Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Sonntag, 16. März 2008

Suzhou

Ah, endlich mal wieder ein Ausflug! Nachdem das Wetter gestern sonnig und blau und fruehlingshaft war, war es heute leider trueb und grau - schade, irgendwie ist das hier oft so, dass nur einer der beiden Wochenendtage schoen ist. Um die Mittagszeit und am fruehen Nachmittag hat immerhin mal die Sonne hervorgelugt, aus dem nach wie vor grauweissen Himmel (sehr unguenstig zum Fotografieren). Aber das war nur eine Episode. Aber ich will ja nicht meckern: da wir einen Schirm eingepackt hatten, blieb es trocken.

Um halb neun (!!) hat uns Ding Shifu also seine Freundin vorgestellt, denn er hatte gefragt, ob er sie mitnehmen koenne. Klar, warum nicht, kann uns ja nur recht sein. Nach etwa eineinhalb Stunden waren wir da. Leider war sie im Kartenlesen nicht so geuebt, so dass die beiden uns nicht an der Nordtempel-Pagode (Bei Si Ta, sprich be-i ße ta, mit unbetontem e) abgesetzt haben, sondern am Garten des bescheidenen Verwalters (Zhuozheng Yuan), der je nach Reisefuehrer auch schon mal Garten der Politik des einfachen Mannes heisst. Es ist aber immer derselbe. Und auf dem Stadtplan sieht es so aus, als laege die Pagode ganz in der Naehe. So nah ist das dann aber nicht, bestimmt war es ein knapper Kilometer zu laufen. Die Stadt ist recht gross, mit mehr als zwei Millionen Einwohnern - ich hatte sie mir irgendwie etwas kleiner und doerflicher vorgestellt. Da wir nicht sofort einen Referenzpunkt auf dem Plan hatten, habe ich uebrigens auf Chinesisch nach dem Weg gefragt und die Antwort sogar verstanden, ich bin stolz!

Die Pagode hat sieben Stockwerke und sieht recht solide aus - das ist auch gut so. Insgesamt sind es 218 Stufen bis nach oben. Man hatte einen schoenen Ueberblick ueber das Tempelgelaende (alles neu) und ueber die grauen Daecher auf den weissen Haeusern der Stadt - jedenfalls stehen solche traditionellen Haeuser auf dem Gebiet zwischen dem Garten und der Pagode. In der Ferne war eigentlich gar nichts zu sehen, ausser ein paar Schemen vielleicht, denn es war schon sehr truebe. Ich muss sagen, ich hatte auch mehr Kanaele und mehr Gaerten erwartet - Fehlanzeige.

Nachdem wir alles ausgiebig besichtigt hatten, sind wir zurueckgegangen zum Garten des bescheidenen Verwalters. Das ist einer der Gaerten Suzhous, der zum Weltkulturerbe zaehlt. Leider natuerlich dementsprechend auch in der Nebensaison sehr voll. (Immerhin kostet's da auch nur 50 RMB pro Nase statt 70 in der Hauptsaison.) Wir haben erst einmal einen Tee getrunken. Im Teeraum (einer lichten Halle) wurde uns auch ein Gesang angeboten fuer 60 RMB - ein Duett waere ihr Preis gewesen, von kostuemierten Saengern vorgetragen. Aber der junge Herr im roten Gewand mit ueberlangen Aermeln hatte uns ein schoenes Mittherbstlied vorgeschlagen, wer will das denn um diese Jahreszeit hoeren?? Ich hab' was von chun = Fruehling gemurmelt, aber er wollte nichts hoeren. Dann wurde eben auch kein Lied bestellt.

Der Garten selbst wirkt unerwartet offen, und er war natuerlich noch recht kahl. Vielleicht ist er im Sommer "zugewachsener", wer weiss - irgendwie wollte nicht so viel Stimmung aufkommen. Natuerlich ist der Garten trotzdem sehr schoen, mit Pavillons und moeblierten und geschmueckten Hallen, Bruecken und Stegen und Durchgaengen ... eine grosse Bonsaisammlung gibt es auch, mit preisgekroenten Exemplaren.

Nachdem wir vom Protz des bescheidenen Verwalters genug gesehen hatten (so bescheiden war das ja nun alles nicht), sind wir zum Loewenwald-Garten gegangen (Shizi Lin, sprich sche dse lin, mit unbetonten e-s). Da gibt es weder Loewen noch Wald, sondern vor allem Steine. Bizarre Steine, die zu kuenstlichen Gebirgen aufgetuermt wurden. Angeblich sollen einige der Steine wie Loewen aussehen ... na ja. Es fuehrt ein labyrinthischer Weg durch die Anlage, wobei labyrinthisch im engeren Sinne gemeint ist. Ein Labyrinth unterscheidet sich von einem Irrgarten dadurch, dass es nur einen Weg gibt (mehr darueber zum Beispiel hier) - so dass ich nur darauf zu achten brauchte, nicht zu straucheln und mir nicht den Schaedel einzuschlagen. Beides kann man hier leicht ... die zahlreichen Steinstufen sind oft von unzaehligen Benutzern spiegelglatt poliert, und die Hoehlengaenge im kuenstlichen Gebirge sind oft recht niedrig. Die kleine Pflaumenbluetenausstellung ist schon verblueht hier - aber in diesem Garten wie auch ueberall sonst beginnen die Magnolien zu bluehen.

Als wir uns auch hier sattgesehen haben, schlagen wir noch den Weg zum daoistischen Tempel des Mysteriums ein (Xuanmiao, sprich schü-en miao mit einem Zischlaut am Anfang, den ich "kleines sch" nenne und der in anderen Romanisierungen mit "chs" wiedergegeben wird, wobei dann das ch wie in "ich" zu sprechen waere). Unterwegs kaufen wir uns ein gedaempftes Broetchen mit Fleischfuellung aus dem grossen Dampfkorb, fuer 1 Yuan das Stueck. - Als wir in die Guanqian Jie einbiegen, an der der Tempel liegen soll, trifft uns fast der Schlag: eine Fussgaengerzone ist das, ganz nach westlichem Muster, dementsprechend mit so wunderbaren Etablissements wie KFC und McDonald's, dazu Boutiquen und grosse Geschaefte mit allem Moeglichen. Und Minitrain, der die Strasse 'rauf und 'runter faehrt. Hier tobt der Baer, und wenn nicht die Passanten fast alle asiatisch aussaehen und es zwischendurch ein paar Versatzstuecke chinesischer Architektur zu sehen gaebe, wuerde man gar nicht merken, dass man in China ist. - Der besagte Tempel hat laengst geschlossen, es ist ja jetzt schon fuenf Uhr durch. Wir muessen uns also mit ein paar Aussenansichten zufriedengeben und machen uns dann auf den Rueckweg. Wir wollen Ding Shifu um 18 Uhr am Ausgangspunkt wieder treffen, wo er samt Freundin auch schon um 10 vor 6 auf uns wartet.

Wenn ich nicht dauernd so gefroestelt haette (nur an der Pagode war es mir ein bisschen warm, als die ersten Sonnenstrahlen durchkamen, die stark genug waren, schwache Schatten zu werfen), waere es ein richtig schoener Tag gewesen - so nur ein schoener. Um 19:30 Uhr waren wir wohlbehalten wieder daheim.

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