Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 30. Mai 2009

Shanghai ist eine Hafenstadt!

Es ist zum Wahnsinnigwerden! Gestern Abend habe ich einen schoenen Artikel ueber unsere Bootsfahrt verfasst, und als ich auf "veroeffentlichen" klickte, war der aktuell genutzte Proxy nicht mehr verfuegbar, und der ganze Text ist in den finsteren Biteimer gefallen. Alles weg! So eine Sch… Und das bloss, weil irgendwelche Leuten meinen, sie koennten irgendwelche anderen Leute gern mal beim Fuehren ihres Online-Tagebuchs behindern. Grrrrrrrrrr!

Also auf ein Neues. Ab sofort wird nur noch lokal geschrieben, auf dem Rechner in Word, dankbarerweise gibt es ja cut&paste (ausschneiden & einfuegen), was nach meiner persoenlichen Wahrnehmung neben undo (rueckgaengig machen) die groesste Errungenschaft des computergestuetzten Arbeitens ueberhaupt ist. Jaja, haette ich gestern auch schon so machen sollen, ich weiss. Grrrr.

Shanghai ist also eine Hafenstadt. Theoretisch weiss ich das schon ewig, aber praktisch? So richtig gefuehlt, gesehen, erlebt hatte ich das noch nicht. Zwar fuehrt der vielbefahrene Huangpu mitten durch die Stadt, aber durch Koeln fuehrt auch ein vielbefahrener Fluss, und nach meiner Kenntnis wuerde niemand es als Hafenstadt kategorisieren. Ich wollte auch schon seit Ewigkeiten mal eine Hafenrundfahrt machen, habe aber nie ein Angebot dafuer gesehen. Egal. Gestern war das Wetter ganz gut, und ich habe es geschafft, uns beide mal rechtzeitig vor zwei Uhr nachmittags auf die Bund-Seite zu lotsen, zwecks Boetchenfahrt: einmal Yangzi-Muendung und zurueck. Drei Stunden soll das dauern.

Wir nehmen also die klimatisierte Faehre fuer sage und schreibe 2 RMB pro Nase und kommen auf der Bundseite inmitten einer Baustelle an. Der ganze Bund ist jetzt eine einzige Baustelle. Die Stadtkosmetiker haben schon die Maske aufgetragen, unter der jetzt alles erneuert wird, damit das Gesicht der Stadt naechstes Jahr in voller Schoenheit die zahlreichen Expo-Besucher anstrahlen kann. Die ganze Promenade ist gesperrt, man kann nur aus der Ferne hier oder da mal einen Bauarbeiter dort entlang gehen sehen. Wo jetzt wohl die allmorgendlichen Taijiquan-Praktizierer Zuflucht gefunden haben?

Wie auch immer, alles ist aufgerissen, staubig, kaputt, abgesperrt. Wir finden aber doch eine Ticket-Bude, angeblich die des ersten Anbieters am Platze. Da wir weder Zeit noch Lust haben, nach Alternativen zu suchen, kaufen wir uns zwei Karten zu je 150 RMB. Na gut, fuer drei Stunden Schifffahrt mag das ja wohl angehen. Dann muss die Ticketverkaeuferin uns erst noch den Weg zeigen. Ca. 100 Meter begleitet sie uns, von da aus kann sie uns erklaeren, wo's langgeht: da hinten links. Hinten links kommen wir zu einem Anleger, von dort auf ein erstes Schiff, auf ein zweites, und dann auf das, mit dem wir fahren werden. Oben und unten gibt es klimatisierte Innenraeume und hinten ein offenes Deck. Die Chinesen waehlen die Kuehle, die zahlreichen Langnasen "knubbeln" sich draussen. Ich habe schon Sorge, dass gleich einer von der Besatzung kommt und nachzaehlt, denn auf einem Schild steht, dass sich draussen nur 30 Fahrgaeste aufhalten duerfen … Kommt aber keiner, bzw. zaehlt aber keiner, und um fuenf nach zwei legt das Schiff ab.

Die Skyline von Pudong ist natuerlich immer wieder schoen, aber nun auch nicht soooo neu und unbekannt, dass sie uns vom Hocker reissen wuerde. Das Schiffchen gibt ganz schoen Gas, muss es auch, denn ich habe irgendwo gelesen, dass es bis zur Muendung etwa 30 Kilometer sein sollten. Meine reichliche Schifffahrtserfahrung sagt mir, dass einem 20 km/h auf dem Wasser schon ziemlich schnell vorkommen. Und etwa so schnell sind wir dann wohl jetzt.

Bald darauf erreichen wir das Ascott, in dem wir unsere ersten Wochen in Shanghai verlebt hatten. Der Platz zwischen Ascott und Fluss sieht schon wieder ganz umgestaltet aus, und wir sehen auch, dass die Uferpromenade jetzt schon bis hierher und weiter in Arbeit ist. Alles muss bis naechstes Jahr fertig werden … na, da haben die Bau- und Gartenbaufirmen ja genug zu tun. Bald darauf passieren wir das Fort am gegenueberliegenden Ufer. Sagt Burkhard. Ich hab' davon bisher noch nie gehoert und bin auch nicht sicher, ob es wirklich alt ist. Es hat Shikumen-Architektur: graue Ziegel mit roten Streifen, und sieht wie ein flachgedruecktes Maerchenschloss aus: breit und mit Zinnen.

Und dann nimmt die Wohnbebauung ab, und an den Ufern sieht es nach Gewerbe und Industrie aus. Und nach Hafen: Wir kommen an Schwimmdocks und Trockendocks vorbei, also Werftgelaende, mit diesen Kraenen, die mich immer an grosse, metallene Voegel erinnern. Saeuberlich angestrichene nagelneue Schiffe liegen da (obwohl ich nicht glaube, dass an denen irgendwas genagelt wird), aber auch aeltere Modelle zur Ueberholung.

Bald darauf sehen wir das erste Containerlager, in dem die bunt angestrichenen Container ein farbenfrohes Zufallsmuster ergeben. Auf einem am Ufer festgemachten kleinen Schiff stehen einige wenige Container, auf denen der Schriftzug "Hamburg Sued" prangt. Prangen tun auch die Namen der Schiffe aus aller Herren Laender. Susana S aus Bergen, und ein echter Nassauer ist auch da. Mir gefaellt ja auch die "Lodestar Princess" gut, die uns ueberholt. Meine Theorie ist allerdings, dass sie Lonestar Princess heissen sollte, aber dass derjenige, bei dem der Malermeister rasch anrief, um nach dem Namen zu fragen, gerade einen tuechtigen Schnupfen hatte.

Als naechstes gucken die Rohre einer Raffinerie aus der zweiten Reihe am Ufer hervor. Aha, eine grosse Anlage der staatlichen chinesischen Oelfirma Sinopec, mit einer ganzen Reihe von eigenen Schiffsanlegern. Hier faellt auch ein schickes Buerogebaeude ins Auge, an dem die vier markanten fetten Buchstaben einer deutschen Chemiefirma prangen, die sich urspruenglich auf Anilin und Soda konzentriert hatte. Dabei scheint es mir weniger hilfreich, ein Buerogebaeude neben der Raffinerie zu errichten – das waer' doch eher ein Ort fuer Produktionsanlagen?!

Und ueberall liegen Schiffe vor Anker. Nicht nur Frachtschiffe, auch jede Menge Kriegsschiffe. Was machen eigentlich die Marinesoldaten den lieben langen Tag, wenn die Schiffe hier vor Anker liegen? Die Geschuetze polieren jedenfalls nicht, die meisten sind mit Stoffueberzuegen abgedeckt. Ausser einzelnen Wachen ist kaum jemand zu sehen. Ob auch lose Kanonen an Deck dabei sind, kann ich von meinem Standpunkt aus nicht ausmachen. ;-)) Yellow Submarine ist Fehlanzeige, aber ein schwarzes U-Boot liegt hier auch herum. Ich erinnere mich an die Besichtigungen von U-Booten: selbst in den groesseren Modellen herrscht schreckliche Enge. Dieses hier sieht recht klein aus – das muss innen besonders furchtbar sein.

Um kurz nach halb vier erreichen wir so langsam die Yangzi-Muendung. Genau betrachtet die Stelle, wo der Huangpu in den Yangzi muendet; aber der Yangzi muendet eben hier ins Meer, und seine Muendung ist so breit, dass es fuer uns schon aussieht wie das offene Meer. Es herrscht ein richtiges Gedraenge von Schiffen, und dementsprechend sieht man auch nicht die Geister ueber dem Wasser schweben und singen, sondern bloss einen gelben Smogstreifen. Hier ist wohl alles ziemlich verschmutzt; noch kuerzlich hoerte ich, dass der Yangzi die groesste Einzel-Verschmutzungsquelle fuer das chinesische Meer ist. Auch von Gesang kann keine Rede sein. Ich bin sowieso vom Motorengeraeusch unseres Schiffes ganz muerbe.

Wir passieren einen kleinen Leuchtturm, der hier fest ins Wasser gebaut wurde und ganz malerisch aussieht. Ein bisschen verloren vielleicht, er ist so klein. Dann geht es zurueck. Ich bleibe einfach auf meinem Stuhl an Deck sitzen und kann jetzt die andere Uferseite in Augenschein nehmen, die aber qualitativ nicht anders aussieht. Wenn man mal davon absieht, dass die Sonne jetzt schon einen Spaetnachmittagston annimmt, aber sich mit einem kleinen Dunstschleier bedeckt. Irgendwo am Horizont kann man aber immer die schemenhaften Silhouetten des JinMao und des SWFC ausmachen, manchmal an den ueberraschendsten Stellen.

Nach einer guten Stunde (vermutlich drueckt die Flut gerade das Wasser in den Huangpu hinein, ich erwaehnte wohl frueher mal, dass das einer der Fluesse ist, der seine Fliessrichtung zweimal am Tag umkehrt …) erreichen wir wieder den Innenstadtbereich. Wir kommen an einem Frachtschiff vorbei, das weisse Brocken geladen hat. Stimmglaettendes Wolfsfutter?

In der Naehe des neuen Kreuzfahrtschiffsanlegers erwartet uns das gruen gestrichene Haibao-Schiff, das eine Reklametafel und das Motto der Expo spazieren faehrt: Better City, Better Life. Eine Schifffahrtsgesellschaft hat schon ihre eigene Variante entworfen: Better Cruise, Better Expo. Na dann!

Gegen viertel vor fuenf legen wir wieder an, jetzt im schoensten Abendsonnenschein. Der JinMao strahlt wieder, dass es eine Pracht ist. Wer nach Shanghai kommt und ein bisschen Zeit hat, sollte diese Tour unbedingt machen!

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