Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 9. August 2009

Shanghai TCM Museum

TCM - das ist bekanntlich weder eine neue oder alte Managementmethode (Transcendental Change Management) noch eine mysterioese Krankheit (Typhogene Cephalo-Meningitis) und auch keine Italo-Edelklamottenmarke (Trulli, Ciambo & Menzani), sondern traditionelle chinesische Medizin. In Shanghai gibt es dafuer sogar ein eigenes Museum. Man denkt an muffige olle Hallen, wenn man liest, dass es bereits 1938 gegruendet wurde - aber nein, vor fuenf Jahren ist es in den Zhangjiang Hi-Tech Park "jwd" in Pudong umgezogen. In ein rundes Museumsgebaeude auf dem Gelaende der Shanghai University for Traditional Chinese Medicine. Kaum zu finden ... samstags ist der ganze Campus ziemlich oede. Noch spannender ist, dass man auf dem Weg dahin (eine gute halbe Stunde Fahrt von zu Hause aus) durch Viertel von Shanghai kommt, die ganz so aussehen wie auf dem chinesischen Land. Da bekam ich gleich Urlaubsgefuehle.  ;-))  Gestern hatten wir uns naemlich besagtes Museum vorgenommen. Erstens war das Wetter nicht gut (grau mit sehr hoher Regenwahrscheinlichkeit), zweitens war dieses Museum schon laenger auf der Liste, drittens war es neulich noch mal in einer dieser "Wann-ist-wo-was-los-in-Shanghai" fuer Expats kurz vorgestellt worden, und viertens hatte am Freitag eine schwangere Kollegin einen Termin abgesagt mit der Erlaeuterung, ihr Baby habe sich noch nicht gedreht und sie wolle zu einem dieser traditionellen chinesischen Aerzte, damit er mit seiner Zauberei - ja, so drueckte sie sich aus - helfe moege. Wenn das nicht Gruende genug sind!

Nun, mit nur ganz wenig Suchen haben Han Shifu und wir es dann gemeinsam gefunden. Extra fuer uns hat die Pfoertnerin das fahrbare Tor zur Seite fahren lassen, so dass wir auch hinfahren koennen. Insgesamt sah das alles ein bisschen abweisend aus; ich glaube, Besucher sind da vielleicht nicht unerwuenscht, aber auch nicht speziell erwuenscht. Wir wollen keinen Audio Guide - und duerfen zur Strafe umsonst hinein, wo doch ueberall steht, dass es 15 RMB kostet. Ja dann. Im Erdgeschoss sind Bilder von Konfuzius, Laozi, Zhuangzi und anderen halb schon mythischen Philosophen, meist Abklatsche von Steinbildern. Das soll wohl den philosophischen Hintergrund der TCM erklaeren. Die Ausstellungsstuecke, darunter steinzeitliche Knochenakupunkturnadeln, sind alle zweisprachig beschriftet, sehr loeblich. Andererseits helfen die Texte auch nicht sooo viel weiter - sie erscheinen zum Teil sogar leicht absurd: XY, auch genannt XZ oder WU, aus dem Ort AB in der Provinz CD, heute EF, Schueler von PQ, auch PR oder TS genannt, war spezialisiert auf fiebrige Erkrankungen. Ach so ist das, JETZT sehe ich klar! Hauptstueck ist eine geschlechtslose Bronzestatue, die trotzdem einen Lendenschurz traegt, und auf der alle Akupunkturpunkte markiert sind. Sie ist etwa lebensgross und von leicht gedrungenem Koerperbau.

Im ersten Obergeschoss gibt es allerhand Buecher, Raeuchergefaesse, Medizinflaeschchen, Pillendosen und -pressen, Massagegeraete, Sets von Akupunkturnadeln in schoen gearbeiteten Koecherchen, Moerser und andere Geraetschaften. Ausserdem Bilder von Aerzten und von Medizin-bezogenen Themen wie zum Beispiel ein bemalter Faecher, auf dem gezeigt wird, wie jemand diese grossen Baumpilze erntet. Und viele Kalligraphien, denn Aerzte waren in erster Linie Gelehrte, und insofern auch Kalligraphen.

Das zweite Obergeschoss zeigt dann eine umfangreiche Sammlung von chinesischen Arzneien. Das faengt mit einfachen Gewuerzen wie Sternanis an und hoert bei Flughoernchenkacke (von Trogopterus xanthipes) nicht auf. Natuerlich sind auch Tigerknochen, getrocknete Schlangen, Schuppentierschuppen, Medizinalmagnolienrinde und weitere tierische, pflanzliche und mineralische Sachen dabei. Alles kann man gar nicht wuerdigen, ueber 3000 Stuecke. Ich krieg' mich heute noch nicht ein ueber die Flughoernchenkacke - leider stand ja nicht dabei, wogegen die helfen soll, aber in dem verlinkten Artikel steht: gegen Zwoelffingerdarmgeschwuere. Gut, dass man das nicht unbedingt bei Husten oder Heiserkeit einzunehmen braucht .. Schoen ist ja auch immer, dass Medizin wie zum Beispiel Ginsengwurzeln oder getrocknete, geplaettete Geckos oder Temminckhirschgeweih huebsch mit roten Schleifen in der Praesentationsschachtel festgebunden wird. Und das Winterwurm-Sommergras, tibetisch Jartsa Gunbu, fehlte natuerlich auch nicht. Das wird in Tibet geerntet und entsteht, wenn ein Pilz eine im Winter noch froehlich durch die Erde kriechende Raupe (daher Winterwurm) befaellt und ihr nach genuegender Ausbreitung in ihrem Koerper befiehlt, sich dicht unter der Bodenoberflaeche zu halten, wo die Raupe dann vom Pilz endlich getoetet wird und der Pilz einen Pilzfaden wie einen vertrockneten Grashalm aus dem Boden heraus wachsen laesst. Echte Horrorgeschichten aus dem Tierreich!

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