist wohl solche, die sich nicht lange mit einem Grenzgang zwischen Kunst und Kitsch aufhalten, sondern sich klar fuer letzteres entschieden haben. O je. Sehr beliebt ist auch der "Judgement tunnel", in dem, wie uns Sam erzaehlt, die Hoellenqualen von den Reliefs in Angkor Wat spannend in Szene gesetzt werden. Der Nervenkitzel kostet extra, und Scharen johlender junger Leute kommen heraus. Och noe! Da ist unser Interesse fuer die diversen Minderheiten, die es in Kambodscha gibt und die jeweils mit einem eigenen Pavillon vertreten sind, rasch am Nullpunkt. Die Modelle des Koenigspalasts und des Nationalmuseums in Phnom Penh im Massstab 1:100 (oder so) reissen uns auch nicht vom Hocker. Wir wollen weg, uns aber vorher noch ein bisschen ausruhen. Als wir diesen Entschluss gefasst haben, sind wir ausgerechnet am chinesischen Pavillon. Und da droht auch noch eine dieser laermigen Vorfuehrungen. Na egal, tun wir uns die noch eben an. Da wird auf Stelzen getanzt, jongliert, mit einem ueberdimensionalen Klebe-Schnauzbart grimassiert - was daran nun speziell chinesisch sein soll, entzieht sich meiner Einsicht, aber egal. Wir fahren alsbald in die Stadt zurueck und besuchen den Psar Chas, den alten Markt.

Der alte Markt findet in finsteren, schmutzigen Hallen statt. Es gibt Lebensmittel, trockene wie frische, Tourikram, Bekleidung und alles, was man sonst noch irgendwie brauchen koennte oder eben auch nicht. Und alles mehr oder weniger durcheinander, nicht zu fassen. Die hygienischen Bedingungen wirken auf mich ziemlich katastrophal. Und dann auch noch die Schweinskoepfe, die einen hier und da anblicken … eins guckt immer noch ganz verschmitzt, das arme Schwein. Allerdings scheinen die meisten hier vorher ein artgerechtes Leben fuehren zu koennen, mit weitgehender Freiheit incl. genug Wuehl- und Suhlmoeglichkeiten. Immerhin.

Sehr faszinierend sehen auch die getrockneten und/oder geraeucherten Fischprodukte aus, ich kann's gar nicht so richtig beschreiben. Eine Sorte wird in mehrere Fleischstraenge geschnitten, die dann irgendwie rundlich nebeneinander ausgebreitet werden. Dann gibt es Teile wie kurze schwarzbraune Aale, offenbar geraeuchert, die abwechselnd in Laengs- und Querschichten zu grossen Kloetzen gestapelt werden. Dies sind nur zwei von vielen Produkten, von denen ich mir nicht ganz genau vorstellen kann, ob und wenn ja wie sie essbar sind …

Als wir genug gesehen haben, geht's zurueck ins Hotel. Wir sind immer noch relativ satt und beschliessen daher, nur noch einen Snack in der Hotelbar zu uns zu nehmen. Der entpuppt sich als weniger klein als erwartet, aber wohlschmeckend. Und hier hat es eben Flair.

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