Da sind sie wirklich grosszuegig, die Chinesen - der Zugang zu Kultur, zum Beispiel im Shanghai-Museum, bleibt sogar dann noch gratis, wenn eine so wertvolle Ausstellung wie das prae-kolumbianische Gold dort gezeigt wird! Das Goldmuseum "Banco de la República" aus Bogota hat gut 250 Stuecke aus seinen Kammern in den ganz fernen Osten geschickt. Die werden jetzt bei frostigen 20 Grad Celsius praesentiert - angeblich, damit sie nicht im Shanghaier Brutofen einfach dahinschmelzen. Na ja?! Man moege sich eine "kleine Wolle" mitbringen, wie die Franzosen sagen wuerden (einer der von mir heiss geliebten Ausdruecke). Das haben wir dann am vergangenen Samstag auch prompt gemacht. Die Waende sind ziegelrot gestrichen, aus matter Goldklebefolie geschnittene Vergroesserungen einzelner Ausstellungsstuecke zieren die als allzu frei empfundenen Flaechen. Klebefolie aufkleben ist auch hier wieder einmal offensichtlich eine Herausforderung gewesen ... Die Vitrinen werden von kannellierten Pilastern hellgrau eingerahmt. Das wirkt irgendwie klassizistisch ... komische Idee.
Die Ausstellungsstuecke selber sind fast ausschliesslich Gold-Stuecke; einige wenige Keramikarbeiten (meist kuenstlerische gestaltete Gefaesse) sind auch dabei. Auf der Webseite des Museums kann man sich in der Rubrik "Masterpieces" einen Eindruck verschaffen. Natuerlich haben sie die Meisterstuecke zu Hause behalten, die Chinesen kriegen wohl die Gesellenarbeiten zu sehen?! Nein, das wuerde ich nicht so sagen. Zwar scheint mir, dass genau die abgebildeten Stuecke nicht ausgestellt waren, aber fuer mein Laienauge waren die gezeigten Stuecke gleichwertig.
Bizarr erschienen mir vor allem die sogenannten Nasenringe. Das waren eben nicht einfache Ringe, sondern vermutlich Zierat, der in einen durch die Nase gezogenen Ring irgendwie eingehaengt werden konnte ... anders kann ich mir jedenfalls nicht erklaeren, wie das funktioniert haben soll. Und bei manchen dieser bestimmt bis zu 30 cm breiten Goldornamente war das Resultat vermutlich, dass die "Eldoradisten" (voilà! eine ganz frische Wortkreation von mir) ihr goldenes Brett vor dem Kopf auf Hoehe des Mundes getragen haben. Ich hatte mir bisher bei diesem Ausdruck immer ein hoelzernes Brett vor der Stirn vergegenwaertigt ...
Die Ausstellung war jedenfalls gut besucht, auch von vielen Langnasen. Eigentlich schade, dass die Museumsleitung keine kleine Formenvergleichsecke eingerichtet hat: "Dialog der Kulturen", oder so. Einige der kolumbianischen Formen kamen mir nicht unchinesisch vor; sie erinnerten an typischen Muster von Bronzeobjekten aus der Shang-Zeit. (So wie vielleicht dieses.) Das waere spannend gewesen, sie nebeneinander zu sehen. Ob die Suedamerikaner das im naechsten Jahr auch bemerken? Denen wird das Shanghai-Museum dann naemlich eine Ausstellung mit Stuecken "rund um den Drachenthron" zusammenstellen (den genauen Titel habe ich schon wieder vergessen). Man haette jedenfalls in die Halle nebenan gehen koennen, oder ins dritte Obergeschoss in die Jadesammlung, in der es auch vergleichbare Formen zu finden gegeben haette - aber das ist einfach nicht dasselbe, wie die Stuecke wirklich nebeneinander liegen zu sehen.
Wir sind also nicht in die Bronzesammlung gegangen, sondern haben noch kurz die Ausstellung mit einer Werkschau des Malers und Kalligraphen Xie Zhiliu betrachtet. Der haette naechstes Jahr seinen 100sten Geburtstag feiern koennen", wenn er nicht gestorben waere, doch er starb im Nu". Gar nicht so schlecht! In der Beschreibung hiess es, die Werke dieses Kuenstlers bewegten sich an der Grenze zwischen Tradition und Moderne - fuer mich sieht es so aus, als liege der Schwerpunkt sehr deutlich auf der Seite der Tradition. Nach Meinung von Zheng Hong ist seine Malerei gut, aber nicht erstklassig, seine Kalligraphie aber doch. Mir sind vor allem die sagenhaft schoenen Stempel aufgefallen. Da kann man ja vor Neid erblassen! So welche haette ich auch gern.
Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!
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Das neue Jahr des Schweins
Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.
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