Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Mittwoch, 16. Juni 2010

Ich war da-ha!

Kraft Regierungsbeschluss hatte unsere Personalabteilung das letzte Wochenende auf Montag und Dienstag verschoben (ja, sowas gibt's auch nur in China oder aehnlichen Laendern ...). Das heisst, die letzte Woche hatte sieben Arbeitstage, naemlich von Montag bis Sonntag, dafuer war gestern und vorgestern, also Montag und Dienstag, Wochenende. Und der ganze Heckmeck (das ganze Bohai?!) bloss, weil sich heute in grauer und unbestimmter Vorzeit ein aufrechter Beamter wegen ungerechter Anfechtungen in einem Fluss ertraenkt hat, weshalb irgendwann Leute angefangen haben, am selbigen Tag Rennen im Drachenboot zu fahren und daraus gleich einen Festtag zu machen. Wobei mir nicht klar ist, was der Ruderwettkampf mit besagtem Selbstmord zu tun hat. Aber egal.

Als ich am fruehen Montagmorgen mal erwachte, war es draussen zwar grau, aber mit einem leisen Anflug von Sonnenlicht, weshalb ich "ein froehliches Liedlein" anstimmte und Burkhard so weckte. Immerhin hatte der Wetterbericht sonnige Abschnitte versprochen, also hiess es: Jetzt oder nie!, und wir richteten uns darauf ein, an diesem Tag (trotz dekretierten Wochenendes) zur Expo zu fahren. Gegen viertel vor zehn machten wir uns auf.

Das Wassertor hier an "unserer" Faehrstation ist praktisch, und es ist auch keine Warteschlange zu sehen. Leider verpassen wir die Zehn-Uhr-Fahrt, denn wir muessen die Eintrittskarte kaufen und durch die Sicherheitskontrolle und durch Schlange-Steh-Serpentinen und bis ganz hinten zum allerletzten Boot, das um 10:20 Uhr abfahren soll. Leider kommen wir gerade so, dass die Sitzplaetze alle belegt sind, schade ... bei dem Gedanken an die Expo-Herumlatscherei tun mir die Fuesse schliesslich jetzt schon weh. Mittlerweile gibt es auch keinen Anflug von Sonne mehr, es ist grau in grau. Nun ja. Nach etwa 25 Minuten erreichen wir die Anlegestelle in der Naehe der "UBPA", der Urban Best Practices Area. Burkhard kriegt sich kaum ein darueber, wie voll es ist im Vergleich zu dem Tag vor einiger Zeit, als er schon einmal da war. Dabei ist es nicht mal allzu voll. [Und uebrigens ist die Toilette, die wir hier aufsuchen, trotz des Besucherandrangs recht ok, man *und nicht einmal frau* muss praktisch nicht warten, es gibt Papier, Wasser, Seife und sogar Papierhandtuecher. Seit langem die beste oeffentliche Toilette in China ... und anderswo.]

Wir erkunden erst einmal den Bereich, den Burkhard bei seinem ersten Besuch ausgelassen hatte. Da gibt es sogenannte "joint case"-Pavillons, in denen verschiedene Staedte sich praesentieren. Au ja, nach Duesseldorf! Der Duesseldorfer Buergermeister grinst leicht ueberlebensgross von einem Plakat, und Schautafeln praesentieren die Schoenheiten und Vorteile zum Beispiel der Rheinuferpromenade und des Medienhafens. Staedtische Errungenschaften eben! Haeuserfassaden à la Altstadt, Fotos zum Beispiel von der Koe und ein Bodenbelag wie auf der besagten Promenade komplettieren das Bild. Na, da fangen wir am besten gleich an, die begehrten Stempel einzusammeln! "City of Düsseldorf" prangt als erster auf unserem Expo-Plan. Bald finden wir auch Freiburg (da gibt's Stadtteilautos, von denen 160 ca. 1000 Privatfahrzeuge ersetzen) und Bremen (da gibt's vier Stadtmusikanten mit einem goldfarbenen Autogramm von Horst Koehler auf dem Esel). Die Schlange am Hamburger Pavillon ist uns schon zu lang, da muss man voraussichtlich mehr als 15 Minuten warten (das ist so unser Limit).

In der Tapas-Bar "in Madrid" nehmen wir einen Imbiss zu uns, und als wir da fertig sind - regnet es. Baaaeeeh! Ist ja scheusslich! Wir stellen uns ca. 10 Minuten fuer London an (die Schlange ist ueberdacht), aber hinterher regnet es immer noch. So ein Mist! - Shanghai hat ein eigenes vierstoeckiges Eco-Haus, aus dem mir die Ecke mit den schrifttragenden Medien in Erinnerung geblieben ist - der Grund dafuer wirkt aber nur auf Englisch: bamboo slips, parchment, jute paper, rice paper, newspaper. Und die Loesung, wie Kinderhaende schadenfrei Tisch und Waende beschmieren koennen: man malt einfach mit dem Finger auf der Wand, und der Finger hinterlaesst rote Lichtspuren. Wenn die Wand voll ist, kann man sie einfach mit der flachen Hand auswischen und von vorn anfangen.

Nachdem wir uns hier genuegend umgesehen haben, wollen wir eigentlich direkt mit der Faehre auf die Pudong-Seite mit den Laenderpavillons uebersetzen, aber die Schlange da ist ein wahres Ungeheuer. So was Bloedes! Die haetten genuegend Schiffe und Anlegeplaetze, um fuer einen zuegigen Transport der Menschen zu sorgen! Aber nein, statt dessen setzt man nur wenige Ressourcen ein und faehrt genau nach Fahrplan, nicht etwa, wenn ein Schiff voll ist. Koennen die Gaeste halt warten. Umpf. Das uebersteigt unser Viertelstundenlimit, also beschliessen wir, erstmal auf der Puxi-Seite weiterzugehen. Ueberall sind Schlangen beachtlicher Laenge, am Erdoel-Pavillon, am Schiffsbau-Pavillon, am Luftfahrt-Pavillon undsoweiterundsofort. Die Anzeigetafeln verkuenden meist so drei bis vier Stunden Wartezeit. Bin ich denn des Wahnsinns fette Beute??

Wenigstens ist der Andrang an der naechsten Faehrenhaltestelle nicht so gross. Wir besteigen ein Schiff Richtung Afrika-Pavillon. Das braucht 10 Minuten zum Fahren und dann 10 Minuten zum Anlegen. Erster Versuch: wir haben noch ca. einen Meter Wasser zwischen der linken Schiffsseite und dem Anleger. Aber irgendwie will der Meter nicht schmaler werden, auch mit einigem Hin- und Herhampeln nicht. Also wieder ein bisschen weg, dann ein bisschen viel weg, auf der Stelle das Schiff drehen und dann mit der rechten Seite anlegen. Wie gesagt, 10 Minuten. Die Besucher hamja Zeeeeiiiit.

Im Afrika-Pavillon werden wir Zeuge einer kleinen Anekdote. Da sitzt eine afrikanische Matrone und malt Chinesinnen traditionelle Henna-Muster auf die Haende - das gibt's ja nicht nur in Indien. Als eine gerade fertig ist, entsteht eine winzige Pause, bis die naechste aus der Schlange auf dem Stuhl am Maltischchen Platz genommen hat. Die Afrikanerin ist aber sooooo muede, dass ihr sofort die Augen zufallen. Sie schlaeft einfach im Sitzen ein - kann einem leid tun, die arme Frau! Bestimmt total fertig. Und das mitten in einem Pulk laermender Chinesen (ca. 99 Prozent der Besucher, wuerde ich sagen) mitten in einer riesigen Halle. Wir haben nicht gewartet, wie die Situation geloest wurde ... die naechste Chinesin war ja nun ganz verunsichert. Sie legt erwartungsvoll ihre Hand auf den Tisch ... und nichts passiert. Was tun??

Wir besuchen einige andere Sammelpavillons: Suedamerika und die karibischen Inseln - das sind ja ganz coole Staende da. Voll mit leeren Regalen! Keine Ahnung, was das soll - vielleicht waren da vorher Ausstellungsstuecke drin, die dauernd soviel angegrapscht wurden, dass man sie am Ende doch lieber entfernt hat? Oder hat das Budget nur fuer das Aufbauen der Regale gereicht und dann nicht mehr weiter? Oder waren da die Geschenke drin, die fuer ein halbes Jahr haetten reichen sollen, dann aber doch nach einem Monat schon alle vergriffen waren? Wie auch immer - jedenfalls haben die hier wenigstens die froehlichen karibischen Rhythmen, die jede Leere noch irgendwie mit guter Laune fuellen.  ;-))  In Cuba ist die Laune so gut, dass der Pavillon gleich ganz geschlossen ist. Vor einem heruntergefahrenen Garagentor steht aber doch ein Stempelausteiler ... ich vermute ja, dass es anderenfalls Randale gaebe.

Mit dem Regen wird es nicht besser, und so langsam bin ich etwas unmutig, weil es nicht so recht was "fuer den kleinen Hunger" gibt. Langsam kommt auch schon die Abenddaemmerung ... Burkhard meinte, im Luxemburger Pavillon gaeb's ein gutes Restaurant. Na ja - der Blick auf die Karte verraet schon, dass es wahrscheinlich "nit so doll" ist, aber immerhin gibt's weisse Tischtuecher, Blumen auf den Tischen, und es ist mit schoenem Geschirr und Glaesern eingedeckt. Wir haben auch keine Lust, etwas anderes zu suchen, und beschliessen also, eine  "Luxemburger Wurst" zu essen. Keine Ahnung, ob das da eine Spezialitaet ist ... jedenfalls gibt es vorher eine heisse Suppe und dann die besagte Wurst. Eine gebruehte Weisswurst mit einer weisslichen Sauce, die aussieht wie Mayonnaise, aber schmeckt wie - ja wie eigentlich? Viel Geschmack hat sie nicht. Dazu ein Broccoliroeschen und ein paar Moehrenstreifen, beides korrekt knackig immerhin, und Kartoffelpueree aus dem Beutel. Da werden die sich wohl dumm und daemlich dran verdienen ... dieser Teller mit der Wurst kostet 178 RMB! Und beinahe haette ich's vergessen: Zur Suppe bekam jeder von uns ein halbes Broetchen und Butter. Ein halbes! Und das war von vorgestern, aufgebacken und daher eher eine Art Zwieback ... Und zu allem Ueberfluss wurden die Gaeste hier auch noch tiefgekuehlt! Ach ja, und noch was: voellig unpassend zum Stil des Restaurants lief auf einigen Fernsehern die Fussball-WM, Deutschland gegen Australien.

Danach sind wir noch bis zur Expo-Achse gegangen, haben unterwegs etwas gegessen, das sich "belgische Waffel" nannte, und dann hatte ich eigentlich auch keine Lust mehr. Unterwegs waren wir noch kurz im kambodschanischen Pavillon - das war so ungefaehr der einzige, an dem es keine Schlange gab. Der beruehmte China-Pavillon ist einfach nur ein Grosskotzklotz, und voellig unerreichbar. Zugang ausschliesslich per Reservierung, und eine Reservierung kann man bekommen, indem man sich morgens um neun Uhr an den Eingangstoren einfindet und hofft, dass man eins abbekommt. Neee, lass ma'!

Nach ca. 11 Stunden waren wir dann wieder zu Hause, und nach einem leckeren Espresso und einem schoenen heissen Fussbad (aaah! wie taten mir die Fuesse weh!) bin ich auch gleich ins Bett gegangen.

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